Die pinke Linie (eBook)

Weltweite Kämpfe um sexuelle Selbstbestimmung und Geschlechtsidentität

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1., Deutsche Erstausgabe
620 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-76772-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die pinke Linie - Mark Gevisser
Systemvoraussetzungen
23,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Für wie viele Geschlechter sollte es Toiletten geben? Manche sehen in dieser Frage nur einen Karnevalskalauer, andere nutzen sie zur Inszenierung eines Kulturkampfes. Viele Menschen erinnert sie jedoch schlicht an tagtäglich erfahrene Demütigungen. Über Themen der Geschlechteridentität und der sexuellen Selbstbestimmung wurde in jüngster Zeit weltweit erbittert gestritten. Und während in einigen Ländern erhebliche Liberalisierungsfortschritte zu verzeichnen sind, schüren in anderen mächtige politische Akteure gezielt Stimmung gegen Lesben, Schwule und Transpersonen.
Mark Gevisser zeichnet diese neue Konfliktlinie - die pinke Linie, wie er sie nennt - rund um den Globus nach. Er schildert, wie queere Paare und Familien für rechtliche Gleichstellung kämpfen und zu welchen Strategien Aktivist:innen greifen, um tradierte Geschlechtervorstellungen in ihren lokalen Kontexten zu überwinden. Er spricht mit von Diskriminierung Betroffenen in Kenia, Ägypten und den USA: Welche Probleme stellen sich ihnen im Alltag? Welche Pronomen verwenden sie für sich und warum? Welche Ziele verfolgen Dritte, die sich ihrer Sache annehmen? Einfühlsam, klug und in bestechender Prosa kombiniert Gevisser Reportage und Analyse und liefert ein ebenso faktenreiches wie bewegendes Standardwerk zu einem der prägenden Themen unserer Gegenwart.

<p>Mark Gevisser, geboren 1964 in Johannesburg, ist Journalist, Sach- und Drehbuchautor. Er schreibt regelmäßig für internationale Zeitungen und Zeitschriften wie <em>The Guardian</em> oder<em> The New York Times</em>. Für seine Biographie des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki erhielt er 2008 den Alan Paton Award.</p>

Vorbemerkung des Autors


Zur Terminologie


Mir gefällt das Wort »queer« wegen seiner Doppeldeutigkeit. Es wird nicht nur von Menschen auf der ganzen Welt neu verwendet, um sich selbst zu bezeichnen, sondern bedeutet auch »anders« oder »schräg« oder »verdreht«. Wer etwa aus einer »queeren Perspektive« schaut, betrachtet die Welt von der Seite, um sie neu zu sehen. Aber offen gesagt ist das Wort auch bequem: Es ist ein Sammelbegriff, in dem (nun ja, nahezu) alle »Ls«, »Gs«, »Bs«, »Ts« und auch die anderen aus dem sich erweiternden Alphabet enthalten sein können. Gerade deshalb jedoch hat das Wort, insbesondere in den Vereinigten Staaten, manchmal seine »queere« Bedeutung verloren. Wenn alle queer sind, ist es niemand mehr. Ich hoffe, dass ich hier die richtige Balance finde.

Außerdem ist »queer« in manchen Teilen der Welt wie etwa in Großbritannien, in afroamerikanischen Communitys und in meinem Heimatland Südafrika bis heute ein problematischer Begriff, denn es wird dort immer noch allzu oft als Beleidigung benutzt. Außerdem lehnen es auch einige Transmenschen ab, die wie Liam, den Sie auf diesen Seiten kennenlernen werden, sehr klar sagen, dass sie hetero sind.

