The Torjäger (eBook)

Harry Kane beim FC Bayern | Die erste umfassende Biographie
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3238-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

The Torjäger -  Mario Krischel
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Superstars bekommt die Bundesliga nicht aller Tage zu Gesicht. Seit dem Sommer 2023 darf sie sich aber wieder über eine echte Bereicherung freuen, weil der FC Bayern das getan hat, was der FC Bayern nie tun wollte: 100 Millionen Euro für einen Fußballspieler auszugeben.   Dieses Buch begleitet Harry Kanes erstes Jahr in Deutschland, sein erstes Jahr außerhalb der Komfortzone Nordlondon. Auf der Jagd nach Titeln, national und international. Mario Krischel ist hauptberuflich als FC-Bayern-Reporter für den kicker unterwegs: Er war bei Kanes Debüt dabei, bei jeder Pressekonferenz, bei nahezu jedem Spiel und kann Insides liefern wie sonst wohl kein Zweiter. Er hat den englischen Top-Torjäger ein Jahr lang hautnah begleitet, mit Trainern und Teamkollegen gesprochen, mit ehemaligen und gegenwärtigen Weggefährten. Um dieses besondere Jahr für den FC Bayern maximal detailreich wiederzugeben. 

Mario Krischel wuchs in Ostwestfalen auf und studierte Sportjournalismus. Über Praktika bei Borussia Mönchengladbach und Schalke 04 landete er 2017 als fester Redakteur beim kicker und ist dort für die Berichterstattung über den FC Bayern zuständig. Sein erstes Buch 'Träumen lohnt sich - mein etwas anderer Weg zum Fußballprofi', die Bestseller-Biografie des Nationalspielers Robin Gosens, erschien im April 2021.

Mario Krischel wuchs in Ostwestfalen auf und studierte Sportjournalismus. Über Praktika bei Borussia Mönchengladbach und Schalke 04 landete er 2017 als fester Redakteur beim kicker und ist dort für die Berichterstattung über den FC Bayern zuständig. Sein erstes Buch "Träumen lohnt sich - mein etwas anderer Weg zum Fußballprofi", die Bestseller-Biografie des Nationalspielers Robin Gosens, erschien im April 2021.

2   
Beginnings


Vier Transfers und die Verbindung zu Beckham

Eine halbe Stunde fährt die orange Overground-Linie aus Londons Mitte raus in den Norden, nach Chingford. Dort geht es weiter mit dem Bus und zu Fuß, bis man schließlich vor grünen Wiesen und einem blauen Container steht.

Er ist etwa vier Meter breit und vier Meter lang, und nur ein aufgeklebtes Schild verrät, wo man sich hier befindet. »Ridgeway Rovers FC« steht in blauen Großbuchstaben auf dem kleinen weißen Blatt, darüber das blaue Vereinswappen, das einen Rosenstrauß zeigt, da­runter ein Link zur Vereinswebseite und die jeweiligen Facebook- und Twitter-Kanäle. Es scheint so, als hätten Instagram oder TikTok noch keine Rolle gespielt, als dieser Container zum letzten Mal aufgeschlossen wurde.

Erst Hunderte Meter im Hintergrund erstreckt sich ein zu erahnender Sportkomplex, der zu einer Schule gehört, links spielen auf einem der unzähligen Fußballplätze ein paar Kinder. Und noch etwas weiter dahinter trainiert gerade die U9 des FC Arsenal auf ihrem Campus.

Genau hier beginnt die Geschichte von Harry Kane.

Nach neun Jahren, 156 Toren und fünf deutschen Meisterschaften verabschiedete sich Roland Wohlfarth Ende Juli 1993 aus München und wechselte für umgerechnet 1,25 Millionen Euro vom FC Bayern nach Frankreich zur AS Saint-Etienne. Der »Beständige«, wie er im Verein noch heute genannt wird, hatte über die Jahre immer wieder neue Stürmer vor die Nase gesetzt bekommen, ob es Michael Sternkopf oder Brian Laudrup waren, und sich doch immer wieder behauptet.

Wohlfarth verewigte sich mit seinen Toren in den Geschichtsbüchern der Bayern, landete im internen Torjägerranking auf Platz vier hinter – dem uneinholbaren – Gerd Müller, Karl-Heinz Rummenigge und Rainer Ohlhauser.

