Habitatbäume als Steuerungsmittel aktueller Forstpolitik? -  Maurice Schäfer,  Justus Eberl

Habitatbäume als Steuerungsmittel aktueller Forstpolitik? (eBook)

Die Attraktivität von Zuwendungen des Bundes im Rahmen des Förderprogramms Klimaangepasstes Waldmanagement am Beispiel der Habitatbaumausweisung im Stadtwald Gera
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2023 | 1. Auflage
146 Seiten
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978-3-7583-6163-0 (ISBN)
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Das Klimaangepasste Waldmanagement ist das erste unmittelbar vom Bund aufgelegte und administrierte forstliche Förderprogramm und hat damit forstpolitisch Neuland betreten. Es wirft daher auch zahlreiche forstpolitische, forstrechtliche und forstökonomische Fragen für Wissenschaft und Praxis auf. In der vorliegenden Untersuchung wir das Kriterium Habitatbaum des Programms Klimaangepasstes Waldmanagement anhand des Policy Coherence Frameworks untersucht. Dabei werden die mit dem Programm verfolgten Ziele in Beziehung zu ihrer Umsetzung und den möglichen Outputs gesetzt. Dazu werden zunächst mögliche rechtliche Auslegungen der Förderrichtlinie diskutiert. Dadurch soll ermittelt werden, was als Habitatbaum i.S.d. Förderprogramms gelten kann. Auf dieser Grundlage werden zwei Anwendungsszenarien modelliert und in einem thüringer Kommunalforstbetrieb konkret angewandt. Die so erzielten Ergebnisse werden analysiert und diskutiert. Die Untersuchung liefert damit erste Erkenntnisse über mögliche Umsetzungspfade des Programms Klimaangepasstes Waldmanagement für die weitere Diskussion in Wissenschaft und Praxis.

Maurice Schäfer studierte den dualen Bachelorstudiengang "Forstwirtschaft und Ökosystemmanagement" an der Fachhochschule Erfurt als erster dualer Student in Deutschland in Kooperation mit einem Privatforstbetrieb. Seit dem erfolgreichen Abschluss 2023 ist er im Bereich forstlicher Dienstleistungen sowie Baum- und Landschaftspflege in Ostthüringen tätig.

4 Material und Begriffsdefinition


4.1 Förderrichtlinie und weiteres Forstrecht

4.1.1 Definition und Begriffserklärung in der Förderrichtlinie des Bundes

Für den Begriff „Habitatbaum“ existiert keine einheitliche und verbindliche Definition in der Literatur. Deshalb ist es im Sinne des Programms notwendig, diesbezüglich Klarheit zu schaffen, um eine Verfehlung der Programmvorgaben in deren Umsetzung zu vermeiden.

Mit dem Kriterium 2.2.8 (BMEL, 2022 a, S. 2) werden diese für die Durchführung der Maßnahme Habitatbaumausweisung als Zuwendungsgegenstand erläutert. Bedeutsam ist außerdem die Ausführung Nr. 2.3 (ebd.), die die Anwendung des jeweiligen Kriteriums verbietet, wenn dessen Einhaltung eine rechtliche Regelung bzw. eine aufgrund einer rechtlichen Regelung erlassene Anordnung oder Maßnahme entgegenstehe. Es wird obligatorisch festgelegt, dass die Kriterien in Verbindung mit den fachlichen Erläuterungen in der Anlage (s. ebd., S. 10) anzuwenden sind, auf welche noch eingegangen wird.

Nach der Richtlinie müssen mindestens fünf Habitatbäume oder Habitatbaumanwärter (auf diese Begriffe wird folgend eingegangen) ausgewiesen werden. Mit dieser Vorgabe wird die Quantität festgelegt. Außerdem werden die Kennzeichnung und der Erhalt dieser Anzahl an Bäumen vorgeschrieben. Bis auf die Vorgabe aus der Anlage (s. ebd.), dass die Kennzeichnung permanent zu sein hat, werden diesbezüglich keine weiteren Bestimmungen festgelegt. Die nachweisliche Ausweisung hat spätestens zwei Jahre nach der Antragstellung zu erfolgen und die ausgewiesenen Bäume verbleiben bis zur natürlichen Zersetzung auf der Fläche. Zuletzt wird festgelegt, dass, wenn eine Verteilung dieser fünf Habitatbäume pro Hektar nicht möglich ist, diese auch anteilig auf der Antragsfläche verteilt werden können. Nach der Anlage zu 2.2.8 (ebd., S. 10) werden jedoch Flächen zur anteiligen Verteilung ausgeschlossen, auf denen nach Kriterium 2.2.12 (s. ebd., S. 2) eine „natürliche Waldentwicklung“ stattfinden soll oder auf denen gesetzlich die Holznutzung untersagt wurde.

