Allein mit dem Handy: So schützen wir unsere Kinder (eBook)

Spiegel-Bestseller
So schützen wir unsere Kinder

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
320 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-32471-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Allein mit dem Handy: So schützen wir unsere Kinder - Daniel Wolff
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Brutalste Gewaltdarstellungen, abgrundtiefer Rassismus, Pädophile auf Kinderjagd, Sexting mit katastrophalen Folgen, Glücksspiel-Abzocke in vermeintlich harmlosen Spielen - unglaublich, was Kinder an ihrem Smartphone erleben. Allerdings sagen die allermeisten ihren Eltern davon nichts. Auch deshalb unterschätzen Eltern nach wie vor massiv, wie mächtig die Wirkung digitaler Medien - allen voran Smartphones - auf ihre Kinder ist.

Eine ganze Elterngeneration gibt ihren Kindern schon in der Grundschule ein eigenes Smartphone, ohne sich selbst und die Kinder darauf vorzubereiten, und ohne sie am Anfang intensiv zu begleiten. Daniel Wolff, Digitaltrainer an Schulen in ganz Deutschland, weiß, was die Kinder im Internet wirklich erleben, und zeigt, wie sie geschützt werden können - und wie sie die großen Chancen der digitalen Welt souverän nutzen können.

Daniel Wolff ist ein deutschlandweit stark nachgefragter Digitaltrainer für Familien, der seit 2017 an Hunderten von Schulen im intensiven Austausch mit SchülerInnen, Lehrkräften und Eltern steht. Zuvor arbeitete er als IT-Journalist für das Computermagazin CHIP und war US-Korrespondent im Silicon Valley. Auch als Gymnasiallehrer und Universitätsdozent an der LMU München (Kompetenznetzwerk Medienbildung und Digitalisierung/KMBD) sammelte er einschlägige Erfahrungen. Daniel Wolff ist Vater von drei Kindern, die ihn trotz seiner eigenen Technikbegeisterung immer wieder vor neue digitale Herausforderungen stellen, und lebt mit seiner Familie in München.

2. Kinder & Smartphones:
Reality Check

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass unser Nachwuchs mit seinen Überredungskünsten in den letzten Jahren sehr erfolgreich war, denn eindeutig bekommen immer mehr Kinder ihre eigenen Smartphones immer früher. Leider hinken bei dieser Entwicklung offizielle Zahlen der Realität meist weit hinter. Als jemand, der inzwischen mehr als die Hälfte seiner Zeit beruflich an Hunderten Grundschulen verbracht hat, wage ich aktuell folgende Einschätzung: Quer über alle Schularten und Regionen hinweg hat heute an den meisten Grundschulen in Deutschland am Ende des 3. Schuljahres bereits mehr als die Hälfte der Kinder ein eigenes Smartphone. In den 4. Klassen steigt der Anteil der Smartphone-Nutzer*innen bereits auf etwa zwei Drittel bis drei Viertel. Ab der 5. Klasse spätestens haben dann – außer ein paar Kindern pro Jahrgangsstufe – so gut wie alle eins.

Offizielle Zahlen aus Studien und inoffizielle Zahlen aus der Praxis

»Wirklich so viele so früh? Das kann doch gar nicht sein!« – so reagieren viele Lehrkräfte und Schulleitungen vor den Digitaltrainings. Danach heißt es dann regelmäßig: »Hätte ich nie gedacht!« Zum Glück gibt es dazu auch verbindliche Zahlen, wissenschaftlich erhoben. Um Sie nicht mit zu vielen Diagrammen zu langweiligen, möchte ich mich im Folgenden auf die meiner Meinung nach besten offiziellen Auswertungen für Deutschland konzentrieren: die KIM- und JIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbands Südwest, die schon seit Jahrzehnten durchgeführt werden und deshalb besonders gut Trends erkennen lassen.

Die KIM-Studie 2022 weist für 6- bis 13-Jährige in Deutschland eine Smartphone-Besitzquote von 51 Prozent aus.1 Bei älteren Kindern und Jugendlichen stellt sich der Sachverhalt dann mehr als eindeutig dar: Laut JIM-Studie 2023 (für 12- bis 19-Jährige) besitzen 96 Prozent der Jugendlichen in Deutschland ein Smartphone,2 also im Schnitt pro Klasse – mit Ausnahme eines einzigen Kindes – alle.

