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Die Weisheit des Yoga - Stephen Cope

Die Weisheit des Yoga

Auf der Suche nach einem freien, erfüllten und glücklichen Leben

(Autor)

Buch | Hardcover
432 Seiten
2007
Arkana (Verlag)
978-3-442-33784-2 (ISBN)
19,95 inkl. MwSt
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...gebraucht verfügbar!

Mit der Philosophie des Yoga unser Potenzial ausschöpfen


Den Begriff „Yoga“ verbinden wir mit mehr oder weniger schwierigen Körper- und Atemübungen. Doch dies ist nur ein Teilaspekt. Jahrtausende lang erforschten Yogis systematisch die essenziellen Fragen der menschlichen Existenz: Welches sind die Ursachen des Leidens? Wie können wir Freiheit und Glück erreichen? Wie kann der Mensch sein volles körperliches, geistiges und spirituelles Potenzial ausschöpfen? Diese Fragen haben bis heute nichts an Aktualität verloren. Die Essenz der Yoga-Lehre wurde schon vor langer Zeit in einer kurzen, aber sehr inhaltsreichen Abhandlung dargelegt, den Yoga-Sutras, die der legendäre Weise Patanjali im 5. Jahrhundert verfasst haben soll. Wie so oft bei den ganz großen Werken der Weltliteratur sind die Verse aber nicht leicht zu verstehen und noch schwerer im täglichen Leben umzusetzen. Stephen Cope, einer der führenden Yoga-Lehrer der USA, verbindet wie wenige andere ein durch Psychoanalyse geschultes Wissen über die Seele mit Jahrzehnten angewandter Yoga-Erfahrung. Anhand der Biografien von fünf Schülern gelingt es dem Autor zu zeigen, wie die uralte östliche Weisheit des Yoga im Leben westlicher Menschen fruchtbar gemacht werden kann.


• Die Landkarte auf dem Weg zum wahren Selbst


• Von Amerikas führendem Yoga-Lehrer


Mircea Eliade, einer der bedeutendsten Religionswissenschaftler des 20. Jahrhunderts, sagte einmal: »Wir beschäftigen uns nur mit der Vergangenheit, um etwas über die authentischen Möglichkeiten der menschlichen Existenz in Erfahrung zu bringen, die in der Gegenwart wiederholbar sein könnten.« In diesem Buch werden wir die gesammelten Möglichkeiten einer 3000 Jahre alten Weisheitslehre mit Namen Yoga untersuchen. Wir werden den Blick in die Vergangenheit richten, zurück auf die fantastischen Möglichkeiten, die diese Weisheitslehre für die menschliche Existenz eröffnet hat. Wir werden uns alles anschauen, was einst über Geist und Körper herausgefunden wurde und was so bemerkenswert ist, dass selbst die hoch entwickelte heutige Neurowissenschaft noch immer erhebliche Schwierigkeiten hat, es zu erklären – obwohl die Fakten unbestreitbar sind. Und wir werden uns mit einer verblüffenden, 2000 Jahre alten Abhandlung über Yoga und Meditation befassen, dem Yoga-Sutra, einem der brillantesten spirituellen und psychologischen Texte der Menschheit, dessen Verfasser nahezu unbekannt ist. Wir werden zurückschauen, ja. Aber wir werden, wie Eliade sagt, nur auf diese Lehre zurückgreifen, um dort etwas über unsere eigenen Möglichkeiten zu erfahren. Vielleicht staunen wir, wenn wir feststellen, wie lebendig und eindringlich die alte Weisheitslehre des Yoga unsere heutigen Bedürfnisse anspricht. Ich selbst habe Yoga vor über zwanzig Jahren für mich entdeckt. Wie für die meisten Amerikaner war es auch für mich anfangs eine Art Sport. Es dauerte nicht lange, bis ich die enormen Vorteile der Yogastellungen und Atemübungen zu würdigen wusste und mich zu regelmäßiger Übung hingezogen fühlte, die