Mein Flug über den Ozean (eBook)

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2017 | 1. Auflage
394 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-561954-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Flug über den Ozean -  Charles A. Lindbergh
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Als die Welt am Abend des 21. Mai 1927 dem jungen Piloten Charles A. Lindbergh zujubelte, feierte sie den Wagemut eines bis dahin unvorstellbaren Unternehmens: ein Mensch war allein und ohne Zwischenlandung von New York nach Paris über den Ozean geflogen. Fliegen heißt für Lindbergh »vom Wein der Götter trinken« - und schreibend vermittelt er uns dieses Gefühl, das sich aus Besessenheit und Seligkeit zusammensetzt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Charles A. Lindbergh wurde 1902 in Detroit geboren. Zunächst studierte er Maschinenbaukunde; ließ sich aber schon während des Studiums zum Flieger ausbilden. Nachdem er sich eine Zeitlang als Pilot und Kunstflieger seinen Lebensunterhalt verdiente, trat er 1924 freiwillig in eine Heeresfliegerschule ein. 1926 beteiligte er sich an der Errichtung der Luftpostlinie St. Louis - Chicago, als deren Chefpilot er den Plan zur Ozeanüberquerung faßte. Später arbeitete Lindbergh mit dem Chirurgen Alexis Carrel am Rockefeller-Institut für medizinische Forschung. Nach ausgedehnten Reisen kehrte er 1939 in die USA zurück. 1942 wurde er technischer Berater bei den Ford-Werken. 1943 trat er dem Ingenieur-Corps der US-Heeres-Luftwaffe bei. Lindbergh starb 1974 auf Maui, Hawaii.

Charles A. Lindbergh wurde 1902 in Detroit geboren. Zunächst studierte er Maschinenbaukunde; ließ sich aber schon während des Studiums zum Flieger ausbilden. Nachdem er sich eine Zeitlang als Pilot und Kunstflieger seinen Lebensunterhalt verdiente, trat er 1924 freiwillig in eine Heeresfliegerschule ein. 1926 beteiligte er sich an der Errichtung der Luftpostlinie St. Louis – Chicago, als deren Chefpilot er den Plan zur Ozeanüberquerung faßte. Später arbeitete Lindbergh mit dem Chirurgen Alexis Carrel am Rockefeller-Institut für medizinische Forschung. Nach ausgedehnten Reisen kehrte er 1939 in die USA zurück. 1942 wurde er technischer Berater bei den Ford-Werken. 1943 trat er dem Ingenieur-Corps der US-Heeres-Luftwaffe bei. Lindbergh starb 1974 auf Maui, Hawaii.

Erster Teil Die Maschine


I Die St. Louis-Chicago-Post


September 1926

1


Nacht schon beschattet im Osten den Himmel. Links von mir, tief überm Horizont, hüllt eine schmale Wolkenbank sich in ihr schwarzes Nachtgewand. Vor einem Augenblick brannte sie noch in Gold und Rot. Über dem Rand meines Führersitzes blicke ich auf die Felder von Mittel-Illinois hinab. Die Weizengarben sind von den Äckern verschwunden. Auf der Farm unter mir machen die Drescher Feierabend. Einige blicken empor und winken, als meine Postmaschine ihnen über die Köpfe braust. In wenigen Minuten wird es dunkel sein; und ich stehe noch südlich von Peoria.

Wie schnell sind die langen Tage des Sommers vorbeigegangen, an denen es hell bis nach Chicago war! Mir scheint er erst ein paar Wochen her zu sein, jener bedeutungsvolle Aprilnachmittag, der uns den Luftpostdienst einweihen sah. Mir als dem Chefpiloten der Linie hatte die Ehre des ersten Fluges zugestanden, und es gab Fotografen, Honoratioren, Händeschütteln die ganze Route entlang an jenem Tag. War es denn etwa kein Meilenstein in der Geschichte einer Stadt, daß jetzt die Post durch die Luft befördert wurde? Wir alle, Piloten, Mechaniker, Postbeamte und Direktoren in St. Louis, in Springfield, Peoria und Chicago, wir fühlten alle, wie wir an einem Ereignis teilnahmen, das uns den Weg in eine neue und wundervolle Zukunft zeigte.

Doch nach des ersten Tages gewichtiger Fracht, geschwollen von Briefen der Sammler und Enthusiasten, war das Interesse rasch wieder erlahmt. Die Leute kehrten zurück zum geschäftlichen Alltag. Luftpost spart bestenfalls ein paar Stunden. Der Mehrpreis für einen Brief macht sich selten wirklich bezahlt. Woche für Woche hatten wir schlaffe, fast leere Postsäcke hin und her geflogen – mit einer Regelmäßigkeit allerdings, auf die wir sehr stolz sind. Denn ob das Postabteil zehn oder zehntausend Briefe enthält, ist Nebensache. Wir haben Vertrauen in eine kommende Zeit. Wir wissen: eines Tages werden die Säcke prall sein.

