Das Corona-Chaos. Ein Apotheker packt aus. -  Simon Krivec

Das Corona-Chaos. Ein Apotheker packt aus. (eBook)

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
100 Seiten
S.Hirzel Verlag
978-3-7776-3281-0 (ISBN)
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Für den Apotheker Simon Krivec ist eines klar: 'Die Pandemie hat das Beste und das Schlechteste in den Menschen zutage gefördert.' Seine oft unglaublichen Erfahrungen in dieser Zeit erzählt er nun und berichtet von der wirren Logistik und dem sich überschlagenden Geschehen hinter den Kulissen. Es ist ein Auf und Ab im täglichen Irrsinn der Pandemie zwischen der Hilflosigkeit des Staates, fehlenden Masken und Desinfektionsmitteln und dem Gefühl, als Apotheker auf sich alleine gestellt zu sein. Krivec versucht alles, um Desinfektionsmittel zu einem fairen Preis selbst herzustellen. Doch die Beschaffung von Ethanol in großen Mengen ist wahrlich nicht einfach, genausowenig wie der Transport des hoch entzündlichen Stoffes. Auch was ihn mit 71 400 Euro in Bar spätnachts an den Neusser Hafen lockte, erfahren wir in dem Buch. Er erzählt von Regelungswirrwarr, Impfzentrums-Chaos, aber auch von berührenden Erfahrungen mit überwältigender Hilfsbereitschaft.

Simon Krivec, Jahrgang 1987, studierte Pharmazie, ist promovierter Apotheker und führt seit 2013 einen großen Apothekenverbund in Moers. Auch im Pandemiegeschehen wird Krivecs Expertise geschätzt. Schließlich ist er einer von wenigen Apothekern mit Erfahrung in der Herstellung von sterilen Arzneimitteln und betreibt zudem eigenen Laboratorien für diesen Bereich. Er ist von Beginn an Ansprechpartner beim Aufbau des Impfzentrums und übernimmt auch über Monate die Versorgung des Zentrums im Kreis Wesel sowie der Stadt Moers.

Prolog


Es ist der 31. Dezember 2019, Silvester. Ich bin im Winterurlaub und genieße zum Jahresende ein paar entspannte Tage mit der Familie im schweizerischen Kurort Arosa. Bei klirrender Kälte habe ich seit dem frühen Morgen mit meinen Geschwistern die Pisten des Skigebietes Arosa-Lenzerheide unsicher gemacht. Begleitet von einem wolkenlosen blauen Himmel.

Nun sitzen wir nahe der Skipiste auf der Terrasse einer Berghütte und genießen wie zahlreiche weitere Einheimische und Urlaubsgäste die letzten Sonnenstrahlen des Jahres. Die Stimmung ist gelöst, es ist Ferienzeit. Das merkt man überall. Beim Gang durch das kleine Dorf, im Bus zur nächsten Gondelstation, an den Skiliften und nicht zuletzt bei der Einkehr in die zahlreichen Berghütten.

Genau in diese Idylle, umgeben von dem unbeschreiblichen Bergpanorama der Schweizer Alpen, platzt eine Nachricht, die in diesem Moment niemand einordnen kann, die aber das Potenzial besitzen wird, unser Leben für immer zu verändern. Es muss gegen 14.30 Uhr gewesen sein, als ich auf meinem Mobiltelefon eine erste Nachrichtenmeldung bei »Spiegel online« lese, in der über eine neue »mysteriöse Lungenkrankheit«, die in der chinesischen Millionenstadt Wuhan in der Provinz Hubei ausgebrochen ist, berichtet wird. Heute finde ich es erstaunlich, dass ich zunächst der Stadt des Ausbruches mehr Bedeutung zukommen lasse als dem restlichen Nachrichtengehalt. Aber irgendwoher kommt mir der Name der Stadt bekannt vor. Ich habe schon einige chinesische Großstädte besucht, in Wuhan bin ich aber noch nicht gewesen. Eine kurze Internetrecherche lässt mich wieder erinnern. Unsere Bundeskanzlerin, Angela Merkel, war noch vor wenigen Monaten mit einer Wirtschaftsdelegation dort. Das Bild, auf dem die Bundeskanzlerin bei strahlendem Sonnenschein lächelnd auf einer Brücke über dem Jangtsekiang, dem drittlängsten Fluss der Welt, steht, ist einer der ersten Google-Treffer.