allmählich meine Energie, Vitalität, Konzentrationsfähigkeit, Elastizität und Lebensfreude steigerte. In den ersten Jahren meiner Yogapraxis hatte ich allerdings noch keinen Blick dafür, dass diese Körperübungen nur eine Facette einer unglaublich umfassenden und äußerst komplexen Weisheitslehre sind. Mir war nicht bewusst, dass die Yogastellungen, die ich in meinem Fitnessclub lernte, zu einem 3000 Jahre alten wissenschaftlichen System höchster Lebenskunst gehören, das sich mit allen Aspekten des Menschseins befasst – den geistigen, den physischen und den spirituellen. Als ich entdeckte, was die Weisheitslehre des Yoga außer dem Physischen noch alles einbegreift, war ich fasziniert, denn dieses System höchster Lebenskunst findet seit mindestens drei Jahrtausenden auf dem indischen Subkontinent Anwendung. Die Übenden beschäftigten sich immer schon mit einer Reihe von endlosen Fragen – Fragen, die heute noch eine ebensolche Herausforderung darstellen wie einst, als sich zum ersten Mal spärlich bekleidete Yogis in den Wäldern und auf den Bergen Indiens ansiedelten: Was ist das optimale Leben für den Menschen? Wie kann man alle Möglichkeiten von Körper und Geist ausschöpfen? Mindestens 3000 Jahre lang haben Yogis experimentiert, um diesen Fragen nachzugehen. Ihre kühnen Forschungen haben Bemerkenswertes über die menschliche Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Erkenntnisfähigkeit, Motivation und Sinnesintegration, über Erinnerungsvermögen, Intuition und Willen zutage gefördert. Die alten Yogis fanden heraus, dass die wenigsten Menschen in ihrem Leben das Spektrum der Möglichkeiten auch nur annähernd ausschöpfen. Zugleich zeigten sie auf, dass fast jeder von uns dazu in der Lage ist, und zwar mit viel weniger Aufwand, als wir vermuten würden. Überraschenderweise verlangt höchste Lebenskunst keine anderen natürlichen Begabungen von uns, als wir meist schon besitzen. Außer diesem Fragenkomplex interessierte die alten Yogis noch eine Reihe damit verwandter Fragen: Welches sind die Grundwurzeln menschlichen Leidens? Können die Wurzeln des Leidens abgeschnitten werden? Können Menschen lernen, trotz ihres schwierigen Lebens glücklich und unbeschwert zu sein? Die Antworten, die sie auf diese Fragen fanden, sind ebenfalls eine Überraschung – für viele Westler sogar, offen gestanden, geradezu unglaubhaft. Die Yogis untersuchten die Struktur des »gemeinen menschlichen Unglücks« und fanden heraus, dass die Wurzeln des alltäglichen Leidens mit Stumpf und Stiel ausgerissen werden können – was zu einer Freiheit führt, die wir im Allgemeinen für unmöglich halten. Die Yogis sprachen von »Befreiung«. Befreiung heißt in diesem Zusammenhang die Freiheit von allen Ursachen der Konditionierung, die uns an niedere Denk- und Seinsweisen binden. Befreiung heißt, vollkommen erwacht und durch und durch lebendig zu sein. Die verständlichste Darstellung der alten Weisheitslehre des Yoga ist eine 2000 Jahre alte Abhandlung, das Yoga-Sutra. Es wird vielleicht immer im Dunkeln bleiben, wer der Verfasser war, aber einiges spricht dafür, dass das Yoga-Sutra im 2. Jahrhundert n. Chr. von dem Weisen Patanjali geschrieben wurde. Die im Yoga-Sutra von Patanjali dargelegten Anschauungen und Übungen verkörpern den Genius jahrhundertelanger Yogaübung und -forschung. Einige Gelehrte sind dazu übergegangen, diese Anschauungen und Übungen »klassisches Yoga« zu nennen, aber