Frauen! Leben! Freiheit! (eBook)

Wie wir unsere Stimmen erheben. Frauen in iranischen Gefängnissen erzählen | von der Friedensnobelpreisträgerin 2023
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01952-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Frauen! Leben! Freiheit! -  Narges Mohammadi
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Aufrüttelnde, emotionale Dokumente des Widerstands im Iran Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi versammelt in ihrem Buch 12 Interviews mit im Iran inhaftierten Frauen, zu denen auch die international bekannte Journalistin Nazanin Zaghari-Ratcliffe gehört. In den während der Haft der Autorin heimlich geführten Interviews zeigen sich unhaltbare Haftzustände, aber auch unglaublicher Mut, Zusammenhalt und große solidarische Stärke, die auch die in den Haftanstalten praktizierte weiße Folter nicht zu brechen vermag. Die deutsche Übersetzung ist genau wie das persische Original ein Gemeinschaftswerk unterschiedlicher Frauen. Narges Mohammadis Buch ist ein Beweis für die aktuellen Menschenrechtsverletzungen im Iran und ein Aufruf an Unterstützer auf der ganzen Welt, den Kampf nicht aufzugeben. Mit einem Vorwort von Shirin Ebadi.  «Diese Erinnerungen, innerhalb des Gefängnisses geschrieben, sind ein lebender Beweis für den anhaltenden Kampf für die Freiheit im Iran.» Shirin Ebadi, Friedensnobelpreisträgerin

Narges Mohammadi, geboren 1972, ist eine iranische Menschenrechtsaktivistin und Vizepräsidentin des Defenders of Human Rights Center. 2023 erhielt sie den Friedensnobelpreis. Die Journalistin wurde aufgrund ihrer regimekritischen Haltung mehrfach inhaftiert und sitzt seit 2021 wieder im Gefängnis. Narges Mohammadi setzt sich für Frauen- und Menschenrechte und die Abschaffung der Todesstrafe ein. Außerdem hat sie sich der Aufklärung der unhaltbaren Haftbedingungen und der in Haft begangenen Verbrechen verschrieben.

Narges Mohammadi, geboren 1972, ist eine iranische Menschenrechtsaktivistin und Vizepräsidentin des Defenders of Human Rights Center. 2023 erhielt sie den Friedensnobelpreis. Die Journalistin wurde aufgrund ihrer regimekritischen Haltung mehrfach inhaftiert und sitzt seit 2021 wieder im Gefängnis. Narges Mohammadi setzt sich für Frauen- und Menschenrechte und die Abschaffung der Todesstrafe ein. Außerdem hat sie sich der Aufklärung der unhaltbaren Haftbedingungen und der in Haft begangenen Verbrechen verschrieben. Anja Schünemann studierte Literaturwissenschaft und Anglistik in Wuppertal. Seit 2000 arbeitet sie als freiberufliche Übersetzerin der verschiedensten Genres und hat seitdem große Romanprojekte und Serien von namhaften Autorinnen und Autoren wie Philippa Gregory, David Gilman sowie Robert Fabbri aus dem Englischen ins Deutsche übertragen. Historische Romane sind eines ihrer Spezialgebiete: Von der Antike bis zum Mittelalter, in die frühe Neuzeit sowie bis ins 20. Jahrhundert verfügt sie über einen reichen Wissensschatz, der ihre Übersetzungen zu einem gelungenen Leseerlebnis macht.

Shirin Ebadi


Übersetzung: Monireh Kazemi

Das Buch Frauen! Leben! Freiheit! ist die Dokumentation schmerzhafter Gespräche einer im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis Inhaftierten mit ihren Mitstreiterinnen. Narges Mohammadi, Vizepräsidentin und Sprecherin der Organisation Zentrum zur Verteidigung der Menschenrechte[5], wurde seit den umstrittenen Wahlen 2009 mehrfach wegen ihrer Menschenrechtsaktivitäten inhaftiert. Unter anderem wurde ihr die Führung der Kampagne zur schrittweisen Abschaffung der Todesstrafe[6] zulasten gelegt. Jetzt wurde sie entgegen der Gesetzgebung der Islamischen Republik Iran aus dem Evin-Gefängnis in das Gefängnis in Zandschan verlegt.

