Roland Berger - Der Consultant (eBook)

Biographie
eBook Download: EPUB
2024
400 Seiten
Siedler Verlag
978-3-641-30713-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Roland Berger - Der Consultant - Gregor Schöllgen
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Roland Berger »hat das Consulting in Deutschland hoffähig gemacht und gilt als Synonym für die ganze Zunft«, schrieb das Manager Magazin 2008. Auf ihn hörten die Größen der deutschen und internationalen Wirtschaft ebenso wie Spitzenpolitiker aller Parteien. Roland Bergers erstaunlichen Weg von seiner Kindheit im Krieg über die Gründung seiner ersten Firma als Student bis hin zu seiner beispiellosen Karriere in der Welt der Bosse, Manager und Konzerne, in der Politik und in den Medien zeichnet der Historiker Gregor Schöllgen in dieser fesselnden Biographie nach. So gewinnt der Leser nicht nur tiefe Einblicke in ein außergewöhnliches Leben, sondern auch in den spannenden Aufstieg einer einflussreichen Branche und in die bewegte Geschichte der bundesdeutschen Republik seit ihren Anfängen.

Gregor Schöllgen, Jahrgang 1952, lehrte von 1985 bis 2017 Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Erlangen und in der Attachéausbildung des Auswärtigen Amtes. Er wirkte als Gastprofessor in New York, Oxford, London und Zürich, war Mitherausgeber der Akten des Auswärtigen Amtes sowie des Nachlasses von Willy Brandt.

Als profilierter Biograph folgte er den Spuren unter anderem von Willy Brandt, Ulrich von Hassell, Martin Herrenknecht, Gustav Schickedanz, Theo Schöller, Gerhard Schröder und Max Weber sowie von bedeutenden Unternehmerfamilien wie Brose, Diehl und Schaeffler. Zuletzt erschien bei DVA seine Geschichte der Familie Weiss und ihres Unternehmens, des Anlagenbauers SMS.

Schatten der Geschichte

Eine Kindheit im Krieg
1937–1947


Es ist kein Tag wie andere. Als Roland Berger am 18. Oktober 2019 wie jeden Morgen die Zeitungen studiert, bevor er sich zu seinem Büro an der Münchener Maximilianstraße auf den Weg macht, ist er zwar auf manches gefasst. Schließlich hat der Consultant seit 1967 aus einem Einmannbüro das weltweit führende Top-Management-Beratungsunternehmen europäischen Ursprungs geformt. Dank dieser Lebensleistung ist der Gründer und Namensgeber auch jetzt, da er an der Schwelle zu seinem 82. Lebensjahr steht, immer noch für eine Geschichte gut.

Erst tags zuvor, am 17. Oktober, hat das Handelsblatt der »Beraterlegende« einen längeren Bericht gewidmet und getitelt: »Wie Roland Berger zum deutschen ›Mr. Wirtschaft‹ wurde. Unternehmen, Regierungskommissionen, Netzwerke: Kaum ein Berater prägte die deutsche Wirtschaft nach der Adenauer-Ära so sehr wie Roland Berger«. Das Porträt aus der Feder des Chefredakteurs traf den Mann ganz gut, und dass es in diesem Blatt erschien, überraschte nicht weiter. Keiner anderen Zeitung dürfte der Consultant im Laufe der Jahrzehnte öfter für ein Gespräch zur Verfügung gestanden haben als dem Handelsblatt. Die Chemie stimmte offensichtlich, das Verhältnis war belastbar.2

Doch schon am folgenden Vormittag wird Roland Berger eines anderen belehrt. Wohl weiß er, dass sich einige Redakteure des Handelsblatts seit geraumer Zeit mit seinem Vater Georg Berger beschäftigen. Erst eine Woche zuvor hatten sie ihn und den Historiker Michael Wolffsohn dazu interviewt. Aber von einer groß angelegten Demontage des Sohnes war nicht die Rede. Tatsächlich ist das, was am 18. Oktober – dem Interview vorgeschaltet – auf fünf ganzen Seiten unter dem Titel »Roland Bergers späte Reue« erscheint, ein Angriff auf den Ruf des Consultanten. Die Biographie des Vaters liefert die Munition.3

