Soziologie des Wohlfahrtsstaates (eBook)

Eine Einführung
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2005 | 1. Auflage
262 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-40186-7 (ISBN)
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Sozialpolitik umfasst alle Regelungen, mit denen eine Gesellschaft versucht, die Lebensverhältnisse ihrer Mitglieder zu verbessern. Carsten G. Ullrich erläutert Sozialpolitik aus soziologischer Perspektive - es geht also nicht um die ökonomischen, sondern um die gesellschaftlichen Ursachen und Folgen des Wohlfahrtsstaates. Anhand zentraler Problemkreise wie Armut, Ungleichheit und soziale Sicherheit diskutiert er die wichtigsten gesellschaftlichen Wirkungen des Wohlfahrtsstaates und die Bedeutung der sozialen Sicherung für die 'Sozialbürger'. Dabei werden auch die Probleme, die mit der Ausgestaltung sozialer Sicherungssysteme verbunden sind, und die Zukunftschancen des Wohlfahrtsstaates erörtert.

Carsten G. Ullrich, Dr. rer. pol., ist Soziologe und wissenschaftlicher Assistent an der Universität Mannheim. Am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung leitet er ein Forschungsprojekt zur »Akzeptanz des Wohlfahrtsstaats «.

Carsten G. Ullrich, Dr. rer. pol., ist Soziologe und wissenschaftlicher Assistent an der Universität Mannheim. Am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung leitet er ein Forschungsprojekt zur »Akzeptanz des Wohlfahrtsstaats «.

Inhalt 6
1. Einleitung 10
2. Sozialpolitik und Wohlfahrtsstaat: Entwicklungen, Formen,Erklärungsansätze 16
2.1 Die Entstehung und Entwicklung von Wohlfahrtsstaaten 16
2.2 Erklärungsansätze der Entstehung und Entwicklung von Wohlfahrtsstaaten 29
2.3 Die Pluralität der Wohlfahrtsstaatlichkeit 41
2.3.1 Typen von Wohlfahrtsstaaten 41
2.3.2 Strukturmerkmale des deutschen Wohlfahrtsstaates 51
3. Soziale Sicherheit 64
3.1 Einleitung: Soziale Sicherheit und soziale Risiken 64
3.2 Die Genese eines kollektiven Sicherungsbedürfnisses und die Entwicklung der Sozialversicherungen im19. und 20. Jahrhundert 67
3.3 Interventionsbedarf und Interventionsformen: Sozialversicherungen 77
3.4 »Sicherheitsperformanz«: Wie viel Sicherheit erzeugt die soziale Sicherung? 84
3.5 Mehr als nur Schutz vor Risiken? Autonomie undDekommodifizierung 105
3.6 Sicherheit statt Freiheit? 113
4. Armut und Armutsbekämpfung 118
4.1 Die »Entdeckung« von Armut als soziales Problem und als ein Gegenstand sozialpolitischer Intervention 120
4.2 Zum Problem der Definition und Operationalisierung von Armut 124
4.3 Die Ursachen und Folgen von Armut 130
4.4 Armutspolitik und die Entwicklung der Armut in Deutschland 133
4.5 Resümee und Ausblick: Alternativen zur klassischen Armutspolitik 144
4.5.1 Soziale Ausgrenzung 144
4.5.2 Grundsicherungsmodelle 150
5. Gleichheit 158
5.1 Soziale Ungleichheit und Sozialpolitik 158
5.2 Zur Messung von Einkommensungleichheit 164
5.2.1 Ungleichheitsmaße 164
5.2.2 Messung des Effektes von Sozialpolitik 166
5.3 Wie erfolgreich ist die Sozialpolitik bei der Reduzierung von Einkommensungleichheit? 170
5.3.1 Entwicklung der Einkommensungleichheit in derBundesrepublik (Überblick) 170
5.3.2 Entwicklung der Einkommensungleichheit zwischengesellschaftlichen Gruppen 174
5.3.3 Unterschiede »vor« und »nach« dem Wohlfahrtsstaat 176
5.3.4 Unterschiede zwischen Wohlfahrtsstaaten 178
5.4 Kritik an der Messung von Ungleichheit und wohlfahrtsstaatlichen Umverteilungswirkungen 183
5.5 Resümee 189
