Soziologie, eine multiparadigmatische Wissenschaft (eBook)
VI, 322 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-91017-8 (ISBN)
Dr. Johann August Schülein ist Professor für Soziologie an der Universität Wien.
Dr. Andreas Balog ist Professor für Soziologie an der Universität Wien.
Dr. Johann August Schülein ist Professor für Soziologie an der Universität Wien. Dr. Andreas Balog ist Professor für Soziologie an der Universität Wien.
Inhalt 5
Einleitung oder: Warum erkenntnistheoretische Diskurse notwendige, aber endlose Geschichten sind 7
SOZIALE REALITÄT 12
Soziale Realität und das Schicksal soziologischer Theorie 13
1. Die gegenstandslogische De- Ontologisierung der Diskussion 13
2. Zur Kritik der De-Ontologisierung 18
3. Realitätstypen 23
4. Theorietypen 29
5. Folgeprobleme 38
Literatur 43
Soziale Welt und Realismus in der soziologischen Theorie 45
1. Der Theoriebegriff in der Soziologie 45
2. Der Cultural Turn der Philosophie und seine Folgen für die Soziologie 49
3. Realismus und soziale Welt 53
Literatur 58
VIELFALT SOZIOLOGISCHER THEORIEN 60
Soziologie: theoretische Anarchie, Paradigmenvielfalt, Transdisziplinarität oder eine neue Form der Wissenschaft? 61
Literatur 75
Paradigmen in der Soziologie – Explikation, Unterscheidungen und Unterschiede 77
1. Einleitung 77
2. Paradigma aus wissenschaftstheoretischer Sicht 78
3. ‘Paradigma als wissenschaftliche Auffassung’ – eine Explikation 81
4. Die Paradigmen der akteurszentrierten Soziologie 89
5. Resümee 97
Literatur 98
Zur Struktur universalistischer Theorien 100
1. Leitprobleme und Leitdifferenzen als Konstituenten universalistischer Theorien 100
2. Exemplarische Analysen universalistischer Theorien 104
3. Resümee 139
Literatur 141
Gesellschaft: Handlungs- und systemtheoretische Perspektiven 144
1. Einleitung 144
2. Luhmanns Gesellschaftsbegriff 148
3. Kritiken und Alternativen 154
4. Vom Nachteil eines ‘starken’ und vom Nutzen eines ‘schwachen’ Gesellschaftsbegriffs 170
5. Schluss 173
Literatur 175
Aufklärung und Integration von Theorienvielfalt durch methodische Theorienvergleiche – Die Esser- Luhmann- Kontroverse als Beispiel 181
1. Methodischer Theorienvergleich 181
2. Theorieintegrative Perspektiven: Merton und Esser 189
3. Essers sozialtheoretische Grundlagen 193
4. Luhmanns sozialtheoretische Grundlagen 198
5. Wie die Konzepte von Esser und Luhmann aufeinander zu beziehen sind 204
Literatur 216
ANWENDUNGEN 219
Die Logik mechanismischer Erklärungen und die Einheit der Sozialwissenschaft 220
1. Problemstellung 220
2. Die Logik von Erklärungen 221
3. Die Logik mikrofundierender Erklärungen in den Sozialwissenschaften 225
4. Interpretationen 235
5. Fazit 242
Literatur 245
Organisationsbegriff und Organisationstheorien 256
1. Die Pluralität organisationssoziologischer Ansätze 257
2. Der Organisationsbegriff 263
3. Organisationstheorien 269
4. Zum Verhältnis von Begriffen und Theorien 277
Literatur 280
Der Streit um’s Grundsätzliche: der (politischreligiöse) Fundamentalismus als Resakralisierung oder weitergehende Säkularisierung? Zu den Grenzen multiparadigmatischer Zugänge 284
1. ’Fundamentalismus‘ ein tatsächlich schillernder Begriff in der sozialwissenschaftlichen Diskussion 285
2. Der ’Islamismus‘: Ausdruck einer Resakralisierung oder einer weitergehenden Säkularisierung? 288
3. Zum Schluss: Der Prozess der Säkularisierung und ihr Begriff in der gegenwärtigen Soziologie 302
Literatur 305
Nachwort 309
Biographische Notizen 312
Soziale Realität und das Schicksal soziologischer Theorie (S. 15-16)
Johann August Schülein
1. Die gegenstandslogische
De-Ontologisierung der Diskussion Die folgenden Überlegungen beschäftigen sich mit spezifischen Aspekten sozialwissenschaftlicher Theorielogik und -verwendung.1 Sie werden als systematisch bedingte Merkmale interpretiert. Dabei geht es nicht zuletzt auch um eine Reformulierung von gegenstandslogischen Argumenten mit dem Ziel sie erkenntnistheoretisch wieder produktiv werden zu lassen. Es soll also versucht werden, die Besonderheiten sozialwissenschaftlicher Theoriebildung aus denen ihres Themas abzuleiten.