Und während Wohlfarth im Sommer 1993 weiterzog nach Frankreich, erblickte in England ein baldiger Bayern-Torjäger das Licht der Welt. Am 28. Juli wurde Harry Edward Kane in Walthamstow im Norden Londons geboren, bereits vier Jahre zuvor hatten Vater Patrick und Mutter Kim den kleinen Charlie begrüßt.

Als Harry gerade das Sprechen lernte, zog die Familie noch ein Stück weiter nordöstlich nach Chingford, wo Englands zukünftiger Kapitän und Rekordtorschütze als Fünfjähriger eine Notiz auf seinen Schreibtisch kritzelte: »Ich will Fußball spielen.«

Also spielte er Fußball, gemeinsam mit Papa Pat und Bruder Charlie verbrachte Harry die Nachmittage im benachbarten Ridgeway Park. Entweder mussten Bäume als Torpfosten herhalten, oder die Tore wurden vom Fußballplatz nebenan über den Zaun geschleppt und stundenlang zerschossen.

Etwas anders sah es an der »Larkswood Primary School«, Kanes Grundschule, aus. Fußbälle waren verboten, also benutzten die Jungs ganz einfach Tennisbälle zum Kicken. Vielleicht, sollte Kane Jahre später zurückdenken, schadete es nicht, sich gleich im frühen Alter auf einen so kleinen Ball zu fokussieren, Präzision zu üben und Geduld zu haben. Auf dem Fußballplatz lief es anschließend nämlich gleich viel besser. Plötzlich waren die Bälle so groß und einfach zu treffen. Und zu halten.

Harry Kanes Geschichte könnte heute eine ganz andere sein, wenn Dave Bricknell damals nicht auf Patrick und Kim Kane gehört hätte.

Beim Ridgeway Rovers FC, dem nächstgelegenen Fußballklub für die Familie Kane, merkte Harry schnell, wie viel Freude ihm das Spielen mit und gegen andere Kinder seines Alters bereitete. Das war noch mal ein ganz anderer Spaß, als im Park auf ein paar Bäume zu schießen. Plötzlich waren Trainer da, jubelnde und fluchende Eltern. Und Tore, die gezählt wurden.

Natürlich schoss auch Harry gern Tore, welches Kind tat das nicht? Doch als Trainer Dave Bricknell bei einem Training fragte, ob noch jemand als Torhüter zwischen die Pfosten gehen wolle, hob Harry die Hand und hielt alles, was auf seinen Kasten geflogen kam.

Patrick und Kim hatten andere Vorstellungen und baten Bricknell, Harry wieder aufs Feld zu stellen, am besten nach vorn. Bricknell gehorchte und holte Harry aus dem Tor.

Bei den Ridgeway Rovers, zwischen blauen Containern und Schulkomplexen, hatte Jahre zuvor bereits jemand das Kicken gelehrt, der dem kleinen Harry jetzt als Idol diente. Von Chingford aus brach ein gewisser David Beckham einst in die weite Fußballwelt auf und gewann, als Kane gerade anfing zu spielen, mit Manchester United in Barcelona gegen den FC Bayern die Champions League.

England hatte einen neuen Superstar und Harry schon früh einen Ansporn. Dorthin, nach ganz oben, wollte er auch.

Kane schoss Tore wie am Fließband, begeisterte und wurde gemeinsam mit seinem Kumpel und Teamkollegen Nico Yennaris bei einem Ridgeway-Spiel von einem Scout des FC Arsenal beobachtet. Die Gunners, wie man Londons wohl bekanntesten Fußballklub nennt, hatten ihre Jugendakademie nur eine Straßenecke weiter errichtet, also sollten Kane und Yennaris mal vorbeischauen und sich empfehlen.

Selbst beim FC Arsenal, dem sich Kane als Siebenjähriger anschloss, wusste niemand so richtig, ob dieser Junge mit den kurz geschorenen Haaren und den etwas aufgeplusterten Backen nun ein Stürmer war, ein Mittelfeldspieler oder nicht doch ein Torwart. Harry war schon damals ein höflicher, zurückhaltender Junge, er spielte und trainierte und ließ andere entscheiden. In seinem Inneren wusste er gleich, dass er lieber Tore erzielte als Tore verhinderte, und wurde letztlich zu seinem Glück gezwungen.

Ganz so glücklich verlief die Zeit beim örtlichen XXL-Klub allerdings nicht.

