Tierisch beste Freunde - Liebe kennt keine Grenzen (eBook)
304 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46044-3 (ISBN)
Kate Kitchenham ist Moderatorin, Buchautorin und Wissenschaftsjournalistin, studierte Kulturanthropologin und Zoologin mit Schwerpunkt Verhaltensforschung - und eine der bekanntesten Hunde- und Haustier-Expertinnen. Sie steht für das Format 'Tierisch beste Freunde' und 'hundkatzemaus' (VOX) vor der Kamera. www.kitchenham.de
Kate Kitchenham ist Moderatorin, Buchautorin und Wissenschaftsjournalistin, studierte Kulturanthropologin und Zoologin mit Schwerpunkt Verhaltensforschung - und eine der bekanntesten Hunde- und Haustier-Expertinnen. Sie steht für das Format "Tierisch beste Freunde" und "hundkatzemaus" (VOX) vor der Kamera. www.kitchenham.de
Grundbaustein der Gemeinsamkeit:
das soziale Gehirn
Sich Gedanken über ein Gegenüber ohne Worte vorzustellen – das fällt uns Menschen naturgemäß nicht leicht. Doch wenn wir uns die Gehirne anderer Lebewesen ansehen, entdecken wir auch dort eine starke Vernetzung verschiedener Hirnareale, die in ihrer Zusammenarbeit als »soziales Gehirn« bezeichnet werden. Diese Bereiche sind bei uns und anderen Tierarten zuständig für Einfühlungsvermögen, Problemlöseverhalten, soziale Kompetenz und höhere Empfindungen wie Schuld oder Scham. Je sozialer eine Spezies lebt, desto mehr Freunde kann sie haben – deshalb ist das Frontalhirn beim Menschen größer als bei Makaken oder bei einer Katze. Doch auch dort ist es gut ausgebildet und die Fähigkeit zur Einfühlung ebenfalls, nur auf anderem Niveau vorhanden. Die Perspektive des anderen wahrnehmen, aus seinem Verhalten auf seine Stimmung und Absichten schließen zu können, spielt eben nicht nur für uns, sondern für viele Tierarten eine wichtige Rolle im sozialen Zusammenleben und ist deshalb auch in unterschiedlichen Ausprägungen vorhanden. Und auch wenn andere Tierarten keine Opern komponieren, keine Hochhäuser oder Raketen bauen und keine mathematischen Formeln entwickeln können, mag es andere Formen der Intelligenz geben, bei denen wir wiederum diesen Arten unterlegen sind. Die Grundlage unser aller Fähigkeiten aber ist in den gemeinsamen, alten Hirnteilen zu finden, in der Vernetzung der Großhirnrinde mit dem entwicklungsgeschichtlich sehr alten Teil des Gehirns, dem »sozialen Gehirn«.
Ein wichtiger Teil dieses sozialen Gehirns, den wir mit anderen Arten teilen, ist das »limbische System«. Dieser bei vielen Spezies ähnlich strukturierte Bereich liegt im »Zwischenhirn« direkt unter dem Großhirn und ist mit diesem je nach Tierart unterschiedlich intensiv vernetzt. Dieses »emotionale Zentrum« des Gehirns generiert Emotionen, die vom Thalamus, »dem Tor zum Bewusstsein«, bewertet werden: Wird eine Emotion aufgrund vorhergegangener Erlebnisse als sinnvoll erachtet, dann wird die Gefühlsinformation über Leitungsbahnen an die verschiedenen Bereiche der Großhirnrinde geschickt, und eine passende emotionale oder rationale Reaktion wird gezeigt.
Das Geräusch einer blubbernden Kaffeemaschine bewertet unser Gehirn deshalb nicht als gefährlich – wir haben es oft genug gehört, kennen den Zusammenhang, in dem es erzeugt wird – und zeigen keine Reaktion. Ein Mensch oder Haustier, der/das bislang keine Kaffeemaschinen kennt, wird ganz anders reagieren. So ermöglicht uns das Gehirn, uns in der Welt zu orientieren – also zum Beispiel auf unbekannte Situationen mit Vorsicht oder auf angenehme Situationen mit Wohlgefühl und Suche nach Nähe zu reagieren, aber eben auch Freude beim Lösen komplizierter Aufgaben zu empfinden. Besonders die im »Belohnungssystem« erzeugten Emotionen ermöglichen uns im Zusammenspiel mit verschiedenen Bereichen des Großhirns, immer mehr Positives erleben und lernen zu wollen. Emotionen sorgen also dafür, dass wir gerne leben, lernen und vermeiden, was uns nicht gefällt – und uns dadurch weiterentwickeln und (hoffentlich) immer klüger werden.
