Zu viel und nie genug (eBook)

Spiegel-Bestseller
Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf (deutsche Ausgabe von Too Much and Never Enough)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
288 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-27444-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zu viel und nie genug - Mary L. Trump
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Mary L. Trump, Nichte des US-Präsidenten und promovierte klinische Psychologin, enthüllt die dunkle Seite der Familie Trump.
Einen Großteil ihrer Kindheit verbrachte Mary im Hause ihrer Großeltern in New York, wo auch Donald und seine vier Geschwister aufwuchsen. Sie schildert, wie Donald Trump in einer Atmosphäre heranwuchs, die ihn für sein Leben zeichnete und ihn letztlich zu einer Bedrohung für das Wohlergehen und die Sicherheit der ganzen Welt machte. Als einziges Familienmitglied ist Mary Trump dazu bereit, aus eigener Anschauung die Wahrheit über eine der mächtigsten Familien der Welt zu erzählen.

Ihre Insiderperspektive in Verbindung mit ihrer fachlichen Ausbildung ermöglicht einen absolut einmaligen Einblick in die Psyche des unberechenbarsten Mannes, der je an der Spitze einer Weltmacht stand.

Mary L. Trump promovierte am Derner Institute of Advanced Psychological Studies in New York und lehrte in den Fachbereichen Traumatherapie, Psychopathologie und Entwicklungspsychologie. Sie lebt zusammen mit ihrer Tochter in New York.

Pieke Biermann, geboren 1950 in Stolzenau, lebt als freie Schriftstellerin und Übersetzerin in Berlin. Bekannt wurde sie durch ihre Romane um die Kriminalkommissarin Karin Lietze, von denen zuletzt Vier, fünf sechs erschien. Die in Herta & Doris versammelten Prosastücke sind in den vergangenen Jahren bereits in verschiedenen Anthologien, Zeitungen und Zeitschriften erschienen, liegen jetzt aber erstmals in völlig überarbeiteter und erstmals ungekürzter Fassung vor.

Das wahre Gesicht von Donald Trump — intime Details aus der Familiengeschichte des US-Präsidenten: Selbstgerecht, unberechenbar, manipulativ — wie Donald Trump wurde, wie er ist. Mary L. Trump, Nichte des US-Präsidenten und promovierte klinische Psychologin, leuchtet die dunklen Seiten der Familiengeschichte aus. Das erste Trump-Porträt aus dem Innersten einer ebenso mächtigen wie gestörten Familie — eine scharfsinnige Analyse des Manns im Weißen Haus und des gesamten Trump-Clans.

»Mary Trumps Buch zu lesen, das fühlt sich so ein bisschen an wie Malen nach Zahlen: [...] die Farbe fehlte, und die Autorin füllt sie aus.«
(Handelsblatt, 17.07.2020)

»Anstößig, bissig und gut recherchiert – und zugleich doch eine fesselnde Erzählung.«
The Guardian

»Nach vielen, vielen Trump-Büchern ist dieses tatsächlich unentbehrlich.«
Vanity Fair

KAPITEL EINS

The House

»Daddy, Mom blutet!«

Sie wohnten jetzt fast ein Jahr in der Villa, die einfach nur »The House« hieß, aber noch immer fühlte es sich fremd an, erst recht nachts. Maryanne war zwölf und nicht die Stabilste, als sie ihre Mutter in einem der Badezimmer im Obergeschoss fand – nicht im Hauptbadezimmer, sondern im Bad ganz hinten im Flur, das sie sich mit ihrer Schwester teilte. Die Mutter lag bewusstlos am Boden, überall war Blut. Normalerweise hätte Maryanne nicht gewagt, ihren Vater zu stören, aber jetzt war sie so entsetzt, dass sie von einem Ende des Hauses zum anderen in sein Schlafzimmer rannte und ihn weckte.

Fred stand auf, lief los und fand seine Frau. Sie war nicht ansprechbar. Er lief zurück, mit Maryanne im Schlepptau, um zu telefonieren. Sein Schlafzimmer hatte einen Nebenapparat.

Fred war inzwischen ein mächtiger Mann, er hatte einen direkten Draht zum Jamaica Hospital und wurde sofort mit jemandem verbunden, der einen Notarztwagen schicken und dafür sorgen konnte, dass die besten Ärzte bereit standen, wenn Mary in der Notaufnahme eintraf. Fred beschrieb am Telefon, so gut er konnte, ihren Zustand. »Menstruation«, schnappte Maryanne auf, ein fremdes, aus dem Mund ihres Vaters merkwürdig klingendes Wort.

Mary wurde sofort notoperiert. Die Ärzte hatten schwere Komplikationen festgestellt, die nach der Geburt von Robert eingetreten und neun Monate lang nicht diagnostiziert worden waren, und entfernten ihr die Gebärmutter. Der Eingriff führte erst zu einer Unterleibsinfektion, dann zu weiteren Komplikationen.

