Tour de France (eBook)

Kein Berg zu hoch, kein Weg zu weit - Das neue große Standardwerk zur härtesten Radrundfahrt der Welt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
608 Seiten
Edel Sports - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-98588-075-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tour de France -  Stephan Klemm
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Die Tour de France ist - nach den Fußball-Weltmeisterschaften und den Olympischen Sommerspielen - das drittgrößte Sportereignis der Welt, unter den alljährlich stattfindenden Sportevents ist es sogar die Nummer eins weltweit. Die Tour de France ist aber auch eine Geschichten-Maschine, die seit ihrer Premiere im Jahr 1903 immer neue Helden gebiert, strahlende wie scheiternde. Ihr Erkennungszeichen ist das Gelbe Trikot, das der Beste tragen darf - ein Motiv, das längst ein eigener Mythos ist und das sehr viele andere Sportarten kopiert haben. 21 Etappen müssen die Fahrer auf ihrer Reise durch Frankreich bewältigen, sie kämpfen dabei mit der Hitze des Tages, manchmal mit Regen oder Hagelschauern, sie rasen auf engen Straßen und kämpfen sich über steile Berge dem Ziel entgegen. Stephan Klemm nähert sich dieser modernen Odyssee in 21 Kapiteln, die den Kosmos des Tourzirkus in all seinen Facetten ausleuchten. Besonderes Highlight: eine Insider-Reportage von der Tour 2024, bei der der Autor das Team Bora-hansgrohe mit dem Topfavoriten Primoz Roglic begleitet.

Stephan Klemm, Jahrgang 1967, Historiker und Germanist, war als Reporter 15 Mal bei der Tour de France vor Ort. Bisherige Veröffentlichungen: Die Nacht von Sevilla. Ein deutsch-französisches Fußballdrama und Marcel Kittel: Gespür für den Augenblick. Für dieses Buch begleitete er die Tour de France 2024 und führte dort zahlreiche Gespräche. 

Stephan Klemm, Jahrgang 1967, Historiker und Germanist, war als Reporter 15 Mal bei der Tour de France vor Ort. Bisherige Veröffentlichungen: Die Nacht von Sevilla. Ein deutsch-französisches Fußballdrama und Marcel Kittel: Gespür für den Augenblick. Für dieses Buch begleitete er die Tour de France 2024 und führte dort zahlreiche Gespräche. 

Eugène Christophe, 1919 der erste Träger des Gelben Trikots.

Das schöne Gelb ist nicht verblasst, es ist verblüffend, aber es ist hell geblieben über die Jahre, es scheint zu leuchten, immer noch. 56 Jahre alt ist das Gelbe Trikot von Rolf Wolfshohl, erobert hat er es bei der Tour de France 1968, und es liegt schwer in der Hand. „Wolle“, sagt Wolfshohl, „so war das damals.“ Kein Vergleich zu der federleichten Polyester-Variante von heute. Wolfshohl muss ein bisschen danach suchen an dem mit besonderen Trikots behängten Kleiderständer in seinem Wohnzimmer im Grünen. Er lebt in Neunkirchen-Seelscheid, Bergisches Land, nicht weit weg von Köln, wo er Ende 1938 geboren wurde. Doch bald schon findet er den leuchtend gelben Wollpulli mit zwei Vorder- und drei Rückentaschen, der Dress hängt auf einem blauen Bügel. Unter dem weißen Reißverschluss auf Brusthöhe ist das Emblem des Herstellers Le Coq sportif zu sehen, auf Herzhöhe prangen die schwarzen Lettern HD, die Initialen von Henri Desgrange, dem Gründer der Tour de France.

Lange Zeit hing das Trikot in Wolfshohls Fahrradladen in der Pauline-Christmann-Straße in Köln-Rath. Doch den Laden, den er mit seiner Frau Karin führte, gibt es nicht mehr. Die Wolfshohls haben ihn 2019 geschlossen. Sie erhielten aus Altersgründen keinen Kredit mehr von den Banken.

Für Wolfshohl ist das Gelbe Trikot eine Trophäe mit großer Bedeutung. Es für erobert zu haben, ist die Erfüllung einer Sehnsucht, die alle antreibt, die professionell Radsport betreiben. Für den Kölner Wolfshohl, der diesen Dress zwei Tage tragen durfte, ist es schlicht „das Größte, was einem passieren kann“. Er sitzt neben seiner Frau Karin auf der Couch in dem mit noch nicht verkauften Fahrrädern vollgestellten Wohnzimmer, die Lesebrille hat er über der Stirn platziert, seine Hände zeugen von harter Mechanikerarbeit. Und dann sagt er: „Das Gelbe Trikot ist wertvoller als ein Weltmeistertitel. Jemand, der auch nur einmal im Gelben Trikot gefahren ist, bleibt Teil der Geschichte der Tour.“

