Im Garten der Gifte (eBook)
256 Seiten
mvg Verlag
978-3-96121-953-7 (ISBN)
Fez Inkwright ist Illustratorin, Autorin und Volkskundlerin. Ihre größten Leidenschaften sind Botanik, Natur, Urreligionen und Folklore, die den größten Teil ihrer Arbeit prägen. In den letzten Jahren hat sie Arbeiten für Kinderbücher, handgezeichnete Karten und Tattoo-Designs angefertigt und ist im Naturschutz aktiv. Sie lebt in Bristol mit zwei Katzen und mehreren Hundert Bienen.
Fez Inkwright ist Illustratorin, Autorin und Volkskundlerin. Ihre größten Leidenschaften sind Botanik, Natur, Urreligionen und Folklore, die den größten Teil ihrer Arbeit prägen. In den letzten Jahren hat sie Arbeiten für Kinderbücher, handgezeichnete Karten und Tattoo-Designs angefertigt und ist im Naturschutz aktiv. Sie lebt in Bristol mit zwei Katzen und mehreren Hundert Bienen.
Die Geschichte des Vergiftens
Lange bevor es Gewehre und Bomben gab und giftige chemische Elemente wie Arsen und Quecksilber in Mode kamen, entledigte man sich eines Problems am einfachsten dadurch, dass man sich das zunutze machte, was die Natur zu bieten hatte. Von Kleopatras giftigen Wespen bis hin zum Untergang Alexanders des Großen und des römischen Kaisers Augustus – die Natur hat ebenso viele tödliche Waffen bereitgestellt, wie der Mensch selbst konstruiert hat. Natürlich ist die Geschichte voll von Legenden über Kriege und Attentate, doch viele der faszinierendsten und denkwürdigsten Morde geschahen durch Vergiftungen. Die Kenntnis über das richtige Gift und die richtige Anwendungsmethode war in früheren Zeiten eine unschätzbare Fähigkeit, um sich eines lästigen Rivalen – oder sogar des Ehepartners oder der Eltern! – zu entledigen.
Wir Menschen sind seit jeher sehr geschickt in der Kunst des Mordens, vor allem, wenn es um das Streben nach Macht und Selbstbehauptung geht. In unserer frühen Geschichte finden sich immer wieder ungeklärte Fälle von Vergiftungen, einer davon sogar im Alten Testament der christlichen Bibel: der Tod des Hohepriesters Alkimos (angeblich durch einen Schlaganfall) im Jahr 159 vor Christus. Der Bericht über seinen Tod in der Septuaginta, der frühesten existierenden altgriechischen Übersetzung der Heiligen Schrift, zeigt die typischen Symptome eines Schlaganfalls: Zusammenbruch und Sprachverlust, gefolgt von einem schnellen Tod. Allerdings wird auch berichtet, dass der Hohepriester vor seinem Tod unter starken Schmerzen litt, was bei Schlaganfallpatient*innen ungewöhnlich ist, aber den Symptomen einer Eisenhutvergiftung verblüffend ähnlich ist. Der Eisenhut (Aconitum napellus) war seinerzeit eine weitverbreitete und leicht zu kultivierende Giftpflanze. Zudem hatte Alkimos kurz vor seinem Tod an Popularität eingebüßt, indem er den Bau des Tempels von Jerusalem genehmigte – ein Projekt, das von vielen in seinem Umfeld als Sakrileg angesehen wurde. Obwohl man immer noch davon ausgeht, dass sein Tod eine göttliche Strafe war, vermuten Wissenschaftler*innen inzwischen, dass sein frühes Ableben möglicherweise eher durch menschliches Eingreifen verursacht wurde.
Man muss bedenken, dass eine Vergiftung immer verdeckt und vorsätzlich erfolgt. Es ist ein Verbrechen, das nicht in einem Moment der Leidenschaft oder aus einem Impuls heraus begangen wird. Es ist ein Verbrechen, das geplant werden muss.