Eines Tages saß Fred am Tischchen in der Bibliothek, von dem aus er zu telefonieren pflegte, sprach kurz mit einem von Marys Ärzten und rief dann Maryanne zu sich.

»Sie sagen, deine Mutter wird die Nacht nicht überleben.«

Bevor er zu seiner Frau ins Krankenhaus fuhr, trug er seiner Tochter auf: »Geh morgen zur Schule. Ich sage dir Bescheid, wenn sich etwas ändert.«

Maryanne wusste genau, was er meinte: Ich sage dir Bescheid, wenn deine Mutter stirbt.

Den Rest der Nacht lag sie weinend in ihrem Zimmer, während ihre jüngeren Geschwister weiterschliefen, sie hatten von all dem Horror nichts mitbekommen. Morgens ging sie zur Schule, mit bangen Gefühlen. Dann holte Dr. James Dixon sie aus der Freistunde. Er war Rektor der privaten Kew-Forest School, auf die sie ging seit ihr Vater dem Vorstand beigetreten war. »Ein Anruf für dich, in meinem Büro.«

Maryanne war sicher, dass ihre Mutter tot war. Der Weg zum Rektoratszimmer kam ihr vor wie ein Gang zum Schafott. Sie war zwölf, aber ihr ging nur eins durch den Kopf: Ab sofort war sie wohl die Ersatzmutter für vier Kinder.

Sie nahm den Hörer, ihr Vater sagte schlicht: »Sie kommt durch.«

In der folgenden Woche wurde Mary noch zweimal operiert, aber sie kam tatsächlich durch. Dass Fred mit seinem Draht zur Klinik für erstklassige Ärzte und Pflege sorgen konnte, hatte seiner Frau vermutlich das Leben gerettet. Aber es war noch ein langer Weg bis zur Genesung.

In den sechs Monaten danach musste Mary immer wieder ins Krankenhaus. Die Langzeitfolgen waren heftig. Man hatte ihr mitsamt der Gebärmutter auch die Eierstöcke entfernt, ein seinerzeit übliches, aber oft unnötiges Verfahren. Der dadurch verursachte Östrogenabfall führte bald zu einer massiven Osteoporose. Marys Knochen wurden immer brüchiger, brachen auch spontan, und sie litt oft grauenhafte Schmerzen.

Wenn wir Glück haben, haben wir als Säuglinge und Kleinkinder mindestens einen Elternteil, der emotional erreichbar ist, verlässlich besorgt um alles, was wir brauchen, und auf unser Aufmerksamkeitsbedürfnis eingeht. Ein fester Halt, Geborgenheit und die Erfahrung, dass jemand unsere Gefühle anerkennt und unsere Enttäuschungen lindert, ist fundamental für eine gesunde frühkindliche Entwicklung. Aufmerksamkeit zu bekommen verschafft uns das Gefühl, beschützt und in Sicherheit zu sein. Nur so können wir die Welt um uns herum ohne übermäßige Angst oder unkontrollierbare Panik erkunden. Wir müssen wissen, dass wir uns grundsätzlich auf die Unterstützung durch mindestens eine Betreuungsperson verlassen können.

Ebenso wesentlich für die frühkindliche Entwicklung ist die Spiegelung. So heißt der Prozess, bei dem ein zugewandter Elternteil die Gefühle des Babys reflektiert, verarbeitet und ihm zurückspiegelt. Ohne Spiegelung bleiben dem Kind entscheidende Erkenntnisse verwehrt, darüber, wie sein Hirn funktioniert, und darüber, wie die Welt zu verstehen ist. So wie die sichere Bindung an eine Ur-Bezugsperson zu höherer emotionaler Intelligenz führen kann, ist die Spiegelung das Fundament der Empathie.

Mary und Fred waren von Anfang an Problemeltern. Meine Großmutter hat selten mit mir über ihre eigenen Eltern gesprochen, ich kann also nur spekulieren. Ich weiß aber, dass sie das letzte von zehn Kindern war – einundzwanzig Jahre jünger als das älteste und vier Jahre jünger als das zweitjüngste – und in den 1910ern in oft nicht sehr menschenfreundlichen Umgebungen aufwuchs. Ob ihre eigenen Bedürfnisse als Kind nicht genügend berücksichtigt wurden oder ob es andere Gründe hatte: Mary war die Art Mutter, die nicht ihre Kinder tröstet, sondern sich an ihnen tröstet. Sie kümmerte sich um sie, wenn es ihr passte, nicht wenn sie das brauchten. Sie war oft unausgeglichen und bedürftig, hatte einen Hang zu Selbstmitleid und, flüchtete sich in Märtyrertum und war sich selbst die Nächste. Vor allem ihre Söhne behandelte sie, als wäre sie partout nicht zuständig.