Nun kann es natürlich immer sein, dass es genau an der Schule Ihres Kindes (oder Ihrer Kinder) anders ist – und das in beide Richtungen. Manchmal unterscheiden sich an Grundschulen sogar einzelne Klassen wesentlich: In der 3a gibt es dann »erst« drei Smartphones; in der 3b aber schon 17. Unterm Strich aber kann ich Ihnen versichern, dass heute in Deutschland das Einstiegsalter für ein Smartphone für die Mehrzahl der Kinder nicht mehr »erst« die 5. Klasse ist. Vor ein paar Jahren stimmte das vielleicht noch, weil viele zu diesem Zeitpunkt auf eine weiterführende Schule wechseln.

Dann jedoch kam Corona, und in den unendlich langweiligen Lockdown-Wochen daheim konnten offensichtlich viele Kinder durch unendliches Anflehen ihre (unendlich genervten) Eltern davon überzeugen, ihnen jetzt – nur umständehalber, natürlich – doch schon früher ein eigenes Smartphone zu überantworten. Oder wenigstens ein eigenes Tablet (das in der Regel mit Ausnahme von Telefonie und Gut-versteckt-Werden alles kann, was ein Smartphone auch draufhat). Als Corona dann vorbei war, hat man es oft gleich dabei belassen – denn die älteren Geschwister hatten eben auch schon früher eins bekommen, und man will ja fair bleiben. Als ich 2022 und 2023 in Grundschulklassen herumgefragt habe, wer »wegen Corona« schon früher ein eigenes Smartphone bekommen hatte, meldete sich im Schnitt etwa ein Viertel der Kinder.

Wo die Reise weiter hinzugehen scheint, deutet aber die MiniKIM-Studie 2023 an, die sich mit der Mediennutzung von Klein- und Vorschulkindern befasst und im April 2024 erstmals vorgestellt wurde: Jedes fünfte Kleinkind (2 bis 3 Jahre) hat demnach bereits ein eigenes Tablet – und laut Angaben der Eltern hat jedes zehnte Kind bereits im Alter von 2 bis 5 Jahren ein eigenes Handy oder Smartphone.3 Die Eltern dieser Kinder sollten dieses Buch lesen!

Nutzungsdauer: Länger am Smartphone als im Schulunterricht

Wie lange nutzen Kinder und Jugendliche ihre Smartphones täglich? Die KIM-Studie 2022 hat dazu Folgendes erhoben: »Nach Einschätzung der Eltern sind Kinder an einem Wochentag durchschnittlich 43 Minuten online, Jungen (46 Min.) nur unwesentlich länger als Mädchen (41 Min.). Mit zunehmendem Alter steigt die geschätzte Nutzungsdauer deutlich an (6 – 7 Jahre: 17 Min., 8 – 9 Jahre: 30 Min., 10 – 11 Jahre: 49 Min., 12 – 13 Jahre: 74 Min.).«4

Schön wär’s – der methodische Fehler ist meiner Meinung nach bereits in den ersten vier Worten zu finden: Die »Einschätzung der Eltern« liegt fast immer drastisch unter der Realität. Rufen Sie mal auf Ihrem Smartphone Ihre eigenen Nutzungszeiten auf (Ihr Kind hilft Ihnen): Die meisten Erwachsenen sind völlig überrascht, wie hoch diese wirklich ausfallen. Ich glaube, man sollte die Nutzungszeiten jeder einzelnen App direkt aus dem Systemspeicher der Handys auslesen, dann hätten wir realere, weit höhere Werte.

Bei den Jugendlichen wird es schon realistischer: Die JIM-Studie 2023 hat für die 12- bis 19-Jährigen eine durchschnittliche Smartphone-Nutzung von täglich 213 Minuten ermittelt, also etwas über dreieinhalb Stunden. Auch wenn die Reaktion vieler Siebt- und Achtklässler auf diese Zahlen fast unisono ein überraschtes »Sooo wenig!?« ist – lassen Sie uns mal damit ein wenig rechnen: 3,5 Stunden am Tag wären nach Adam Riese 24,5 Stunden pro Woche.

Zum Vergleich: In der Schule haben die meisten Kinder pro Woche 30 Schulstunden à 45 Minuten. Das wären dann summa summarum genau 1350 Minuten – oder 22,5 Stunden! Selbst wenn wir also noch eine Doppelstunde Nachmittagsunterricht draufgeben: Man kann festhalten, dass Jugendliche in Deutschland inzwischen im Durchschnitt mehr Zeit am Smartphone verbringen als im Schulunterricht! Schwant Ihnen auch, wie wichtig die Thematik »Kinder und Smartphones« für unsere Gesellschaft noch werden könnte?

Über die Hälfte unserer Kinder schläft mit Smartphone am/im Bett!

