W. A. Mozart (eBook)

1756-1791

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
220 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560438-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

W. A. Mozart -  Paul Nettl
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In Zusammenarbeit mit einigen hervorragenden Mozartkennern bringt der bekannte Musikwissenschaftler Paul Nettl dem Liebhaber und dem Fachmann den Genius Mozart nahe, indem er die besten musikwissenschaftlichen Quellen zusammenfaßt. Durch die Beschäftigung mit dem einzelnen gelangt der Leser zu einer breiteren und tieferen Erkenntnis des Gesamtwerkes und der Persönlichkeit des Salzburger Meisters. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Paul Nettl (1889-1972) war Musikwissenschaftler.

Paul Nettl (1889–1972) war Musikwissenschaftler.

Alfred Orel

Mozart und Wien


»Gestern als den 16ten bin ich gott lob und Dank ganz Mutter seeliger allein in einer Post-chaise hier angekommen.« Mit diesen Worten zeigte Wolfgang Amadeus Mozart seinem Vater am 17. März 1781 sein Eintreffen in Wien an. Er ahnte es damals noch nicht, in welchem Maß ihm die kaiserliche Residenz zur Stadt des Schicksals, aber auch zur Stadt der Erfüllung werden sollte.

Recht verärgert mochte der salzburgische Hofmusikus die Reise von München nach Wien angetreten haben, als ihn ein strikter Auftrag des Erzbischofs Hieronymus von dort nach Wien berief, wo der Kirchenfürst eben zu Besuch beim kaiserlichen Hof weilte. Der Befehl riß ihn mitten aus den Freuden des Faschings, den er nach dem großen Erfolg seines »Idomeneo« in vollen Zügen genoß. Aber ein Gedanke mochte ihm das Abschiednehmen von der Isarstadt leichter gemacht haben: es ging – wenigstens vorläufig – nicht in die Salzburger Enge zurück, sondern in jene Stadt, von der er einige Wochen später dem Vater schrieb: »Ich versichere Sie, daß hier ein herrlicher Ort ist – und für meine Metier der beste Ort von der Welt.«

Es war keine fremde Umgebung, in die der 25jährige Künstler kam. Schon dreimal war er hier gewesen. Den sechsjährigen Knaben hatte der ehrgeizige Vater in den vornehmen Adelshäusern und sogar am kaiserlichen Hof Maria Theresias vorgeführt, und wenn auch der Eindruck, den die Kunst Wolfgangs und seiner Schwester Nannerl damals in Wien hervorrief, mehr eine reizvolle Sensation des Auftretens der beiden Wunderkinder gewesen sein mag als das Vermitteln eines besonderen künstlerischen Erlebnisses, so war damit nicht nur die »Weltreise« günstig vorbereitet, die die Familie Mozart im folgenden Jahre nach Deutschland, Belgien, Frankreich, England, Holland antrat, sondern ebenso die zweite Reise nach Wien, die vom Herbst 1767 bis Ende 1768 währte.

Eine bevorstehende Hochzeit im Kaiserhaus mit den damit verbundenen gesellschaftlichen und künstlerischen Veranstaltungen hatte dem Salzburger Vizekapellmeister willkommenen Anlaß gegeben, Wolfgang diesmal nicht nur als Pianisten, sondern auch als Komponisten den musikalischen Kreisen Wiens vorzuführen. Die großen Erfolge, die der Knabe im Ausland erzielt hatte, ließen für den Aufenthalt in Wien das Beste erhoffen. Aber diese Reise stand unter einem ungünstigen Stern. Kaum waren die Reisenden in Wien, brach eine Blatternseuche aus, der auch die erzherzogliche Braut zum Opfer fiel. Von irgendwelchen besonderen gesellschaftlichen Veranstaltungen war demnach keine Rede. In der mährischen Bischofsstadt Olmütz, wohin die Mozartischen vor der Ansteckungsgefahr flüchteten, erkrankten Wolfgang und seine Schwester an den Blattern, und erst zu Anfang 1768 konnten die Reisenden wieder nach Wien zurückkehren.

