Wettlauf um die Zukunft (eBook)
400 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01395-7 (ISBN)
Michio Kaku, geboren 1947, ist einer der Väter der Stringtheorie und zählt zu den berühmtesten Physikern der Welt. Er arbeitet und lehrt als Professor für theoretische Physik an der City University of New York. Wie Albert Einstein und Stephen Hawking ist er auf der Suche nach der einen Theorie von allem zur Erklärung der fundamentalen Kräfte der Natur.
Michio Kaku, geboren 1947, ist einer der Väter der Stringtheorie und zählt zu den berühmtesten Physikern der Welt. Er arbeitet und lehrt als Professor für theoretische Physik an der City University of New York. Wie Albert Einstein und Stephen Hawking ist er auf der Suche nach der einen Theorie von allem zur Erklärung der fundamentalen Kräfte der Natur. Monika Niehaus, Diplom in Biologie, Promotion in Neuro- und Sinnesphysiologie, freiberuflich als Autorin (SF, Krimi, Sachbücher), Journalistin und naturwissenschaftliche Übersetzerin (englisch/französisch) tätig. Mag Katzen, kocht und isst gern in geselliger Runde. Trägerin des Martin-Wieland-Übersetzerpreises 2021. Bernd Schuh, geboren 1948 ist Physiker, Dozent, Journalist, Autor und Übersetzer. Er studierte Mathematik, Physik und Chemie in Köln, wurde 1977 promoviert und habilitierte sich 1982 in Physik. Er ist Träger des Georg von Holtzbrinck Preises für Wissenschaftsjournalismus.
Teil I: Aufstieg der Quantencomputer
Kapitel 1: Das Ende des Siliziumzeitalters
Eine Revolution steht bevor
In den Jahren 2019 und 2020 erschütterten zwei Knalleffekte die wissenschaftliche Welt. Zwei Gruppen von Forschenden meldeten, sie hätten «Quantenüberlegenheit» (Quantum Supremacy) erreicht, jenen sagenhaften Punkt, an dem ein radikal neuer Computertyp, der sogenannte Quantencomputer, einen gewöhnlichen digitalen Supercomputer bei bestimmten Aufgaben an Leistungsstärke deutlich übertrifft. Dies kündigte einen Umbruch an, der die gesamte Computerlandschaft verändern und jeden Aspekt unseres alltäglichen Lebens auf den Kopf stellen kann.
Zuerst meldete Google, sein «Sycamore»-Quantencomputer könne ein mathematisches Problem in 200 Sekunden lösen, für das die schnellsten Supercomputer der Welt 10000 Jahre brauchen würden. Dem MIT-Magazin Technology Review zufolge bezeichneten die Google-Forscher dies als wichtigen Durchbruch. Sie verglichen es mit dem Start des Sputniks oder dem ersten Flug der Gebrüder Wright. Es sei «die Schwelle zu einem neuen Maschinenzeitalter, das die leistungsfähigsten Computer unserer Tage wie einen Abakus aussehen lassen» würden.[1]
Dann ging das Quantum Innovation Institute an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften noch einen Schritt weiter. Die Forscher dort behaupteten, ihr Quantencomputer sei hundert Billionen Mal schneller als ein gewöhnlicher Supercomputer.
Der Vizepräsident von IBM, Bob Sutor, meint in einem Kommentar zum kometenhaften Aufstieg der Quantencomputer lakonisch: «Ich denke, das wird die wichtigste Rechnertechnologie dieses Jahrhunderts werden.»[2]
Quantencomputer sind als die «ultimativen Computer» bezeichnet worden, ein entscheidender Technologiesprung mit tiefgreifenden Konsequenzen für die ganze Welt. Statt mit winzigen Transistoren zu rechnen, rechnen sie mit den winzigsten Objekten überhaupt, den Atomen selbst, und können daher unsere leistungsfähigsten Supercomputer problemlos übertreffen. Quantencomputer könnten für Wirtschaft, Gesellschaft und unsere Lebensweise ein völlig neues Zeitalter einläuten.
