Der Federndieb (eBook)

Ein passionierter Fliegenfischer kommt dem größten Museumsraub der Naturgeschichte auf die Spur | Das Kultbuch | »Ein fesselnder Kriminalfall« Peter Wohlleben
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
384 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-43933-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Federndieb -  Kirk Wallace Johnson
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'Ein aufwühlender Bericht über die katastrophalen Folgen menschlicher Gier für bedrohte Vogelarten, ein starkes Argument für den Umweltschutz - und vor allem: ein fesselnder Kriminalfall.' Peter Wohlleben Der Fall lässt ihn nicht mehr los. Als der für sein Erzähltalent gefeierte Autor Kirk Wallace Johnson erstmals davon hört, steht er bis zur Hüfte in einem Fluss, die Leine mit der schillernden Fliege ausgeworfen, und frönt seinem Angler-Hobby. Er flüchtet sich häufig in die Natur als Ausgleich für seine Tätigkeit: Der Autor und Publizist leitet eine Stiftung für Opfer des Irak-Kriegs, und nur das Fliegenfischen verhindert einen Burn-Out. Über die Herkunft der Köderfliegen zum Lachsfischen hat er sich nie Gedanken gemacht. Bis zu dem Tag, als er erstmals von dieser wahnwitzigen Tat hört: Ein junger Mann bricht in die ornithologische Abteilung des Britischen Naturkundemuseums ein und stiehlt unzählige Vogelbälger, darunter Darwins Finken und Federkleider von Paradiesvögeln, einst gesammelt vom Naturforscher Alfred Russel Wallace. Kirk Wallace Johnson macht es sich von da an zur Lebensaufgabe, dem Fall nachzugehen. Der passionierte Angler nimmt die Spur der Federn auf. Seine leidenschaftliche Detektiv-Suche führt ihn zu Hobbykünstlern, die Fliegen zum Lachsfischen nach historischen Vorlagen binden - aus den kostbarsten Federn der Welt. Packend erzählt Kirk Wallace Johnson von seiner abenteuerlichen Recherche, der Begegnung mit dem Täter - und wie er die Hintermänner überzeugt, die Federn wieder zurückzugeben. Und die Abbildungen im Bildteil zeugen von der beeindruckenden Schönheit der Köderfliegen, viel mehr aber noch davon, wie atemberaubend das Vogelkleid der zum Teil ausgestorbenen Spezies wirklich ist. Ein Buch für die Leser von 'H wie Habicht', 'Das Buch vom Meer' oder 'Der Hase mit den Bernsteinaugen', aber auch für Leser, die das Abenteuer suchen wie in: 'Die Stadt Z - Expedition ohne Wiederkehr'. Kirk Wallace Johnsons Buch ist fesselnde Abenteuer-Geschichte mit dem Sog eines True-Crime-Falles, ein Ausloten menschlicher Abgründe, eine Liebeserklärung an die Schönheit der Natur, aber auch ein Ausflug in die Naturgeschichte auf der Spur der Entdeckungsreisenden Darwin und Wallace: Packend wie ein Krimi, abenteuerlich wie ein Roman und doch basierend auf einer wahren Begebenheit. 'Ein Pageturner, der Leser von Popular Science, Geschichtsbüchern und True Crime gleichermaßen anspricht.' Publishers Weekly

Kirk Wallace Johnson liebt Fliegenfischen. Beruflich aber schreibt der engagierte Publizist für den New Yorker, die New York Times oder Washington Post. Mit seiner Stiftung »List Project« setzt er sich für Menschen im Irak ein - oder er steht mit der Angel hüfttief in einem Fluss und geht der Frage nach, wer die Köderfliege gebunden hat.

Kirk Wallace Johnson liebt Fliegenfischen. Beruflich aber schreibt der engagierte Publizist für den New Yorker, die New York Times oder Washington Post. Mit seiner Stiftung »List Project« setzt er sich für Menschen im Irak ein – oder er steht mit der Angel hüfttief in einem Fluss und geht der Frage nach, wer die Köderfliege gebunden hat.

