Machtübernahme (eBook)
208 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-65985-4 (ISBN)
Es sind beunruhigende Zeiten: Vor wenigen Jahren waren Rechtsextremisten im Parteienspektrum noch weitgehend isoliert. Heute denken Teile der Union offen über eine Koalition mit ihnen nach. Und während antidemokratische Positionen in der Breite der Gesellschaft stetig an Zustimmung gewinnen, verzeichnet die AfD in den Wahlumfragen für 2024 Spitzenwerte. Höchste Zeit, sich mit der realen Gefahr einer autoritären Machtübernahme auseinanderzusetzen.
Der bekannte Politik-Aktivist Arne Semsrott schreibt das Buch der Stunde und zeigt, was passiert, wenn Rechtsextremisten an die Macht kommen. Und er liefert konkrete Strategien dafür, wie wir unsere demokratische Gesellschaft verteidigen können.
Die Zeit des Handels ist jetzt
Der Rechtsextremismus bedroht die Demokratie in Deutschland unmittelbar. Arne Semsrott zeigt eindrücklich: Unsere Institutionen sind angreifbar, Bürokratie und Verwaltung scheinen fragiler denn je. Schulen, Finanzämter, Ministerien, öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Polizei bilden das demokratische Fundament unserer Gesellschaft - doch was geschieht, wenn sie fallen? Und wie lassen sich Verfassung und Gewaltenteilung verteidigen, wenn Rechte beginnen, den Staat umzubauen, um ihre Macht langfristig zu festigen?
Semsrott zeigt in seinem brandaktuellen Sachbuch ganz konkret, welche Mittel Gewerkschaften, Beamte, Justiz, Medien, Unternehmen und die Zivilgesellschaft nutzen können, um einer rechten Machtübernahme zu begegnen. Er diskutiert unter anderem
- Generalstreiks, Streikpartnerschaften und politische Streiks,
- Möglichkeiten, um rechte Richter in der Justiz transparenter zu machen,
- ein AfD-Verbot,
- die Vorteile eines Demokratiefördergesetzes,
- das Remonstrationsrecht, das besagt, dass Beamte rechtswidrigen Befehlen nicht gehorchen dürfen,
- was eine Änderung des Wahlrechts bewirken könnte,
- das Leaken von Informationen und Whistleblowing,
- ein "Sondervermögen Demokratie",
- wie solidarisches Prepping aussehen kann,
- warum Faschisten aus Talkshows ausgeladen werden sollten und
- warum wir eine neu definierte Brandmauer nach rechts brauchen.
Rechtsextremisten stehen kurz davor, Verantwortung in der Regierung zu übernehmen - wir sollten uns darauf vorbereiten, mit allen demokratischen Mitteln Widerstand zu leisten. Arne Semsrott legt die Sollbruchstellen der rechtsstaatlichen Institutionen offen und erkennt: Die Zeit des Handelns ist jetzt.
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 38/2024) — Platz 19
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 30/2024) — Platz 20
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 27/2024) — Platz 15
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 26/2024) — Platz 14
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 25/2024) — Platz 7
Arne Semsrott ist Politikwissenschaftler und Aktivist. Er leitet die Transparenzinitiative FragDenStaat, war Mitinitiator von Hochschulwatch und OpenSCHUFA und gründete den Freiheitsfonds. Semsrott schreibt u. a. für den fluter, netzpolitik.org und Le Monde diplomatique.