Quantencomputer sind jedoch mehr als nur ein weiterer leistungsfähiger Computertyp. Sie repräsentieren einen völlig neuen Computertyp, der Probleme in Angriff nehmen kann, die ein Digitalrechner selbst in einer unendlich langen Zeitspanne niemals lösen könnte. So können digitale Computer niemals genau berechnen, wie sich Atome bei wichtigen chemischen Reaktionen miteinander verbinden, vor allem solchen Reaktionen, die Leben möglich machen. Digitalrechner können nur mit Folgen von Nullen und Einsen rechnen, die zu grob sind, um die empfindlichen Elektronenwellen zu beschreiben, die tief im Inneren eines Moleküls tanzen. Um die Wege einer Maus in einem Labyrinth zu berechnen, muss ein Digitalrechner beispielsweise mühsam nacheinander alle möglichen Wege aufwendig analysieren. Ein Quantencomputer analysiert hingegen all diese Wege gleichzeitig (simultan), und das mit Lichtgeschwindigkeit.
Diese Situation hat zu einem verbissenen Wettstreit zwischen rivalisierenden Computergiganten geführt, die sich ein Rennen um die Schaffung des leistungsfähigsten Quantencomputers der Welt liefern. Im Jahr 2021 stellte IBM der Öffentlichkeit seinen Quantencomputer namens Eagle (Adler) vor, der über mehr Rechenkapazität als alle Vorgänger verfügt und damit die Spitze übernommen hat.
Diese Höchstleitungen sind jedoch wie sportliche Rekorde – dazu da, gebrochen zu werden.
Angesichts der tiefgreifenden Konsequenzen dieser Revolution überrascht es nicht, dass viele der weltweit führenden Unternehmen massiv in diese neue Technologie investieren. Google, Microsoft, Intel, IBM, Rigetti und Honeywell – sie alle sind dabei, Prototypen von Quantencomputern zu bauen. Die führenden Köpfe von Silicon Valley erkennen, dass sie mit dieser Revolution Schritt halten müssen, wollen sie nicht abgehängt werden.
IBM, Honeywell und Rigetti Computing haben ihre erste Generation Quantencomputer ins Internet gestellt, um den Appetit der neugierigen Öffentlichkeit zu wecken und den Menschen ihre ersten direkten Erfahrungen mit Quantencomputing zu ermöglichen. Man kann diese neue Quantenrevolution aus erster Hand erleben, indem man im Netz eine Verbindung zu einem Quantencomputer herstellt. So macht die «IBM Q Experience», die 2016 ins Leben gerufen wurde, 15 Quantencomputer via Internet kostenlos für die Öffentlichkeit zugänglich. Samsung und JPMorgan Chase gehören zu den Nutzern. Bereits heute nutzen rund 2000 Menschen, von Schulkindern bis zu Professoren, diese Möglichkeit jeden Monat.
Die Wall Street zeigte großes Interesse an dieser Technologie. IonQ war das erste wichtige Quantencomputer-Unternehmen, das an die Öffentlichkeit ging und 2021 bei seinem Börsengang 600 Millionen Dollar einwarb. Noch verblüffender: Offenbar ist die Rivalität so groß, dass ein neues Start-up namens PsiQuantum, das weder einen kommerziellen Prototyp auf dem Markt hat noch eine Erfolgsbilanz mit früheren Produkten aufweisen kann, an der Wall Street plötzlich mit 3,1 Milliarden US-Dollar bewertet wurde und fast über Nacht 665 Millionen Dollar an Kapital einwerben konnte. Sie hätten selten erlebt, notierten Business-Analysten, dass ein neues Unternehmen, auf der Bugwelle fieberhafter Spekulationen und sensationeller Schlagzeilen reitend, in solch schwindelerregende Höhen katapultiert wurde.