1
Leben und Leiden des Alfred Russel Wallace


Alfred Russel Wallace stand auf dem Achterdeck eines brennenden Schiffs, sechshundert Seemeilen vor der Küste Bermudas.[4] Die Planken unter seinen Füßen heizten sich auf, und durch die Ritzen drang schon gelber Rauch. Schweiß und Gischt klebten ihm auf der Haut, und unter Deck hörte man den Balsam und Kautschuk kochen. Nicht mehr lange, und die Flammen würden durchbrechen, das spürte er. Die Besatzung der Helen lief hektisch umher und lud Habseligkeiten und Vorräte in die beiden kleinen Rettungsboote, die an der Schiffsflanke herabgelassen wurden.

Diese Boote hatten allerdings so lange auf dem Deck in der Sonne gestanden, dass ihr Holz ausgedörrt war; sobald sie den Ozean berührten, drang Wasser ein. Der Koch eilte los, um Korken zum Stopfen zu holen, und andere Seeleute suchten panisch nach Riemen und Steuerrudern. Kapitän John Turner packte eilig seinen Chronometer und seine Seekarten zusammen, während seine Männer Fässer mit gepökeltem Schweinefleisch, Brot und Trinkwasser in die Boote hinabließen. Sie hatten nicht die leiseste Ahnung, wie lange sie auf dem Meer treiben würden, bis Rettung nahte – falls es überhaupt dazu kam. Der Atlantik erstreckte sich ringsum Hunderte Seemeilen weit.

Vier Jahre lang hatten ihn die ewigen Wolkenbrüche des Amazonas-Regenwaldes bis auf die Knochen durchnässt, während Malaria, Ruhr und Gelbfieber seine Lebenskräfte auslaugten, und dann erwies sich nicht Wasser als das Element, das Wallace’ Mission ins Verderben stürzte, sondern Feuer. Es muss ihm wie ein schrecklicher Albtraum erschienen sein: Die kleine Menagerie aus Affen und Papageien, die er so gewissenhaft vor der feuchten Kälte behütet hatte, huschte und flatterte, aus ihren Käfigen befreit, vor den Flammen davon und zum Bugspriet hin, der wie eine spitze Nase aus der 235 Tonnen fassenden Helen hervorragte.

Wallace stand da und blinzelte durch seine Drahtgestellbrille zu den in Panik versetzten Vögeln hinüber, während ihm das Chaos immer mehr auf den Leib rückte. Er war vollkommen erschöpft, von Vampirfledermäusen ausgesaugt und dank der Sandflöhe, die sich unter seinen Zehennägeln eingegraben hatten, um dort ihre Eier abzulegen, von Entzündungen gepeinigt, sodass er nicht mehr klar denken konnte. Alle seine Notizbücher aus den Jahren, in denen er die Tierwelt an den Ufern des pechschwarzen Rio Negro erforscht hatte, befanden sich in seiner Kajüte.

Während die Flammen zu den Papageien hinzüngelten, leckten sie unter Deck an Kisten, in denen die wahre Ausbeute seiner Amazonas-Expedition enthalten war: Die Bälge von fast zehntausend Vögeln, jeder einzelne sorgfältig konserviert.[5] Außerdem lagerten darin Alligatorschildkröten, aufgespießte Schmetterlinge, Glasgefäße voller Ameisen und Käfer, Skelette von Ameisenbären und Seekühen, ganze Bündel von Zeichnungen zur Metamorphose fremdartiger, unbekannter Insekten und ein Herbarium brasilianischer Flora, das auch den über fünfzehn Meter langen Wedel einer Jupaté-Palme enthielt.

Die Notizbücher, Bälge und weiteren Exemplare stellten eine so umfangreiche Forschungsarbeit dar, dass sich damit der Grundstein zu einer großen Karriere legen ließ. Wallace hatte England als unbekannter Landvermesser mit nur wenigen Jahren Schulbildung verlassen und stand nun, mit neunundzwanzig Jahren und Hunderten unbekannten Arten, die es zu benennen galt, vor einer triumphalen Rückkehr als veritabler Naturforscher. Wurde der Brand jedoch nicht gelöscht, so kehrte er als ein Niemand heim.