Richter William Windeyer, Central Criminal Court Sydney,
Zusammenfassung des Falls Dean, 6. April 1895
Eine der berühmtesten Vergiftungen in der Antike ist die des Sokrates im Jahr 399 vor Christus, bei der er mit Schierling hingerichtet wurde. Dem berühmten Philosophen warf man vor, die Jugend Athens zu verderben und sich zu weigern, die Götter des Staates anzuerkennen. Er und seine antidemokratischen Methoden sollen zwei seiner Schüler dazu gebracht haben, die athenische Regierung zu stürzen, was zu zwei kurzen, aber aufrührerischen Perioden führte, in denen Tausende von Bürgern aus der Stadt verbannt oder schnell hingerichtet wurden, um die demokratischen Gesetze der Stadt wiederherzustellen.
Nach einem hart umkämpften Prozess, der zwölf Stunden dauerte, wurde entschieden, dass Sokrates für seine Beteiligung an den Unruhen sterben musste – und zwar durch seine eigene Hand. Ihm wurde ein Schierlingsbecher gereicht, den er austrinken sollte, um der Wirkung zu erliegen.
Die beste Schilderung dieser Szene stammt von Platon, einem seiner Schüler, der Sokrates’ Tod und das Thema der Unsterblichkeit der Seele in seinem Dialog Phaidon sehr ausführlich behandelt hat:
Als nun Sokrates den Menschen sah [der ihm den Trank reichen sollte], sprach er: »Wohl, Bester, denn du verstehst es ja, wie muss man es machen?«
»Nichts weiter«, sagte er, »als wenn du getrunken hast, herumgeh’n, bis dir die Schenkel schwer werden, und dann dich niederlegen, so wird es schon wirken.« Damit reichte er dem Sokrates den Becher, und dieser nahm ihn.
[…]
Er [Sokrates] aber ging umher, und als er merkte, dass ihm die Schenkel schwer wurden, legte er sich gerade hin auf den Rücken, denn so hatte es ihn der Mensch geheißen. Darauf berührte ihn eben dieser, der ihm das Gift gegeben hatte, von Zeit zu Zeit, und untersuchte seine Füße und Schenkel. Dann drückte er ihm den Fuß stark und fragte, ob er es fühle; er sagte Nein. Und darauf die Knie, und so ging er immer höher hinauf und zeigte uns, wie er erkaltete und erstarrte. Darauf berührte er ihn noch einmal und sagte, wenn ihm das bis ans Herz käme, dann würde er hin sein.
Als ihm nun schon der Unterleib fast ganz kalt war, da enthüllte er sich, denn er lag verhüllt und sagte, und das waren seine letzten Worte: »O Kriton, wir sind dem Asklepios einen Hahn schuldig, entrichtet ihm den, und versäumt es ja nicht.«
»Das soll geschehen«, sagte Kriton, »sieh aber zu, ob du noch sonst etwas zu sagen hast.«
Als Kriton dies fragte, antwortete er aber nichts mehr, sondern bald darauf zuckte er, und der Mensch deckte ihn auf; da waren seine Augen gebrochen.
Als Kriton das sah, schloss er ihm Mund und Augen. Dies, o Echekrates, war das Ende unseres Freundes, des Mannes, der unserm Urteil nach, von den damaligen, mit denen wir es versucht haben, der trefflichste war, und auch sonst der vernünftigste und gerechteste.
Platon, Phaidon, in der Übersetzung
von Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher
Zu Sokrates’ Zeiten war das Vergiften ein weitverbreitetes Mittel, um einen politischen Gegner, einen ungewollten Ehepartner oder ein Stiefkind zu beseitigen, und wurde sogar eingesetzt, um einen älteren Elternteil zu töten und sich somit das Erbe vorzeitig zu sichern. Und da giftige Pflanzen wie Eisenhut, Herbstzeitlose, Bilsenkraut, Alraune, Nieswurz, Mohn und Eibe in den meisten Gärten zu finden waren oder wild wuchsen, war es nicht nur bequem, sondern auch billig und leicht zugänglich.