Im Leben der Kinder erzeugte Marys Abwesenheit während der Operationen und danach ein Vakuum im wörtlichen wie im emotionalen Sinn. Das war schon schwer genug für Maryanne, Freddy und Elizabeth, aber sie waren in einem Alter, in dem sie das Geschehen begreifen und einigermaßen für sich selbst sorgen konnten. Richtig schlimm traf es den zweieinhalbjährigen Donald und den neun Monate alten Robert, die beiden waren am verletzlichsten und hatten niemanden, der das Vakuum füllte. Die im Haus wohnende Haushälterin war mit Sicherheit überfordert von der schieren Arbeitsmenge. Die Großmutter väterlicherseits lebte zwar nicht weit weg und kochte ihnen Essen, aber sie war ebenso barsch und unfähig zu körperlicher Zuneigung wie ihr Sohn. Die Betreuung der Kleinen hatte weitgehend Maryanne zu übernehmen, wenn sie nicht gerade in der Schule war. (Von Freddy erwartete niemand Mithilfe, er war ja ein Junge.) Maryanne badete die Kleinen und machte sie bettfein, aber was konnte ein zwölfjähriges Mädchen sonst groß tun? Im Grunde waren alle fünf Kinder ohne Mutter.

So übermäßig emotional bedürftig Mary war, so ohne jedes Bedürfnis wirkte Fred. Und in der Tat, Fred war ein hochfunktionaler Soziopath. Antisoziale Persönlichkeitsstörungen kommen gar nicht so selten vor, über drei Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, und fünfundsiebzig Prozent der Diagnostizierten sind Männer. Symptome für Soziopathie sind unter anderem der Mangel an Empathie, ein Talent zum Lügen, Soziopathen haben keinen Sinn für Richtig und Falsch und für die Rechte anderer Leute. Ein Soziopath in der Elternrolle ist ein Garant für schwere Störungen im kindlichen Selbstverständnis, der Emotionssteuerung und der Beziehungen zur Welt, schon gar wenn niemand da ist, der die Auswirkungen abfedern kann. Freds emotionale Hornhaut, seine Indifferenz und sein Kontrollverhalten führte zu Eheproblemen, mit denen meine Großmutter kaum zurechtkommen konnte. Sein Mangel an echtem menschlichen Gefühl, seine Rigidität als Vater und Ehemann und seine sexistische Einstellung, Frauen seien von Natur aus minderwertig, haben wahrscheinlich zu ihrem andauernden Unsicherheitsgefühl geführt.

Da Mary wegen ihrer schlechten Gesundheit regelmäßig emotional wie physisch abwesend war, rückte Fred automatisch in die Elternposition, als Betreuungsperson allerdings darf man ihn sich nicht vorstellen. Er war der Ansicht, Umgang mit Kindern zähle nicht zu seinen Pflichten, und hielt stur an seiner Routine fest – Zwölfstundentage, Sechstagewochen bei Trump Management –, als würden seine Kinder schon selbst für sich sorgen. Er konzentrierte sich auf die Dinge, die ihm wichtig waren: seine florierende Immobilienfirma und die beiden bis dato bedeutendsten Projekte seines Lebens, Shore Haven und Beach Haven, zwei riesige Wohnkomplexe in Brooklyn.

Wieder hatten Donald und Robert die schlechtesten Karten. Fred interessierte sich einfach nicht für sie. Aber kindliches Verhalten ist immer Bindungsverhalten, kleine Kinder heischen nach positiven, beruhigenden Reaktionen ihrer Bezugsperson – mit einem Lächeln, das ein Lächeln auszulösen soll, mit Tränen, damit man in den Arm genommen wird. Derlei hätte Fred schon unter normalen Umständen für eine Belästigung gehalten. Donald und Robert aber waren vermutlich besonders bedürftig, sie standen durch die Abwesenheit der Mutter unter besonderem Stress. Doch je heftiger ihr Bedürfnis, desto heftiger Freds Zurückweisung. Er mochte nicht, dass jemand etwas von ihm forderte, für ihn waren die Nöte seiner Kinder eine Zumutung, und das führte zu gefährlichen Spannungen im Trump’schen Haushalt: Die kleinen Jungen agierten wie biologisch vorgesehen, um lindernde, beruhigende elterliche Reaktionen zu provozieren, aber was sie, just wenn sie am verletzlichsten waren, stattdessen provozierten, waren väterliche Wut oder Indifferenz. Für Donald und Robert wurde »etwas brauchen« gleichbedeutend mit Demütigung, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Fred wollte zu Hause nicht gestört werden, ihm kam es zupass, dass seine Kinder...

Erscheint lt. Verlag 12.8.2020
Übersetzer Christiane Bernhardt, Pieke Biermann, Gisela Fichtl, Monika Köpfer, Eva Schestag
Sprache deutsch
Original-Titel Too Much And Never Enough
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Biografien von Präsidenten und Staatsoberhäuptern • Donald Trump • Geschichte der USA (Bücher) • Insider • Insiderbericht • John Bolton • Narzisst • Trump-Nichte • US-Präsident • Wahl
ISBN-10 3-641-27444-3 / 3641274443
ISBN-13 978-3-641-27444-3 / 9783641274443
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