Das Ende der Geschichte (eBook)

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2022 | 1. Auflage
560 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01520-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Ende der Geschichte -  Francis Fukuyama
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 Ist Geschichte eine endlose Wiederholung von Aufstieg und Verfall? In seinem weltberühmten Grundlagenwerk legt Francis Fukuyama dar, warum für ihn die liberale Demokratie den Endpunkt der Geschichte bedeutet.   Im Sommer 1989 elektrisierte ein Artikel eines bis dato unbekannten Politikwissenschaftlers in der Zeitschrift The National Interest die Welt. Er führte zu Kontroversen bis in die Leitartikel diverser Zeitungen. Francis Fukuyama hatte Das Ende der Geschichte als den Sieg des Liberalismus ausgerufen. Kurz darauf fiel die Mauer tatsächlich. Das darauf folgende Buch wurde 1992 ein weltweiter Bestseller und gehört bis heute zu den meist zitierten Werken der Politikwissenschaft. Wer sich ein eigenes Bild dieses oft umstrittenen und falsch verstandenen Klassikers machen will, hat nun endlich wieder die Möglichkeit, Das Ende der Geschichte im Original zu lesen, erstmals auch mit einem bislang noch nie ins Deutsche übersetzten Nachwort des Autors.

Francis Fukuyama, geboren 1952 in Chicago, studierte Politikwissenschaft in Harvard. Sein 1992 veröffentlichter Bestseller Das Ende der Geschichte machte ihn international bekannt. Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Er lehrte an der John-Hopkins-Universität, erhielt 2015 den Skytteanischen Preis und hat zahlreiche Bücher zur US-Politik veröffentlicht. Derzeit ist er Professor für Politikwissenschaft an der Stanford-Universität.

Francis Fukuyama, geboren 1952 in Chicago, studierte Politikwissenschaft in Harvard. Sein 1992 veröffentlichter Bestseller Das Ende der Geschichte machte ihn international bekannt. Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Er lehrte an der John-Hopkins-Universität, erhielt 2015 den Skytteanischen Preis und hat zahlreiche Bücher zur US-Politik veröffentlicht. Derzeit ist er Professor für Politikwissenschaft an der Stanford-Universität.

Cover
Verlagslogo
Titelseite
Widmung
Dank
Statt einer Einführung
Teil I
Teil II
Teil III
Teil IV
Teil V
Bibliographie
Register
Endnoten
Über Francis Fukuyama
Impressum

Statt einer Einführung


Die grundlegenden Gedanken dieses Buches veröffentlichte ich im Sommer 1989 in einem Aufsatz mit dem Titel »The End of History?« in der Zeitschrift The National Interest.[1] In dem Aufsatz legte ich dar, dass sich in den letzten Jahren weltweit ein bemerkenswerter Konsens über die Legitimität der liberalen Demokratie als Regierungssystem herausgebildet hat, während zugleich deutlich geworden ist, dass konkurrierende Herrschaftsformen wie die Erbmonarchie, der Faschismus und in jüngster Zeit der Kommunismus der liberalen Demokratie unterlegen sind. Ich blieb nicht bei dieser These stehen, sondern argumentierte weiter, dass die liberale Demokratie möglicherweise »den Endpunkt der ideologischen Evolution der Menschheit« und die »endgültige menschliche Regierungsform« darstellt. Sie wäre demnach »das Ende der Geschichte«. Während frühere Regierungsformen schwere Mängel und irrationale Züge aufwiesen, die schließlich zu ihrem Zusammenbruch führten, ist die liberale Demokratie bemerkenswert frei von solchen fundamentalen inneren Widersprüchen. Ich wollte damit nicht behaupten, dass in den stabilen Demokratien unserer Zeit, beispielsweise in den Vereinigten Staaten, in Frankreich oder in der Schweiz, keine Ungerechtigkeiten oder gravierenden sozialen Probleme existieren. Solche Unzulänglichkeiten sind jedoch auf eine unzureichende Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit, den beiden Grundprinzipien der modernen Demokratie, zurückzuführen und nicht auf die Prinzipien selbst. Es mag zwar heute durchaus Länder geben, wo es nicht gelingt, eine stabile liberale Demokratie zu errichten, andere Länder mögen in primitivere Herrschaftsformen wie Theokratie oder Militärdiktatur zurückfallen, aber das Ideal der liberalen Demokratie ist nicht verbesserungsbedürftig. Der oben erwähnte Aufsatz wurde in den Vereinigten Staaten ausführlich und kontrovers diskutiert und fand später auch in so unterschiedlichen Ländern wie England, Frankreich, Italien, der Sowjetunion, Brasilien, Südafrika, Japan und Südkorea ein breites Echo. Er wurde auf jede erdenkliche Art kritisiert. Manche Kritiker hatten lediglich meine eigentlichen Absichten missverstanden, andere bewiesen mehr Einfühlungsvermögen und drangen zum Kern meiner Argumentation vor.[2] Viele Leser wurden zunächst einmal dadurch verwirrt, wie ich den Begriff »Geschichte« verwendet habe. Sie verstanden Geschichte im üblichen Sinn als eine Abfolge von Ereignissen und verwiesen als Beweis dafür, dass »die Geschichte weitergeht« und ich durch die Tatsachen widerlegt sei, auf den Fall der Berliner Mauer, auf das Blutbad, das die chinesischen Kommunisten auf dem Tiananmen-Platz angerichtet haben, und auf die irakische Invasion in Kuwait.