Verschwiegen oder gar unter den Teppich gekehrt hat Roland Berger die Geschichte seiner Familie nie, im Gegenteil. So hatte das manager magazin im Herbst 2008 mit Bergers Unterstützung groß über sein Leben, auch über die frühen Jahre und damit über seinen Vater Georg Berger berichtet. Und zwar so, wie sich Roland Berger – auch im Lichte der Erzählung seiner Eltern – an diese Zeit erinnerte. Das wird nun infrage gestellt. Zu Recht? Hat der Vater ihn, womöglich wider besseres Wissen, auf eine falsche Spur gesetzt? Hat die eigene Erinnerung Roland Berger getrogen? Sicher ist, dass es eine Geschichte gibt. Sie will erzählt werden.4

Roland Altmann, wie er bei seiner Geburt heißt, erblickt am 22. November 1937 als erstes Kind von Klothilde Altmann in Berlin-Köpenick das Licht der Welt. Wann und warum es »Thilde« Altmann, so ihr Rufname, in die Reichshauptstadt verschlagen hat, wissen wir nicht. Wie überhaupt nur sehr wenig über ihre frühen Jahre bekannt ist.

Geboren wird Thilde Altmann am 15. Juli 1909 in Egglkofen, einer Ortschaft mit nicht einmal 400 Einwohnern, gelegen zwischen Landshut und Mühldorf am Inn und rund 90 Kilometer vom Zentrum Münchens entfernt. Hätte nicht Maximilian Joseph Graf von Montgelas, Bayerns legendärer Reformer, 1835 Schloss Egglkofen erworben, wäre der Ort wohl kaum jemandem ein Begriff. Im Leben des jungen Roland Berger wird Egglkofen eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Die Verbindung zu dieser Gemeinde und zu den Grafen von Montgelas bleibt ein Leben lang. Als die Familie im Herbst 2011 die Graf von Montgelas-Stiftung ins Leben ruft, übernimmt Roland Berger den Kuratoriumsvorsitz.5

Zur Mutter erteilt der Sohn die Auskunft, dass sie nach der Mittleren Reife eine kaufmännische Ausbildung absolviert hat und dann in die Großstadt München gezogen ist. Gut möglich, dass sie hier erstmals ihrem späteren Ehemann Georg Berger über den Weg läuft, der damals noch verheiratet ist. Ein Grund für den Wechsel der jungen Frau Altmann nach München dürfte die Arbeitssuche gewesen sein, die aber zunächst erfolglos bleibt. Jedenfalls lässt sich dem Meldebogen für ihr Spruchkammerverfahren entnehmen, dass sie Anfang der Dreißigerjahre wie so viele Deutsche »arbeitslos« gewesen ist. Daran ändert sich mit dem Umzug nach Berlin im Herbst 1935 zunächst offenbar nichts.6

Aktenkundig wird Klothilde Altmann, »ohne Beruf«, wieder durch die Geburt ihres Sohnes Roland. Am 29. Januar 1938, also gut zwei Monate später, erklärt Georg Berger, Ministerialrat in der Reichsjugendführung, vor dem Amtsgericht in Berlin-Charlottenburg, »der Vater des von der unverehelichten Klothilde Altmann … geborenen unehelichen Kindes namens Roland zu sein und als solcher kraft Gesetzes verpflichtet zu sein, für das Kind den der Lebensstellung der Mutter entsprechenden Unterhalt zu gewähren«.7

Zu diesem Zeitpunkt wohnen die Eltern gemeinsam in Berlin-Wilmersdorf, Jenaer Straße 16. Am 26. November 1938, also ein Jahr nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes, schließen Georg Berger und Thilde Altmann vor dem Standesamt Berlin-Wilmersdorf die Ehe. Am 17. Mai 1939 wird die »Vormundschaft über das Kind« durch das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg aufgehoben.8

Wesentlich besser als über die frühen Jahre von Roland Bergers Mutter Thilde sind wir über den Lebensweg seines Vaters »Georg« Leonhard Berger informiert. Der kommt am 12. September 1893 in Würzburg zur Welt, ist also anderthalb Jahrzehnte älter als seine spätere zweite Frau Thilde und Mitte vierzig, als der gemeinsame Sohn Roland geboren wird.

