Das Zeitalter der Resilienz (eBook)

Spiegel-Bestseller
Leben neu denken auf einer wilden Erde
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
360 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45232-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Zeitalter der Resilienz -  Jeremy Rifkin
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Die Geschichte der Menschheit und die Zukunft unserer Spezies auf der Erde - beides zusammen muss ganz neu gedacht werden. Der Ökonom und Bestsellerautor Jeremy Rifkin zeigt, wie die Inbesitznahme der Erde und das industrielle Effizienzdenken alle Lebensbereiche durchdrungen und uns an den Rand des ökologischen Untergangs geführt haben. Nur ein radikaler Wandel unseres Selbstbildes kann uns noch retten. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse stellen dem Homo oeconomicus einen Menschen entgegen, der sich als Ökosystem begreift, sich an seine Umwelt anpasst und widerstandsfähig wird, statt die Natur auszubeuten. Rifkin liefert die übergreifende Erzählung für den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen globalen Weg vom Zeitalter des Fortschritts zum Zeitalter der Resilienz. »Jeremy Rifkin schlägt vor, dass wir die Natur als unser Klassenzimmer betrachten und es wagen, jeden Aspekt unserer Existenz neu zu überdenken, damit das Leben auf der Erde wieder aufblühen kann. Ein Dialog, der längst überfällig ist.« Jane Goodall »Brillant - Mit ?Das Zeitalter der Resilienz? beweist Rifkin erneut, dass er einer der großen Vordenker unserer Zeit ist.« Sigmar Gabriel

Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker unserer Zeit. Er ist Mitglied des Executive Education Program der Wharton School, Berater mehrerer Staatsoberhäupter der Europäischen Union und Präsident der Foundation on Economic Trends in Bethesda, Maryland. Seine Bücher sind internationale, in 35 Sprachen übersetzte Bestseller und lösten weltweite Debatten zu den großen gesellschaftlichen und ökonomischen Fragen aus, siehe zum Beispiel »Das Ende der Arbeit« und »Access« und »Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft«. 2019 erschien »Der globale Green New Deal«, 2022 sein Buch »Das Zeitalter der Resilienz«.

Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker unserer Zeit. Er ist Mitglied des Executive Education Program der Wharton School, Berater mehrerer Staatsoberhäupter der Europäischen Union und Präsident der Foundation on Economic Trends in Bethesda, Maryland. Seine Bücher sind internationale, in 35 Sprachen übersetzte Bestseller und lösten weltweite Debatten zu den großen gesellschaftlichen und ökonomischen Fragen aus, siehe zum Beispiel »Das Ende der Arbeit« und »Access« und »Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft«. 2019 erschien »Der globale Green New Deal«, 2022 sein Buch »Das Zeitalter der Resilienz«.

EINLEITUNG


Die Viren kommen in immer neuen Wellen. Das Klima erwärmt sich weiter. Die Erde verwildert zusehends. Lange haben wir geglaubt, wir könnten die Natur zwingen, sich an unsere Spezies anzupassen, doch heute bleibt uns nichts anderes übrig, als uns an die unberechenbare Natur anzupassen. Wir haben keine Bedienungsanleitung für das Chaos, das sich um uns herum offenbart.

Wir sind die jüngste Säugetierart der Erde mit einer Geschichte von nur 200 000 Jahren. Die meiste Zeit – mehr als 95 Prozent – haben wir ähnlich wie unsere Mitprimaten und -säugetiere jagend und sammelnd von den Gaben der Erde gelebt, wir haben uns an die Jahreszeiten angepasst und nur einen flüchtigen Fußabdruck hinterlassen.1 Was hat sich geändert? Wie wurden wir zu den Ausbeutern, die die Natur beinahe in die Knie gezwungen haben, nur damit sie sich heute aufbäumt, um uns abzuschütteln? Treten wir einen Schritt zurück und betrachten die inzwischen abgegriffene Geschichte von der Sonderstellung des Menschen. Während der finstersten Phase der Französischen Revolution im Jahr 1794 entwarf der Philosoph Nicolas de Condorcet seine große Zukunftsvision, während er auf die Guillotine wartete. Er schrieb:

