Der Mann, der das Impfen neu erfand (eBook)

Ingmar Hoerr, CureVac und der Kampf gegen die Pandemie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
256 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2806-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Mann, der das Impfen neu erfand - Sascha Karberg
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Seine Idee rettet Millionen Menschenleben

Im Jahr 1999 macht Ingmar Hoerr als Doktorand in einem Tübinger Labor eine überraschende Entdeckung: mRNA funktioniert als Impfstoff. Über zwanzig Jahre später schützt sich die Welt mit mRNA-Impfstoffen vor dem Coronavirus. Doch seine Erfingung hat noch größere Implikationen: Hoerrs Vision einer neue Medizin, bei der sich der Körper selbst von Viren, Krebs, Diabetes und anderen Krankheiten befreit, steht kurz davor, Wirklichkeit zu werden.



Sascha Karberg, geboren 1969, ist Biologe und leitet das Wissen&Forschen-Ressort des Berliner Tagesspiegel. Karberg war Knight Science Journalism Fellow am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Massachusetts (USA) und wurde u. a. mit dem Heureka-Preis für Wissenschaftsjournalismus, dem GSK Publizistikpreis und dem Hofschneider-Recherchepreis ausgezeichnet.

Prolog


Es ist Freitag, der 13. März 2020, gegen 10 Uhr. In die Notaufnahme der Berliner Universitätsklinik Charité wird ein Mann eingeliefert, der bewusstlos in einem Hotel in der Nähe aufgefunden wurde.

Zwei Tage zuvor hat die Weltgesundheitsorganisation die globale Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 offiziell zur Pandemie erklärt. In Deutschland werden erstmals mehr als tausend Infizierte und die ersten COVID-19-Toten gezählt, Großveranstaltungen sind abgesagt, Schulen und Kitas stehen kurz vor der Schließung. Weltweit kämpft man mit der ersten Infektionswelle oder erwartet sie mit banger Ungewissheit – und setzt alle Hoffnung auf eine rasche Entwicklung von Impfstoffen, die vor COVID-19 schützen.

Schnell wird klar: Das könnten Vakzine aus mRNA-Molekülen leisten, den Abschriften der chemisch eng verwandten DNA, dem Speichermolekül für Geninformationen in den Zellen. Anders als reguläre Impfstoffe kann mRNA binnen weniger Monate vergleichsweise günstig in Massen produziert werden. Der Haken: Anfang 2020 gibt es noch keine einzige mRNA-Arznei auf dem Markt. Noch ist diese revolutionär neue Technik, mit der neben COVID-19 auch Krebs und andere Krankheiten behandelbar werden könnten, mehr Vision als Realität.

Der Mann, der vor über zwanzig Jahren die Idee für diese Technik hatte und seitdem alles versucht hat, sie Wirklichkeit werden zu lassen, dieser Mann wird gerade im Eiltempo auf die neurologisch-neurochirurgische Intensivstation 102i der Charité geschoben.

Im Computertomografen wird eine massive Hirnblutung, ein »Subarachnoidalaneurysma mit Ventrikel-Einbruch« festgestellt. In einer Notoperation wird das geplatzte Blutgefäß geflickt. Ob damit aber sein Leben gerettet ist, ob dem Gehirn das künstliche Koma nutzen wird, bleibt offen.

Der Mann, der am Tag zuvor noch extra nach Berlin gereist ist und der Bundesregierung die Möglichkeiten der mRNA-Impftechnik erklärt hat, der Mann, der den Triumph seines Lebens, die Verwirklichung seiner Idee, schon vor Augen hatte, der einer Belohnung für Jahrzehnte mühsamer Überzeugungsarbeit und Bittstellerei, für das Ertragen von Spott und Häme, für das Hintanstellen von Freundschaften und Familienleben so nah war wie nie, dieser Mann taucht nun in tiefe Dunkelheit – und mit ihm die Erinnerung an sein Leben, seine Leistungen, ja sogar an sich selbst.

*

Mitte Januar 2020 identifizierten chinesische Forscher ein neuartiges Coronavirus als den Verursacher einer schweren, akuten Atemwegserkrankung. Ziemlich genau zehn Monate später, am 9. November, lieferten Forscher den Nachweis, dass sie einen Impfstoff entwickelt haben, der vor dieser Krankheit, COVID-19, schützt.

Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit ist ein Impfstoff gegen eine zuvor völlig unbekannte Krankheit so schnell entwickelt worden.

Das wäre nicht möglich gewesen ohne eine völlig neuartige Technologie des Impfens, des Impfens mit mRNA-Molekülen. Anders als konventionelle Vakzine sind solche mRNA-Impfstoffe binnen weniger Wochen herstellbar und dann – nach den nötigen, Monate dauernden klinischen Tests an menschlichen Probanden – zu vergleichsweise günstigen Herstellungskosten in Milliarden von Impfdosen produzierbar.

Die Idee für diese Technik entstand im Kopf eines Doktoranden in einem Labor an der Universität Tübingen. Sie brauchte über zwanzig Jahre, um Wirklichkeit zu werden.

Aber wie wird aus Forschung ein Arzneimittel? Was muss alles passieren, damit der Heureka-Moment eines Wissenschaftlers im Labor, das vielversprechende Ergebnis eines Experiments, der Geistesblitz für eine Therapie am Ende tatsächlich zum Schutz, zur Heilung oder zur Linderung des Leids eines oder im Fall des COVID-Impfstoffs von Milliarden von Menschen führt?

Die eine Antwort darauf gibt es nicht.

Denn es gibt keinen Automatismus, der etwa systematisch in den Labors der biologischen und medizinischen Grundlagenforschung nach Ergebnissen suchen würde, die als Medikament oder Impfstoff anwendbar oder verwertbar erscheinen. Es gibt kein staatliches oder privates System, das darauf ausgelegt ist, über Jahre und Jahrzehnte die nötigen Testreihen mit den Wirkstoffkandidaten zu organisieren, sie chemisch zu optimieren, nach Rückschlägen Alternativen zu suchen und die ersten Tierversuche durchzuführen, bevor erstmals Menschen das Mittel bekommen.

Es gibt keine Institution, die dann entscheidet, ob dieser oder einer der anderen zahlreichen Wirkstoffkandidaten die besten Chancen hat, die mitunter viele Hundert Millionen Euro teure Testung an Probanden und Patienten zu überstehen und dann diese oder jene Krankheit behandelbar oder vielleicht sogar heilbar macht.

Was es gibt, das sind Entscheidungen von Menschen, vieler Menschen. Manche davon sind sehr persönliche Weichenstellungen – wie etwa die überschaubare akademische Laufbahn zu verlassen und eine Idee in einem Start-up zu verfolgen. Andere sind eher unpersönliche, von Managern in Pharmaunternehmen oder Institutsleitern beschlossene Schwerpunktsetzungen, etwa für oder gegen Impfstoff- oder Alzheimerforschung, die sich nach »Meilensteinen« und »Exit-Strategien« richten. Auch politische Entscheidungen, die die Rahmenbedingungen für das Forschen in Universitäten und Großforschungseinrichtungen setzen und den Austausch mit Firmen regeln, spielen eine Rolle. Alle beeinflussen den »Innovationsprozess«, das Umsetzen von Wissen in Therapien.

An erster Stelle steht dabei die Entscheidung eines Wissenschaftlers, einer Wissenschaftlerin. Der eine ergründet vielleicht die Wirkungsweise der Körperabwehr in einem Immunologie-Institut, die andere sitzt im mikrobiologischen Labor und erforscht Bakterien und deren Abwehrmechanismen gegen Viren, wieder andere forschen an Fruchtfliegen, Würmern oder Mäusen – alle, um mehr über die Funktionsweise des Lebens herauszufinden. Sie betreiben Grundlagenforschung, zielstrebig, aber ohne Zielvorgabe, getrieben von Neugier, von Wissensdurst.

Immer wieder entstehen dabei Ideen – wie man Krebs stoppen, wie man Alzheimer früher erkennen, wie man Wirkstoffe besser an den Ort der Erkrankung im Körper bringen, wie man Zuckerkranke ohne Spritze mit dem lebensnotwendigen Insulin versorgen könnte. Doch ohne die Initiative der Forscherin oder des Forschers, ohne das Vertrauen in die eigene Entdeckung, ohne den Willen und die Entscheidung, sie weiterzuentwickeln, bleibt die Idee eine Idee.