Forscht man noch genauer nach, könnten in der Realität sogar weitere Nutzungszeiten dazukommen. Denken Sie an die O-Töne der Kinder und Jugendlichen, wie viele Tausend Whatsapp-Nachrichten sie pro Nacht bekommen. Sie fragen sich, ob es überhaupt sein kann, dass tatsächlich so viele ihr Smartphone nachts nutzen?

Die Antwort ist eindeutig. Ja, das tun sie – und zwar bereits in sehr jungem Alter: Die KIM-Studie 2022 stellte ganz offiziell fest, dass über 40 Prozent der 8- bis 9-Jährigen (die schon ein eigenes Smartphone haben), über die Hälfte der 10- und 11-Jährigen sowie zwei Drittel der 12- und 13-Jährigen in Deutschland ihr Smartphone mit ins Bett nehmen – macht im Durchschnitt 54 Prozent.5

Noch mal ausgeschrieben: Vierundfünfzig Prozent der deutschen Kinder von 6 bis 13 Jahren nehmen ein Smartphone mit ins Bett. Bei Jugendlichen ist der Anteil noch höher:

Natürlich dürfen Sie sich an der Stelle gerne auch darüber wundern, dass im Schnitt etwa 40 Prozent das Smartphone mit ins Bad oder aufs Klo nehmen (und warum) – ich möchte den Fokus aber auf die Sache mit den Smartphones am und im Bett legen, denn diese Tatsache wird im weiteren Verlauf des Buches noch sehr wichtig werden.

Zurück zur Praxis: Meine Erfahrungen in etwa 1500 Schüler-Workshops der letzten sieben Jahre bestätigen diese Werte – oder übertreffen sie sogar: An nahezu allen der über 400 Schulen, an denen ich bisher arbeiten durfte – egal ob Grund-, Förder-, Mittel-, Real-, Wirtschafts-, Volks- oder Gesamtschulen sowie an Gymnasien –, erlaubt tatsächlich mehr als die Hälfte der Eltern ihren Kindern, ihr Smartphone mit ins Bett zu nehmen – »zum Einschlafen« oder »als Wecker«! In der Regel betrifft das in den 3., 4. und 5. Klassen etwa die Hälfte der Schüler*innen, (die schon ein Smartphone besitzen), danach steigt der Anteil stetig weiter an – bis es spätestens ab den 9. Klassen dann so gut wie alle dürfen.

Fast alle Eltern nehmen ihr Smartphone selbst mit ins Schlafzimmer

Lustigerweise ist das aber nur die offizielle Seite – Kriminologen würden sagen: das »Hellfeld«. Aber ein »Dunkelfeld« gibt es natürlich auch noch: Denn oft wissen Eltern vom Smartphone (oder Tablet oder der Nintendo Switch) im Bett nicht das Geringste! Ich beschreibe Ihnen jetzt, wie ich versuche, diese Tatsache in Workshops mit Kindern und Jugendlichen etwas genauer zu beleuchten.

Ich stelle ihnen dazu eine zunächst unverdächtige Frage: »Wer von euch hat Eltern, die gerne ihr eigenes Smartphone als Wecker benutzen?« Die Reaktion ist überall nahezu gleich: Etwa 90 Prozent (!) der Kinder heben ohne Umschweife die Hand. Ich hake noch mal nach: »Bei wem es beide Eltern sind, der darf jetzt auch den zweiten Arm heben!« Resultat: Etwa 70 bis 80 Prozent der Kinder haben nun beide Arme oben – ein regelrechter Wald von Armen macht den Lehrkräften schon an dieser Stelle klar, dass die allermeisten Eltern hier derzeit eher entweder von vornherein gar kein Problem sehen – oder ganz einfach nicht mitbekommen, wie genau die Kinder ihr Verhalten beobachten.

Ich will es nun genauer wissen und frage: »Wer hat also gestern Abend ein Elternteil oder beide Eltern mit Smartphone ins Bett gehen oder heute Morgen damit...

Erscheint lt. Verlag 16.10.2024
Zusatzinfo 4c
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2024 • Ängste bei Kindern • Cybergrooming • eBooks • Eltern • erstes Handy • Erziehung • Erziehungsratgeber • Gefahren der Digitalisierung • Gesundheit • Handy • Handynutzung Kinder • Handyverbot • Internet • Kindererziehung • Kinder und internet • Kinder und Medien • Kinder und Smartphone • Lehrer • Lehrerin • Medienerziehung • Medienkonsum • Missbrauch • Mobbing • Neuerscheinung • Online • Pädagogik • Pubertät • Ratgeber • Schule • Schüler • Schülerin • Schülerinnen und Schüler • Smartphone • Stalking • Teenager • Trauma • Übertritt
ISBN-10 3-641-32471-8 / 3641324718
ISBN-13 978-3-641-32471-1 / 9783641324711
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