Im Folgenden werden die wesentlichen diese Arbeit betreffenden Begrifflichkeiten mithilfe der Anlage zur Richtlinie (s. ebd., S. 10) geklärt. Der Begriff „Habitatbaum“ wird durch zwei wesentliche Eigenschaften definiert:

  • Es handelt sich um einen stehenden Baum.
  • Dieser trägt ein Mikrohabitat.

Dort (ebd.) ist explizit erwähnt, dass dieser stehende Baum lebendig oder tot sein dürfe und dass für die Auswahl keine absoluten Dimensionen oder Altersvorgaben vorgeschrieben seien. Mikrohabitate werden in diesem Zuge als „kleinräumige oder speziell abgegrenzte Lebensräume“ definiert. Jene Mikrohabitate würden durch verschiedene Ursachen entstehen. Angegeben werden in der Anlage: Verletzungen, Tier- und Pflanzenaktivitäten, Wuchsstörungen und „Eigenarten des Baumes“. Beispielhaft aufgezählt sind: „Flechten, Rindentaschen nach Blitzschlag, Spechthöhlen, sogenannte Hexenbesen3 oder Efeubewuchs“ (BMEL, 2022 a, S. 10).

Neben den bereits definierten Habitatbäumen können auch als Habitatbaumanwärter bezeichnete Bäume zur Erfüllung des Kriteriums 2.2.8 ausgewiesen werden. Gemeint sind Individuen, die zukünftig zu Habitatbäumen werden können. Einziges in der Anlage der Richtlinie (BMEL, 2022 a, S. 10) aufgeführtes Charakteristikum ist das Vorhandensein von sich entwickelnden „Mikrohabitat-geeignete[n] Strukturen […], die sich in Entwicklung befinden“.

4.1.2 Definition und Begriffserklärung in der Förderrichtlinie des Freistaates Thüringen

Als Vergleichsgegenstand auf politisch vertikaler Ebene (vgl. Kap. 3.1, S. →) zum Förderprogramm des Bundes dient die „Thüringer Richtlinie zur Förderung forstwirtschaftlicher Maßnahmen“ des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft (TMIL, 2020). Diese Ausführungen beziehen sich auf die Maßnahmengruppe „L Vertragsnaturschutz im Wald“ (TMIL, 2020, S. 12 ff.), speziell auf „L 2.1 Sicherung bzw. Entwicklung von Strukturelementen in Wäldern durch Verzicht auf die Nutzung von Habitatbäumen“. Zuwendungszweck und damit die politische Zielstellung der Maßnahmengruppe sind zusammengefasst der Arten- und Lebensstättenschutz und die Verbesserung der Biodiversität. Man kann entsprechende Parallelen zum Bundesprogramm ziehen (vgl. Kap. 3.1, S. ).

Hinsichtlich des Verbleibes der Habitatbäume unterscheiden sich beide Richtlinien nicht: Die in beiden Fällen dauerhaft markierten Bäume sind bis zum natürlichen Zerfall im Bestand zu belassen (TMIL, 2020, S. 13 f.). Genauere Vorgaben im Gegensatz zum Förderprogramm des Bundes werden jedoch bei der Markierung gemacht. Diese hat nach der Richtlinie des Freistaates mit zweistelliger Jahresangabe und dreistelliger laufender Nummer zu erfolgen. Auch zur räumlichen Verteilung der Habitatbäume sind die Anforderungen des Thüringer Programms spezifischer. Diese hat einzeln oder truppweise4 zu erfolgen. Eine Mindestanzahl von Habitatbäumen ist in diesem Programm in Kontrast zum Bundesprogramm (min. 5 Bäume je Hektar Antragsfläche) nicht vorgeschrieben, da die Zuwendungshöhe nicht pauschal mit der Antragfläche berechnet wird, sondern je nach Derbholzvolumen des Einzelbaumes hergeleitet wird. Eine Höchstgrenze von maximal 15 Bäumen pro Hektar Antragsfläche ist jedoch festgelegt.

