Der Tech-Krieg (eBook)
275 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45716-1 (ISBN)
Wolfgang Hirn studierte Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaften in Tübingen. Nach Stationen als Wirtschaftsredakteur arbeitete er viele Jahre als Reporter beim manager magazin. Seit 1986 reist er regelmäßig nach China, ist Autor des Bestsellers »Herausforderung China« (2005) und veröffentlichte bei Campus »Chinas Bosse« (2018) und »Shenzhen« (2020). Er ist Kopf des Infoportals CHINAHIRN (www.chinahirn.de) und lebt in Berlin.
Wolfgang Hirn studierte Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaften in Tübingen. Nach Stationen als Wirtschaftsredakteur arbeitete er viele Jahre als Reporter beim manager magazin. Seit 1986 reist er regelmäßig nach China, ist Autor des Bestsellers »Herausforderung China« (2005) und veröffentlichte bei Campus »Chinas Bosse« (2018) und »Shenzhen« (2020). Er ist Kopf des Infoportals CHINAHIRN (www.chinahirn.de) und lebt in Berlin.
EINLEITUNG
»Der Technologiekrieg zwischen den beiden Supermächten China und USA wird die entscheidende Auseinandersetzung des 21. Jahrhunderts werden.«
Stephen S. Roach, Ex-Investmentbanker und jetzt Fellow an der Yale University
Der 7. Oktober 2022 war ein Tag, der die Welt veränderte – und fast keiner hat es hierzulande gemerkt. In der Tagesschau wurde nicht darüber berichtet, und in den Printmedien fand das Ereignis nur – wenn überhaupt – als Randnotiz statt. In China hingegen verfolgte man aufmerksam, was an jenem Oktoberfreitag im fernen Washington per Dekret verkündet wurde: Die USA werden keine hochwertigen Chips mehr an China liefern, und sie würden mit all ihrer Macht verhindern, dass dies andere Nationen tun.
Das war eine Kriegserklärung der Vereinigten Staaten an die Volksrepublik China. Keine Kriegserklärung im klassischen militärischen Sinne, sondern eine moderne, eine zeitgemäße. In diesem Krieg kommen keine Gewehre, keine Panzer, keine Flugzeuge und keine Bomben zum Einsatz und deswegen auch keine Menschen zu Schaden. Die Waffen in diesem Konflikt sind andere, denn wir befinden uns im Zeitalter der Geoökonomie. Die Waffen, mit denen man andere treffen will, sind wirtschaftlicher und technologischer Natur. Sanktionen, Export- und Investitionsverbote sind alles Instrumente aus dem Arsenal des Protektionismus. Und eben an diesem 7. Oktober griffen die USA ganz tief in diesen Instrumentenkasten. Spätestens nach jenem Tag war klar: Die USA wollen mit aller Macht verhindern, dass China weiter technologisch aufholt und sie womöglich überholt.
USA gegen China – das ist der Konflikt in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, wenn nicht gar darüber hinaus. Auch wenn manche Beobachter mit dem Vergleich zögern: Für mich ist diese Auseinandersetzung zwischen den beiden Supermächten ein neuer, ein zweiter Kalter Krieg. Wie der erste Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion, bei dem es um Kapitalismus versus Kommunismus ging, wird auch sein Nachfolger gerne ideologisch aufgeladen: Demokratie versus Autoritarismus. Aber das ist nur eine vordergründige Etikettierung.
Den USA geht es bei der Auseinandersetzung mit China nicht um die Verteidigung westlicher Werte (wie soll ein Trump, der den Konflikt mit China schürte, glaubhaft demokratische Werte verkörpern?). Nein, es geht um Macht, um die Weltmacht, um die globale Nummer eins. Und diese Poleposition beanspruchen die USA nach dem Ende des gewonnenen ersten Kalten Krieges für sich, als sei das ein Naturgesetz oder gottgegeben. Die USA sehen sich als führende Wirtschafts-, Technologie- und Militärmacht, und das soll – God Bless America – gefälligst auch so bleiben.
Diesen Anspruch formuliert die US-amerikanische Führung auch ganz deutlich. Da klingen Donald Trump und Joe Biden gar nicht so unterschiedlich. Der eine sagt ganz simpel: »Make America Great Again.« Der andere weniger plump und etwas differenzierter, aber doch voller Selbstbewusstsein in einem Artikel für Foreign Affairs: »Es gibt keinen Grund, warum wir hinter China oder irgendjemand anderem zurückfallen sollten, wenn es um saubere Energie, Quantencomputing, künstliche Intelligenz, 5G, Hochgeschwindigkeitszüge oder den Wettlauf um die Ausrottung von Krebs, wie wir ihn kennen, geht. Wir haben die besten Forschungsuniversitäten der Welt. Wir haben eine starke Tradition der Rechtsstaatlichkeit. Und was am wichtigsten ist: Wir haben eine außergewöhnliche Zahl von Arbeitern und Innovatoren, die unser Land nie im Stich gelassen haben.«1
Biden stellt ganz bewusst die Technologie in den Mittelpunkt seines Überlegenheitsdenkens. Denn sie entscheidet über die Stärke eines Landes. Nur sie ermöglicht eine wettbewerbsfähige Wirtschaft und ein starkes Militär. Bislang waren die USA der nahezu unangefochtene globale Technologieführer. Aber nun schickt sich China an, zu Beginn der vierten industriellen Revolution diese amerikanische Vormachtstellung infrage zu stellen.