Wir Postpiloten sind die Begründer einer Tradition. Der Verkehr zur Luft hängt von ihr ab. Schon sind Menschen für diese Tradition gestorben. Jeder Abschnitt der Poststrecken hat seine ehrfurchtgebietenden Absturzstellen, an denen ein Flugzeugführer sein Leben auf dem Altar des Berufes niederlegte – in einer Sturmnacht, verflogen, blind im Nebel. Jeder, der Post fliegt, betet dort, bewußt oder unbewußt; denn er weiß, daß sein eigener nächster Flug mit dem gleichen Opfer enden kann.

Unser Vertrag verlangt fünf Rundflüge in der Woche. Wir sind verpflichtet, die Post aus St. Louis so rechtzeitig in Chicago zu landen, daß sie die Anschlußmaschinen aus Kalifornien, aus Minnesota, aus Michigan und aus Texas erreicht; die Zeiten sind darauf abgestellt, daß die Briefe in New York City sind, wenn dort der Arbeitstag beginnt.

Diesen Dienst betreiben wir drei: Philip Love, Thomas Nelson und ich. Wir haben über neunundneunzig Prozent unseres Flugplans erfüllt und halten damit den Rekord aller Linien, die in Chicago zusammenlaufen. Wir haben Stürme durchpflügt, uns unter niedrigen Wolken entlanggemogelt, uns um die Wetterberichte fast nie gekümmert und mehr als einmal die umgebauten Militärmaschinen aus dem Krieg, die wir fliegen, in Chicago aufgesetzt, wenn andere Linien eingestellt hatten, wenn ältere und vielleicht klügere Piloten ihre Fracht an die Eisenbahn abgaben. Während der langen Sommertage haben wir kaum einen Flug verpaßt. Jetzt aber kriecht der Winter auf uns los. Die Nächte ziehen sich hin. Die Himmel trüben sich ein mit Sturm und Dunst. Schon müssen wir in Chicago bei Scheinwerferlicht landen. Noch ein paar Wochen weiter wird es auch in Peoria dunkel sein, wenn wir auf jenem schmalen Streifen Weideland einschweben, der sich Luftpostflugplatz nennt. Und bevor der Winter herum ist, wird selbst die Wiese in Springfield Beleuchtung brauchen. – Heute bin ich mehr als eine Stunde zu spät: Ärger mit dem Motor, in St. Louis.

Flugplatzbeleuchtung ist kein Problem, wenn man Geld genug hat, und mit Drehfeuer, Platzgrenzmarkierung und Scheinwerfern ist Nachtfliegen nicht weiter schwierig. Unsere Organisation aber kann solchen Luxus nicht erschwingen. Wir haben kaum das Geld, um uns von Monat zu Monat durchzubringen.

Die Robertson Aircraft Corporation wird nach dem Gewicht der Post bezahlt, die sie transportiert; und sehr oft wiegen die Säcke mehr als die Briefe darin. Unsere Betriebskosten sind unglaublich niedrig; doch sind die Einkünfte noch niedriger. Die Gesellschaft konnte sich den Ankauf neuer Maschinen nicht leisten. All unsere Flugzeuge und Motoren stammen aus Heeresrestbeständen; sie wurden in unseren Werkstätten auf dem Lambert-Flugplatz umgebaut. Wir nennen sie DHs, weil der Typ bei De Havilland in England entstand. Es sind Doppeldecker mit einem Zwölfzylinder Vierhundert-PS-Liberty-Triebwerk in der Nase. Sie wurden während des Krieges für Bomber- und Aufklärungszwecke gebaut, und verbesserte Typen wurden in den Vereinigten Staaten in Produktion gegeben. Die Militär-DH hat zwei Sitze. In unseren Maschinen liegt das Postabteil da, wo früher der Vordersitz war; und wir Postpiloten fliegen jetzt von dem Platz, in dem während des Krieges der Beobachter saß.

Wir waren nicht in der Lage, Nachtfluggerät für diese Maschinen anzuschaffen, von Feuern und sonstigen Zeichen für unsere Landeplätze ganz zu schweigen. Erst in der letzten Woche haben unsere DHs ihre roten und grünen Positionslaternen bekommen. Vorher führten wir nichts als ein Notlicht und eine Taschenlampe. Auf die Dauer ist es natürlich ein schlechtes Geschäft, eine Postlinie ohne die notwendige Beleuchtung zu betreiben. Uns hat es bereits ein Flugzeug gekostet. Vor etwas mehr als einer Woche verlor ich eine DH, weil ich kein zweites Notlicht hatte, und keine Flächenlichter, und keine Platzbeleuchtung, um zu ihr zurückzufliegen.