Ich hatte freilich nicht bestritten, dass es weiterhin Ereignisse geben würde, auch große und bedeutende Ereignisse, sondern ich hatte vom Ende der Geschichte gesprochen. Unter Geschichte verstehe ich einen einzigartigen kohärenten evolutionären Prozess, der die Erfahrungen aller Menschen aller Zeiten umfasst. Dieses Verständnis von Geschichte ist mit dem des großen deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel eng verwandt. Es ist durch Karl Marx, der es von Hegel übernahm, ein fester Bestandteil des heutigen Geisteslebens geworden und schlägt sich darin nieder, wie wir Begriffe wie »primitiv« oder »fortschrittlich«, »traditionell« oder »modern« auf unterschiedliche Gesellschaftsformen anwenden. Sowohl Hegel als auch Marx nahmen eine kohärente Entwicklung der menschlichen Gesellschaften an, von der einfachen Stammesgesellschaft, die auf Sklaverei und landwirtschaftlicher Subsistenzwirtschaft basierte, über verschiedene Formen der Theokratie, der Monarchie und der feudalen Aristokratie bis zur modernen liberalen Demokratie und zu dem vom technischen Fortschritt bestimmten Kapitalismus. Diese Entwicklung war weder zufällig, noch entzog sie sich dem menschlichen Verständnis, auch wenn sie nicht geradlinig verlief. Die Frage, ob das Leben der Menschen durch den historischen »Fortschritt« wirklich besser und glücklicher geworden ist, betrifft den historischen Prozess selbst nicht.

Weder Hegel noch Marx glaubten, dass die Entwicklung der menschlichen Gesellschaften unendlich weitergehen würde. Sie nahmen vielmehr an, dass sie enden würde, wenn die Menschheit eine Gesellschaftsform erreicht hätte, die ihren tiefsten Sehnsüchten entspräche. Beide Denker postulierten also ein »Ende der Geschichte«, für Hegel war es der liberale Staat, für Marx die kommunistische Gesellschaft. Damit meinten sie nicht, dass der natürliche Kreislauf von Geburt, Leben und Tod enden würde, dass keine großen Ereignisse mehr stattfinden würden, dass keine Zeitungen mehr erscheinen und darüber berichten würden. Beide meinten vielmehr, dass es keinen weiteren Fortschritt in der Entwicklung grundlegender Prinzipien und Institutionen mehr geben würde, da alle wirklich großen Fragen endgültig geklärt seien.

Das vorliegende Buch ist keine Neuformulierung meines ursprünglichen Aufsatzes und auch kein Versuch, die Diskussion mit meinen vielen Kritikern und Rezensenten fortzusetzen. Es ist auch kein Bericht über das Ende des Kalten Krieges oder über ein anderes wichtiges Thema der aktuellen Politik. Zwar werden die jüngsten Weltereignisse berücksichtigt, aber das eigentliche Thema des Buches ist eine sehr alte Frage: Ist es – am Ende des 20. Jahrhunderts wieder – sinnvoll von einem kohärenten und zielgerichteten Verlauf der Menschheitsgeschichte zu sprechen, der letztlich den größten Teil der Menschheit zur liberalen Demokratie führen wird? Diese Frage beantworte ich aus zwei unterschiedlichen Gründen mit ja. Der eine Grund ist wirtschaftlicher Natur, der andere hat mit dem sogenannten »Kampf um Anerkennung« zu tun.