Ich habe mir alle Mühe gegeben, die Sprache zu verwenden, mit der sich die Menschen, über die ich schreibe, am wohlsten fühlen. Ich bezeichne Liam als straighten Transmann, weil er sich selbst so bezeichnet. Sean, dem bei der Geburt ebenfalls das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde, ist »genderqueer« und zieht Mehrzahlpronomina vor, also verwende ich die Mehrzahlpronomina – trotz der grammatikalischen Schwierigkeit. Ich habe versucht, mich an dieses Prinzip zu halten, obwohl es im Text zu unvermeidlichen Ungereimtheiten führt. Einige Menschen sprechen von »LGBT-Rechten« und der »LGBT-Community«, andere bevorzugen »LGBTI« und wieder andere »LGBTQ«, »LGBTIQ«, »LGBTQ+« usw. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts war »LGBT« der anerkannte Begriff, also verwende ich im Zweifelsfall ihn. Aber wenn Tiwonge sich als eine LGBTI bezeichnet, nenne ich sie ebenso. Wenn Pascha sich transgender nennt, nenne ich sie auch so, und wenn Charlotte sich als Transsexuelle bezeichnet, dito.

In diesem Sinne: »Cisgender« ist ein Begriff, der von der Transcommunity selbst entwickelt wurde, um Menschen wie mich zu bezeichnen: Menschen, deren Geschlechtsidentität und deren Geschlechtsausdruck mit dem Körper kongruent sind, der ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Ich teile die Skepsis des britischen Philosophen Kwame Anthony Appiah, was die Notwendigkeit betrifft, jeden Satz mit »Als weißer, schwuler, südafrikanischer Cisgender-Mann mittleren Alters aus der Mittelschicht ‌…« zu beginnen oder mit dem, was die Attribute meiner Identität auch sonst immer sein mögen. Im Jahr 2018 schrieb Appiah dazu in einem Kommentar in der New York Times: »Da die Mitglieder einer gegebenen Gruppe mit einer bestimmten Identität Erfahrungen gemacht haben, die noch auf einer Vielzahl anderer sozialer Faktoren beruhen, sind sie nicht gleich.«1 Ich spreche für mich selbst und nicht für irgendeine Gruppe. Aber ich spreche von einer bestimmten Position aus, und allen neuen Debatten über »kulturelle Aneignung« zum Trotz möchte ich, dass meine Leser:innen wissen, wo ich herkomme, wenn ich sie darum bitte, mich auf dieser Reise zu begleiten.

Ich hoffe, dass einige von Ihnen sich bei der Lektüre dieses Buches selbst erkennen und sich mit den Menschen identifizieren können, über die ich schreibe. Und ich hoffe, dass es für Sie alle den Reiz des Neuen hat, wie es auch bei mir der Fall war. Allein schon in den vorangegangenen Absätzen gibt es Wörter oder Wendungen, die vielleicht nicht allen vertraut sind: »cisgender«, »bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht«. Muss es »Geschlechtsumwandlungsoperation«, »Geschlechtsneuzuweisungsoperation«, »Geschlechtsbejahungsoperation«, »Geschlechtsbestätigungsoperation« oder »Geschlechtsangleichung« heißen? Man bewegt sich noch auf wackligem Grund, wenn sich der Wortschatz einer lange missverstandenen Gruppe von Menschen außerhalb der pathologisierenden Sprache der Medizin gerade erst als allgemeiner Sprachgebrauch durchsetzt. Es gibt Meinungsverschiedenheiten: Manche verwenden den Begriff »transsexuell«, um Menschen zu bezeichnen, die sich einer Operation unterzogen haben; andere lehnen den Begriff wegen seiner abwertenden und sexualisierten Geschichte ab. Auch in diesem Zusammenhang habe ich versucht, einem Kurs zu folgen, der sich sowohl an den Begriffen, mit denen sich die Menschen selbst beschreiben, als auch an den aktuell bestehenden Konventionen orientiert.

