Gesundheitsaktivismus am Beispiel des Typ-1-Diabetes

lt;p>Typ-1-Diabetes (T1D) ist eine gravierende chronische Erkrankung mit potenziell schwerwiegenden Folgen, bei der die Bauchspeicheldrüse keinerlei Insulin mehr produziert. Das benötigte Insulin muss von außen verabreicht und der individuelle Bedarf rechnerisch ermittelt werden. T1D bedeutet eine lebenslange konstante Selbstkontrolle und führt potenziell zu massiven gesundheitlichen Belastungen sowie zu Einschränkungen der Lebensqualität. Trotz großer Verbesserungen in der Versorgung von Menschen mit Typ-1-Diabetes (MmT1D) in der jüngeren Vergangenheit werden von MmT1D auch bei hoher Motivation und hohem Wissensstand zu den Grundlagen und therapeutischen Handlungsbedarfen der Erkrankung die angestrebten Blutglukose-Werte (BG-Werte) häufig nicht erreicht. Daher hat sich aus der Gruppe der MmT1D und ihrer Angehörigen eine Gemeinschaft zusammengefunden, deren Hashtag #WeAreNotWaiting zum Ausdruck bringt, dass die Community Lösungen für ihre spezifischen Bedarfe entwickeln kann, die das Gesundheitswesen nicht zur Verfügung stellt. Auf Basis kommerzieller Technologien innoviert die Community sogenannte Open-Source-Closed-Loop-Systeme (OSCLS), welche eine durch Algorithmen gesteuerte Insulinabgabe ermöglichen. Solche Systeme haben das Potenzial, das Management der Erkrankung zu erleichtern und normnähere BG-Werte zu erzielen. Die Community stellt die OSCLS allen Interessierten frei zur Verfügung. Die OSCLS sind weder offiziell geprüfte noch zugelassene Systeme. Trotz des Fehlens einer Zulassung als Medizinprodukt und mit den Systemen einhergehenden technologischen Hürden finden OSCLS immer mehr Anwendung. Aus dem Blickwinkel der Technikfolgenabschätzung befasst sich die vorliegende Arbeit mittels der Methode der leitfadengestützten qualitativen Interviews mit Nutzenden und Fachkräften vorrangig mit der Frage, warum sich die Nutzenden der OSCLS für die Systeme entscheiden und wie sich diese auf das Leben der Nutzenden auswirken. Weiter werden Auswirkungen der OSCLS-Bewegung auf das Gesundheitswesen untersucht. Darüber hinaus ordnet die vorliegende Arbeit die OSCLS-Bewegung ein in vergleichbare aktivistische Bewegungen in Medizin und Gesundheit sowie in den Kontext der derzeit immer stärker werdenden Bewegung der Patient Innovation.