Natürlich genügt es nicht, sich auf die Autorität von Hegel oder Marx oder die eines ihrer zeitgenössischen Anhänger zu berufen, wenn man die These vom zielgerichteten Verlauf der Geschichte begründen will. In den anderthalb Jahrhunderten, die vergangen sind, seit Hegel und Marx ihre Werke schrieben, wurde ihr geistiges Erbe von vielen Seiten hart kritisiert. Die scharfsinnigsten Denker des 20. Jahrhunderts haben die Behauptung heftig kritisiert, dass die Geschichte ein kohärenter und verständlicher Prozess sein soll, sie haben sogar die Möglichkeit verneint, dass irgendein Aspekt des menschlichen Daseins philosophischem Verstehen zugänglich sein könnte. Wir im Westen sind zutiefst pessimistisch, was die Möglichkeit eines allgemeinen Fortschritts in demokratischen Institutionen angeht. Unser Pessimismus ist kein Zufall, sondern die Frucht der wahrhaft schrecklichen politischen Ereignisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die durch zwei verheerende Weltkriege und den Aufstieg totalitärer Ideologien geprägt war. Wir sind auch pessimistisch, weil wir erlebt haben, wie die Wissenschaft Atomwaffen hervorbrachte und Umweltschäden verursachte und so zu einer Bedrohung der Menschheit wurde. Die Opfer der politischen Gewalt seit Anfang des 20. Jahrhunderts – von den Überlebenden des Nationalsozialismus und des Stalinismus bis zu den Opfern Pol Pots – haben am eigenen Leib Dinge erlebt, die dagegensprechen, dass es so etwas wie einen historischen Fortschritt gibt. Allerdings haben wir uns inzwischen so sehr daran gewöhnt, dass die Zukunft immer neue Bedrohungen für eine moralische, liberale und demokratische politische Praxis bringt, dass wir gute Nachrichten kaum noch zur Kenntnis nehmen, wenn es sie tatsächlich einmal gibt.

Und es sind gute Nachrichten zu vermelden. Die bemerkenswerteste Entwicklung im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts besteht darin, dass die scheinbar so starken Diktaturen dieser Welt gewaltige Schwächen zeigen, dass sie im Kern erschüttert sind, ob es sich um autoritäre Militärdiktaturen der Rechten oder um kommunistisch-totalitäre Systeme der Linken handelt. Von Lateinamerika bis Osteuropa, von der Sowjetunion bis zum Nahen Osten und Asien sind vermeintlich starke Regierungen in den letzten drei Jahrzehnten gescheitert. Sie haben zwar nicht in allen Fällen stabilen liberalen Demokratien Platz gemacht, aber die liberale Demokratie bleibt das einzige klar umrissene politische Ziel, das den unterschiedlichen Regionen und Kulturen rund um die Welt gemeinsam vor Augen steht. Außerdem haben sich liberale wirtschaftliche Prinzipien – der »freie Markt« – ausgebreitet, und das hat sowohl in den industriell entwickelten Ländern als auch in Ländern, die vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch zur verarmten Dritten Welt gehörten, zu nie da gewesenem materiellem Wohlstand geführt. In manchen Ländern wurde die globale Entwicklung zu mehr politischer Freiheit durch eine liberale Revolution des ökonomischen Denkens vorbereitet, in anderen ging die politische Freiheit der wirtschaftlichen voraus.

All das ist nicht im entferntesten mit der schrecklichen Geschichte der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts zu vergleichen, wo es so aussah, als würde die Zukunft totalitären Regimen linker oder rechter Spielart gehören. Es stellt sich die Frage, ob diese Erscheinungen durch einen roten Faden miteinander verbunden sind oder lediglich auf glücklichen Zufällen beruhen. Ich wende mich dem Problem zu, ob es eine Art Universalgeschichte der Menschheit gibt, und greife damit eine Diskussion auf, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts begann, jedoch wegen der ungeheuerlichen Ereignisse, die der Menschheit danach widerfuhren, in unserer Zeit...

Erscheint lt. Verlag 4.10.2022
Übersetzer Ute Mihr, Helmut Dierlamm, Karlheinz Dürr
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Demokratie • Gesellschaft • Identität • John-Hopkins-Universität • Klassiker • Liberalismus • Political Ideologies • Politik • Politikwissenschaft • Politische Ideologie • Stanford-Universität • The National Interest
ISBN-10 3-455-01520-4 / 3455015204
ISBN-13 978-3-455-01520-1 / 9783455015201
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