Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht (eBook)
208 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01826-4 (ISBN)
Seraphina Kalze wurde 1983 in Halle an der Saale geboren. Nach einer Ausbildung an der Moderatorenschule in Berlin und an der ARD/ZDF Medienakademie war sie von 2003 bis 2016 fürs Radio tätig, u.a. für RBB Fritz, MDR Jump und MDR Sputnik. Seit 2009 arbeitet sie zudem vor und hinter der Kamera fürs Fernsehen, u.a. moderierte sie von 2016 bis 2024 für Kabel1 die Sendung Abenteuer Leben täglich. Als Sängerin veröffentlicht sie mit Erfolg und Leidenschaft regelmäßig Singles. Seit Ende 2022 begeistert sie ein rasant wachsendes Publikum in den sozialen Medien mit ihren Witzen. Seraphina Kalze lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
Seraphina Kalze wurde 1983 in Halle an der Saale geboren. Nach einer Ausbildung an der Moderatorenschule in Berlin und an der ARD/ZDF Medienakademie war sie von 2003 bis 2016 fürs Radio tätig, u.a. für RBB Fritz, MDR Jump und MDR Sputnik. Seit 2009 arbeitet sie zudem vor und hinter der Kamera fürs Fernsehen, u.a. moderierte sie von 2016 bis 2024 für Kabel1 die Sendung Abenteuer Leben täglich. Als Sängerin veröffentlicht sie mit Erfolg und Leidenschaft regelmäßig Singles. Seit Ende 2022 begeistert sie ein rasant wachsendes Publikum in den sozialen Medien mit ihren Witzen. Seraphina Kalze lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
Cover
Titelseite
Widmung
Verweis auf QR-Codes
Kapitel
1 Der Anruf
2 Die Halbschwester
3 Du gibst mir Kraft
4 Loslassen
5 Gefühle werden nicht nur durch Worte laut
6 Papa kommt nach Hamburg
7 Jetzt kommt der Hartmut
8 Hartmuts neue Freunde
9 Tochter, Therapeutin – und wo bleibt der Rest?
10 Silvester
11 »Springer! – Ahoi!«
12 Sankt Peter-Ording oder: Im Auge des Tigers
13 Abnabeln
14 Hartmut haut ab
15 Im Sommer stirbt man nicht
Dank
Musik von Seraphina Kalze
QR-Codes
Über Seraphina Kalze
Impressum
[Hinweise zur Zitierfähigkeit]
Zeig mir mal dein Taschentuch!
»Was ist der Unterschied zwischen einer alten Uhr und einem Camper?«
»Der Camper bleibt öfter stehen.«
Mein Vater lag nun im künstlichen Koma. Angeschlossen an all den Geräten, die bei der kleinsten Unregelmäßigkeit Alarm machten. Ich legte meinen Job beim MDR aufs Eis und war nur für ihn da. Jeden Tag ging ich ins Krankenhaus und blieb, so lange es ging, bei ihm an seiner Seite. Ich erzählte und feixte und hatte dabei ein Lieblingsthema: die Zukunft.
Ehrlich gesagt, in dem Moment sah sie einfach scheiße aus, aber ich malte sie in den buntesten Farben. Unser seit Ewigkeiten geplanter Besuch eines Rolling-Stones-Konzertes stand ganz weit oben auf der Liste der zu erledigenden Dinge, dicht gefolgt von all den Abenteuern und Reisen, die wir noch mit dem Camper machen wollten. Während ich an seinem Bett wachte und dafür sorgte, dass er mir nicht gänzlich einschlief, erinnerte ich mich an unsere ersten gemeinsamen Trips.
Zu dem allerersten musste ich ihn 2014 fast hintragen wie ein Nilpferd zum Ballettunterricht. Unser Leben hatte sich durch den plötzlichen Tod meiner Mama zwei Jahre zuvor komplett verändert. Mein Vater war eher derjenige, der sich verkrümelte und der Meinung war, dass es sich nicht lohnte, noch mal etwas Neues auszuprobieren. Ich hielt das für Unfug. Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht, dachte ich. Und sagte ihm das auch.
Also ließ er sich erweichen, und ab gings hoch in den Norden, in die schottischen Highlands. Wir bretterten im Linksverkehr mit einem alten Camper über die Straßen, saßen abends am Lagerfeuer und rieten Sternenbilder. Das half schon.