6. Vom Problembewältiger zum Problemerzeuger? Die wirtschaftlichen und politischen Folgen der Wohlfahrtsstaatlichkeit 192
6.1 Können wir uns den Wohlfahrtsstaat noch leisten? 192
6.1.1 Wirkungen der sozialen Sicherung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit 193
6.1.2 Ineffizienz sozialer Sicherung 198
6.1.3 Zur Finanzierbarkeit des Wohlfahrtsstaates 201
6.2 Wollen die Bürger d(ies)en Wohlfahrtsstaat noch? 210
6.2.1 Vom Garanten politischer Stabilität zur Legitimitätskrise? 211
6.2.2 Akzeptanz des Wohlfahrtsstaates 218
7. Offene Probleme und zukünftige Herausforderungen des Wohlfahrtsstaates 228
Glossar 236
Literaturverzeichnis 244
Register 260

1. Einleitung »The welfare state is here to stay« - so lautet das schlichte Resümee einer Studie zur Akzeptanz des Wohlfahrtsstaates in den USA.1 Aber wer wollte - selbst jenseits des Atlantiks - ernsthaft daran zweifeln? Nach einer über hundertjährigen Geschichte staatlicher Sozialpolitik lässt sich das System der sozialen Sicherung aus unserem modernen Leben kaum noch fortdenken. Insofern ist der Wohlfahrtsstaat, so könnte man meinen, unverzichtbar (geworden). Andererseits ist das »wohlfahrtsstaatliche Projekt« wohl noch nie so sehr unter Druck geraten wie heute, auch wenn die oft scharfe Kritik an der Sozialpolitik schon von Beginn an zu ihren ständigen Begleitern gehörte. Nun werden jedoch Fragen nach der Wirksamkeit und Finanzierbarkeit wohlfahrtsstaatlicher Leistungen immer lauter - und immer häufiger werden sie verneint. Dennoch steht wohl kaum die Abschaffung des Wohlfahrtsstaates oder der Verzicht auf jegliche staatliche Sozialpolitik bevor. Die entscheidende Frage lautet nicht, ob es in modernen Gesellschaften einer Sozialpolitik bedarf, sondern wie diese »richtig« auszugestalten ist. Dieses »Wie« der Sozialpolitik bezieht sich jedoch nicht nur auf die Höhe der Sozialleistungen, sondern auch auf die Definition von Problemlagen als »sozialpolitisch« und vor allem auf die Form der sozialpolitischen Intervention. Dieser Einführungsband will ein besseres Verständnis der Gründe und Wirkungsweisen von Sozialpolitik ermöglichen. Hierzu vermittelt er einen Überblick über die allgemeinen Leistungen und die Leistungsfähigkeit von Wohlfahrtsstaaten sowie über die Probleme, die sich aus der wohlfahrtsstaatlichen Absicherung ergeben. Das Ziel dieses Bandes besteht dabei in der soziologischen Einführung in den Gegenstandsbereich der Sozialpolitik. Es werden daher Aspekte des Wohlfahrtsstaates bzw. der Sozialpolitik in den Mittelpunkt gestellt, die in einer soziologischen Perspektive als interessant, bedeutsam und erklärungsbedürftig erscheinen. Worin unterscheidet sich aber eine soziologische von anderen Betrachtungsweisen der Sozialpolitik? Soziologen sind vor allem an gesellschaftlichen oder sozialen Verhältnissen interessiert und daran, wie sich diese auf die Lebenssituation der Menschen auswirken. Eine negative Antwort könnte daher lauten, dass eine »Soziologie des Wohlfahrtsstaates« sich dadurch von anderen Fachperspektiven unterscheidet, dass sie weniger an wirtschaftlichen, rechtswissenschaftlichen, politischen usw. Aspekten des Wohlfahrtsstaates interessiert ist. Die positive Antwort lautet entsprechend, dass sich die »Soziologie des Wohlfahrtsstaates« vor allem mit zwei Aspekten befasst: Zum einen sind dies die sozialen Ursachen des Wohlfahrtsstaates wie die Auflösung traditionaler Sicherungsformen und die zunehmende Bedeutung von Erwerbsarbeit. Im