Gysi gegen Guttenberg (eBook)

Spiegel-Bestseller
Gespräche über die Zeit, in der wir leben
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
224 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83485-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gysi gegen Guttenberg -  Karl-Theodor zu Guttenberg,  Gregor Gysi
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Hier prallen Gegensätze aufeinander - unterhaltsam und auf höchstem Niveau. Der Podcast »Gysi gegen Guttenberg«, aus dem dieses Buch hervorgeht, findet genau deshalb hunderttausende Zuhörer und füllt ganze Hallen. Gregor Gysi und KT Guttenberg sprechen über Themen und Fragen, die uns alle bewegen - Ukrainekrieg, Amerika, Klimapolitik, AfD oder die komplexen Ost-West-Gegensätze. Die beiden (Ex-)Politiker geben sich nicht mit oberflächlichen Diskussionen zufrieden. Doch dieses Buch geht weit über politische Diskussionen hinaus. Es öffnet die Türen zu den großen Lebensthemen: Krisen und Krankheit, Niederlage und Neuanfänge, Vorbilder und Feindbilder. Ein unterhaltsamer, wertschätzender und ehrlicher Dialog auf höchstem Niveau, der nicht nur zum Denken herausfordert, sondern auch dazu anregt, sich mit den Themen auseinanderzusetzen - selbst wenn man unterschiedlicher Meinung ist.

KT Guttenberg ist Unternehmer, Co-Produzent und Moderator von Dokumentarfilmen und anderen publizistischen Formaten. Er veröffentlicht in englisch- und deutschsprachigen Medien. Seit Juni 2023 ist der ehemalige Politiker zusammen mit Gregor Gysi Host des Podcasts »Gysi gegen Guttenberg«.

KT Guttenberg ist Unternehmer, Co-Produzent und Moderator von Dokumentarfilmen und anderen publizistischen Formaten. Er veröffentlicht in englisch- und deutschsprachigen Medien. Seit Juni 2023 ist der ehemalige Politiker zusammen mit Gregor Gysi Host des Podcasts »Gysi gegen Guttenberg«. Gregor Gysi, geboren 1948, Rechtsanwalt, Politiker und Bestsellerautor, war von 1990 bis 2002 und 2005 bis 2015 Fraktionsvorsitzender der PDS bzw. der Partei Die Linke im Bundestag, dem er bis heute als Abgeordneter angehört.

»So kann man’s ooch sehen.«

Warum wir miteinander reden

Guttenberg

Soll ich erzählen, wie alles begann, lieber Gregor? Ich habe ja damals die Angel ausgeworfen … Ich dachte mir, es müsste unter den deutschsprachigen Podcasts ein Angebot geben, das sich von den üblichen Schilderungen der Dinge unterscheidet. Nachdenklich und trotzdem streitig. Die Frage war: Wer wäre dafür der unterhaltsamste und streitbarste Gesprächspartner? Mit wem würde der fortwährende Dialog nicht nach drei Monaten langweilig werden? Dein Name stand ganz oben auf der Liste. Obwohl wir wirklich von sehr unterschiedlichen Planeten kommen, habe ich dich in meinen Jahren als Politiker immer sehr geschätzt, weil ich eine Neigung zu Menschen habe, die einfach richtig gut argumentieren können – mit Überzeugungen, die vielleicht nicht meinen entsprechen, die aber glaubwürdig sind. Also schrieb ich eine E-Mail, ob wir uns nicht treffen könnten. Du sagtest sofort zu.

Gysi

Ich möchte erst mal auf Folgendes hinweisen: Als du damals Verteidigungsminister warst, der selbstverständlich die Politik der Bundesregierung zu vertreten hatte, hatten wir eigentlich gar keinen Kontakt. Du warst ja auch ganz oben. Aber dann wurdest du nach unten gezogen. Und ich bin nun einmal Anwalt. Ich fühle mich immer zu Personen hingezogen, wenn es ihnen nicht gut geht – nicht umgekehrt. Und deshalb habe ich dich damals in dieser für dich schwierigen Zeit angesprochen.

Guttenberg

Das war, zur Einordnung, im Jahr 2011, als die Wellen der öffentlichen Empörung gerade mit Wucht über mir zusammenschlugen und ich mich kurz darauf aus der Politik zurückzog. Damals habe ich mich wirklich gefreut, dass jemand einfach auf mich zukam und sich freundlich mit mir ausgetauscht hat. Das war seinerzeit nicht die Regel.