Andererseits gehört nicht nur Wolfshohl, sondern vor allem das Gelbe Trikot selbst zur Geschichte der Frankreich-Rundfahrt. Tragen darf es nur derjenige, der das Rennen anführt. Das Gelb ist eine Signalfarbe, der aktuell Beste ist darin für die Zuschauer leicht zu erkennen. Er ist der Fixpunkt des Rennens und des Tages, eine Art Leuchtturm inmitten des Fahrerfeldes. Der Name des Besitzers ist den Fans an den Straßenrändern zumeist ein Begriff, sie alle sind nicht zuletzt gekommen, um den berühmtesten Dress des Radsports zu sehen. Das Trikot selbst steht für Erfolg, Widerstandskraft und Durchsetzungsvermögen im schwersten Rennen der Welt, und so umlagern und umjubeln die Besucher vor dem Start und nach der Etappenankunft vor allem einen Fahrer: Ihn, den Träger des Gelben Trikots. Im Laufe der Zeit hat sich das Maillot Jaune zu einem Synonym für das ganze Rennen entwickelt: Die Tour ist gelb, und Gelb ist die Tour. Mehr als 100 Jahre ist es inzwischen alt, erstmals wurde es am 19. Juli 1919 in Grenoble als eine Art Ehrenorden an einen Fahrer verliehen.

281 Profis wurde bisher die gelbe Tour-Ehre zuteil, sie sind Helden und Berühmtheiten, auch wenn sie, wie Rolf Wolfshohl, am Ende nicht die Tour gewonnen haben. Doch das ist es ja: In Frankreich werde er immer noch erkannt, aber nicht als zweimaliger Etappensieger der Frankreich-Rundfahrt, als dreimaliger Cross-Weltmeister oder Gewinner der Spanien-Rundfahrt 1965, „sondern als derjenige, der mal das Gelbe Trikot getragen hat“. 2019 hat er es in Limoges wieder einmal erlebt, 900 Kilometer von seiner Heimat entfernt, dort gratulierte er seinem alten Mitstreiter André Dufraisse zum 94. Geburtstag: „Ah, sieh mal da, der Rolf, Gelbes Trikot 1968“, hätten einige Gäste gesagt. Auf seine Regenbogentrikots oder auf den Goldenen Dress der Spanien-Rundfahrt spreche ihn dagegen heute kaum noch jemand an. Auch diese Trophäen hat Wolfshohl im Übrigen noch beisammen und auf seinem Wohnzimmer-Kleiderständer verteilt. Die Tour 1968 beendete er nach einem Sturz in den Alpen, der Materialprobleme nach sich zog, auf Rang sechs.

Die Organisatoren der Tour de France 2019 bewiesen ein besonderes Gespür für die Historie ihrer Veranstaltung, als sie den 100. Geburtstag der Farbe Gelb bei der Tour mit einem weiteren Stichtag verknüpften: Dem 50. Jahrestag der ersten Gelb-Eroberung und des ersten Tour-Sieges von Eddy Merckx, dem erfolgreichsten Radsportler aller Zeiten, geboren, aufgewachsen und noch immer wohnhaft in der Nähe von Brüssel, wo die Tour aus diesem Anlass in jenem Sommer begann. Merckx, fünfmaliger Sieger der Frankreich-Rundfahrt, trug das Gelbe Trikot häufiger als alle anderen Teilnehmer. Es wurde ihm an 97 Tagen 111-mal verliehen, denn damals gab es noch Halb- und sogar Dritteletappen an einem Tag und die gelbe Auszeichnung wurde nach jedem Teilstück aufs Neue verteilt. In der belgischen Hauptstadt mit so viel Merckx-Bezug, hatten Gelbe-Trikot-Enthusiasten im Espace Wallonie, im Zentrum von Brüssel gelegen, 2019 zudem eine große Ausstellung zum doppelten Geburtstag organisiert.

Die Tour-Veranstalter wiederum haben 2019 bei der Siegerehrung jeden Tag ein speziell gestaltetes Leader-Trikot an ihre Nummer eins vergeben. Darauf waren besondere Gebäude zu sehen wie der Arc de Triomphe von Paris, Champions von einst oder neuralgische Tour-Orte. Ihr Bezugspunkt: Sie alle sind Teil der Legende des Rennens.

***

Das Gelbe Trikot hat sich zu einer Marke der Frankreich-Rundfahrt entwickelt und zu einem Markt für Geschichten, die ihre Besitzer produzieren, Geschichten von Stärke oder plötzlicher Schwäche, von Zwischenfällen oder Abenteuern. Das gilt in besonderem Maße für den Tour-Gewinner, der auf den Champs-Élysées von Paris nach der letzten gelben Siegerehrung der Tour in sein neues Leben als Champion verabschiedet wird. Und im Hintergrund grüßt still der Triumphbogen.