Wenn man die vielen Studien amerikanischer Thinktanks liest oder den Reden amerikanischer Politiker zuhört, hat man den Eindruck, dass sie alle nur noch auf den Zweikampf China versus USA fixiert sind. Europa findet in ihren Augen kaum mehr statt, und wenn dann nur noch als nützlicher Kombattant oder bestenfalls als Juniorpartner der USA, der mithelfen soll, Chinas Einfluss einzuhegen.
Europa spielt in diesem Tech-Krieg zwischen China und den USA in der Tat nur eine zuschauende Rolle, auch weil wir Europäer von falschen Voraussetzungen ausgehen. So haben viele in Europa – vor allem in der Politik – ein antiquiertes China-Bild. Viele denken immer noch, China sei das Land der Kopierer, China sei das böse Land, das unsere Technologie klaut, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen immer wieder gerne betont.
Dieses China-Bild spiegelt sich in einem falschen Selbstbild. Wir schätzen die Chinesen zu schlecht ein und uns zu gut. Viele in der Politik glauben, wir Deutschen und Europäer seien immer noch in vielen Bereichen führend oder könnten mit ein paar Milliarden Euro hier und ein paar EU-Programmen dort wieder an die Spitze zurückkommen. »Deutschland gehört zu den führenden Innovationsnationen und attraktivsten Wissenschaftsstandorten weltweit«2 steht in der Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung. Wie weltfremd ist ein Bundeskanzler Olaf Scholz, der allen Ernstes behauptet, Deutschland habe »die besten Voraussetzungen dafür, dass wir auch in 10, 20 und 30 Jahren technologisch in der Spitzenliga spielen«3? Oder eine Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die forsch verkündet: »Wir müssen unsere Technologieführerschaft verteidigen.«4 Sorry, welche Führerschaft? Wo liegt Deutschland vorn? Wo Europa?
Europas Wirtschaft ist da selbstkritischer. »Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Kontinents ist geschwunden« heißt es in einem Papier des European Round Table for Industry (ERT), dem 60 Topmanager europäischer Konzerne angehören. Realitätsnah stellen sie fest: »Die USA, China und andere haben die EU bei vielen Indikatoren bereits überholt.«5 Das gilt bei Innovationen in den neuen Technologiefeldern, aber auch bei Patenten und Talenten (siehe die Kapitel 9 und 10).
Diesen Befund bestätigt eine Untersuchung des Australian Strategic Policy Institute (ASPI), das den Critical Technology Tracker herausgibt. Darin wird untersucht, welches Landes in welchen Technologien führend ist. Das Ergebnis: In 37 der 44 analysierten Technologien ist China vorn, in 7 die USA, Europa in keiner.6 Nun kann man natürlich an der Methode rummäkeln. Aber tendenziell liegen die fernen Australier richtig. Das ergab die Recherche zu diesem Buch, bei dem ich mich auf die technologische Auseinandersetzung zwischen China und den USA und die Rolle Europas konzentriert habe. Die zweifellos vorhandenen Erfolge von Ländern wie Indien, Israel, Japan, Kanada, Russland oder Südkorea habe ich deshalb nur am Rande erwähnt.
Ich habe alle wichtigen Zukunftstechnologien unter die Lupe genommen und jeder ein eigenes Kapitel gewidmet – von Künstlicher Intelligenz bis Quantentechnologie, von Chips bis 5G, von Biotech bis Raumfahrt (siehe die Kapitel 2 bis 8). Tendenziell muss ich leider feststellen: Europa verliert gegenüber den beiden Supermächten China und USA immer mehr an Boden. Und weil sich China und USA in ihrem Kampf um die technologische Vorherrschaft gegenseitig pushen, wird der Abstand Europas eher noch größer.
Ja, wir haben in Europa und speziell in Deutschland traditionell eine gute Grundlagenforschung. Aber bei der Umsetzung in marktfähige Produkte hapert es. Das war früher schon so und ist heute immer noch ein Problem. Da sind die USA und China einfach besser und schneller. In beiden Ländern herrscht ein entrepreneurial spirit, der dort auf weniger bürokratische Hindernisse und gleichzeitig auf bereitwillige Geldgeber stößt. Und beide Länder verfolgen sehr unterschiedliche, aber gleichwohl erfolgreiche industriepolitische Ansätze (siehe Kapitel 12).
Wenn ich über den Niedergang oder bestenfalls die Stagnation Europas schreibe, soll das nicht sarkastisch oder resignierend klingen. Im Gegenteil: Ich wünsche mir ein technologisch, wirtschaftlich und damit auch politisch starkes Europa. Ich habe drei Jahre meines Lebens in Brüssel...
Erscheint lt. Verlag | 6.3.2024 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Chinas Bosse • Chip • Deutschland • Digitalisierung • Drohnen • Für Männer • Geopolitik • Geschenk für Männer • Globaler Wettlauf • Globalisierung • Halbleiter • Innovation • Kalter Krieg • KI • Künstliche Intelligenz • Roboter • Selbstfahrende Autos • Technologie • tech war |
ISBN-10 | 3-593-45716-4 / 3593457164 |
ISBN-13 | 978-3-593-45716-1 / 9783593457161 |
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