Oft passiert das. Die wenigsten Forscher wollen oder können Medikamenten- oder Therapieentwickler sein. Die meisten entscheiden sich ganz bewusst dafür, Grundlagen zu erforschen, den Wissensschatz über die Funktionsweise des Lebens und die Entstehung von Krankheiten zu erweitern.

Einige wenige aber haben den Drang, ihre Entdeckung auch umzusetzen. Dann suchen sie nach Partnern, die ebenfalls an diese Idee und ihre Umsetzbarkeit glauben und ihr Leben danach ausrichten. Denn niemand kann eine Idee, schon gar keine revolutionäre, alleine zum Medikament machen.

Es braucht Unterstützer, die völlig andere als wissenschaftliche Fähigkeiten haben – etwa ein Start-up-Unternehmen leiten können, etwas von Bilanzen, von Insolvenzgesetzgebung verstehen, sich mit den unzähligen Behördenvorschriften für Labors, Medikamentenproduktion und -prüfung auskennen. Und vor allem braucht es Menschen, die sich entscheiden, ihr Geld, sehr viel Geld, in eine Idee zu stecken, die – wie die Erfahrung der Arzneimittelentwicklung zeigt – mit hoher Wahrscheinlichkeit nie Realität wird. Weil unerwartete Nebenwirkungen auftreten. Weil die erhoffte Wirkung ausbleibt. Weil zur falschen Zeit das Geld für die nötigen Tests fehlt.

Was als Gleichung mit einer Unbekannten – taugt die Idee zur Arznei? – beginnt, wird so rasch zu einem Geflecht aus immer mehr sich gegenseitig beeinflussenden Variablen.

Dies ist die Geschichte von Ingmar Hoerr, einem Forscher, der zum Unternehmer wurde, der sich allen Unwägbarkeiten zum Trotz entschied, seine Idee umzusetzen – eine neue Form des Impfens. Als die Idee entstand, konnte er nur ahnen und daran glauben, dass sie irgendwann Millionen Menschen würde helfen können. Hoerr war der Erste, der das Impfen mit mRNA möglich zu machen versuchte.

Seine Firma, CureVac, machte die Moleküle als Erste fit für den Einsatz in der Medizin. CureVac war das erste Unternehmen, das RNA-Therapien an Menschen erprobte – lange bevor Konkurrenten, in Deutschland die Mainzer BioNTech und in den USA Moderna, die Idee aufgriffen, von Hoerrs Pioniergeist profitierten und ihn schließlich auf den letzten Metern des Rennens um einen RNA-Impfstoff gegen COVID-19 überholten. Ein Endspurt, den Hoerr beinahe nicht mehr erlebt hätte und in dem er jetzt nicht mehr als Forscher, Unternehmer und Entscheider dabei ist, sondern den er nur noch von der Seitenlinie aus betrachten kann.

Jedes Leben ist einzigartig, auch das von Ingmar Hoerr. Und doch steht seine Geschichte beispielhaft für die vieler Gründerinnen und Gründer. Jener Menschen, für die Innovation nicht nur ein politisches Schlagwort ist, sondern tagtägliche, oft nächtliche Arbeit. Jener Menschen, die sich für wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur begeistern, sondern sie aufgreifen und umsetzen wollen, die sich trockene Betriebswirtschaftslehre antun, um ein Start-up gründen zu können, die ein Team zusammenstellen und führen, die nach Geldgebern suchen, die aus dem Nichts ein Biotech-Unternehmen heranwachsen lassen und neue Medikamente und Therapien für Patienten ermöglichen – oder auf diesem langen Weg scheitern. Nicht unbedingt, weil die...

Erscheint lt. Verlag 25.5.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Studium Querschnittsbereiche Infektiologie / Immunologie
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Technik
Schlagworte Bill Gates • Biontech • Christiane Nüsslein-Volhard • COVAX • curevac • Dietmar Hopp • Elon Musk • Experiment • Immunität • Impf-Revolution • Influenza • Ingmar Hoerr • Karl Lauterbach • Krebs • Medizinnobelpreis • moderna • mRNA • mRNA-Impfstoff • mRNA-Technologie • RNA • RNA-Drucker • Vakzine
ISBN-10 3-8412-2806-2 / 3841228062
ISBN-13 978-3-8412-2806-2 / 9783841228062
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