Ein wichtiger Grundsatz der aktuellen Bewegung für die Rechte von Transmenschen, insbesondere im Westen, besteht darin, zwischen »sexueller Orientierung« und »Geschlechtsidentität« zu unterscheiden. Einige clevere Slogans aus der Transgender-Bewegung haben mir in diesem Punkt das Verständnis erleichtert. Ich hoffe, Ihnen geht es genauso:

 

»My gender is between my ears, my sex is between my legs.«

»My gender identity is who I go to bed as, my sexual orientation is who I go to bed with.«

»Sex is what I do with my clothes off, gender expression is what I do with my clothes.«

(»Meine Geschlechtsidentität ist in meinem Kopf, mein biologisches Geschlecht ist zwischen meinen Beinen.«

»Meine Geschlechtsidentität ist, was ich bin, meine sexuelle Orientierung kommt darin zum Ausdruck, mit wem ich ins Bett gehe.«

»Um Sex zu haben, ziehe ich mich aus, um mein Geschlecht auszudrücken, ziehe ich mich an.«)

 

Sie funktionieren gut in einem US-amerikanischen Kontext, erfassen aber nicht einmal ansatzweise den komplexen Wirbel sexueller Orientierungen und von Geschlechtsidentitäten an anderen Orten. Wenn dieses Buch ein übergreifendes Anliegen hat, dann das, zu zeigen, dass es nicht nur eine Art gibt, in der Welt zu sein.

Zum Thema Übersetzung


Dieses Buch erzählt die Geschichten vieler Menschen, die gar kein Englisch sprechen, einige sprechen es gut als Zweitsprache, und für einige ist es die Muttersprache. In Malawi und Südafrika, Ägypten, Russland, Indien und Mexiko arbeitete ich mit Chichewa-, Arabisch-, Russisch-, Tamilisch- und Spanisch-Dolmetscher:innen, die mich darüber hinaus bei meinen Recherchen unterstützten. Das Bild von den Menschen, deren Geschichten ich erzähle, ist also durch diese außergewöhnliche Gruppe von Vermittler:innen gebrochen, die bei mir doppelte Arbeit leisten mussten: Sie mussten immer zuhören, während ich ein wenig abschalten konnte, wenn ich eine Frage gestellt hatte und auf die Übersetzung wartete, und sie trafen außerdem Verabredungen, recherchierten und erklärten kulturelle Besonderheiten. Sie alle waren unschätzbar wertvoll, aber ihr Englisch war unterschiedlich gut, und sie hatten ihre sprachlichen Eigenarten, je nachdem, wie und wo sie die Sprache gelernt hatten. Da ich mit den hier porträtierten Personen mehr als sechs Jahre in Kontakt blieb, war ich einige Male gezwungen, jeweils verschiedene Dolmetscher:innen einzusetzen, so dass die von mir interviewte Person in den Transkripten der einzelnen Besuche jeweils eine andere Stimme bekam.

Wenn sich Sheetal aus dem südindischen Bundesstaat Tamil Nadu ordinärer auszudrücken scheint als ihr Schützling Lakshaya, liegt das womöglich nicht nur an ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten, sondern daran, dass Sheetal es vorzog, (eine Art) Englisch mit mir zu sprechen, wohingegen Lakshaya kein Englisch konnte und ihr Bild durch das eher standardmäßige Englisch meiner Dolmetscherin Lavanya geprägt ist. Selbst wenn keine Dolmetscher:innen eingesetzt wurden, traten solche Diskrepanzen auf. Ist der Israeli Nadav sprachgewandter als sein palästinensischer Freund Fadi? Ich bezweifle es, aber Nadav lebte als Kind in Australien, und Fadi lernte ...

Erscheint lt. Verlag 18.4.2021
Übersetzer Helmut Dierlamm, Heike Schlatterer
Sprache deutsch
Original-Titel The Pink Line
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Benjamin Melzer • Bestseller • Bestseller bücher • Bestsellerliste • buch bestseller • Caitlyn Jenner • Carolin Emcke • Donald Trump • Gender • Homophobie • Jair Bolsonaro • Jayrôme C. Robinet • Judith Butler • LGBT • Linus Giese • pride • Queer • Sachbuch-Bestenliste • Sachbuch-Bestseller-Liste • The Pink Line deutsch • Transgender • Wladimir Putin
ISBN-10 3-518-76772-0 / 3518767720
ISBN-13 978-3-518-76772-6 / 9783518767726
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,9 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Warum sich im Rettungsdienst zeigt, was in unserer Gesellschaft …

von Luis Teichmann

eBook Download (2024)
Goldmann Verlag
14,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99