 

Wallace kam 1823 als achtes von neun Kindern seiner Eltern in dem walisischen Dorf Llanbadoc zur Welt, am Westufer des Usk, der in den Black Mountains entspringt und schließlich in den Ästuar des Severn mündet. An den Ufern des Severn, 140 Kilometer weiter nördlich, war dreizehn Jahre zuvor Charles Darwin geboren worden, doch es sollten noch Jahrzehnte vergehen, bis sich die Lebenswege der beiden Männer infolge einer erstaunlichen Koninzidenz der Wissenschaftsgeschichte kreuzten.

Mit dreizehn Jahren wurde Wallace, nachdem törichte Fehlinvestitionen seines Vaters ihm den Zugang zu höherer Bildung verbaut hatten, von der Schule genommen und zu seinem ältesten Bruder in eine Lehre als Landvermesser geschickt. An deren Diensten bestand großer Bedarf, da das Aufkommen der Dampflokomotive einen Eisenbahnboom ausgelöst hatte, infolge dessen auf den Britischen Inseln in kurzer Zeit Tausende Kilometer Gleise verlegt wurden.[6] Während andere Jungen seines Alters Vergil übersetzten und Algebra büffelten, verwandelte die Vermessungstätigkeit das ganze Land in ein Klassenzimmer für den jungen Wallace, der viele Täler und Wälder zu Fuß durchquerte und die Grundlagen der Trigonometrie erlernte, indem er Bahnstrecken zu entwerfen half. Als dann die Erdarbeiten begannen, erhielt er ersten Unterricht in Geologie, wenn ausgestorbene Arten, wie etwa die vor 66 Millionen Jahren versteinerten Belemniten, aus der Urgeschichte der Erde zum Vorschein kamen.[7] Der frühreife Junge verschlang Einführungen in die Mechanik und Optik und erspähte mit einem Teleskop, das er aus einer Pappröhre, einem Opernglas und einer bei einem Optiker gekauften Linse gebastelt hatte, die Monde des Jupiter.

Wallace’ informelle Ausbildung fiel in eine Zeit, die nach einem Jahrhundert der Industrialisierung und Urbanisierung von einer Bewegung zurück zur Natur bestimmt war. Die in den rußigen, verdreckten Städten zusammengepferchten Menschen begannen, sich nach der rustikalen Idylle ihrer Vorfahren zu sehnen, doch Fahrten auf zerfurchten Wegen an die Küste oder in entferntere Regionen der Britischen Inseln waren wenig komfortabel und geradezu verboten teuer. Erst die Eisenbahn ermöglichte der überarbeiteten Stadtbevölkerung Großbritanniens solch kleine Fluchten.[8] Gemäß dem Sprichwort »Müßiggang ist aller Laster Anfang« förderten die Viktorianer das naturgeschichtliche Sammeln als ideale Freizeitbeschäftigung, und die Kioske an den Bahnhöfen boten eine reiche Auswahl an allgemein verständlichen Zeitschriften und Büchern über den Aufbau einer Privatsammlung.[9]

Moose und Meeresalgen wurden gepresst und getrocknet, Korallen, Muscheln und Seeanemonen an Land geholt und in Flaschen gefüllt. Hüte wurden mit speziellen Fächern versehen, in denen sich die auf Spaziergängen gesammelten Exemplare verwahren ließen.[10] Die Mikroskope wurden leistungsfähiger und erschwinglicher, was die Sammelwut noch verschärfte: Was dem unbewaffneten Auge bis dahin alltäglich und unscheinbar vorgekommen war – ein Blatt oder Käfer aus dem eigenen Garten –, offenbarte unter der Linse eine vielgestaltige Schönheit. Neue Sammelleidenschaften verbreiteten sich wie Lauffeuer. Bahnbrechend dabei waren die Franzosen mit ihrer Konchiliomanie, im Zuge derer Muschelschalen obszöne Preise erzielten.[11] Es folgte die Pteridomanie, als die Briten wie besessen in allen Winkeln ihrer Inseln Farne für ihre Farnalben ausrupften.[12] Etwas Seltenes zu besitzen, verlieh einen gewissen Status, und die mit Kuriositäten der Natur beladenen Vitrinen in den Salons wurden »von jedem Mitglied der vornehmen Gesellschaftsschichten, das als kultiviert gelten wollte, als unentbehrliche Einrichtungsgegenstände angesehen«, so der Historiker D. E. Allen.[13]

