Geld oder Leben (eBook)

Wie unser irrationales Verhältnis zum Geld die Gesellschaft spaltet
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2022 | 1. Auflage
320 Seiten
Berlin Verlag
978-3-8270-8045-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geld oder Leben -  Marcel Fratzscher
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Warum wir über Geld reden müssen Kaum ein Thema wird hierzulande so emotional diskutiert wie die Frage um Geld und Schulden. Die Deutschen sind Sparweltmeister, viele haben Angst vor Inflation und Verschuldung. In einer fundierten Analyse deckt Marcel Fratzscher auf, warum wir uns oft täuschen, wenn es ums Geld geht. Er räumt auf mit lang tradierten Mythen, die unseren Umgang mit Geld, häufig unbewusst, prägen. Höchste Zeit, denn unser irrationales Verhältnis zum Geld spaltet die Gesellschaft - wirtschaftlich und sozial. Und es führt zu einer rasant wachsenden Ungleichheit.  Bessere Vorsorge Der renommierte Ökonom zeigt anschaulich, was die Gesellschaft, was aber auch jeder und jede Einzelne tun kann, um gegenzusteuern und bessere Vorsorge für sich und andere zu treffen. Ein engagiertes Plädoyer wider blinden Sparzwang und für ein gerechteres, friedlicheres Leben aller. Mehr finanzielle Bildung »Wir brauchen dringend einen rationaleren Diskurs über Geld und dessen Bedeutung für jeden Einzelnen und für uns als Gesellschaft, und wir brauchen mehr finanzielle Bildung«, sagt Marcel Fratzscher. Unser verqueres Verhältnis zu Geld und Schulden verursacht einen immensen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden, der sich in der Zukunft weiter potenzieren wird. Vermögen sind hierzulande so ungleich verteilt wie in kaum einer anderen westlichen Gesellschaft, viele Menschen können nicht vorsorgen. Gleichzeitig ist noch nie so viel gespart worden wie während der Pandemie - nur eben sehr ungleich. Auswege aus der Chancenungerechtigkeit Welche Wege aus diesem Ungleichgewicht führen, das über kurz oder lang politischen Sprengstoff entwickelt, zeigt der Wirtschaftsexperte in diesem erhellenden Buch.

Marcel Fratzscher ist Wissenschaftler, Autor und Kolumnist zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Themen. Er ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) - eines der führenden und unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstitute und think tanks in Europa - und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Mitglied des High-level Advisory Board der Vereinten Nationen zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs), Mitglied im Deutsch-Französischen Rat der Wirtschaftsexperten der Regierungen von Deutschland und Frankreich, Mitherausgeber des Journal of International Economics, Mitglied des Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums und Mitglied des Kuratoriums der Hertie School of Governance. Er engagiert sich für Chancengleichheit von benachteiligten Kindern als Mitglied von Gremien der Kreuzberger Kinderstiftung, von Deutschland Rundet Auf und der Welthungerhilfe. Seine inhaltliche Arbeit fokussiert sich auf Themen der Makroökonomie, Ungleichheit und Integration Europas. Er hat seit 2014 drei Bücher in deutscher und englischer Sprache zu diesen Themen veröffentlicht, hat eine zwei-wöchentliche Kolumne auf Zeit Online zu Verteilungsfragen und veröffentlicht regelmäßig Kommentare in deutsch- und englischsprachigen Medien, wie der Financial Times, Wall Street Journal und Project Syndicate. Er ist einer der am besten publizierten deutschsprachigen Ökonomen und hat Auszeichnungen für seine wissenschaftlichen und publizistische Arbeiten erhalten. Er ist Deutscher und Europäer.

Marcel Fratzscher ist Wissenschaftler, Autor und Kolumnist zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Themen. Er ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) - eines der führenden und unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstitute und think tanks in Europa - und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Mitglied des High-level Advisory Board der Vereinten Nationen zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs), Mitglied im Deutsch-Französischen Rat der Wirtschaftsexperten der Regierungen von Deutschland und Frankreich, Mitherausgeber des Journal of International Economics, Mitglied des Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums und Mitglied des Kuratoriums der Hertie School of Governance. Er engagiert sich für Chancengleichheit von benachteiligten Kindern als Mitglied von Gremien der Kreuzberger Kinderstiftung, von Deutschland Rundet Auf und der Welthungerhilfe. Seine inhaltliche Arbeit fokussiert sich auf Themen der Makroökonomie, Ungleichheit und Integration Europas. Er hat seit 2014 drei Bücher in deutscher und englischer Sprache zu diesen Themen veröffentlicht, hat eine zwei-wöchentliche Kolumne auf Zeit Online zu Verteilungsfragen und veröffentlicht regelmäßig Kommentare in deutsch- und englischsprachigen Medien, wie der Financial Times, Wall Street Journal und Project Syndicate. Er ist einer der am besten publizierten deutschsprachigen Ökonomen und hat Auszeichnungen für seine wissenschaftlichen und publizistische Arbeiten erhalten. Er ist Deutscher und Europäer.