Gysi

Jetzt, bei unserem Gespräch im Frühjahr 2023, war es so, dass du mir deine Vorstellungen zu dem Podcast erläutert hast – und ich war von einem Gedanken fasziniert, nämlich von der Gegenüberstellung. Auf der einen Seite ein Mensch, der vollständig im Westen und dann noch in einer gehobenen Schicht sozialisiert wurde und daraus bestimmte Einstellungen und Gefühle gewonnen hat. Das Zweite, was mir wichtig war, ist: Du weißt, wie es ist, wenn man aufsteigt. Und du weißt aber auch, wie es ist, wenn man abstürzt. Nur wenn einer beides erlebt hat, weiß er um die Unzuverlässigkeit des Erfolgs. Auf der anderen Seite jemand wie ich, der vollständig im Osten sozialisiert wurde, wenn auch unter bestimmten, besonderen Bedingungen. Das eigentliche Privileg meines Lebens in der DDR bestand darin, dass meine Familie Besuch aus den USA bekam, aus Südafrika, aus Großbritannien, aus Belgien, aus den Niederlanden und vor allem aus Frankreich. Das gab es sonst nicht in der DDR. Und das hat natürlich meinen Blick etwas erweitert. Außerdem bin ich, was wichtig ist, mit Ironie und Selbstironie aufgewachsen. Mein Vater konnte nicht nur ironisch sein, sondern auch selbstironisch.

Guttenberg

Das haben wir gemeinsam.

Gysi

Zum Beispiel kam zu uns immer ein reicher Franzose. Ich weiß nicht, warum, jedenfalls hatte er die Kommunistische Partei in Frankreich unterstützt. Und ich war noch ein Kind, da fragte ich ihn: Was machst du eigentlich, wenn die sozialistische Revolution in Frankreich gesiegt hat? »Oh«, sagte er, »das weiß ich. Dann gehe ich sofort in die Schweiz und kämpfe weiter.«

Insofern reizte mich jetzt diese Gegenüberstellung. Und, letzter Gedanke: Ich war davon überzeugt, dass du im Kern ehrlich argumentieren wirst, genau wie ich. Und zwar, weil du nicht mehr in der Politik bist. Du musst nicht auf irgendwelche Beschlüsse Rücksicht nehmen und hierauf und darauf. Und ich habe das noch nie gemacht. Das war für mich auch ein Reizpunkt, dass ich mir sagte: Der sagt, was er denkt. Wir beide kennen uns also von früher aus dem Bundestag und dem politischen Betrieb, aber wir hatten uns seit Jahren nicht gesehen.

Guttenberg

Einmal hatten wir uns in der Zwischenzeit getroffen, fällt mir ein. Das muss am Tegernsee gewesen sein.

Gysi

Ja, da war ich eingeladen und sollte dort sprechen, wo die reichsten Leute Deutschlands wohnen. Es gab ein Abendessen, und das Beste an dem Abendessen war, dass alle über den Verrückten sprachen, der gerade im März im See geschwommen war. Dieser Verrückte, das war ich gewesen – aber ich habe natürlich nichts gesagt.

Guttenberg

An diesem Ort waren sicher mehr Menschen über deinen Sprung in den kalten See beeindruckt als über deine politischen Ansichten.

Gysi

Die wussten ja gar nicht, dass ich das war. Sie zogen nur anonym über den Verrückten her. Und da ich mich nicht zu erkennen gab, zog ich mit den anderen über den Verrückten her.

Guttenberg

Nun reden wir ja seit vielen Monaten, aber diese Geschichte habe ich noch nicht gehört … Wenn wir uns treffen, machen wir ja möglichst zwei Episoden hintereinander, das dauert mit allen Vorbereitungen zwei bis drei Stunden. Die gemeinsamen Abendessen kommen noch obendrauf. Bei diesen Gelegenheiten haben wir uns jetzt erst richtig kennengelernt.

Gysi

Fang du mal an, bitte.

Guttenberg

Also, wir neigen beide nicht dazu, Klischees zu bedienen, und überraschen uns immer mal wieder auch gern selbst. Und wenn man sich selbst überrascht, überrascht man auch das Gegenüber – oder jemanden, der einem zuhört. Mir war wichtig, dass mir keine Sprechblasen begegnen oder vorgestanzte ideologische Grundsätze um die Ohren gehauen werden, sondern dass man sich auch gegenseitig eine gewisse Nachdenklichkeit erlaubt. Bei Gregor ist es so wie bei mir: Wir reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist, und nehmen keine Rücksicht auf Befindlichkeiten. Erst mal haben wir einen Testlauf gemacht. Denn zu klären war ja: Wenn man sich gegenübersitzt, schmeißt man sich gleich die Kaffeetasse an den Kopf oder das Weinglas? Und verlässt laut zeternd und unter Absingen schrecklicher Beschimpfungen den Raum? Oder hat man tatsächlich nach einer Stunde das Gefühl, dass man ein bereicherndes Gespräch geführt hat? Und das war beim ersten Mal schon der Fall. Aus dem Testlauf wurde die erste Episode. Das Thema hieß Einsamkeit.