Die Natur hat der Vervollkommnung der menschlichen Fähigkeiten keine Grenzen gesetzt. Die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen ist wahrhaft grenzenlos, und der Fortschritt dieser Vervollkommnungsfähigkeit hat keine Grenze als die Lebensdauer des Planeten, auf den uns die Natur geworfen hat.2

Condorcets Prophezeiung lieferte die ontologische Grundlage für das, was später als »Zeitalter des Fortschritts« bezeichnet werden sollte. Heute erscheint uns Condorcets Menschenbild naiv oder gar lächerlich. Doch der Fortschritt ist nur die jüngste Ausformung der uralten Überzeugung, dass wir Menschen aus anderem Holz geschnitzt sind als alle anderen Lebewesen, mit denen wir den Planeten teilen. Wir gestehen uns zwar widerwillig ein, dass der Homo sapiens aus dem gemeinsamen Quell des Lebens entspringt, der bis zu den Regungen der ersten Mikroben zurückreicht, aber wir halten uns trotzdem gern für eine Ausnahme.

Während der Moderne haben wir Gott weitgehend hinter uns gelassen, und dennoch glauben wir an seine Zusage an Adam und Eva, sie und ihre Nachfahren sollten »herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.«3 Auch ohne seine religiöse Dimension haben wir dieses Versprechen ernst genommen und damit unsere Ökosysteme in den ökologischen Kollaps geführt.

Doch allmählich sehen wir ein, dass uns die Erde niemals untertan war, und dass die Akteure der Natur deutlich mächtiger sind als wir dachten, während die Menschheit im großen Bild des Lebens auf dieser Erde immer kleiner und unbedeutender erscheint. Nun bekommen wir es mit der Angst zu tun. Wir öffnen die Augen für die schmerzliche Realität, dass wir als Spezies ein furchtbares Gemetzel auf unserer Erde anrichten – Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände und Wirbelstürme, die in aller Welt Schneisen der Verwüstung hinterlassen und Ökosysteme zerstören. Wir spüren, dass diese Naturgewalten größer sind als wir, dass sie sich nicht mit herkömmlichen Rezepten bekämpfen lassen, und dass sie bleiben werden, mit bedrohlichen Folgen. Wir erkennen allmählich, dass wir und unsere Mitgeschöpfe auf einen Abgrund zusteuern, von dem es kein Zurück mehr gibt.

Die Warnung, dass der von Menschen gemachte Klimawandel das sechste Massensterben auf unserem Planeten verschuldet, ist inzwischen auch im politischen Mainstream angekommen. Überall schrillen die Alarmglocken. Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft, Finanzen und Wissenschaft sowie die gesamte Öffentlichkeit hinterfragen die Glaubenssätze, nach denen wir unser Leben ausgerichtet, uns den Sinn unserer Existenz erklärt und unsere Lebenswirklichkeit verstanden haben.

Das Zeitalter des Fortschritts ist tot und wartet nur noch auf seine Obduktion. Schon werden allenthalben Forderungen lauter, dass wir – die Menschheit – alles überdenken müssen: unser Verständnis von der Welt, unsere Art zu wirtschaften, unsere politische Ordnung, unseren Platz in Raum und Zeit, unser gesamtes Handeln und unser Verhältnis zu unserem Planeten.

Doch bislang ist unser Denken bestenfalls unausgereift und schlimmstenfalls vernebelt. Was bedeutet es, unsere gesamte Existenz zu überdenken? Wir haben eine gewisse Ahnung. Immer und überall geht es darum, wie wir uns am besten an das drohende Chaos »anpassen« können. Wir hören diese Frage zu Hause am Küchentisch genauso wie am Arbeitsplatz, in der Freizeit und im Alltag.

»Resilienz« oder Widerstandsfähigkeit ist dabei ein Schlagwort, auf das wir immer wieder stoßen. Mit diesem Begriff definieren wir uns angesichts der bedrohlichen Zukunft, die inzwischen vor der Tür steht. Das Zeitalter des Fortschritts ist zu Ende und das Zeitalter der Resilienz bricht an. Alles, was wir zu wissen meinten, was wir glaubten und auf das wir uns verlassen haben, gilt nicht mehr. Wir stehen am Beginn einer neuen Reise, auf der wir neu über unsere Spezies und ihren Platz auf der Erde nachdenken müssen und die Natur unsere Schule ist.