»Arne Semsrott zeigt in diesem leider furchtbar nötigen Buch, was von rechts auf uns zu kommen könnte und was man dagegen unternehmen kann. Große Leseempfehlung.« — Marc-Uwe Kling
»Obligatorische Lektüre für alle, die an einer wehrhaften Demokratie interessiert sind.« — Samira El Ouassil
Auf der Straße
Derartige Appelle waren Anfang 2024 in ganz Deutschland zu hören, nachdem Correctiv ein rechtsextremistisches »Geheimtreffen« in Potsdam aufdeckte, bei dem über Massenvertreibungen beraten wurde. Die darauf folgenden zahlreichen Großdemonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus waren ein Befreiungsschlag für die Zivilgesellschaft in Deutschland. Nie zuvor in der Bundesrepublik hatte es an so vielen Orten so breiten demokratischen Protest gegeben, die letzten vergleichbar großen Proteste in Deutschland organisierten Aktivist*innen 1989 in der DDR. Viele Menschen, die zuvor noch nie auf einer Demo waren, gingen jetzt für die Demokratie auf die Straße. Ein Moment der Selbstvergewisserung der Mehrheitsgesellschaft und für die eigene politische Sichtbarkeit, das gemeinsame demokratische Wirken wurde erfahrbar. Die Protestbündnisse waren breit angelegt, man wollte möglichst viele Menschen erreichen. In Potsdam hieß es beispielsweise: »Es spielt keine Rolle, wie Sie zum Gendern stehen, ob Sie Diesel fahren, E-Auto oder Tram, ob Sie Wurst essen oder nur vegan, ob Sie gegen oder für Windkraft sind – hier geht es um mehr, es geht darum, unsere Demokratie zu verteidigen.«37
Nicht nur in den großen Städten, sondern auch in vielen kleinen Orten protestierten unterschiedliche Gruppen gemeinsam für ein AfD-Verbot. Darunter ostdeutsche Dörfer und Städte, die oft als AfD-Hochburgen abgeschrieben werden. Hier gingen mutige Menschen trotz der ungleich größeren Gefahren für ihre körperliche Unversehrtheit auf die Straße, auch weil Protest gerade in kleineren Orten nicht anonym ist und direkte Konsequenzen haben kann. Sie stellten so die Hegemonie der Rechten infrage, auch wenn sie die über Jahre aufgebauten rechten Dominanzräume nicht mit einigen Demonstrationen direkt dauerhaft durchbrechen konnten. Oft erhielten sie Unterstützung von lokalen Demokratie-Initiativen, von protesterfahrenen Fridays-For-Future-Gruppen und von der Kampagnen-Organisation Campact. Hunderttausende Menschen, die zuvor im öffentlichen Bild unsichtbar waren, wurden mit einem Mal sichtbar. Sie zeigten, dass der mediale und politische Diskurs der vergangenen Jahre sie nicht repräsentiert hatte. Während viele Zeitungen und Parteien die Deutungshoheit im Diskurs nach rechts abgegeben hatten und sich lange nur mit der Migrationsdebatte beschäftigten, ließen sie die Sorge um die Demokratie außer Acht.
Aus den Protesten lässt sich sehr gut ableiten, wie zivilgesellschaftlicher Protest im Falle eines AfD-Wahlsiegs aussehen sollte, damit er effektiv ist. Wir alle sollten uns darauf vorbereiten. Was tun am Wahlabend, wenn die AfD in den Hochrechnungen vorne ist?
1. Für andere da sein
Auch wenn man sich bei einem AfD-Wahlsieg eigentlich heulend verkriechen will, gilt das Motto: Lieber wütend als traurig – und lieber gemeinsam als allein! Überlegen Sie sich, wer in Ihrem Umfeld von einer AfD-Regierung besonders negativ betroffen wäre. Melden Sie sich bei der Person und bieten Sie Ihre Unterstützung an.
2. Protestieren
Protest kann funktionieren, wenn er sichtbar und spürbar ist. Als sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich im Februar 2020 mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ, formierte sich ein spontaner Protest vor der FDP-Parteizentrale in Berlin und vor dem Thüringer Landtag. Die Tausenden Teilnehmer*innen waren für die Spitzenpolitiker der Partei direkt sichtbar, sie standen quasi direkt unter ihren Fenstern, und sie sendeten eine klare Botschaft an die FDP: Mit Widerstand ist zu rechnen. Dies trug dazu bei, dass FDP-Bundesparteichef Lindner Kemmerich zurückpfiff.