Schon damals schickten die Topvereine Europas ihre Scouts durch die Welt und zu benachbarten Sportklubs, um die Toptalente früh an sich zu binden und auszubilden, statt sie später für teures Geld kaufen zu müssen. Und schon damals hatte dieses System seine durchaus dunklen Seiten. Jedes Jahr wurden nach und nach talentierte Spieler dazugeholt, und die Spieler, die nicht übermäßig überzeugt hatten, wieder ausgesiebt, »hire and fire« wie im Berufsleben. Fair war und ist das nicht, wie wollte man bei Sieben- bis Dreizehnjährigen denn schon sagen, wer sich wie entwickelte?

Harry Kane jedenfalls wurde zu wenig zugetraut.

In seinem Jahrgang trafen Benik Afobe und Chuks Aneke nach Belieben für die U9 des FC Arsenal, Harry musste währenddessen mit den Spielern, die nicht fürs Spiel nominiert worden waren, am Vereinsgelände trainieren. Afobe und Aneke waren besser, entwickelten sich schneller. »Harry hatte eine gute Technik, aber er war in diesem Alter nicht besonders athletisch«, sollte Aneke, der selbst nie ein Premier-League-Spiel absolvierte, später »The Athletic« sagen. »Er war klein, nicht besonders schnell, ein bisschen pummelig. Es war schwer für ihn, seine Eigenschaften wirklich zur Geltung zu bringen.«

Als »etwas pummelig« und »nicht sehr sportlich« stufte auch Liam Brady, Arsenals damaliger Akademieleiter, Kane ein und teilte dessen Eltern mit, dass es für ihren Sohn nicht reichte. Also schickte Patrick seinen Sohn zurück zu den Ridgeway Rovers. Harry schoss Tor um Tor und fand die Freude am Spiel wieder. Hier, nebenan, war es kein Hauen und Stechen, kein ständiges »Wer ist besser, wer ist schlechter«. Hier konnte er mit seinen Freunden Fußball spielen, so wie es ein paar Jahre zuvor auch begonnen hatte. Auch wenn der Traum, es nach ganz oben zu schaffen, längst noch nicht begraben war.

Der nächste Versuch ließ nicht lange auf sich warten. Etwa anderthalb Jahre später stand ein inzwischen elfjähriger Kane beim anderen örtlichen XXL-Klub vor der Tür, den Tottenham Hotspur. Viele seiner Familie waren glühende Anhänger der Spurs, schließlich waren es von der White Hart Lane, Tottenhams Stadion, gerade mal fünfzehn Minuten bis zur Grundschule. Genauso wie zur »Chingford Foundation School«, der weiterführenden Schule, die Kane später besuchte, eine weitere Parallele zu seinem Idol David Beckham.

Auch Tottenham schickte Kane nach einem sechswöchigen Probetraining wieder weg, er war immer noch nicht gut genug. Also ließ er sich eine halbe Stunde weiter westlich zur Vicarage Road fahren und klopfte beim FC Watford an. Und endlich klappte es.

Den Verantwortlichen gefiel, was dieser »pummelige« Junge zeigte. Wie er mit dem Ball umging, was er für eine Schusstechnik und für einen Abschluss mitbrachte. Watford bot Kane einen Vertrag an, es stand jedoch noch ein Testspiel gegen Tottenham auf dem Programm, den Klub, den seine Familie unterstützte und der ihn nicht wollte.

Kane schoss drei Tore und erhielt noch an Ort und Stelle ein Angebot der Spurs. Jetzt also doch. Eine harte Entscheidung sei das damals gewesen, wie Kane später verriet. Aber Tottenham war der größere Klub, und die Familie würde sich sowieso mehr freuen.

Also unterschrieb Kane bei Tottenham, blieb in Nordlondon und unterschied sich schon damals von einem Großteil anderer Spieler. Dass ein Kind aus einem Nachwuchsleistungszentrum entlassen wird, zurück zu seinem örtlichen Verein geht und es dann noch mal in ein anderes Nachwuchsleistungszentrum schafft, war höchst ungewöhnlich.

So wie...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Champions League Gewinner • Deutscher Meister • Deutschland • England • Europameisterschaft • FC Bayern • Fußball • Goalgetter • München • neun • Stürmer • Superstar • Thomas Tuchel • Torjäger
ISBN-10 3-8437-3238-8 / 3843732388
ISBN-13 978-3-8437-3238-3 / 9783843732383
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