Georg Bergers Mutter Friederike, geborene Vollmer, ist am 19. Januar 1869 im württembergischen Creglingen zur Welt gekommen. Sein Vater, Roland Bergers Großvater, der Schneidermeister Georg Berger senior, wurde am 17. April 1869 im mittelfränkischen Rothenburg ob der Tauber geboren. Die Familie Berger, die aus der Steiermark stammt, hat es Mitte des 17. Jahrhunderts im Zuge des Dreißigjährigen Krieges als Religionsflüchtlinge ins protestantische Franken verschlagen. Beide Elternteile Georg Bergers sind »evangelisch-lutherischen Glaubens«. In dieser Tradition wird der Sohn »erzogen«.9

Wie einem Lebenslauf zu entnehmen ist, den Georg Berger wohl Anfang 1947 zu Papier brachte, verbringt er, wenn überhaupt, nur einen Teil seiner Kindheit in seiner Geburtsstadt Würzburg. Tatsächlich wächst er in Rothenburg ob der Tauber auf, wo seine Eltern, die »Schneidermeisterseheleute« Georg senior und Friederike, ihre Werkstatt führen. Allerdings behält Georg Berger junior einen Bezug zu Würzburg und vermittelt diesen auch seinem Sohn Roland. In Erinnerung bleibt dem vor allem ein Besuch der unterfränkischen Residenzstadt anlässlich der Konfirmation.10

Rothenburg ob der Tauber, wo der Vater aufwächst, war einmal eine Reichsstadt, die allerdings im Dreißigjährigen Krieg viel von ihrer Bedeutung verloren hat und mit ihren gut 8600 Einwohnern, die 1910 gezählt werden, nicht gerade zu den Metropolen gehört. Dort also besucht Roland Bergers Vater Georg die Volks- und – bis zur 3. Klasse – die Realschule sowie zwei Klassen der Fortbildungsschule, bevor er von Mitte April 1908 bis Mitte Dezember 1910 bei der ebenfalls in Rothenburg ansässigen Adlerbräu in die Lehre geht. Wie seine späteren Tätigkeiten zeigen, ist Georg Berger ein vielseitig interessierter, vielleicht auch begabter Mann. Jedenfalls erinnert sich sein Sohn Roland, dass er Violine spielte, seiner Frau und den Kindern zum Geburtstag jeweils ein Gedicht schrieb und – wohl infolge seiner Verwendung im Ersten Weltkrieg – recht gut Französisch sprach.

Georg Berger bleibt auch nach der Lehre einstweilen im Frankenland, das ihn offenkundig prägt, nimmt mit Jahresbeginn 1911 seine erste Arbeitsstelle als Lagerbuchhalter bei der Petzbräu in Kulmbach an, wechselt Mitte November dieses Jahres nicht nur den Ort, sondern auch das Gewerbe und tritt bei den Porphyrwerken im oberpfälzischen Freihung, also in der Gesteinsindustrie, als Stenotypist und Kontorbuchhalter ein. Schon früh fällt auf, was der Lebenslauf während der Zwanzigerjahre bestätigen wird: So häufig Georg Berger den Arbeitsplatz wechselt, so eindeutig dreht sich sein berufliches Wirken um das Kaufmännische mit all seinen Facetten.11

Dass er schon Ende September 1912, also nicht einmal ein Jahr nach dem Eintritt, die Porphyrwerke wieder verlässt, liegt nicht am unsteten Leben des Suchenden, sondern an der Pflicht. Das Vaterland ruft. Am 12. Oktober 1912 rückt Georg Berger zum Königlich Bayerischen 8. Feld-Artillerie-Regiment nach Nürnberg ein, um seinen Militärdienst abzuleisten. Aus den vorgesehenen zwei werden schließlich sechs lange Jahre. Denn der Wehrdienst geht nahtlos in den Kriegsdienst über.

Auslöser des am Ende vierjährigen Krieges sind die Entwicklungen auf dem Balkan. Hier verdichten sich die zum Teil in der außereuropäischen Welt entstandenen Gegensätze zwischen den Großmächten zu schweren Unwettern. Mit der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers am 28. Juni 1914 in Sarajevo gewinnt diese Entwicklung eine kaum noch kontrollierbare Eigendynamik, und es sind die Deutschen, die am 1. und 3. August mit den Kriegserklärungen an Frankreich und Russland vollendete Tatsachen schaffen. Die Begleiterscheinungen und Folgen dieser Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts lassen sich schwerlich überschätzen. Denn das jahrelange verbissene Bestreben nicht nur der...

Erscheint lt. Verlag 13.11.2024
Zusatzinfo Mit 7 Schwarz-Weiß-Fotos
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2024 • Biografie • Biographien • Deutsche Bank • eBooks • Edmund Stoiber • Gerhard Schröder • Helmut Kohl • Manager • Neuerscheinung • Politikberatung • Strategieberatung • Unternehmensberatung
ISBN-10 3-641-30713-9 / 3641307139
ISBN-13 978-3-641-30713-4 / 9783641307134
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