27 Menschen, so lautet der Bericht, hätten sich dort nun mit einer unbekannten Lungenkrankheit infiziert. Die Ursache: völlig unbekannt. Aufgrund des vermeintlichen Ortes der Ansteckung, dem Huanan-Markt für Fische und Meeresfrüchte, werden jedoch schon in dieser ersten Meldung Parallelen zum Ausbruch der SARS-Pandemie im Winter 2002 in der chinesischen Provinz Guangdong gezogen. Damals erkrankten zunächst Bauern und Köche, die sich auf die Zubereitung von Wildtieren spezialisiert hatten, an einer atypischen Lungenkrankheit. Diese Krankheit, später Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom (SARS) genannt, wurde durch ein unbekanntes Coronavirus hervorgerufen. In den folgenden Monaten infizierten sich weltweit rund 8000 Menschen mit dem nun als SARS-CoV-1 bezeichneten Erreger. 774 von ihnen starben.

Während der SARS-Pandemie bin ich noch zur Schule gegangen. Ich war 15 Jahre alt. Meine Geschwister, die in diesem Moment mit mir in der Sonne sitzen und Pläne für den Silvesterabend schmieden, sind damals noch jünger. Für uns alle ist das Jahr 2002 eine ferne Erinnerung aus Kindertagen. Die deutsche Fußballnationalmannschaft wurde 2002 mit einem überragenden Torhüter Oliver Kahn Vize-Weltmeister beim Turnier in Japan und Südkorea. Das ist das Erste, was uns dazu einfällt. Erst viel später denken wir an die Hochwasserkatastrophe in jenem Sommer, der Jahrhundertflut an Elbe, Havel und Donau. Der deutsche Bundeskanzler ist Gerhard Schröder.

Ebenso weit weg wie das Jahr 2002 ist für uns auch der Pandemiebegriff. Wir sind fünf Geschwister. Vier Jungen, ein Mädchen. Während unsere kleine Schwester als Grundschullehrerin arbeitet, sind ihre großen Brüder mittlerweile alle im Gesundheitswesen tätig. Zwei sind Apotheker, die beiden anderen Ärzte. Der Pandemiebegriff ist uns allen geläufig. Und trotzdem bleibt er abstrakt. Ich verbinde damit im ersten Moment auch nicht das Coronavirus SARS-CoV-1, sondern habe die Spanische Grippe vor Augen, die vor gut 100 Jahren in der Welt grassierte. 500 Millionen Infizierte und 20 bis 50 Millionen Tote sprechen eine deutliche Sprache. Sie ist für mich der Inbegriff einer Pandemie.

Daher schenken wir der kurzen Meldung zwar Beachtung, sie hinterlässt bei uns aber keine Sorgenfalten auf der Stirn. Viren verändern sich schließlich unablässig. Das weiß ich nicht erst seit den Pharmakologie- und Krankheitslehrevorlesungen aus dem Studium. Dass darunter auch immer wieder eine Mutation sein kann, die für den Menschen gefährlich werden kann und ihn erkranken lässt, ist dabei einfach eine logische Konsequenz der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Statistisch kommt es etwa alle zehn Jahre zu einem mehr oder weniger größeren Ausbruchsgeschehen. Kein Grund zur Sorge also. Außerdem steht der Silvesterabend vor der Tür. Wir wollen das Jahr positiv gestimmt beschließen.

Dennoch verfolge ich in den nächsten Tagen aufmerksam die Berichterstattung, sowohl in den Leitmedien, aber auch in der medizinischen und pharmazeutischen Fachpresse. Was die Journalisten von Beginn an vermutet haben, bestätigt sind nur wenig später. Es handelt sich tatsächlich um einen neuartigen Stamm des Coronavirus, in der Wissenschaft in Anlehnung an 2002 kurz SARS-Cov-2 getauft. Es ist die Ursache für die unbekannte Lungenerkrankung Covid-19.

Es ist Christian Drosten, Leiter der Virologie an der weltberühmten Berliner Charité und den meisten Lesern im Verlauf des Jahres 2020 als Berater der Bundesregierung in der Corona-Pandemie bekannt, der noch am 14. Januar 2020 berichtet, dass aufgrund der vorliegenden Informationen derzeit nur eine Übertragung von Tier zu Mensch gesichert sei. Er gibt leichte Entwarnung. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch sei nach bisherigem Wissensstand noch nicht beobachtet worden. Dies sei zudem ein deutlicher Hinweis darauf, dass das neue Virus nicht so ansteckend sei wie sein Vorgänger SARS-Cov-1. Für mich bleibt Covid-19 damit nur eine Krankheit unter vielen anderen. Nur temporär und sehr selten in begrenzten Clustern auftretend.

Den offiziellen Verlautbarungen zum Trotz fängt die Volksrepublik China in diesen Tagen an, die im Ausland verfügbaren Bestände an Schutzausrüstung aufzukaufen. Doch nicht nur der chinesische Staatsapparat ist aktiv, sondern auch viele chinesische Privatunternehmen nutzen ihre Kontakte in alle Welt, um in der Heimat ihren Beitrag zur Eindämmung des Ausbruchsgeschehens zu leisten.