innerhalb der Tradition selbst werden sie als Raja-Yoga bezeichnet, was »der Königsweg des Yoga« bzw. »der erhabene« oder »der edle Yoga« bedeutet. Die Weisheitslehre des Raja-Yoga bestand schon viele Jahrhunderte, ehe die Körperhaltungen und Atemübungen (genannt Hatha-Yoga) entwickelt wurden. Tatsächlich sind die wichtigsten Abhandlungen über Hatha-Yoga erst im 14. Jahrhundert oder noch später geschrieben worden, und fast alle nehmen Bezug auf das Yoga-Sutra des Patanjali. Die meisten der großen Meister des Hatha-Yoga wiesen in ihrem Unterricht darauf hin, dass die Yogastellungen und Atemübungen im Rahmen des Raja-Yoga und mit Blick auf dessen Ziele praktiziert werden sollten. Das Yoga-Sutra ist die Basis aller späteren Körperübungen des Yoga, obwohl dieser klassische Text (zur Verwunderung des heutigen Lesers) kaum Anweisungen für Yogastellungen, wie wir sie kennen, enthält. Was für eine Art Yoga lehrt Patanjali denn, wenn keine Yogastellungen angegeben werden? Normalerweise wird das Yoga-Sutra als Anweisungsbuch für die Meditation verstanden – und es ist sicher eine der anspruchsvollsten Meditationsanleitungen der Welt. Aber es ist mehr als das. Patanjali betrachtet jeden Aspekt des Lebens als Gelegenheit, Weisheit zu praktizieren. Ihm geht es um unser Denken und Handeln, darum, wie wir atmen, uns bewegen, schlafen, träumen und sprechen. Jeder Aspekt unserer Motivation, unserer Erkenntnisfähigkeit und unseres Verhaltens ist für Patanjali von Interesse und wird auf dem Yogaweg nutzbringend eingesetzt. Patanjalis Text hat bekanntermaßen seine Tücken. Das Yoga-Sutra ist eindeutig für fortgeschrittene Übende bestimmt. Infolgedessen fällt es uns heutigen Yogis (die die darin beschriebenen verblüffenden Möglichkeiten noch nicht kennengelernt haben) meist schwer, es zu lesen, denn der Sinn bleibt uns zu unserer Frustration oft verborgen. Das ist für mich und viele meiner Freunde, die Yoga üben und den tieferen Sinn dahinter gern verstehen würden, immer ein Problem gewesen. Meine erste Ausgabe des Yoga-Sutra lag fast fünf Jahre lang auf meinem Nachtschränkchen und sammelte Staub an. Gelegentlich machte es mich, kurz bevor ich einschlief, auf sich aufmerksam und erinnerte mich an meine Verpflichtungen als Yogaschüler. Lies mich! Vermutlich lag es an meiner christlichen Erziehung und meinen hochgesteckten Zielen, dass dies am Ende Wirkung zeigte. Ich nahm es zur Hand. Und ich bin froh, dass ich das tat. Inzwischen nehme ich mir seit 15 Jahren regelmäßig kurze Abschnitte daraus vor, die ich verdauen kann. Bisweilen war der Text eine echte Herausforderung, aber er war auch verlockend, denn es genügt schon, sich ein wenig einzulesen, um ein erstaunlich klares Bild von der Struktur des menschlichen Bewusstseins und dem Weg der höchsten Lebenskunst zu erhalten. Frühe Yogaanhänger haben allerdings überspannte Behauptungen über das Studium des Yoga-Sutra aufgestellt. Eine Richtung – der ich persönlich skeptisch gegenüberstehe – behauptet, allein der innere Aufbau der Abhandlung wirke so bewusstseinsverändernd, dass schon das Auswendiglernen und wiederholte Rezitieren der Verse zur vollkommenen Befreiung führe. Es gibt beruhigende Neuigkeiten über den Schwierigkeitsgrad des Textes: Wir heutigen Yogis stehen nicht so allein da mit unseren Problemen, wie wir vielleicht meinen. Seit 2000 Jahren reizt, inspiriert und verwirrt dieses komplexe Werk