Der Übergang vom Zeitalter des Fortschritts zum Zeitalter der Resilienz bewirkt schon heute ein philosophisches und psychologisches Umdenken und einen Einstellungswandel. Es handelt sich um einen Umbruch, der die vollständige Neuausrichtung unserer Verortung in Raum und Zeit verlangt.

»Effizienz« bestimmte die zeitliche Orientierung der Menschheit während des gesamten Zeitalters des Fortschritts. Bei dem Projekt der Effizienz geht es darum, die Gewinnung, Nutzung und Entsorgung natürlicher Ressourcen zu optimieren und damit den materiellen Reichtum der Gesellschaft immer schneller zu vergrößern, und zwar auf Kosten einer Ausbeutung der Natur. Das Gebot der Effizienz gibt den Takt unseres Alltags und unserer Gesellschaft vor. Dieses Gebot hat uns erst zur beherrschenden Spezies auf der Erde gemacht und dann die Natur in den Ruin gestürzt.

In letzter Zeit werden in der Wissenschaft, in Vorstandsetagen und in der Politik Stimmen laut, die die einst unantastbare Effizienz infrage stellen und andeuten, dass sie uns mit dem eisernen Griff, mit dem sie die gesamte Gesellschaft gepackt hält, buchstäblich erdrosselt. Wie sollen wir also die Zukunft neu denken?

Wenn im Zeitalter des Fortschritts die Effizienz den Takt vorgab, dann ist es im Zeitalter der Resilienz die Anpassungsfähigkeit. Die Umorientierung von der Effizienz zur Anpassungsfähigkeit ist die Voraussetzung, um unsere Entfremdung von der Erde zu überwinden und uns in die Vielzahl der irdischen Akteure einzugliedern – eine Neuorientierung menschlichen Handelns auf einem zunehmend unberechenbaren Planeten.

Diese Neuausrichtung beeinflusst schon jetzt unsere althergebrachten Vorstellungen davon, wie wir unser wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben zu führen, zu messen und zu bewerten haben. Der Übergang von der Effizienz zur Anpassungsfähigkeit geht mit umfassenden Umwälzungen in Wirtschaft und Gesellschaft einher, etwa der Verschiebung von Produktivität zu Erneuerbarkeit, von Wachstum zu Wohlstand, von Eigentum zu Zugang, von Märkten mit Käufern und Verkäufern zu Netzwerken mit Anbietern und Nutzern, von linearen Prozessen zu kybernetischen Prozessen, von vertikaler zu lateraler Integration, von zentralisierten zu dezentralen Wertschöpfungsketten, von Unternehmenskonglomeraten zu agilen, hoch technisierten kleinen und mittelgroßen Genossenschaften, verlinkt in variablen Gemeingütern, von geistigem Eigentum zu Open Source, von Nullsummenspielen zu Netzwerkeffekten, von der Globalisierung zur Glokalisierung, vom Konsumismus zu Ökosystemdienstleistungen, vom Bruttoinlandsprodukt zu Indikatoren der Lebensqualität, von negativen externen Effekten zur Kreislaufwirtschaft, von der Geopolitik zur Biosphärenpolitik.

Die nun anbrechende dritte industrielle Revolution führt uns von der analogen Bürokratie zu digitalen Plattformen, sie bettet die Menschheit wieder ein in die ureigene Infrastruktur unseres Planeten – die irdischen Sphären – und markiert das Ende des Industriezeitalters. Mit dem anbrechenden Zeitalter der Resilienz wird ab der zweiten...

Erscheint lt. Verlag 12.10.2022
Übersetzer Jürgen Neubauer
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Anpassungsfähigkeit • Anthropozän • Biologische Uhren • Effizienz • Elektromagnetische Felder • Entropie • Evolution • Fortschritt • Genpool • Ökologie • Selbsterneuerung • Zivilisation
ISBN-10 3-593-45232-4 / 3593452324
ISBN-13 978-3-593-45232-6 / 9783593452326
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