Weil das so gut geklappt hatte, lieh ich mir ein Jahr später das Wohnmobil von einem Bekannten und fuhr los Richtung Baltikum. Als ich meinen Papa in Halle abholte und sah, was er alles mitschleppen wollte, sprach ich ein kleines Machtwort. Unsere Reise durch Schottland hatte, bedingt durch den Flug, ein klares Gepäcklimit, aber wenn du direkt von der Haustür aus losfährst, verleitet das schon dazu, erst mal alles einzupacken.
Mein Papa wollte für jedes Problem gewappnet sein. Entsprechend musste für den Baltikum-Trip unbedingt sein Jagdmesser, der Weltempfänger und ein Kompass mitgenommen werden! Wofür? Wir können in den Supermarkt an die Fleischtheke, wir haben ein Navi, und das Radio läuft auch super. Aber er ließ sich nicht davon abbringen, und ich muss ehrlich sagen, das Fahren mit Karte und Kompass, ohne Navi, das Holzschnitzen abends am Feuer und das Knacken des Weltempfängers im Norden Estlands, das hat, wenn man es erlebt, seine ganz eigene Magie.
Diese Reisen, diese Abenteuer, diese Roadmovies, die wir drehten, die Tränen, die wir zusammen weinten, weil uns Mama fehlte, und das laute Lachen, als wir später die Fotos anschauten und bemerkten, dass er jeden Tag immer dasselbe Shirt anhatte – das hat uns zusammengeschweißt, uns Kraft und Energie für eine neue Zukunft gegeben.
Und genau so würde ich es jetzt wieder machen, dachte ich, während ich an seinem von Maschinen eingerahmten Bett saß und seine Hand hielt.
Ich habe auf diesen Reisen begriffen, dass ich nur eine begrenzte Zeit auf dieser Erdkugel habe und dass es so vieles zu sehen und zu entdecken gibt. Dass Freiheit ein Gefühl ist, das unglaublich beflügelt und eine Kreativität freisetzt, von der ich vorher nichts ahnte.
Ich hatte meinen Vater ins kalte Wasser geworfen, als ich ihn dazu nötigte, sich auf planlose Abenteuer und unbekannte Ziele einzulassen – Ausgang ungewiss! Mein Vater ist in der ehemaligen DDR geboren, aufgewachsen und erwachsen geworden. Er war sechzig Jahre alt und frisch verwitwet. Wie sehr wärt ihr da bereit, ins kalte Wasser zu springen?
Aber wir haben es gemacht. Und als mein Vater dann auch noch anfing, darüber nachzudenken, den Jakobsweg zu gehen, bewies mir das, dass meine erste Therapie anschlug und mein Papa doch noch Lust hatte, vom Kuchen des Lebens ein Stück abzubeißen.
Bei mir war das ja nicht anders. Durch ihn fand auch ich meinen Glauben zurück, dass Verlust und Schmerz eines Tages erträglicher sein werden, dass auch Gutes wieder seinen Platz haben wird. Denn die Zeit vergeht nicht nur, sie nimmt uns mit jedem Ticken der Zeiger auch mit in Richtung »vorwärts«.
Wir knüpften uns also auf diese Weise und durch diese intensiven Momente ein Tau, das zwischen uns gespannt war und das ich im nun tosenden Ozean, in dem mein Papa gerade unterzugehen drohte, um keinen Preis loslassen wollte. Denn unser stilles Versprechen nach unseren Abenteuern lautete: Egal wie hoch die Wellen schlagen, ich halte dich fest!
Na ja, und nun lag er da. Ein paar Monate später. Bewegungslos. Augen geschlossen. An einer Maschine, die für ihn atmete.
Ich sagte oft: »Komm, du musst kämpfen, wir haben doch noch so viel vor!« Oder: »Ich kann noch nicht ohne euch beide leben. Bitte bleib du noch hier!«
Ich habe keine Ahnung, ob das gut war, oder ob es meinen Vater eher unter Druck setzte. Glaubt nicht, dass Menschen im Koma nichts mitbekommen. Die Herzfrequenz meines Vaters passte sich oft meiner Stimmung an. Saß ich verloren und mutlos an seinem Bett und hielt seine Hände umschlossen, rollten Tränen aus seinen Augen, und sein Herz schlug schneller.
So verging der März, und der April begann wieder mit einem wichtigen Anruf. Ich saß wie so oft kerzengerade am Krankenbett, als mein Handy leise vibrierte. Auf dem Display erkannte ich die Nummer von Daniel. Daniel war zu dieser Zeit mein Manager und immer über alles informiert. Er würde mich nur stören, wenn es wirklich wichtig war. Also ging ich ran. Daniel klang ungewöhnlich verhalten. Normalerweise plauderte der Kölner mit einem beherzten »Kalzi« drauf los, dieses Mal aber nicht.