Das internationale Wirtschaftsprüfungs- und Consulting-Unternehmen Deloitte schätzt, dass der Markt für Quantencomputer in den 2020er-Jahren mehrere Hundert Millionen Dollar und in den 2030er-Jahren Dutzende Milliarden Dollar erreichen wird. Niemand weiß, wann Quantencomputer reif für den kommerziellen Markt sein und die Wirtschaftswelt verändern werden, doch die Prognosen werden ständig revidiert, um mit der beispiellosen Geschwindigkeit des wissenschaftlichen Fortschritts auf diesem Gebiet Schritt zu halten. Christopher Savoie, CEO von Zapata Computing, meint im Zusammenhang mit dem kometenhaften Aufstieg der Quantencomputer: «Es ist nicht länger eine Frage des ‹Ob›, sondern eine Frage des ‹Wann›.»[3]
Sogar der US-amerikanische Kongress zeigt großes Interesse daran, dieser neuen Quantentechnologie auf die Sprünge zu helfen. Als er erkannte, dass andere Länder die Entwicklung von Quantencomputern bereits großzügig finanziell unterstützten, verabschiedete der Kongress im Dezember 2018 die National Quantum Initiative, um Startkapital für neue Forschungsvorhaben bereitzustellen. Er verfügte die Bildung von zwei bis fünf neuen «National Quantum Information Science Research Centers», die mit 80 Millionen Dollar jährlich finanziert werden sollen.
Im Jahr 2021 kündigte die US-amerikanische Regierung zudem an, unter Federführung des Energieministeriums 625 Millionen Dollar in Quantentechnologien zu investieren. Führende Unternehmen wie Microsoft, IBM und Lockheed Martin unterstützten dieses Projekt mit weiteren 340 Millionen Dollar.
China und die Vereinigten Staaten sind nicht die einzigen Länder, deren Regierung diese Technologie finanziell unterstützt, um ihre Entwicklung zu beschleunigen. Die britische Regierung richtete am Harwell-Labor des Science and Technology Facilities Council in Oxfordshire ein National Quantum Computing Center ein, das als Drehscheibe für Forschung zum Thema Quantencomputing dienen soll. Dank der finanziellen Unterstützung der Regierung wurden in Großbritannien bis Ende 2019 30 Quantencomputer-Start-ups gegründet.
Branchenanalysten sind sich klar, dass es sich dabei um ein Billionen-Dollar-Glücksspiel handelt. Auf diesem höchst konkurrenzbetonten Feld gibt es keine Garantien. Trotz der eindrucksvollen technischen Erfolge von Google und anderen Unternehmen in den letzten Jahren wird ein funktionstüchtiger Quantencomputer, der Probleme der wirklichen Welt lösen kann, noch jahrelang auf sich warten lassen. Vor uns liegt noch ein Berg harter Arbeit. Einige Kritiker warnen sogar, es könne sich um ein vergebliches Bemühen handeln. Computerunternehmen haben jedoch erkannt, dass ihnen die Tür vor der Nase zuschlagen könnte, wenn sie jetzt keinen Fuß dareinsetzen.
Ivan Ostojic, Partner bei McKinsey, meint: «Unternehmen in Industrien, wo Quanten das größte Potenzial für eine vollständige Umwälzung haben, sollten sich jetzt schleunigst damit beschäftigen.»[4] Gebieten wie Chemie, Medizin, Öl und Gas, Logistik, Bankwesen, Arzneimittelherstellung und Cybersicherheit stehen große Umwälzungen bevor. Er fügt hinzu: «Prinzipiell sind Quanten für alle Informationsmanager von Bedeutung, denn sie werden Lösungen für ein breites Spektrum von Problemen beschleunigen. Diese Unternehmen müssen Eigentümer von Quantenkenntnissen werden.»
Verne Brownell, früherer CEO von D-Wave Systems, einem kalifornischen Quantencomputing-Unternehmen, meint dazu: «Unserer Meinung nach stehen wir kurz davor, Rechenfähigkeiten zur Verfügung zu stellen, die sich mit klassischen Computern nicht verwirklichen lassen.»
Viele...
Erscheint lt. Verlag | 16.5.2023 |
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Übersetzer | Monika Niehaus, Dr. Bernd Schuh |
Zusatzinfo | Mit Abbildungen |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Naturwissenschaft |
Technik | |
Schlagworte | Batterien • Biologie • Chemie • Computertechnologie • Energiewirtschaft • Finanzwirtschaft • Futurologie • Impfstoffe • Kryptologie • Künstliche Intelligenz • Landwirtschaft • Lösung von Menschheitsproblemem • Medizin • Photosythese • Quantencomputer • Quantenphysik • Quantenrevolution • Supercomputer • Zukunftsforschung |
ISBN-10 | 3-644-01395-0 / 3644013950 |
ISBN-13 | 978-3-644-01395-7 / 9783644013957 |
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