weiteren Sinne sind hierzu auch allgemeinere soziale Voraussetzungen zu zählen wie spezifische kulturelle Muster und nationale Traditionen, Diffusionsprozesse und institutionelle Vorläufer. Sozialpolitik bzw. Wohlfahrtsstaaten sind hier »abhängige Variablen«. Der andere Aspekt, bei dem der Wohlfahrtsstaat die »unabhängige Variable« bildet, sind die sozialen Auswirkungen oder Folgen von Sozialpolitik. Bei den sozialpolitischen Auswirkungen können wiederum allgemeine Ziele (z. B. Sicherheit) und konkrete Zielsetzungen (z. B. Gesundheitsversorgung), intendierte und nicht-intendierte Folgen sowie konkrete Leistungen oder »outputs« und mittel- und langfristige Wirkungen unterschieden werden. Diese soziologische Einführung konzentriert sich also auf die sozialen Ursachen und Folgen von Sozialpolitik, ohne dabei andere, vor allem politische und wirtschaftliche, Aspekte völlig zu vernachlässigen. Besonderes Gewicht wird auf die allgemeinen sozialen Auswirkungen gelegt, die nur zu einem Teil auf die konkreten sozialpolitischen Leistungen zurückgeführt werden können und den jeweiligen Zielsetzungen nur zu oft nicht in der gewünschten Weise entsprechen. Dabei soll gleichermaßen verdeutlicht und diskutiert werden, welche Bedeutung wohlfahrtsstaatliche Leistungen für die Gesamtge- sellschaft haben und wie sie sich auf die Lebensverhältnisse einzelner Bevölkerungsgruppen auswirken. »Referenzobjekt« aller Ausführungen ist der deutsche Wohlfahrtsstaat und hier wiederum die oft als sozialpolitischer Kernbereich geltenden Sicherungsleistungen (Sozialversicherungen, Sozialhilfe und Leistungen für Familien). Das Ziel dieses Bandes besteht jedoch nicht in einer umfassenden Darstellung des deutschen Wohlfahrtsstaates mit allen seinen Institutionen und Leistungen, sondern in der allgemeinen Einführung in zentrale Bereiche der sozialwissenschaftlichen Wohlfahrtsstaatstheorie und -forschung. Die Konzentration auf die sozialen Ursachen und Wirkungen von Sozialpolitik impliziert notwendig, dass andere Aspekte nicht oder in einem eher geringen Umfang berücksichtigt werden können. So bietet diese Einführung keine ausführliche oder gar vollständige Darstellung wohlfahrtsstaatlicher Institutionen. Sie ist kein sozialpolitisches Kompendium für die Praxis. Vergleichsweise wenig Raum wird hier auch für historische Entwicklungen und nationale Besonderheiten sowie für die Diskussion aktueller Probleme und Reformoptionen eingeräumt. Das folgende Kapitel (2) befasst sich mit den Ursachen von Sozialpolitik bzw. Wohlfahrtsstaatlichkeit. Zunächst werden in einer groben Skizze die historischen Entstehungsbedingungen und die weitere Entwicklung der Wohlfahrtsstaaten (mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung) nachgezeichnet (2.1). In einem zweiten Abschnitt werden dann die insgesamt sehr zahlreichen Paradigmen und Theorien zur Entstehung und Entwicklung von Wohlfahrtsstaaten vorgestellt (2.2). Die hohe Variabilität wohlfahrtsstaatlicher Sicherungsformen wird anhand typologischer Unterscheidungen und an Ergebnissen der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung verdeutlicht (2.3). In diesem Zusammenhang werden auch einige Besonderheiten des deutschen Wohlfahrtsstaates herausgestellt. Die Kapitel 3 bis 5 stellen in mancher Hinsicht den Kern dieser Einführung in die Sozialpolitik dar. Sie befassen sich mit den wichtigsten sozialen Wirkungen wohlfahrtsstaatlicher Leistungen. Das dritte Kapitel untersucht die Bedeutung