Ein Thema, auf das wir uns nicht vorbereiten konnten. Und das trägt seitdem unsere Gespräche: dass wir uns nie vorbereiten, sondern versuchen, so spontan wie möglich zu sein und damit einen echten Dialog zustande zu bekommen, als würden wir uns abends unvermittelt begegnen. Dieses Prinzip hat sofort funktioniert. Und ich habe auch gleich Lust auf das nächste Gespräch empfunden. Ich weiß nicht, wie es dir gegangen ist, wahrscheinlich hast du danach erst mal einen Schnaps gebraucht.

Gysi

Das erste Gespräch war insofern eine Besonderheit, als wir unterschiedliche Situationen der Einsamkeit erlebt haben. Ich war mal als Student ein ganzes Jahr isoliert und weiß, wie das ist – die Tatsache, dass mein Vater ein hoher Funktionär war, hatte mich plötzlich verdächtig gemacht. Und zwar, weil Kinder von hohen Funktionären nach dem Einmarsch der Sowjetunion in die ČSSR zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Das drehte sich dann ganz merkwürdig. Es war wirklich spannend zu erleben, wer mit wem befreundet blieb. KT, du hast in einer ganz anderen Situation Ähnliches erlebt. Aber wir haben dann auch weiter darüber nachgedacht: Was ist eigentlich politische Einsamkeit? Woher kommen zum Beispiel in der Parteipolitik die plötzlichen Wendungen? Wir sprachen auch darüber, dass ich glücklicherweise immer – aufgrund der Umstände in meiner Partei – in meiner unmittelbaren politischen Umgebung Freunde hatte. Das gibt es sonst eigentlich nicht. Diese Perspektive hat wiederum bei dir Gedanken ausgelöst. Und das Schöne war, dass die Leute, die sich die erste Folge angehört haben, erstaunt waren über die Art und Weise, wie wir miteinander redeten – und wiederum wir erstaunt waren, in wie viel Punkten wir übereinstimmen. Natürlich gibt es Differenzen. Aber das ist ja das eigentlich Aufregende an einem solchen Podcast. Plötzlich merkst du, der ist ja auch ein Mensch, der hat auch seine Gefühle. Er ist auch verletzlich. Er ist eitel wie du auch. Aber die Frage ist immer: Beherrschst du die Eitelkeit? Oder beherrscht sie dich? Ersteres ist überhaupt kein Problem, Letzteres ist eine absolute Katastrophe. Dann gehen wir ab und zu miteinander essen, dabei tauschen wir uns auch wirklich privat aus. Und so entsteht eine gewisse persönliche Bindung. Die spürt man in den Gesprächen – die führt aber nicht dazu, dass du nicht deine Meinung sagst oder ich nicht meine Meinung sage.

Guttenberg

Das Wort Vertrauen ist ja ein inflationär gebrauchter Begriff, zumal im Politischen, und dort wird er meistens mit Füßen getreten. Aber wir haben, das darf ich sagen, sehr schnell Vertrauen gefasst. Nur so kann man sich Offenheit leisten. Wir legen immer Wert darauf, nicht über Tagespolitik zu reden, um nicht in die übliche Gehetztheit abzudriften. Und wir versuchen bei allen Themen, seien sie politisch oder persönlich, sie mit sehr persönlichen Erfahrungen, auch tiefen persönlichen, manchmal schmerzhaften, manchmal lustigen, manchmal grotesken, zu verbinden. All das kann man nur, wenn man eine gemeinsame Vertrauensbasis hat. Ob eine politische Überzeugung in die eine oder andere Richtung geht, ist dann egal. Das verbindende Element ist das Vertrauen. Und daran fehlt es an so vielen Ecken und Enden in unserer Gesellschaft heute. Wir wollen Versöhnlichkeit vorleben angesichts der ganzen Streitsucht, die herrscht, angesichts des Vernichtungswillens, der manchmal zum Ausdruck...

Erscheint lt. Verlag 9.9.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Außenpolitik • Bildungspolitik • cancel culture • Debattenkultur • Kirchenpolitik • Linksextremismus • Rechtsextremismus • Spaltung der Gesellschaft • Wirtschaftspolitik
ISBN-10 3-451-83485-5 / 3451834855
ISBN-13 978-3-451-83485-1 / 9783451834851
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