Einleitung


Als die Menschen in Deutschland 2021 in einer repräsentativen Umfrage gefragt wurden, was sie sich für die Zukunft vornehmen, antworteten sie, dass sie vor allem mehr sparen wollen. Mehr zu sparen – so das Ergebnis der Umfrage –, ist mehr Menschen wichtig, als umweltbewusster zu leben, mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen oder regelmäßig zur gesundheitlichen Vorsorge zu gehen. Dabei haben wir fast nie zuvor so viel gespart wie während der Corona-Pandemie.

Es gibt hierzulande kaum ein emotionaleres Thema als Geld und Schulden. Wir unterscheiden uns dabei stark von anderen Nationen. Wir sparen nicht nur mehr, sondern anders, nehmen häufiger Gefahren für unser Geld wahr und lehnen Schulden so vehement ab wie kaum jemand anders auf der Welt. Die Vorstellung, Schulden seien schlecht und moralisch verwerflich und Sparen etwas Gutes, ist zu einer Grundüberzeugung und Teil unserer Identität geworden. Staat und Gesellschaft fördern das Sparen und schützen Vermögen und wollen den Bürgerinnen und Bürgern eine maximale Sicherheit und Schutz ihres Ersparten ermöglichen.

Mit viel Sexismus wird gern von den Tugenden der schwäbischen Hausfrau gesprochen, die niemals mehr ausgibt, als sie einnimmt, die Geld auf die hohe Kante legt und jeden Cent zweimal umdreht. Dieses Idealbild steht für einen Menschen, der durch harte Arbeit und Entbehrungen langsam und stetig Erspartes ansammelt und Vermögen aufbaut. Erst wenn dies gelungen ist, wird er oder sie das Geld für ein Eigenheim, für den Konsum oder in die Zukunft investieren.

Das Verhältnis von uns Deutschen zum Geld ist geprägt von Angst, Scham und Schuld. Wir haben große Angst vor einer Inflation und fürchten eine Enteignung durch die Geldentwertung. Für viele sind Geld und Moral eng miteinander verbunden, und ein tugendhaftes Leben gilt als eines, das von Bescheidenheit geprägt ist. Vermögen wird nicht nach außen getragen, aber nach dem Tod möglichst reichlich an die eigenen Kinder und Enkel weitergegeben.

Wir empfinden es als schamlos, wenn wir unser Geld und den damit verbundenen Erfolg zur Schau stellen. Und Schulden werden nicht selten mit Scheitern verbunden, in der Schuld anderer zu stehen und über die eigenen Verhältnisse zu leben.

Ganz anders ist es in vielen anderen Ländern, vor allem der angelsächsischen Welt. Hier wird ein tugendhaftes Leben mit einem offenen, selbstbewussten Umgang mit wirtschaftlichem Erfolg assoziiert. Und der schließt die Rückgabe eines großen Teils des Wohlstands an die Gesellschaft ein.

Der Schutz des Ersparten durch den Staat wird hierzulande als Teil eines impliziten Gesellschaftsvertrags verstanden. Viele halten es für ihr Grundrecht und die Pflicht des Staates, dass Sparen honoriert und belohnt wird. Die Tatsache, dass Sparerinnen und Sparer keine Zinsen mehr auf ihrem Sparbuch erhalten, wird von vielen als implizite Enteignung und Missbrauch wahrgenommen.

Die Empörung über die Nullzinsen, die für die meisten Spareinlagen gelten, ist daher groß. Und gleichzeitig ist die Angst vor einer steigenden Inflation enorm. Populisten in Politik und Medien haben leichtes Spiel, dem Euro, der Europäischen Zentralbank und Europa die Schuld dafür zu geben. Wir Deutschen werden um ein fundamentales Existenzrecht betrogen, so die weitverbreitete Auffassung.

Die zentrale These des Buches lautet: Unser Verhältnis zu Geld und Schulden ist geprägt von Widersprüchen und spaltet unsere Gesellschaft. Es führt dazu, dass Vermögen so ungleich verteilt sind wie in kaum einer anderen westlichen Gesellschaft und zunehmend weiter auseinanderklaffen. Viele Menschen haben so viel Angst um ihr Erspartes, dass sie falsche Sparentscheidungen treffen und einen Teil ihres Vermögens verlieren.

Hinzu kommt, dass den Bürgern noch immer das Versprechen vermittelt wird, der Sozialstaat würde ausreichend Vorsorge für alle betreiben. Für viele kommt das böse Erwachen erst spät, wenn sie realisieren, dass sie finanziell vom Sozialstaat abhängig sind und ihre finanzielle Autonomie verloren haben.

Woher kommt diese Moralvorstellung? Warum sind wir Deutschen so eigen und so anders in Bezug auf Geld und Schulden?

Eine der Ursachen liegt in der deutschen Geschichte begründet. Sie ist geprägt von zwei großen Geldentwertungen im 20. Jahrhundert sowie einer Phase der Deflation, die eine wichtige Rolle beim Aufstieg der Nazis gespielt hat. Genauso relevant sind die Folgen des Zweiten Weltkriegs und des Wiederaufbaus, um unser Verhältnis zum Geld zu verstehen. Auch Religion und die Werte des Protestantismus wie auch die politische Fragmentierung des Landes im 18. und 19. Jahrhundert spielen eine Rolle. Vor allem aber gab und gibt es immer wieder eine starke Politisierung des Sparens, wobei private Ersparnisse für politische Ziele mobilisiert und instrumentalisiert wurden und werden.