Narges Mohammadi und andere mutige Inhaftierte sollen einen einwöchigen Sitzstreik organisiert haben, um zur Solidarität für die Opfer der staatlichen Gewalt gegen die Proteste im November 2019 aufzurufen. Am dritten Tag dieses Streiks forderte der Gefängnisdirektor Narges, unter dem Vorwand, ihr Anwalt warte auf sie, auf, in sein Büro zu kommen. Im Büro des Direktors wurde sie jedoch nur mit Verunglimpfungen und Beleidigungen des damaligen Verantwortlichen des Evin-Gefängnisses, Gholamreza Ziaei, konfrontiert. Ohne auf seine Beleidigungen zu reagieren, wollte Narges in ihre Zelle zurückkehren. Der Leiter des Gefängnisses griff sie jedoch brutal an, bedrängte sie wiederholt und stieß sie gegen die Wand. Narges erlitt dadurch Schürfwunden an den Händen. Ohne ihre persönlichen Sachen aus ihrer Zelle holen zu dürfen, wurde sie anschließend mit blutigen Händen und in Begleitung mehrerer Beamter nach Zandschan verlegt, um ihre Haftstrafe unter den dortigen Gefangenen fortzusetzen. Narges reichte im Nachhinein Klage gegen den Mann ein. Doch der Fall wurde weder weiterverfolgt, noch wurde die Klage jemals berücksichtigt. Im Gegenteil: Infamerweise verklagte der Gefängnisdirektor Narges Mohammadi wegen angeblicher Verleumdung.

Entgegen der Prozessordnung kam der gerichtliche Vernehmer aufgrund dieser Anklage persönlich ins Gefängnis, um Narges zu befragen und Ermittlungen einzuleiten. Narges erkundigte sich bei dieser Gelegenheit, warum sie nicht, wie es das iranische Gesetz vorsieht, in Zandschan selbst bei der Justiz vorstellig werden und die Fragen dort beantworten dürfe. Der Ermittler antwortete Narges, dass sie unter keinen Umständen das Gefängnis verlassen dürfe, weshalb er zu ihr gekommen sei. Aus Protest gegen dieses suspekte und gesetzeswidrige Handeln verweigerte Narges die Aussage.

Gegenwärtig wird zusätzlich zu den früheren Urteilen in zwei Fällen gegen Narges ermittelt. Der zuständige Geheimdienstbeamte hat ihr wiederholt mitgeteilt, dass es zu ihrer Freilassung ausreiche, wenn sie aus dem Zentrum zur Verteidigung der Menschenrechte austräte. Narges lehnt dieses Angebot zur Kapitulation kontinuierlich ab. Beim letzten Mal sagte er ihr, dass sie sich aufgrund dieses Verhaltens sicher sein könne, nicht lebend aus dem Gefängnis freizukommen.

Im Zandschaner Gefängnis ist Narges mit kriminellen weiblichen Gefangenen untergebracht. Angestachelt durch die Gefängniskräfte und das Versprechen vorzeitiger Haftentlassung, begannen einige von ihnen eine Auseinandersetzung mit Narges. So wurde ihr eines Nachts von einer Frau gedroht, sie zu töten. Bis zum darauffolgenden Morgen versteckte sich Narges im Waschraum. Glücklicherweise scheiterte diese Strategie der Regierung. Narges konnte sich mit ihrer fürsorglichen und hilfsbereiten Art mit den inhaftierten Frauen anfreunden und diese Krise überwinden.