Der erste dokumentierte Fall einer Massenvergiftung in Rom ereignete sich im Jahr 331 vor Christus. Obwohl die große Zahl der Todesfälle zunächst als Folge einer Epidemie abgetan wurde, informierte eine Sklavin die zuständigen Beamten darüber, dass die Todesfälle auf Gifte zurückzuführen waren, die von römischen Frauen zubereitet und verabreicht worden waren. Bei der darauffolgenden Untersuchung wurden etwa 20 Matronen – meist wohlhabende Landbesitzerinnen – dabei überführt, wie sie Giftmischungen herstellten. Obwohl sie behaupteten, diese Mischungen seien harmlos, wurden sie gezwungen, sie zu trinken, um ihre Unschuld zu beweisen, und starben prompt. Bei späteren Untersuchungen wurden weitere 170 Personen des gleichen Vergehens für schuldig befunden und hingerichtet.2
Fast 150 Jahre später, im Jahr 184 vor Christus, kam es zu einem weiteren Fall von Massenvergiftung, der im Zusammenhang mit der Verehrung von Dionysos, dem griechischen Gott des Weins, des rituellen Wahnsinns und der religiösen Ekstase, stand. Die weiblichen Dionysos-Kultanhängerinnen waren als Mänaden bekannt und berauschten sich durch das Kauen von Efeublättern, die Wahnsinn und Raserei auslösen können. Dann zogen sie betrunken durch die Lande und griffen dabei gleichermaßen Tiere als auch Menschen an. Ein Ableger dieses Kults sorgte für so viel Ärger, dass der Prätor Quintus Naevius eine riesige Summe öffentlicher Gelder für eine viermonatige Untersuchung der Angelegenheit ausgab, die mit dem Prozess und der Hinrichtung von 2000 Menschen unter dem Hauptanklagepunkt der Vergiftung endete.3 Weitere Hinrichtungen wurden vier Jahre später im Jahr 180 vor Christus durchgeführt, als die Beamten versuchten, diese erhebliche Bedrohung der römischen Gesellschaft einzudämmen.
Im Jahr 82 vor Christus waren Vergiftungen in Rom so alltäglich geworden, dass der Feldherr und Staatsmann Sulla sie zu einem Kapitalverbrechen erklärte. Die Herstellung, der Kauf, der Verkauf, der Besitz oder die Weitergabe von Gift zum Zweck der Tötung wurde unter Androhung von Deportation und Konfiszierung des Eigentums verboten (obwohl die Beschaffung von Gift zur Schädlingsbekämpfung und für medizinische Zwecke weiterhin legal war). Da der Eisenhut eine so beliebte Gartenpflanze war – sowohl wegen seiner Schönheit als Blume als auch wegen seines praktischen Nutzens –, wurde er in diesen Gesetzen besonders erwähnt. Sullas Versuche scheinen jedoch nur wenig Einfluss auf die Beliebtheit der Pflanze gehabt zu haben, denn 81 Jahre später, im Jahr 1 vor Christus, stellte der damals populäre römische Satiriker Juvenal in einer Bemerkung über den moralischen Verfall der Elite fest, dass das Vergiften zum eigenen Vorteil und vor allem aus Gier zu einer Art Statussymbol geworden war.
Giftmord spielt in der Geschichte der römischen Kaiser und dem stürmischen Aufstieg und Fall ihres Reiches eine große Rolle. Eine berühmte politische Akteurin war Lucusta, eine berüchtigte Giftmörderin, die für die Ermordung zahlreicher hochrangiger Personen verantwortlich war, darunter auch Kaiser Claudius, der 54 nach Christus durch vergiftete Pilze starb.
Lucusta war eine Gallierin, die zusammen mit Canidia und Martina zu einem berüchtigten Trio von Giftmischerinnen und Zauberinnen gehörte. Solche Giftmischer*innen oder Gifthersteller*innen bezeichnete man als Veneficus oder Venefica. Über Lucustas frühes Leben ist nicht viel bekannt, man weiß allerdings, dass sie mit einem tödlichen Wissen über Pflanzenkunde nach Rom kam und Schierling, Fingerhut, Nachtschatten und Opium in ihrem Arsenal hatte. Sie testete ihre Extrakte an Tieren und verfeinerte sie mit tödlicher...
Erscheint lt. Verlag | 17.11.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Garten |
Schlagworte | Botanik • Gartenbuch • Gartenkunde • Gärtnern mit Vorsicht • gefährliche Pflanzen • Giftige Pflanzen • Grüne Magie • Hexen • Hexenzauber • Pflanzenbiologie • Pflanzengifte • Pflanzenheilkunde • Pflanzenlexikon • Toxische Flora |
ISBN-10 | 3-96121-953-2 / 3961219532 |
ISBN-13 | 978-3-96121-953-7 / 9783961219537 |
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