Yogaübende. Kein Wunder also, dass in zahllosen Übersetzungen und Kommentaren mündlich und schriftlich um Verständnis gerungen wurde. Jede neue Generation von Yogaübenden schlägt sich wieder mit diesem Traktat herum und hinterlässt hilfreiche Spuren ihres Kampfes. Es erscheint gesichert, dass die meisten Schüler und Gleichgesinnten Patanjalis Weltentsagende und Asketen waren, die ihr Leben einem strengen Training unterwarfen, als seien sie Olympioniken des Geistes. Sie waren dazu bereit und fähig, die Zehntausende von Stunden zu investieren, die normalerweise erforderlich sind, um eine geistige Schulung zu meistern, wie sie im Yoga-Sutra detailliert beschrieben wird. Patanjali hat sein Werk zweifellos für solche Yogaolympioniken geschrieben. Vieles von dem, was er sagt, setzt die unmittelbare Erfahrung der verschiedenen Yogastufen voraus, die er beschreibt. Aber wir heutigen Yogis aus dem Westen sind meist weder Asketen noch Mönche oder Nonnen. Wir mögen zwar danach streben, Olympioniken des Geistes zu werden, aber den meisten von uns fehlt die nötige Zeit. Wir schätzen uns schon glücklich, wenn wir neben dem Kinderfüttern, der Wäsche und den Überstunden für das neue Dach eine halbe Stunde täglich üben können. Hat es dann überhaupt einen Sinn, sich eingehend mit dieser alten Weisheitslehre zu befassen? Vielleicht sollten wir uns lieber mit unserem Yogakurs in der Volkshochschule begnügen und weiterhin ein- oder zweimal die Woche dort die Stellung »Hund« oder »Kobra« einnehmen. Ist es sinnvoll, sich auf eine Lehre einzulassen, die ursprünglich für Wanderheilige und Mystiker gedacht war? Ich meine ja. Denn wenn wir Patanjalis Abhandlung auf das Wesentliche reduzieren, merken wir, dass sie im Kern ein paar einfache Lehren enthält: Prinzipien und Techniken, die buchstäblich jeder verstehen und praktizieren kann. Vielfach handelt es sich sogar um Prinzipien und Techniken, die wir anwenden können, während wir die Kinder füttern, die Wäsche waschen und unserem Beruf nachgehen. Es sind Prinzipien und Techniken, die wir gut mit unserem wöchentlichen Yogakurs oder unserer täglichen Übung des Ashtanga-, Kripalu-, Iyengar- oder Bikram-Yoga verbinden können. Nach meiner Erfahrung können wir dabei allmählich immer mehr Freiheit gewinnen. Allerdings wird diese Freiheit, um ehrlich zu sein, mit ziemlicher Sicherheit nicht beinhalten, dass alle Wurzeln des Leidens ein für alle Mal »ausgerissen« sind wie bei den großen Yogameistern des alten Indien. Auch wird sie uns kaum jemals die fantastischen übersinnlichen Kräfte verleihen, von denen Patanjali in seinem großartigen Werk schreibt. Aber trotzdem wird sie vielleicht, nur vielleicht, irgendeine Art von Befreiung bringen. Ich selbst studiere und lehre seit 15 Jahren die Prinzipien des Yoga-Sutra. Die meiste Zeit über war ich Lehrer am Kripalu-Zentrum für Yoga und Gesundheit, einem der größten Yogazentren in den Vereinigten Staaten, das in den Berkshire-Bergen im Westen von Massachussetts liegt. Ich habe diese Prinzipien an alle nur erdenklichen Typen heutiger Yogis weitergegeben, manchmal mit Folgen, die selbst die Skeptischsten unter uns verblüffen dürften. Von Berufs wegen bin ich Psychotherapeut und entsprechend den Zielen der westlichen Psychotherapie ausgebildet worden, die Sigmund Freud mit dem ironischen Kommentar bedacht hat: »Die Psychoanalyse vermag beim Patienten hysterisches Elend in gemeines Unglück zu verwandeln.