Eine AfD-Regierung sollte früh und dauerhaft Gegenwind bekommen. Je länger sie sich an der Regierung halten kann, desto schwerer wird es, sie wieder loszuwerden. Deswegen muss Protest schnell, intensiv und anhaltend sein.
3. Zeigen, wer die Mehrheit ist
Auch, wenn es angesichts eines Wahlsiegs nicht so scheinen mag: Rechtsextremisten sind nicht die Mehrheit. Es ist wichtig, das sichtbar zu machen – im eigenen Umfeld, in den sozialen Netzwerken, gegenüber den Medien in der Leserbriefsektion, auf der Straße.
4. Nicht vereinsamen
Es fällt einem viel leichter, zu protestieren, wenn man nicht allein ist. Gehen Sie gemeinsam mit Bekannten und Angehörigen auf die Straße, spenden Sie einander Trost, auch wenn es hoffnungslos erscheint.
Die Proteste führten dazu, dass das Problembewusstsein für die Gefahren einer autoritären Wende in vielen gesellschaftlichen Bereichen deutlich erhöht wurde. So flammte in der katholischen Kirche die große Abgrenzungsfrage neu auf: Wie stark sollte sich die Kirche gegen die AfD und für die Demokratie positionieren? Die Deutsche Bischofskonferenz erklärte erfrischend deutlich, dass die völkisch-nationalistische AfD für Christen nicht wählbar sei.38 AfD-Vertreter riefen im Gegenzug zum Kirchenaustritt auf.
Auch an Hochschulen nahm die Auseinandersetzung mit der AfD durch die Proteste weiter zu. Unis sind ohnehin schon seit vielen Jahren im Visier von Rechtsextremisten, die versuchen, ihre Kulturkampf-Themen über die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung, Burschenschaften und andere Vorfeldorganisationen in den wissenschaftlichen Raum zu tragen. Sie versuchen, ihre menschenfeindlichen Ideen unter dem Mantel der freien Wissenschaft zu legitimieren, mehrheitsfähig zu machen und kulturelle Hegemonie zu erlangen. Umso stärker positionierten sich Studierendenschaften und der akademische Mittelbau gegen autoritäre Ideen.
Das alles führte aber nicht dazu, dass die Parteien im Bundestag verstanden, was die Demonstrierenden erreichen wollten. Sie begriffen auch nicht, dass derartige Proteste das Potenzial haben, rechtsextremistischen Parteien Wählerstimmen zu nehmen und demokratischen Vorhaben Rückenwind zu geben. Zahlreiche internationale Studien belegen einen Zusammenhang zwischen demokratischen Protesten und Wahlergebnissen. In den USA halfen liberale Proteste den Demokraten, in Italien führten Anti-Nazi-Proteste in Kommunen zu signifikanten Stimmverlusten für Rechtsaußen-Parteien.39
Stattdessen zeigte sich, wie groß die Kluft zwischen der demokratischen Zivilgesellschaft und den Parteien inzwischen geworden ist. Anschaulich führte dies die Aktuelle Stunde im Bundestag vor Augen, die auf die Correctiv-Enthüllungen folgte. Darin sagte Dirk Wiese, stellvertretender SPD-Vorsitzender, unter den 23,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland seien »auch viele Cafébesitzer, Späti-Betreiber und Restaurantbesitzer. Und ich sage es Ihnen ganz offen: Pasta, Pizza und Risotto, das ist doch, was dieses Land vielfältiger gemacht hat. Doch nicht die braune Graupensuppe, die hier auf der rechten Seite sitzt.«40