»Pass auf, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht!« Irgendwie hatte ich Schiss, denn die letzten Wochen waren voller Nachrichten, und egal ob schlecht oder gut, allein der Umstand, dass es eine Nachricht war, die übermittelt werden musste und beim Adressaten, also mir, für Verspannung sorgte, stresste mich. Machte mir irgendwie Angst.
»Kabel Eins möchte dich als Moderatorin haben! Die schlechte Nachricht ist, es geht schon nächste Woche los!«
Wäre ich in Hamburg gewesen, so Ecke Rathausstraße, Pelzerstraße, wäre ich jetzt vielleicht wieder zusammengebrochen. Aber diesmal war das kein Schock wegen Schock, sondern ein Schock wegen Freude. Kabel.Eins.Wollte.Mich.Haben. Als Moderatorin? Ich konnte mein Glück kaum fassen, aber ich fühlte rasch auch die angezogene Handbremse. Eine neue Herausforderung gerade jetzt? In mir machte sich Panik breit. Wie sollte ich das wuppen, wenn ich anderweitig gebraucht wurde.
Ohne mir große Hoffnungen zu machen, hatte ich mich da vor einer Weile beworben. Es war schon lange mein Traum gewesen, eine »echte« TV-Moderatorin zu werden, also in einem richtigen Studio zu stehen. Nach dem Casting dachte ich, dass sie eine der hübschen, großen Langbeinigen mit dem dezenten Lächeln, diesem: »Sie wissen nicht, wer ich bin, ach! Ihr Pech!«-Lächeln nehmen würden. Aber meine Moderation über Erkältungskrankheiten hatte die Verantwortlichen wohl überzeugt. Also ausgerechnet die, die ich mit meinem Vater zusammen vor dem Casting – und kurz vor seiner OP – geschrieben und geübt hatte.
»So liebe Zuschauer, schauen Sie mal, das hier – ich griff in meine Hosentasche und zog ein Taschentuch raus – hab ich wirklich stets dabei! Denn kurz bevor ich früher immer mit meinen Freunden losgezogen bin, sagte mein Papa an der Tür: ›Zeig mir mal dein Taschentuch!‹ Ich dann immer so ›Hab ich nicht!‹ Er: ›Wie machst ’n das dann?‹ Und wissen Sie, in diesem Moment zog ich dann immer ganz provokativ die Nase vor ihm hoch! Urrgh, merken Sie selber, ne?!«
Das war also meine Nummer. Vor der Kamera mal schön die Nase hochziehen. Und die zog! Aber wie!
Was will mich das Leben damit lehren? Wisst ihr, dieser Moment, also der Abend nach der Zusage, der hat mein Leben ein Stück weit verändert. Ich glaube nicht an Gott als »Person«. Aber ich glaube! Und zwar an das Leben selbst. Es passiert. Ständig und andauernd. Die Welt steht nicht still, sie dreht sich weiter. In guten und in schlechten Zeiten. Wir können sagen, dass wir dem Leben »ausgeliefert« sind, aber mir ist das zu negativ. »Alles kommt, wie es kommt« oder »… wie es kommen muss.« Ist mir zu banal. An Schicksal glaube ich ein bisschen, aber nicht komplett. Karma ist ein großes Wort. Mir gefällt der Gedanke nicht, mit Absicht gute Dinge zu tun, um Gutes zurückzubekommen. Ich habe viele Menschen erlebt, die so weniger aus dem Herzen handeln, sondern eher aus der Intention heraus, Anerkennung für ihr Handeln zu bekommen.
Ich sage für mich: Ich vertraue auf das Gute! Aber sind wir mal ehrlich, wenn man sich umschaut, ist es momentan nicht einfach, viel Gutes zu entdecken. Bei all den Krisen, bei all den Kriegen, bei all dem politischen Chaos, ist die Welt ein ziemlich unüberschaubarer Ort. Aber ich glaube an...
Erscheint lt. Verlag | 7.10.2024 |
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Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Eltern • Elternhaus • Eltern pflegen • Familie • Fine-Witz • Flachwitz • Glück • Humor • influencerin • Journalistin • Krankheit • Lachen • Leben • Moderatorin • Mutter • Pflegefall • Rolling Stones • Schicksalsschlag • Schlaganfall • Serafina • Seraphina Kalze • Serfina Kalze • Sterben • TikTok • Tod • Vater • Witz • Witze |
ISBN-10 | 3-455-01826-2 / 3455018262 |
ISBN-13 | 978-3-455-01826-4 / 9783455018264 |
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