von Sozialpolitik für die Gewährleistung sozialer Sicherheit. Nach einer Klärung, was man unter sozialer Sicherheit versteht und wie sich Sicherungsbedürfnisse 12 SOZIOLOGIE DES WOHLFAHRTSSTAATES herausgebildet haben (3.1 und 3.2), werden die Argumente dargelegt, mit denen sozialpolitische Interventionen zur Erreichung sozialer Sicherheit begründet werden (3.3). Im Hauptteil dieses Kapitels (3.4) wird untersucht, wie mit sozialpolitischen Leistungen mehr soziale Sicherheit erreicht wird und wie sich Wohlfahrtsstaaten dabei in ihrer Wirkung unterscheiden. Abschließend wird der Frage nachgegangen, ob es einen Konflikt zwischen den Zielen Sicherheit und Freiheit gibt und wie sich die soziale Sicherung auf die individuelle Autonomie auswirkt (3.5 und 3.6). Das vierte Kapitel befasst sich mit der Armutsbekämpfung. Dabei wird zunächst dargelegt, wie Armut zu einem sozialen Problem und zu einem Gegenstand sozialpolitischer Intervention wurde (4.1). Nach einer kurzen Darstellung der Probleme, die sich bei der Definition und Messung von Armut ergeben (4.2), werden die Ursachen und Folgen von Armut untersucht (4.3). Von zentraler Bedeutung ist auch hier die Frage, wie erfolgreich die Sozialpolitik bei der Bekämpfung der Armut ist (4.4). Welche Alternativen zur herkömmlichen Armutsdefinition und Armutspolitik bestehen, wird in einem eigenen Abschnitt ausführlich diskutiert (4.5). Ob und wie der Wohlfahrtsstaat soziale Ungleichheit verringert, wird in Kapitel 5 untersucht. Zunächst wird gefragt, inwiefern die Verringerung sozialer Ungleichheit ein sozialpolitisches Ziel ist (5.1). In einem weiteren Abschnitt (5.2) werden einige Formen der Ungleichheitsmessung vorgestellt. Wie sich sozialpolitische Regelungen auf die soziale Ungleichheit auswirken, wird am Beispiel Deutschlands dargelegt. Dabei werden auch die Unterschiede untersucht, die bei der Verringerung sozialer Ungleichheit zwischen Wohlfahrtsstaaten bestehen (5.3). Im letzten Abschnitt werden kritische Argumente gegen die Art, wie Ungleichheit und wohlfahrtsstaatliche Umverteilungswirkungen gemessen werden, erläutert (5.4). Kapitel 6 befasst sich schließlich mit den politischen und wirtschaftlichen Wirkungen des Wohlfahrtsstaates. Zunächst werden mögliche Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft und Sozialpolitik diskutiert (6.1). Hierzu zählen vor allem die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die Sozialpolitik, Ineffizienzen der sozialen Sicherung und die Frage der Finanzierbarkeit der sozialen Sicherung. Hinsichtlich der politischen Wirkungen wird der Frage nachgegangen, ob der Wohlfahrtsstaat die ihm oft zugedachte Funktion eines Garanten politischer Stabilität (noch) erfüllt. Anhand von Ergebnissen der Akzeptanzforschung wird aufgezeigt, welche Formen von Wohlfahrtsstaatlichkeit mit politischer Unterstützung durch die Bevölkerung rechnen können (6.2). Im Schlussabschnitt (7.) werden schließlich einige der offenen Probleme und zukünftige Herausforderungen des Wohlfahrtsstaates resümiert.

Erscheint lt. Verlag 14.11.2005
Reihe/Serie Campus »Studium«
Campus »Studium«
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Allgemeines / Lexika
Schlagworte Altersvorsorge • Hartz IV • Rentenversicherung • Soziale Sicherheit • Sozialhilfe • Sozialpolitik • Sozialstaat • Soziologie • Wohlfahrtsstaat
ISBN-10 3-593-40186-X / 359340186X
ISBN-13 978-3-593-40186-7 / 9783593401867
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