Und ich sage es Ihnen ganz offen: Wenn das die intellektuelle Flughöhe ist, auf der die AfD aus dem Bundestag bekämpft wird, dürfen wir nicht darauf vertrauen, dass die Forderungen der Demonstrierenden angemessen repräsentiert werden. Denn natürlich geht es bei der Diskussion um Vertreibungspläne nicht um »Pasta, Pizza und Risotto«. Wenn Menschen mit familiärer Migrationsgeschichte in den Augen der SPD immer noch über Verdienste oder kulinarische Aspekte definiert werden statt über ihr Menschensein, ist das Teil des Problems.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil forderte nach den ersten riesigen Protesten im Januar in einem Interview erst einmal in atemberaubender Manier die Bundesländer auf, schneller abzuschieben. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz nahm AfD-Wähler in Schutz, indem er darauf verwies, dass sie nicht pauschal als Nazis bezeichnet werden dürften. Und Deutschlandfunk und ARD fragten in Interviews erst einmal AfD-Politiker, was sie denn von den Protesten gegen ihre Partei hielten – der AfD-Parteivorsitzende Tino Chrupalla durfte sich gar bei »Maischberger« ausführlich darüber auslassen. Ohne Not gaben Politik und Medien die Macht des Agenda-Settings, die die Proteste ja für die Demokrat*innen eingefordert hatten, wieder an die AfD ab. Anstatt über die Agenda der Proteste zu sprechen, konnte die AfD wieder ihren eigenen Spin der Ereignisse verbreiten.
Weder Politik noch Medien schafften es also, den Blick von den Rechtsextremisten abzuwenden und stattdessen darauf zu schauen, was eigentlich die demokratische Gesellschaft im Land wollte. Sie orientierten sich wie in den vergangenen Jahren weiter an der AfD, anstatt zu fragen, wie die Demokratie gestärkt und die Sorgen der Mehrheitsbevölkerung endlich ernst genommen werden könnten. Die Proteste verstanden sie nicht als Rückenwind und Auftrag, sondern als Beiwerk. Die Mechanismen des Rechtsdralls wirken fort. Das ist umso bedeutender, als die AfD in Regierungsverantwortung staatliche Mittel erhalten würde, um auf den Diskurs einzuwirken. Dann wird es noch viel schwerer, die Diskurshoheit über sie zu gewinnen.
Der Zuspruch der Ampel-Parteien für die Demonstrationen mutete dann auch eher wie ein Demokratie-Theater an: Denn auch wenn Politiker*innen von Olaf Scholz bis Annalena Baerbock...
Erscheint lt. Verlag | 3.6.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | AfD • afd demokratie • Alternative für Deutschland • Arne Semsrott • autoritärer Populismus • Autoritäre Wende • beamtenapparat • Björn Höcke • Brandenburg • Demokratie • demokratie deutschland • demokratie gefahr • Demokratie-Gefährdung • demokratie schützen • Demokratie-Sterben • demokratie verteidigen • Demonstrationsrecht • Deutsche Geschichte • deutsche Politik • Deutschland • Deutschland 1933 - 1945 • gefahren für die demokratie in deutschland • gefahren für die demokratie rechtsextremismus • Gefahr für die Demokratie • gegen Rechts • höcke afd • Institutionen • Landtagswahlen 2024 • Machtübernahme • Mitläufertum • Nationalsozialismus • Neonazis • Öffentlicher Dienst • Ostdeutschland • Politik • politik bücher • Politik in Deutschland • Politik-Prognose • politischer Apparat • politisches System Deutschland • Populismus • rassismus deutschland • rechte Populisten • Rechtsextremismus • rechtsextremismus demokratie • Rechtspopulismus • Rechtsradikalismus • Rechtsruck • Remonstrationsrecht • Sabotage • sachbuch politik • Sachsen • Thürigen • Verfassung • Verwaltung • was tun gegen afd • Widerstand • wie gegen afd argumentieren • Zivilgesellschaft |
ISBN-10 | 3-426-65985-9 / 3426659859 |
ISBN-13 | 978-3-426-65985-4 / 9783426659854 |
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