Habitatbäume nach der Thüringer Richtlinie sind wie folgt definiert (TMIL, 2020, S. 12 f.): Ein Habitatbaum müsse rohstofflich oder energetisch nutzbar sein. Liegendes Totholz sei von der Förderung in diesem Kontext ausgeschlossen. Demzufolge ist die Eigenschaft, dass es sich um einen stehenden Baum handelt, verbindlich, unabhängig davon, ob dieser lebendig oder bereits abgestorben ist. In diesem Aspekt gleichen sich die beiden Programme. Jedoch hebt sich das Förderprogramm des Freistaates in der Definition eines Habitatbaumes beträchtlich von der Bundesrichtlinie ab, in dem Punkt, dass erstens ein Mindestdurchmesser von 35 cm auf Brusthöhe (BHD, ca. 1,30 m) festgelegt ist. Zweitens werden folgende sieben Merkmale obligatorisch vorgeschrieben, von denen zumindest eines erfüllt sein müsse, um einen Baum als Habitatbaum zu definieren:

„Faulstellen, abfallende Rinde, Pilzkonsolen, Blitzschäden, als potentielle Höhlen- und Horstbäume geeignete Bäume, Bäume mit abgebrochenen Kronen/-teilen oder mit bizarren Formen“ (TMIL, 2020, S. 12).

4.1.3 Weitere Definitionen zum Begriff „Habitatbaum“

Der Fakt, dass keine einheitliche Begriffsdefinition von Habitatbäumen existiert, wurde bereits in Kap. 4.1.1 auf Seite 10 erwähnt. Er wird u. a. auch gestützt durch die Definition im Working Paper des Thünen Institutes „Methode zur Erfassung und Bewertung der FFH-Waldlebensraumtypen im Rahmen der dritten Bundeswaldinventur (BWI-2012)“ (KROIHER, 2017, S. 60), die sich stark von denjenigen der beiden Förderprogramme abhebt. Auf diese Definition stützt sich auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN). Sie ist tabellarisch im Anhang 4 auf Seite xxiv dargestellt. Dort werden Habitatbäume als lebende Bäume mit einem BHD von mindestens 40 cm definiert, die zumindest einen grünen Zweig besitzen müssen. Aufgrund dessen sei nach dieser Definition eine gleichzeitige Aufnahme als Totholz ausgeschlossen. Außerdem wird eine Reihe von Schadmerkmalen, die einen Habitatbaum charakterisieren, genauestens festgelegt und jeweils sogar eine Quantifizierung vorgenommen, ab wann dieses Merkmal als erfüllt gilt, beispielsweise: „sich lösende[…] Rinde oder Rindentaschen > 500 cm2, Mindestbreite 10 cm“ (ebd.). Des Weiteren sind nach dieser Quelle Höhlenbäume, Horstbäume und Altbäume als Habitatbaum zu definieren. Jene drei Kategorien sind ebenfalls präzisiert (s. Anhang 4, S. ).

Im „Deutschen FSC®-Standard 3-0“ (FSC Deutschland, 2020, S. 35) werden Biotopbäume5 als lebende Bäume definiert, die mindestens eine von drei besonderen Funktionen erfüllen: „als Höhlenbaum, Horstbaum oder als Lebensraum für besonders schützenswerte Epiphyten, Insekten, Pilze und andere altholzbewohnende Organismengruppen“ (ebd.). Zwar wird das Attribut „altholzbewohnend“ verwendet, besondere Festlegungen bezüglich eines Mindestalters oder -durchmessers werden jedoch nicht gemacht. Lediglich wird erwähnt, dass ein „Nebeneinander […] aller Strukturen und Dimensionen von Biotopbäumen“ angestrebt werden solle (ebd., S. 17). Nachzuweisen sei dies durch ein „Biotop- und Totholzkonzept“. Dieses impliziert einen gewissen Zusammenhang bzw. Gesamtkontext von Biotopbäumen und Totholz in einem gemeinsamen Konzept. Die dem folgende Definition unterstützt die Beobachtung einer Zusammenbehandlung von Biotop- und Totholz. einen recht weiten Handlungs- und Interpretationsspielraum...

Erscheint lt. Verlag 22.12.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Technik
ISBN-10 3-7583-6163-X / 375836163X
ISBN-13 978-3-7583-6163-0 / 9783758361630
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