In Zeiten von Covid-19, das insbesondere in den iranischen Gefängnissen verbreitet ist, befindet sich Narges mit mehreren Gefangenen in einer Zelle auf engstem Raum. Schon zu Beginn der Pandemie galt eine der Mitgefangenen als Covid-19-Verdachtsfall. Als nach ihrem Testergebnis klar wurde, dass sie erkrankt war, wurde ihr Hafturlaub gewährt. Einige Tage später zeigten auch Narges und eine Reihe anderer Frauen Symptome. Die Verantwortlichen der Haftanstalt verweigerten ihnen jedoch den Test. Als sich ihr gesundheitlicher Zustand verschlechterte, wurden sie auf Drängen ihrer Familien getestet, allerdings haben sie die Testergebnisse nie erfahren.

Lediglich vier Gefangene, die keine Symptome zeigten, wurden aus der Zelle verlegt, während Narges und elf weitere Gefangene unter Quarantäne gestellt wurden. Die Menschenrechtsaktivistin ist einem hohen Risiko aussetzt, da sie zusätzlich an Lungenembolie und Muskelparalyse leidet. Doch die Gefängnisbehörden von Zandschan erlauben ihr weder eine Untersuchung von Spezialisten noch die Behandlung ihrer Krankheiten. Sie behaupten, dass die notwendige Behandlung durch das medizinische Personal des Gefängnisses gegeben sei. Unnötig zu sagen (die Verhältnisse in den iranischen Gefängnissen sind bekannt), dass die medizinische Versorgung – insbesondere in Zandschan – äußerst beschränkt ist.

Narges berichtete aus dem Gefängnis über die dortigen Zustände und verlangte einen Besuch des Gesundheitsministers, damit er sich ein Bild von den Haftbedingungen und den Gesundheitszuständen der Inhaftierten machen könne. Anstatt jedoch auf die berechtigten Forderungen dieser Frau, die sich ein Leben lang für Menschenrechte eingesetzt hat, zu reagieren, nannte der Stabschef der Justiz sie eine Lügnerin und erklärte, die von ihr veröffentlichten Informationen seien von der Gefängnisleitung nicht zu bestätigen. Ein iranisches Sprichwort lautet: Man fragte den Fuchs, der seine Schuld verleugnete: Wer sei dein Zeuge? Der Fuchs antwortete: meine Rute! So verhält es sich auch hier. Eine inhaftierte Menschenrechtsaktivistin klagt Haftbedingungen an, und die Justiz beruft sich zur Widerlegung der Aussage auf die verantwortliche Gefängnisleitung. Eine Hand wäscht die andere, sagt ein deutsches Sprichwort.

Seit ihrer Inhaftierung hat sich Narges Mohammadi nicht nur geweigert, mit der iranischen Regierung zusammenzuarbeiten, sie hat auch fortlaufend über die Ereignisse im Gefängnis berichtet und versucht, Nachrichten über Proteste im Land in das Gefängnis hineinzutragen. Tatsächlich konnte bisher keine Gefängnismauer verhindern, dass Narges Mohammadis Stimme die Menschen erreicht. Während ihrer Haftzeit im Evin-Gefängnis beispielsweise erfuhr sie, dass weibliche Inhaftierte im Gegensatz zu männlichen Inhaftierten nicht das Recht haben, ihre Familie und Kinder anzurufen. Daraufhin startete sie die Kampagne «Unterstützung für gefangene Mütter» und forderte, dass Mütter Anrufe von ihren Kindern erhalten dürfen. Diese Kampagne erregte die Aufmerksamkeit von Iranern auf der ganzen Welt und zwang die Regierung zum Einlenken. Inhaftierte Frauen dürfen nun schon seit einiger Zeit Telefonate führen. Auf dieser Grundlage konnte Narges Mohammadi selbst eine Zeit lang einen Tag in der Woche, am Sonntag, für zwanzig Minuten mit ihren beiden Kindern sprechen, die bei ihrem Vater in Paris leben. Doch weil die Regierung Narges’ Unterstützung der Proteste missbilligte, wurde ihr auch dieses Recht wieder entzogen. Seit nunmehr einem Jahr hat sie die Stimme ihrer beiden Kinder nicht mehr gehört. Wie kann ich wissen, ob meine Kinder mich in den kommenden Jahren erkennen werden? Ob ihnen meine Stimme vertraut bleiben wird? Werden sie mich weiterhin Mutter nennen?, schrieb Narges in einem Brief.