« Die alten Yogaübenden waren nicht halb so interessiert an hysterischem Elend wie wir. Aber sie interessierten sich für das, was wir das »gemeine Unglück« nennen können. Sie glaubten, dass es tatsächlich ein Mittel gegen das gemeine Unglück gibt. Meine Erfahrungen der letzten 15 Jahre mit Tausenden von Schülern – und mit meinem eigenen Leben – haben mich zu der Überzeugung gebracht, dass das keineswegs esoterische Übertreibung ist. Das regelmäßige Studium und Üben der Prinzipien des Yoga führt in den meisten Fällen zu einem weniger leidhaften Leben und befreit uns zu einem erfüllteren Leben. Manchmal (und das habe ich mehr als einmal erlebt) führt es sogar zu tiefgreifenden Charakterveränderungen. Auf den folgenden Seiten will ich versuchen, das nackte Knochengerüst dieser faszinierenden Lehre des Raja-Yoga, wie es sich im Yoga-Sutra darstellt und im Leben meiner Freunde, Schüler, Mityogis und Lehrerkollegen zum Ausdruck kommt, zum Leben zu erwecken. Während sich die Geschichte entfaltet, wird der Leser sechs zeitgenössische Yogis und Yoginis kennenlernen, die sich ernsthaft mit den umfassenderen Prinzipien des Patanjali beschäftigt haben: Jake O’Brien, einen Rechtsanwalt, der in seiner Lebensmitte mit scheinbar unlösbaren Beziehungsproblemen zu kämpfen hat; Maggie Winslow, 62 Jahre alt und ehrgeizige Schriftstellerin, die ihre eigene authentische Stimme finden will; Susan Goldstein, bekannte Innenarchitektin, Ehefrau und Mutter, die unter Essstörungen leidet; Kate Johannson, von Beruf Tänzerin, inzwischen wegen einer Verletzung im Ruhestand und von ihrem reichen Ehemann getrennt; Rudi Sawyer, einen ortsansässigen Allroundmann, Gärtner und Yogaanhänger; und mich selbst, einen manchmal neurotischen und wahrscheinlich überqualifizierten weißen protestantischen Amerikaner angelsächsischer Herkunft, der sich um ein sinnvolles, glückliches Leben bemüht – und darum, ein Buch wie dieses hier zu schreiben. Ort der Handlung ist das Kripalu-Zentrum für Yoga und Gesundheit in Lenox, Massachussetts, und dessen Umgebung. Die auftretenden Figuren entsprechen wirklichen Menschen, und alle Geschichten geben reale Ereignisse wieder. Namen, Daten und Umstände sind jedoch mit Blick auf bestehende Freundschaften, gute Sitte und Schweigepflicht verändert worden. Die Leser werden merken, dass jede Figur in diesem Buch mit einem bestimmten Aspekt des Lebens ringt. In sogenannten spirituellen Kreisen ist es heutzutage out, von Ringen oder Kämpfen zu sprechen. Aber die alten Yogis gaben ohne Zögern zu, dass Leben Kampf und Schmerz bedeutet. Sie fanden allerdings auch heraus, dass der Kampf die edelsten Eigenschaften des Menschen ans Tageslicht bringen kann. Im Grunde ist höchste Lebenskunst ohne Kampf gar nicht möglich. Befreiung und Kampf sind die beiden Seiten derselben Medaille. Hier und da sind in diesem Buch die Worte eines faszinierenden Menschen zu finden – eines Menschen, den vor allem der Kampf und sein Bezug zur Befreiung interessierte: Swami Kripalu (1913–1981). Er ist der jüngste Stammhalter einer alten Yogalinie, die bis in mythische Zeiten im alten Indien zurückreicht – bis zurück zu Vishvamitra, einem indischen Seher und Mitbegründer des vedischen Hinduismus. Das Kripalu-Zentrum ist nach Swami Kripalu benannt, der die Gemeinschaft vier Jahre lang bis zu seinem Tod betreut hat. Swami Kripalu war ein weit fortgeschrittener