In jener Nacht, nordwärts zwischen Marseilles und Chicago fliegend, kam ich in Nebel. Es war eine ziemlich massive Sache, die da durch das Illinois-River-Tal hereinkroch. Ich drehte ab nach Südwest und versuchte, mein einziges Notlicht abzuwerfen, um auf einem der Felder unter mir zu landen; als ich aber den Auslöser zog, geschah gar nichts. Die Nebeldecke war etwa dreihundert Meter hoch; ich beschloß, über sie zu steigen und auf dem alten Kurs weiter zu fliegen; irgendwo um den Flugplatz herum hoffte ich ein Loch zu finden, durch das ich wieder unter die Wolken käme, um das Chicago-Feuer zu erwischen, das auf Regierungskosten errichtet worden war.

Flimmernde Nebelflecken zeigten mir, wo Ortschaften lagen. Aber der Platz lag unter einer Zweihundertfünfzig-Meter-Decke Nebel. Später haben mir die Mechaniker unten erzählt, sie hätten ein Scheinwerferlicht hinaufgeschickt und zwei Fässer Benzin am Boden verbrannt, um mich aufmerksam zu machen.

Ich kreiste noch eine halbe Stunde und flog dann West in der Hoffnung, eines der Feuer der Transkontinentalroute aufzufinden. Sie waren gleichfalls vom Nebel verschluckt. Inzwischen hatte ich aber entdeckt, daß das Versagen des Abwurflichts an einem zu langen Auslöserkabel lag; wenn ich am Kabel selbst statt am Auslöserhebel zog, konnte das Licht noch immer funktionieren. Ich kam auf meinen ursprünglichen Plan zurück, unter Benutzung des Notlichts auf einem Acker zu landen. Um 8.20 Uhr spuckte der Motor ein paarmal und stellte die Arbeit fast völlig ein. Ich schaltete routinemäßig auf den Reservetank um. Dann – ich war etwa fünfhundert Meter hoch – steckte ich mir die Taschenlampe ein und machte mich fertig zum Sprung. Doch der Motor sprang wieder an. Ich hatte Betriebsstoff für höchstens zwanzig weitere Flugminuten; und das war nicht genug, um die Nebelgrenze zu erreichen.

Ich entschloß mich, erst dann zu springen, wenn der Reservetank gleichfalls leer sein würde, und hatte grade zu steigen begonnen, als ich ein Licht auf der Erde sah – nur ein Geblinzel; aber das hieß ein Loch im Nebel. Ich ging in Spiralen auf vierhundert Meter und riß am Notlichtauslöserkabel. Jetzt funktionierte zwar das Licht, zeigte aber im Niederschweben nur eine dicke Nebelschicht. Ich wartete, bis es an seinem Fallschirm außer Sicht sank, und fing wieder an zu steigen. Voraus lag der Schimmer eines kleinen Orts. Ich ging in die Kurve, Richtung offenes Land.

Ich war etwa tausendfünfhundert Meter hoch, als mein Motor zum zweitenmal streikte. Ich öffnete meinen Anschnallgurt, hechtete über die Rumpfwand nach rechts außenbords und zog die Reißleine nach einem Fall von zwei, drei Sekunden. Der Fallschirm öffnete sich sofort. Ich war dabei, mit der Taschenlampe die Nebeldecke unter mir abzuleuchten, als ich plötzlich von fern das Geräusch eines Flugzeugs vernahm. Es kam auf mich zu; und nach wenigen Sekunden sah ich meine DH schemenhaft etwa auf meiner Höhe keine vierhundert Meter weg von mir. Sie kreiste in meiner Richtung, linke Fläche nach unten. Das Geräusch des Motors wurde schwächer und wieder stärker, bis die DH erneut erschien, und zwar noch immer mit mir in gleicher Höhe. Die Fallgeschwindigkeiten von Fallschirm und Flugzeug waren ungefähr gleich. Ich zählte fünf Spiralen, jede von ihnen etwas weiter als die jeweils letzte entfernt. Dann versank ich im Nebel.

Da ich wußte, daß weniger als dreihundert Meter unter mir Grund war, faßte ich wieder nach meiner Taschenlampe. Sie war weg. Ich hatte sie, als ich das Flugzeug auf mich zukommen sah, in der Aufregung nicht tief genug in die Tasche...

Erscheint lt. Verlag 29.12.2017
Übersetzer Hans Jürgen Soehring
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Atlantik • Auto • Bericht • Bill Robertson • Charles A. Lindbergh • Charles Nungesser • Donald Hall • Erinnerung • Fliegerjahr • Flug • Flugzeug • Fokker • Harry Knight • Instrumentenbrett • Irland • Kästchen • Kelly • Lambert Feld • Logbuch • New York • Paris • Pilot • Reifen • Ryan Airline • Sachbuch • San Diego • Schiff • Stahl • St.Louis • Trockenbatterie
ISBN-10 3-10-561954-2 / 3105619542
ISBN-13 978-3-10-561954-4 / 9783105619544
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