Sie hat bis heute sieben Jahre ihrer zehnjährigen Haftstrafe verbüßt. Längst könnte sie, dem Gesetz entsprechend, auf Bewährung freigelassen werden. Aber ihr werden weiterhin sogar die Rechte einer gewöhnlichen Gefangenen entzogen. Gewöhnliche Gefangene können auf eigene Kosten Fleisch, Gemüse, Obst und anderes im Gefängnisladen kaufen, was ihr jedoch verboten ist. Aus diesem Grund ernährt sie sich seit ihrer Verlegung in das Zandschan-Gefängnis nur von ihrer täglichen Ration Kartoffeln, Eier und Brot. Ich schildere die Situation, in der Narges sich befindet, um zu zeigen, dass sie trotz all der Ketten, die ihr um Hände und Füße gelegt wurden, noch immer wie eine Löwin kämpft. Das ist der Grund, weshalb die Regierung versucht, sie zu brechen. Unter derartigen Umständen ist das Buch Frauen! Leben! Freiheit! als weiteres Brüllen dieser Löwin zu verstehen. Das zentrale Thema der geschilderten Gespräche ist die Praxis der Isolationshaft in iranischen Gefängnissen als eines der offensichtlichen Beispiele für «legale» Folter. Vor ihrer Inhaftierung engagierte sich Narges Mohammadi viele Jahre gegen Isolationshaft. Sogar im Gefängnis hat sie sich weiterhin dagegen eingesetzt und sich auf verschiedene Weise gegen diese Folterpraxis ausgesprochen. Um diesen Kampf auszudrücken, hat sie nun Interviews mit einer Reihe Mitinhaftierter geführt, mit politischen Gefangenen des Evin-Gefängnisses, und einen Teil ihrer eigenen Erinnerungen aufgezeichnet. Diese Erinnerungen, innerhalb des Gefängnisses geschrieben, sind ein lebender Beweis für den anhaltenden Kampf für die Freiheit im Iran.

Wenn Menschen ihre Erinnerungen Jahre später resümieren, werden Teile davon unweigerlich verzerrt oder vergessen, oder sie verschmelzen mit anderen Erinnerungen. Werden sie aber kurz nach dem Zeitpunkt ihres Geschehens festgehalten, sind sie immun gegen Gedächtnislücken, immun gegen das Vergessen in der geistestötenden Haft. Dementsprechend wichtig sind das Engagement und der Mut Narges Mohammadis, die trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse im Gefängnis diese Notwendigkeit des Erinnerns erachtet und ihre Ziele nicht aufgibt.

Es ist sehr schmerzhaft zu beobachten, wie eine nach Freiheit strebende Frau für ihren Kampf um Gerechtigkeit und Menschenrechte eingesperrt wird und alle Rechte...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2023
Übersetzer Monireh Kazemi, Manijeh Erfani-Far, Niloofar Beyzaie, Parastou Forouhar, Niloufar Rahi, Maliheh Sharifzadeh, Mahwash Sallehy, Golnaz Gabrae, Soheila Abtehi, Hellen Nahid Nosrat, Fahimeh Farsaie, Aghda
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Amnesty International • Buch • Buch Iran • Buch Narges Mohammadi • Defenders of Human Rights Center • Frauenrechte • Freiheitskampf • Friedensnobelpreis • Friedensnobelpreis 2023 • Gesellschaft • Haftbedingungen • Iran • Mahsa Amini • Menschenrechte • Menschenrechtsaktivistin • Monireh Baradaran • Natalie Amiri • Nazanin Zaghari-Ratcliffe • Nobelpreisträgerin 2023 • Protestbewegung • Rechtssystem • Shirin Ebadi • Taghi Rahmani • Todesstrafe • Widerstand
ISBN-10 3-644-01952-5 / 3644019525
ISBN-13 978-3-644-01952-2 / 9783644019522
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