Hatha-Yogi. Außerdem war er hingebungsvoller Anhänger der umfassenderen Weisheitslehre des Raja-Yoga, produktiver Schriftsteller, Dichter, Musiker, Sportler, Schauspieler und Redner. Er war unglaublich gebildet. Aber zugleich war er von sanftem Wesen und sehr bodenständig – großväterlich. Daneben hatte er noch etwas Kriegerisches – er war gnadenlos ehrlich, was das Kämpfen betrifft. Er sagte: Es gibt auf der ganzen Welt nicht einen Menschen, der frei von Schmerz ist. Selbst unter günstigen Umständen kommt der Mensch nicht ohne Kampf aus. Die äußere Form des Kampfes erscheint grausam. Manche beschreiben ihn als schrecklichen Dämon, dabei ist er seinem Wesen nach nicht bösartig. Tatsächlich ist es angebracht, den Kampf zu begrüßen, denn seine Ankunft ist stets Glück verheißend. Das Kämpfen hält uns davon ab, träge zu werden. Es verwandelt ein Tier in eine Idealgestalt. Es verwandelt einen gewöhnlichen Sterblichen in einen erwachten Menschen, der in der Welt geachtet wird … Es ist in Ordnung, wenn wir den Kampf nicht liebevoll annehmen können, aber er sollte nie verworfen werden. Den Kampf zu verwerfen heißt, Gottes Gnade zu verwerfen. Kampf und Befreiung gehören im Leben eines Yogaübenden zusammen. Ich hoffe, dass die folgenden Geschichten von Kampf und Befreiung meine Leser dazu anregen, die Möglichkeit, vom gewöhnlichen Lebenskampf stillschweigend zu einem außergewöhnlichen Leben überzugehen, näher in Betracht zu ziehen. Und dass unser Blick zurück zu den Erkenntnissen der alten Yogis auch ein Blick nach innen wird – ein Blick, der uns die authentischen Möglichkeiten unserer eigenen menschlichen Existenz erschließt, wie Eliade sagt. Suchende einst und heute Tritt nicht in die Fußstapfen der alten Meister, aber suche, was sie suchten.1 Matsuo Basho (1644–1694) DIE LEICHT NEUROTISCHEN SUCHER VON HEUTE Ich saß auf dem höchsten Punkt des steil ansteigenden alten Obstgartens, den Rücken an den rauen Stamm eines Apfelbaums gelehnt. Das massive Backsteingebäude des Kripalu-Zentrums lag hundert Meter tiefer am Fuße des Abhangs, der jetzt mit den Wildblumen des August bedeckt war. In der Ferne stiegen die Berkshire-Berge als grüne, ins Purpurne verlaufende Wellen zum morgendlichen Spätsommerhimmel an. Die Rasenmähertrupps hatten am gestrigen Nachmittag ihre Arbeit verrichtet, und der liebliche Duft des frisch gemähten Grases mischte sich in die kühle Morgenluft. Ich ließ mich mit meinem ganzen Gewicht gegen den Baumstamm sinken. Bald würden Maggie und Jake zu mir stoßen, um mit mir eine Wanderung in die Berge hinauf zu machen, wo wir uns mit Kate und unseren Freunden Rudi und Susan zu einem Picknick verabredet hatten. Ich war schon früher zu unserem Treffplatz im Obstgarten gekommen in der Hoffnung, einen Augenblick still und allein sein zu können. Ich war schlecht gelaunt, gereizt. Der heutige Tag markierte das Ende meiner sechsmonatigen Auszeit für das Schreiben.

Reihe/Serie Goldmann Arkana
Übersetzer Erika Ifang
Sprache deutsch
Original-Titel The Wisdom of Yoga
Maße 135 x 215 mm
Gewicht 695 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Entspannung / Meditation / Yoga
Schlagworte Entspannung & Meditation, Yoga • Yoga • Yoga / Joga
ISBN-10 3-442-33784-4 / 3442337844
ISBN-13 978-3-442-33784-2 / 9783442337842
Zustand Neuware
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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