Wohl wurden sie bei Hof empfangen, die Kaiserin erkundigte sich anteilnehmend nach dem Befinden der beiden Kinder, auch in verschiedenen Adelshäusern wurden sie eingeladen, aber sowohl in der kaiserlichen Familie als auch im Gefolge davon in den Kreisen der höfischen Wiener Gesellschaft hatte eine gewisse Zurückhaltung Platz gegriffen, die keine großen Veranstaltungen zustandekommen ließ; klagend berichtete Vater Mozart nach Salzburg: »Ist das Oberhaupt sparsam, so will ein jeder der beste Hauswirt sein.« Aber nicht darin allein darf man die Ursache dafür erblicken, daß der Wiener Aufenthalt für die Familie Mozart so unbefriedigend verlief.

Wohl hatten der sechsjährige Wolfgang und das elfjährige Nannerl seinerzeit berechtigtes Aufsehen erregt und waren sie daher auch als Wunderkinder überall gerne gesehen und verzärtelt worden. Aber nun waren beide um sechs Jahre älter, der Reiz der Neuheit war verflogen und ihre Virtuosität erschien nicht mehr so unerhört wie ehemals. Man legte einen anderen Maßstab an sie an und ihre Kunstfertigkeit wurde im Vergleich mit den Leistungen anderer Wiener Künstler nicht mehr im gleichen Maß bewundert. Die Zeit des klavierspielenden Wunderkindes war bei Wolfgang in den Augen der Wiener Umwelt vorüber, zum großen Virtuosen fehlte ihm aber zweifellos die geistige Reife.

Die gleichen Schwierigkeiten stellten sich auch einem Durchdringen Wolfgangs als Komponisten entgegen, vielleicht brachten auch die Wiener Künstler den schöpferischen Leistungen des Zwölfjährigen nicht das Interesse entgegen, das der stolze Vater beanspruchen zu dürfen glaubte. Jedenfalls ließ sich Leopold Mozart nicht von dem Weg abbringen, den er für seinen Sohn eingeschlagen hatte. »Nun um das Publikum zu überzeugen, was eigentlich an der Sache ist, so habe (ich) es einmal auf etwas ganz Besonderes ankommen zu lassen mich entschlossen, nämlich er soll eine Opera fürs Theater schreiben«; so äußert sich der Ehrgeizige zu einem Salzburger Freund.

Das höchste Ziel wird also ins Auge gefaßt, damit aber auch sozusagen die Flucht in die Öffentlichkeit angetreten. Denn das öffentliche Musikleben, außerhalb der vornehmen Salons, spielt sich in Wien damals im Theater ab. Von einem Konzertbetrieb in unserem Sinne kann nicht gesprochen werden. Er setzt erst mit der Gründung der Wiener Tonkünstlersozietät anfangs der 70er Jahre ein.

Aber auch dieser Plan gelingt nicht. Wohl wird mit dem Pächter des Hoftheaters ein Kontrakt abgeschlossen, aber vom Vertragsabschluß und Beginn der Arbeit bis zur Aufführung ist ein langer Weg, und bald sind Leopold Mozarts Berichte nach Salzburg voll von Klagen über Hindernisse und angebliche Intrigen, die sich der Aufführung der »Finta semplice« entgegenstellen. Sänger und Orchester – so meint er – sind gegen Wolfgang aufgewiegelt, die Komponisten sind eifersüchtig, daß man »heute einen Gluck und morgen einen Knaben von zwölf Jahren bei dem Flügel sitzen und seine opera dirigieren sehen« soll, sogar der große Gluck soll unter diejenigen gegangen sein, die »alles untergraben, um den Fortgang dieser opera zu hindern«. In Wirklichkeit stand wohl das richtige Empfinden der Aufführung entgegen, daß die Wiener Hofbühne doch nicht der richtige Ort für einen Opernversuch sei, der wohl als bewundernswertes Zeugnis für die kompositionstechnische Begabung eines Knaben gelten konnte, nicht aber als vollgültiges Kunstwerk. So bleiben eine Messe, ein Offertorium und ein Trompetenkonzert, die bei der Einweihung der Waisenhauskirche in Wien aufgeführt werden, der magere Erfolg der so hoffnungsfroh unternommenen Wiener Reise.