Auch andere Tiere, die wie wir in sozialen Gruppen leben oder sich sozial austauschen, müssen in verschiedenen Abstufungen in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen, Ereignisse in der Umwelt zu bewerten und in Kategorien und Konzepte zu fassen. Die Qualität der Faltung der Großhirnrinde und ihre Vernetzung mit den anderen Gehirnbereichen sagt viel darüber aus, wie flexibel sich eine Art durch die Herausforderungen des Lebens manövrieren kann, wie sozial organisiert und wertvoll die Bindung zwischen Partnern werden kann. Je größer die Bedeutung von vielfältiger und anspruchsvoller sozialer Interaktion für eine Spezies ist, desto intensiver muss hier ein Austausch zwischen verschiedenen Mitgliedern einer sozialen Gemeinschaft stattfinden können. Denn die gut koordinierte Jagd auf eine Antilope verlangt von Löwen ein hohes Maß an individuellem Können und Kooperation. Ein Tier wie ein Löwe, Erdmännchen, Mensch, Elster oder Wolf muss also in der Lage sein, verschiedene Beziehungen zu unterschiedlichen Persönlichkeiten zu pflegen. So kann ich mein eigenes Verhalten auf das Verhalten anderer Gruppenmitglieder oder sogar einer ganz anderen Tierart abstimmen. Wenn das gelingt, funktionieren wir als Team, schenken uns gegenseitig Wohlgefühl und Sicherheit.
Diese Form der sozialen Kompetenz und der Fähigkeit, Erfahrungen auf neue Situationen zu übertragen und immer weiter zu lernen und abzuwägen, ist eben nicht nur beim Menschen, sondern auch bei vielen anderen Lebewesen anzutreffen. Besonders Bindung wird dabei vom limbischen System physiologisch belohnt – deshalb suchen alle sozial lebenden Arten Bindungspartner, es fühlt sich halt einfach gut an, eine vertraute Seele zur Seite zu haben. Die Nähe von guten Freunden oder engen Bindungspartnern sorgt für die Ausschüttung von Wohlfühl-Botenstoffen wie dem Bindungshormon Oxytocin, wir fühlen uns sicher aufgehoben und glücklich – unser Belohnungszentrum im Gehirn wird aktiviert und sorgt dafür, dass wir das Erlebnis von Nähe zu diesen Individuen immer wieder haben möchten. Dieser Effekt konnte in den letzten Jahren zumindest für Hunde sogar bildhaft dargestellt werden. Neurobiolog*innen und Verhaltensforscher*innen aus Budapest und Atlanta haben dazu Hunden zunächst beigebracht, mehr als sieben Minuten regungslos im Magnetresonanztomografen zu liegen (Berns et al., 2015; Andics et al., 2014). Auf diese Weise konnten die Forscher*innen Hundegehirne im zweiten Schritt dabei beobachten, wie sie auf den Geruch oder die Stimme von vertrauten versus fremden Personen reagierten. Das wenig erstaunliche Ergebnis für alle Hundefreunde: Beim Hören der Stimme oder Riechen des Geruchs ihrer Bezugspersonen reagierte das Belohnungssystem beim Hund, das für das Empfinden freudiger Gefühle zuständig ist, mit einem wahren Feuerwerk an neuronaler Aktivität! Spannenderweise hat das Belohnungssystem des Menschen im selben Versuch mit Familienmitgliedern genauso reagiert – wir haben hier also zum allerersten Mal die neuronale Grundlage von Bindung zwischen Mensch und Hund und die übereinstimmende Reaktion von Gehirnbereichen bildlich darstellen können. Beziehungstiere wie Menschen, Hunde und viele andere sozial lebende Arten suchen also nach Bindungspartnern. Unter besonderen Umständen ist es dann egal, ob diese Partner auf zwei oder vier Beinen laufen, wie sie aussehen oder sich verhalten. Entscheidend ist das gleiche Bedürfnis, das in diesem alten Teil unserer Gehirne angelegt ist, und das ist das Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit.