Dies ist natürlich nicht neu und originell, schwimmt aber gegen den Strom der gegenwärtig dominierenden Tendenz, Erkenntnistheorie konstruktivistisch anzulegen und dabei jede gegenstandsbezogene Argumentation aufzugeben. Dies hängt mit der Entwicklung gegenstandslogischer Begründungen selbst zusammen. Die Geschichte dieser Begründungsversuche sozialwissenschaftlicher Theorie und der daraus entstandenen Diskussionen hat neben Fortschritten vor allem auch Desillusionierungen gebracht.
Ihre Ouvertüre war die Kontroverse um das Verhältnis von Natur- und Geisteswissenschaft. Diltheys (1968) Gegenüberstellung von Naturwissenschaften, die handlungsunabhängige Ereignisse theoretisch erklären, und Geisteswissenschaften, die symbolische Zusammenhänge menschlicher Lebensäußerungen verstehen (die sich dann in der Windelband/ Rickert’schen Unterscheidung von nomothetischer und idiographischer Methode der Wissenschaften verdichtete), lebte noch von der Hoffnung, eine klare und sichere Gegenposition gegen die imperialen Ansprüche naturwissenschaftlicher Theorien und Methoden finden zu können.
Die nächste Phase der Entwicklung ist bereits gekennzeichnet von einer Aufspaltung in verschiedene interne Diskurse, die keinen gemeinsamen Nenner mehr fanden. Seit Weber und Durkheim ist eine Fülle von Konzepten entwickelt worden, die die Eigenheiten sozialer Realität als Bezugspunkt haben und die damit zusammenhängenden Theorie- und Methodenprobleme diskutieren.2 Aus diesen Konzepten ist jedoch kein einheitliches bzw. allgemein akzeptiertes Modell hervorgegangen. Stattdessen entwickeln sich einschlägige Auseinandersetzungen (von der Werturteilsdiskussion bis zum Positivismusstreit). Ähnlich wie in den Geschichtswissenschaften, der Ethnologie und ähnlichen Fächern (und anders als in der Physik, der Chemie) begleiteten fortan (kontroverse) wissenschaftstheoretische Reflexionen Forschungsarbeit und Theorieentwicklung der Soziologie.
Diese Reflexionen kreisen um die Frage des Verhältnisses von Theorie, Erkenntnissubjekt und Gegenstand, um Abhängigkeit oder Unabhängigkeit der Erkenntnis, um Objektivität oder Selbstzentrierung von Theorien, um Begründung und Evaluation. Typischerweise waren diese Auseinandersetzungen polarisiert, wobei jedoch die jeweiligen Positionen nur aus der Ferne als Einheit identifizierbar waren und sind. Und typischerweise endeten die Auseinandersetzungen wie das Hornberger Schießen - ohne identifizierbares Ergebnis. Jede neue Runde brachte jedoch einen neuen Zuwachs an Skepsis. Was immer unter die Lupe genommen bzw. als Unterscheidungsthema genutzt wurde:
Am Ende stand ein noch weiter erhöhter Begründungsbedarf. Statt Probleme zu lösen, ließen die Debatten ihr Ausmaß deutlich werden. Was sich dadurch letztlich gezeigt hat, ist die Unmöglichkeit, eine voraussetzungslose (und damit folgenlose) Begründung zu finden. Erkenntnistheoretische Begründungen befinden sich in einer Art Hase-und-Igel-Dilemma4: Wo immer sie hineilen - die Kritik der Prämissen und des Vorgehens ist schon da. In dieser Entwicklung musste die Vorstellung, es gäbe einen sicheren (theoretischen) Halt an einem fixierten Gegenstand, immer naiver erscheinen. Der Optimismus, sozialwissenschaftliche Theorie gegenstandslogisch zu fundieren, ist in dem Maße geschwunden, wie sich die Konturen des Gegenstandes und die Sicherheit des Gegenstandsbezugs auflösten.
Erscheint lt. Verlag | 26.7.2008 |
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Zusatzinfo | VI, 322 S. |
Verlagsort | Wiesbaden |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung |
Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Allgemeine Soziologie | |
Schlagworte | Erklärung, soziologische • Normen • Paradigma • Rollentheorie • Sozialwissenschaften • Soziologie |
ISBN-10 | 3-531-91017-5 / 3531910175 |
ISBN-13 | 978-3-531-91017-8 / 9783531910178 |
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