Und so kommt es, dass mich um den Tag des chinesischen Neujahrsfestes Eduard anruft. Eduard ist ein unternehmerischer Tausendsassa, der weltweit unternehmerisch aktiv ist und mich fragt, ob ich einen seiner chinesischen Geschäftspartner unterstützen könne. Sie bitten um dringende Hilfe bei der Beschaffung von Schutzausrüstung. Der Milliardenkonzern ist nicht nur einer der größten chinesischen Textilfabrikanten, sondern auch führend in der weltweiten Herstellung von Leichtmetallen. Zunächst glaube ich an einen Scherz. Wie kann ich als kleiner Apotheker aus Deutschland einem global operierenden Industriekonzern helfen? Doch Eduard klärt auf.

Die Inhaberfamilie möchte den lokalen Gesundheitseinrichtungen in Wuhan im Rahmen einer Charity-Aktion kostenfrei Schutzmaterialien zur Verfügung stellen. Der Einfachheit halber haben sie direkt eine Liste mit Artikeln geschickt, die benötigt werden. Darunter sind FFP2- und FFP3-Masken, medizinische Mundschutzmasken, Schutzkittel, Handschuhe, Schutzbrillen, Kopfhauben, Alkohol und Desinfektionsmittel … Die Liste ist verdammt lang. Der chinesische Markt sei praktisch leer gefegt, wissen sie zu berichten. Jetzt würde man weltweit danach fahnden.

Ich bin sehr verwundert. Verfolge ich doch täglich die Nachrichten rund um das neue Coronavirus. Bis zum heutigen Tag scheinen wir es doch nur mit einem lokalen Ausbruchsgeschehen in Wuhan zu tun zu haben. Ist es da notwendig, für ein lokal begrenztes Krankheitsgeschehen solche Anstrengungen zu unternehmen? Das passt einfach nicht zusammen. Und überhaupt: Die bei uns verfügbaren und von uns genutzten Schutzmaterialien werden doch hauptsächlich genau in dem Land produziert, welches jetzt danach sucht. Produktionsstandorte in Europa gibt es kaum noch.

Was zum Teufel ist da los? Das frage mich an diesem Tag nicht nur einmal. Am chinesischen Neujahrstag werden doch nur knapp 400 mit dem Virus infizierte Patienten gemeldet. Warum in aller Welt werden bei dieser überschaubaren Anzahl an Erkrankten solche Mengen an Schutzmaterialien eingesetzt, dass selbst unsere Bestände in Europa benötigt werden? Und ist die Stadt Wuhan nicht von der Zentralregierung in Peking komplett unter Quarantäne gestellt worden?

Wegen der offensichtlichen Widersprüche hätte ich das erste Mal hellhörig werden können. Wurde ich aber nicht. 400 Infizierte in einem Land wie der Volksrepublik China mit weit mehr als einer Milliarde Einwohner, noch dazu mehrere Tausend Kilometer entfernt, sind schließlich keine Pandemie. Und hat nicht auch die Weltgesundheitsorganisation WHO gestern erst noch mitgeteilt, dass sie keine Veranlassung sieht, von einer internationalen Notlage auszugehen?

Aber dennoch versuche ich, der chinesischen Familie zu helfen, soweit ich kann. Und so glühen an diesem Freitagvormittag, kurz vor dem Wochenende, die Telefondrähte in meiner Einkaufsabteilung und dem Sterillabor. Meine Verwaltungschefin Hannah Zwicker, die Laborleiterin Sandra Greiss und ich selbst telefonieren alle uns bekannten Kontakte in der Pharmabranche, bei unseren Zulieferern und Großhändlern ab. Durchweg sind sie alle überrascht über unsere Anfrage. Schließlich haben wir noch nie solch große Mengen bestellt, geschweige denn mit der gleichzeitig geäußerten Dringlichkeit eingefordert. Zwar müssen wir uns einige kritische Nachfragen gefallen lassen, aber am Ende haben wir Erfolg. Das Endergebnis unserer Telefonate kann sich wenige Stunden später sehen lassen: Wir...

Erscheint lt. Verlag 21.4.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte abstruse Anekdoten • Antigen-Schnelltest • Apotheker • Behörden-Wahnsinn • Betrieb der Impfzentren • Corona • Corona-Geschichten • Corona-Maßnahmen • Corona-Pandemie • Covid-19 • FFP2-Masken • Geschichten eines Apothekers • Herstellung Desinfektonsmittel • Impfkampagne • Impfstoffaufbereitung • impfzentren • Krisenmanagement • Management Corona-Krise • Realsatire • Sachbuch • Simon Krivec • skurrile Geschichten • Wuhan
ISBN-10 3-7776-3281-3 / 3777632813
ISBN-13 978-3-7776-3281-0 / 9783777632810
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