Sich sicher fühlen
Sind die Erlebnisse mit einer ganz bestimmten Persönlichkeit dabei sehr positiver Natur, werden sie besonders schnell im Langzeitgedächtnis abgespeichert und dort mit einem schönen Gefühl verknüpft – der Startschuss für eine stabile Bindung und ein System, das deshalb bei ähnlich sozial organisierten Spezies wie MöpMöp und Bonnie artübergreifend funktionieren kann. Allein der Anblick des Bindungspartners löst dann schon positive Gefühle aus. Freundschaft ist also eine ziemlich erfolgreiche Erfindung der Evolution. Deshalb finden wir uns selbst in Bonnie und MöpMöp wieder, wenn wir sie dabei beobachten, wie die Gans als »zuverlässige Freundin« über ihre beste Freundin Wache hält, während diese schläft. Das hat eine beruhigende, entspannende Wirkung auf uns. Das schöne Bild weist uns darauf hin, dass uns Freunde in allererster Linie ein Gefühl der Sicherheit schenken. Sie sind der beste Stresspuffer, den man im Leben neben guten Eltern und einer stabilen Familie finden kann. Nach einer Freundin wie MöpMöp sehnen wir uns insgeheim alle.
Sich gut fühlen, Spaß haben
Aber enge Freunde sind nicht nur für uns da, wenn’s brennt; es fühlt sich neben dem Sicherheitsaspekt im Alltag einfach gut an, in ihrer Nähe zu sein. Dieses »Wohlgefühl«, die Unbeschwertheit im Umgang miteinander, ist eine weitere wichtige Funktion von guten Freunden. Wenn man in einer lauen Sommernacht über den Elbstrand in Hamburg schlendert, kann man hier herrliche Beobachtungen machen: Gruppen versammeln sich um kleine Grillstellen, liegen bis in die Nacht hinein am Wasser, aneinandergelehnt, manche lassen sogar zu, dass sie im »Würgegriff«, also mit dem Arm des Freundes oder der Freundin um den Hals gelegt, gehalten werden. Vertrauten Freunden gestehen wir sehr viel intime körperliche Nähe zu, wir reden albern oder philosophierend die Nächte durch; wir haben Zutrauen und können uns gehen lassen. All das fühlt sich einfach gut an, es bildet ein schönes Gegengewicht zum Alltag, in dem wir Aufgaben und Erwartungen erfüllen müssen. Bei besten Freunden brauchen wir uns dagegen nicht »konform« zu benehmen. Sie kennen uns so gut, dass es vollkommen sinnlos wäre, ihnen etwas vormachen zu wollen.
Das Schöne ist: Wenn man befreundete Tiere in entspannter Interaktion miteinander beobachtet, kann man genau die gleichen Kennzeichen vertrauter Freundschaft entdecken. Auch sie suchen die körperliche Nähe, zeigen sich verletzlich, indem sie empfindliche Körperteile wie ihre Kehle präsentieren, begrüßen sich ausgelassen, spielen schnell sehr vertraut und ohne Hemmungen miteinander. Auch das Streben nach Vertrautheit und Spaß an der Interaktion mit guten Freunden ist also bei Menschen und vielen anderen Tieren vorhanden. Deshalb können wir Freundschaft auch miteinander erleben. Menschen und Pferde,...
Erscheint lt. Verlag | 20.3.2021 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Natur / Ökologie |
Technik | |
Schlagworte | Artgrenzen • Bindung • Bücher über Tiere • Das Seelenleben der Tiere • Der Mensch im Tier • Erzählendes Sachbuch • Freundschaft • Geschenk Tier-Freunde • Geschenk Tier-Liebhaber • Haustiere • Haustier Geschenk • Hund • Hundkatzemaus • Kate Kitchenham • Katze • Leben mit Tieren • Lernen von Tieren • liebe verfliegt nicht • Mensch-Tier-Bindung • Mensch und Hund • Mensch und Tier • Tierbücher für erwachsene • Tierbuch Erwachsene • tiere buch • tierexpertin • Tierfreundschaften • Tierisch beste Freunde • tierische Freundschaften • Tier spiegeln unsere Seele • Tierwohl • Ungleiche Freunde • Verhaltensbiologie • Verhaltensforschung • Vox-Serie • wahre Geschichten Tiere • wahre Tiergeschichten • Wo die Liebe hinfliegt |
ISBN-10 | 3-426-46044-0 / 3426460440 |
ISBN-13 | 978-3-426-46044-3 / 9783426460443 |
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