War aber auch die Eroberung der Bühne in Wien nicht gelungen, der Weg war nun einmal beschritten. »Soll mein Kind durch die opera in Wien den ersten Schritt umsonst getan haben und nicht auf dem einmal so breit gebahnten Weg mit starken Schritten forteilen?« Eine Reise nach Italien, ins eigentliche Opernland »kann, wenn man alle Umstände in Erwägung zieht, nun nicht mehr verschoben werden«. Ließ man den Knaben nicht aufkommen, so würden doch dem Künstler, der auf italienische Bühnenerfolge hinweisen könnte, auch die Pforten des Wiener Opernhauses sich öffnen müssen. Aus der geplanten Italienfahrt wurden bekanntlich deren drei, und vier Jahre sollten vergehen, ehe Wolfgang wieder den Boden der umkämpften Stadt betrat.

In geheimnisvolles Dunkel hüllt Vater Mozart den Zweck der kurzen Sommerreise, die er im Jahre 1773 mit Wolfgang nach Wien unternimmt. Ganz zurückgezogen leben die beiden in Wien und auch in den Briefen an die Gattin in Salzburg finden sich nur vage Andeutungen darüber, weshalb der Wiener Aufenthalt mehrfach verlängert werden muß. Wohl kommt es zu einer Audienz bei der Kaiserin, und diese war auch »sehr gnädig mit uns, allein dieses ist auch alles und ich muß es Dir mündlich zu erzählen auf unsere Rückkunft versparen, denn alles läßt sich nicht schreiben«. Also auch hier wieder Geheimnis um die anscheinend unbefriedigend verlaufene Vorsprache. Es ist nicht Zufall, daß in den Wiener Briefen aus dieser Zeit kaum ein gräflicher oder fürstlicher Name auftaucht. Mit Absicht muß sich Vater Mozart gleichsam unerkannt mit Wolfgang in Wien aufgehalten und seinen gesellschaftlichen Verkehr fast gänzlich auf das Haus des berühmten Magnetiseurs Dr. Mesmer beschränkt haben.

In der Tat: es war eine wichtige und heikle Angelegenheit, die Vater Mozart bestimmt hatte, wenige Monate nach der Rückkehr von der dritten Italienreise mit Wolfgang nach Wien zu fahren. Die drei Reisen ins südliche Opernland waren dem Wiener Mißgeschick mit der »Finta semplice« gefolgt. Ihr Zweck war gewesen, Wolfgang in Italien den Wienern zum Trotz zum erfolgreichen Opernkomponisten werden zu lassen. Bis zu einem gewissen Grade war dies auch sicherlich erreicht worden; aber vielleicht hatte es auch Vater Mozart erkannt, daß Wolfgang sich im »Lucio Silla« des Jahres 1772 schon vom damaligen italienischen Opernideal entfernte, und daß damit die Zeit der großen italienischen Opernerfolge zu Ende war. Wie sollte der Weg des Sohnes fortgesetzt werden? Italien war zur Episode geworden, Salzburg aber vielleicht als Refugium brauchbar, keineswegs aber Zielpunkt für die Laufbahn, die Leopold seinem Sohn vorgezeichnet hatte und die rastlos voranzutreiben seine angelegentlichste Sorge war.

Vor allem mußten die italienischen Erfolge ausgewertet werden. Ist es da nicht begreiflich, daß sich Leopold Mozarts Blicke vor allem nach Wien wandten? Galt es doch auch, dort die Scharte der »Finta semplice« auszuwetzen. Sollte es nicht möglich sein, jetzt unter Hinweis auf die italienischen Werke der Zwischenzeit mit weit besseren Aussichten als vor fünf Jahren einen Opernkontrakt für Wien zu erreichen? Da...

Erscheint lt. Verlag 15.7.2015
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Berliner Philharmoniker • Biographie • Don Giovanni • Freimaurerei • Leopold Mozart • London • Maria Anna Mozart • Paris • Prag • Sachbuch • Salzburg • Wien • Wiener Philharmoniker • Wiener Staatsoper • Wolfgang Amadeus Mozart
ISBN-10 3-10-560438-3 / 3105604383
ISBN-13 978-3-10-560438-0 / 9783105604380
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