Eine Ausnahme bildet das Jahr 2024, im Juli war die Innenstadt von Paris wegen der Vorbereitungen auf die Olympischen Sommerspiele für das Tour-Finale gesperrt, der Gesamtsieger Tadej Pogačar erhielt seinen strahlenden Schmuck ausnahmsweise auf der Place Masséna im Zentrum Nizza. Pogačar erlebte dort eine Ode in Gelb vor dem Hintergrund aktivierter Wasserfontänen. Der Slowene erhielt auf dem Siegerpodium der Tour einen gelben Blumenstrauß, präsentierte dort sein gelb lackiertes Rad und jubelte der ihn feiernden Menge im Gelben Trikot zu, seiner großen Eroberung bei dieser 111. Auflage des größten Radrennens der Welt.

Für Eddy Merckx, Jahrgang 1945, ist das Maillot Jaune „ein Mythos. Bis zum heutigen Tag beneide ich jeden, der sich dieses Symbol überstreifen darf. Ich war damit sehr glücklich. Es ist ein fast übersinnliches Erlebnis, es zu tragen. Das meine ich damit, wenn ich vom Mythos des Gelben Trikots spreche. Ich liebe dieses Trikot. Für mich steht es für Erschöpfung und Leiden, aber auch für Siege und Glück. Das hängt alles zusammen.“ Von allen Trikots, die er getragen habe, „übte das Gelbe die größte Anziehungskraft auf mich aus. Für mich war das Maillot Jaune eine Trophäe, die ich von Anfang an unbedingt gewinnen musste. Damit wollte ich beweisen, dass ich auch bei der Tour der Boss im Feld war.“ Das war er in der Tat, die Tour jedenfalls gewann Merckx in Gelb zwischen 1969 und 1974 gleich fünf Mal, Rekord.

Zudem gefiel er sich in seinem bevorzugten Dress ausnehmend, schmunzelnd bekennt er: „Ich fand mich hübsch mit dem Gelben Trikot. Ich hatte schwarze Haare, es hat mir bestens gestanden. Ich war der Typ dafür, das Gelbe Trikot zu tragen.“ Viele Gelbe Trikots besitze er nicht mehr, sagt er im Gespräch, „vielleicht zwei oder drei“. Seine Frau Claudine ergänzt, dass die Familie Merckx einige dieser besonderen Kleidungsstücke für Wohltätigkeitszwecke abgegeben habe, andere an Sponsoren und Kinder – „und nach der Tour war es normal, sie an die Mannschaftskameraden zu verteilen oder an das Personal“. In seinem Besitz befindet sich allerdings auf jeden Fall noch ein Gelbes Trikot aus dem Jahr 1969, „das mit der Virlux-Werbung drauf“. Die Buttermarke war der erste Sponsor, der es auf das Maillot Jaune schaffte. Mit seinem ersten Tour-Sieg wurde „ein Kindheitstraum wahr“, weshalb das Trikot aus jenem Sommer für ihn eine besondere Bedeutung besitzt.6

Wie viele Gelbe Trikots Lance Armstrong noch besitzt, ist nicht bekannt. Der Texaner trat an 81 Tour-Tagen in jenem Dress an, nur Merckx kommt auf eine höhere Zahl an Ausflügen in Gelb. Doch letztlich war die Ära Armstrong eine große Täuschung. Er wurde als besonders perfider und überführter Doper aus den Siegerlisten der Tour entfernt. In der offiziellen Statistik des Gelben Trikots wird er nicht mehr geführt.

Der Doyen unter denen, die sich mit dem gelben Tour-Orden zeigen durften, ist Jacques Marinelli. Der 1925 geborene Franzose eroberte das Maillot Jaune 1949 für sechs Tage, die Tour beendete er auf Rang drei. In einem Buch des Tour-Historikers Serge Laget über das Gelbe Trikot erinnert sich Marinelli an seine Zeit als zwischenzeitliche Nummer Eins des Pelotons: „Das Trikot verlieh mir Flügel, bis dahin war ich ein Fahrer, der im Schatten fuhr.“7 Nach seiner Karriere eröffnete Marinelli eine Boutique, der er den Namen „Au Maillot Jaune“, zu Deutsch: Zum Gelben Trikot, gab. Marinellis Fahrt in Gelb begann im Anschluss an die sechste Etappe in Les Sables-d’Olonne in der Vendée an der Atlantikküste: „Nach dem Ruhetag dort erhielt ich 137 Telegramme und 154 Briefe von...

Erscheint lt. Verlag 2.11.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Sport Motor- / Rad- / Flugsport
Schlagworte Bike • Cycling • Fahrrad-Buch • Fahrrad-fahren • Fahrrad-Fan • Frankreich • gelbes-Trikot • Geschenk-Buch • Jan Ullrich • marcel kittel • Rad-rennen • Rad-sport • Radsport • Radsport-Buch • Rad-Touren • Rennrad • Rennrad fahren • Sach-buch • Sport-Buch • Sport-Geschichte • Sport-journalismus • Standard-Werk • Straßen-radrennen • tadej-pogacar • Tour de France 2024 • Welt-rekorde
ISBN-10 3-98588-075-1 / 3985880751
ISBN-13 978-3-98588-075-1 / 9783985880751
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