Das deutsche Weltbild in Bezug auf Geld und Sparen ist von Widersprüchen geprägt. Sparen auf dem Sparkonto ist zum Beispiel nur dann möglich, wenn jemand anders gewillt ist, das Ersparte als Kredit aufzunehmen. Sparen und Schulden sind also zwei Seiten derselben Medaille; dass alle sparen, ist logischerweise entsprechend nicht möglich.

Sparen ist also nicht immer richtig und moralisch gut, und Schulden sind nicht per se schlecht und verwerflich. Häufig trifft sogar das Gegenteil zu. Es kommt auf die richtige Balance zwischen Sparern und Schuldnern an, beide benötigen einander. Heute zu sparen, bedeutet einen Verzicht und weniger Wohlstand in der Gegenwart. Menschen sind nur dann gewillt, eine solche Entbehrung einzugehen, wenn sie sicher sein können, dieses Ersparte wachsen zu sehen und in der Zukunft nutzen zu können.

Daher spielt die Art der Verschuldung der anderen für die Sparerinnen und Sparer eine wichtige Rolle. Denn wenn Privatpersonen, Unternehmen oder der Staat dieses Ersparte umsichtig in die Zukunft investieren, entsteht nicht nur eine gute Rendite für die Sparer, sondern auch gesellschaftlicher Wohlstand mit neuen Arbeitsplätzen, produktiven Jobs und Schutz von Klima und Umwelt.

Eine weitere Inkonsistenz ist der weitverbreitete Glaube, Geld solle nicht mit Risiko verbunden sein. Das erklärt zu einem großen Maße, warum wir Deutschen zwar außergewöhnlich viel, aber auch außergewöhnlich schlecht sparen. Viele halten das Sparen in Aktien für ein Spiel in der Lotterie. Sie haben Angst vor Schulden und erwerben deshalb kein Eigenheim oder können es sich schlichtweg nicht leisten.

In kaum einem anderen Land der Welt liegt ein so großer Anteil des Ersparten eines erheblichen Teils der Bevölkerung in Form von Spareinlagen auf Bankkonten, die seit Jahren keine Zinsen mehr abwerfen. Während Eigentümer von Immobilien oder Aktien in den vergangenen zehn Jahren jährliche Renditen von über zehn Prozent erzielen und viel zusätzliches Vermögen aufbauen konnten, ist das Ersparte auf den Sparkonten nicht gewachsen, sondern real nach Inflation sogar geschrumpft.

Hinzu kommt die Illusion, dass Menschen durch harte Arbeit ihres eigenen Glückes Schmied sind und selbst Vermögen aufbauen könnten. Das trifft auf immer weniger Menschen in Deutschland zu, denn kaum ein Land hat einen so großen Niedriglohnsektor und so viele Haushalte, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Mieten und Lebenshaltungskosten sind in vielen Städten noch stärker angestiegen als die Löhne. Zahlreiche Menschen benötigen ihr komplettes monatliches Einkommen für das tägliche Leben.

Wenn Sie heute Menschen mit größeren Vermögen begegnen, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie das Vermögen geerbt, als dass sie es mit eigenen Händen erarbeitet haben. Denn mehr als die Hälfte aller privaten Vermögen heute – dazu gehören finanzielle Ersparnisse, Aktien, Immobilien oder Unternehmensanteile – sind durch Erbschaften oder Schenkungen erzielt worden.

Nur ein kleiner Teil der Bürgerinnen und Bürger erbt dabei ein erhebliches Vermögen, sodass Erbschaften und Schenkungen die Ungleichheit vergrößern. Denn in Deutschland ist die soziale Mobilität gering. Und auch Einkommen und Bildung der Kinder hängen deutlich stärker von den Eltern ab als in anderen vergleichbaren Ländern.

Kaum ein Land der Welt besteuert Arbeit stärker und Vermögen geringer. Im Vergleich zu anderen Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder den USA erzielt Deutschland kaum ein Drittel an...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Geld / Bank / Börse
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Aktien • Aktienfonds • Aktienmarkt • Anlage • DAX • Deflation • DIW • Erspartes • ETF • Eurobonds • Finanzen • Finanzkrise • Geld • Geldentwertung • Geldmarkt • Geldneurose • Hartz IV • Hyper-Inflation • Inflation • Kapital • Kapitalflucht • Kapitalmarkt • Kleinanleger • kryptowährungen • Minus-Zinsen • Schulden • Sparbuch • Sparen • Sparer • Sparweltmeister • Staatsanleihen • Vermögen • Vorsorge • Wirtschaft • Wirtschaftspolitik • Zinsen
ISBN-10 3-8270-8045-2 / 3827080452
ISBN-13 978-3-8270-8045-5 / 9783827080455
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