Als der junge Wallace zufällig mit anhörte, wie eine Gouvernante in Hertford Freunden gegenüber mit dem Fund einer seltenen Pflanze namens Monotropa prahlte, weckte das seine Neugier.[14] Ihm war nicht bewusst gewesen, dass die systematische Botanik eine Wissenschaft war und »dass es in der unendlichen Vielfalt von Pflanzen und Tieren […] irgendeine Ordnung gab«.[15] Bald bemerkte er an sich ein unersättliches Verlangen nach Klassifizierung: Er wollte die Namen von allem erfahren, was auf dem Gebiet seiner Vermessungskarten lebte. Er schnitt überall Blüten ab und trocknete sie in dem Zimmer, das er mit seinem Bruder teilte. Er legte sich ein Herbarium an und ging dann zur Entomologie über, drehte Steine um, um zu sehen, was sich darunter regte, und hielt Käfer in kleinen Glasgefäßen gefangen.

Nachdem er mit Anfang zwanzig Charles Darwins Die Fahrt der Beagle gelesen hatte, begann Wallace, von einer eigenen Expedition zu träumen. Er hatte inzwischen alles, was ihm in England an Flora und Fauna untergekommen war, katalogisiert, und war von einem großen Verlangen erfüllt, neue Spezies zu untersuchen. Als die Eisenbahnblase platzte und kaum noch Bedarf an Landvermessern war, hielt er Ausschau nach einer unerforschten Region der Erde, die ihm helfen könnte, die größten wissenschaftlichen Rätsel der damaligen Zeit zu lösen: Wie entstanden neue Arten? Und warum waren andere Arten, wie jene, die er bei den Vermessungsarbeiten entdeckt hatte, ausgestorben? War die Vorstellung wirklich so vermessen, dass er in Darwins Fußstapfen treten und ebenfalls gen Südamerika in See stechen könnte?

Im Jahre 1846 korrespondierte er mit Henry Bates, einem jungen Entomologen, mit dem er sich angefreundet hatte, über die Möglichkeit einer solchen Reise. Nach einem Besuch der Insektenausstellung des British Museum schrieb er Bates, er sei von der geringen Anzahl der Käfer und Schmetterlinge, die er dort hatte betrachten dürfen, enttäuscht. »Ich würde mir gern eine ganze Insektenfamilie vornehmen und sie gründlich studieren, vor allem hinsichtlich der Theorie der Entstehung der Arten....

Erscheint lt. Verlag 26.9.2018
Übersetzer Jochen Schwarzer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Technik
Schlagworte Abenteuer • Alfred Russel Wallace • Angeln • Angelreisen • Anglerbedarf • Bestimmbuch • Buch für Männer • Charles Darwin • Darwin • Das Fliegenbinderbuch • Das Glück am Haken • Der Hase mit den Bernsteinaugen • Echter Kriminalfall • Edmund de Waal • Entomologie • exzentrisch • Fliegenbinden • Fliegenfischen • Fliegenfischer • Fliegenwerfen • Geschichte • Geschichte light • Hechtstreamern • Hobbies von Männern • Insekten als Köder • Köder • Kriminalfall • Kriminalroman • Lachsfischen • Museumsdiebstahl • Naturgeschichte • Naturkunde • Naturkundemuseum • Oliver Edwards • Ornitologie • Outdoor • Popular science • Reportageliteratur • Schwennicke • True Crime • True-Crime • Umwelt & Natur • Vogel-Beobachtung • Vogelfreund • Vogelkunde • Wahre GEschichte • Wahre Geschichten • wahrer Krimi • Wahre Verbrechen • Wissenschaftsleser
ISBN-10 3-426-43933-6 / 3426439336
ISBN-13 978-3-426-43933-3 / 9783426439333
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