Was im Bett geschah (eBook)
269 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-962298-9 (ISBN)
Nadia Durrani, geb. 1975, ist Archäologin und Expertin für den Nahen Osten. Sie war Herausgeberin des britischen Magazins Current World Archaeology. Brian Fagan, geb. 1936, ist international renommierter Archäologe und Professor Emeritus of Anthropology an der University of California, Santa Barbara. Beide haben, auch gemeinsam, zahlreiche Studien und Sachbücher veröffentlicht. Holger Hanowell, geb. 1969, ist freier Übersetzer von Sachbüchern und Belletristik.
Nadia Durrani, geb. 1975, ist Archäologin und Expertin für den Nahen Osten. Sie war Herausgeberin des britischen Magazins Current World Archaeology. Brian Fagan, geb. 1936, ist international renommierter Archäologe und Professor Emeritus of Anthropology an der University of California, Santa Barbara. Beide haben, auch gemeinsam, zahlreiche Studien und Sachbücher veröffentlicht. Holger Hanowell, geb. 1969, ist freier Übersetzer von Sachbüchern und Belletristik.
Einleitung
Wie Groucho Marx einst im Scherz sagte: »Alles, was man nicht im Bett tun kann, braucht man gar nicht erst anzufangen.« Vermutlich hatte er recht, da der Mensch im Laufe der Zeit fast alles im Bett getan hat. Für die alten Ägypter stellte das Bett eine bedeutende Verbindung zum Leben nach dem Tod dar, in Shakespeares Zeit war es ein Ort für geselliges Beisammensein und während des Zweiten Weltkriegs regierte Winston Churchill Großbritannien vom Bett aus.
Aber heutzutage hat man das Bett in eine dunkle Ecke verbannt. Schlaftherapeuten erzählen uns, das Bett müsse allein dem Schlaf und dem Sex vorbehalten sein. Vielleicht liegt es an diesem ›privaten‹ Status, dass die meisten modernen Historiker und Archäologen es nicht beachten. Erstaunlich wenig ist über die Geschichte des Betts geschrieben worden oder über die vielen Rollen, die es in unserem Leben gespielt hat. Dabei hat das Bett, in dem wir immerhin ein Drittel unseres Lebens verbringen, großartige Geschichten zu bieten. Was unsere Vorfahren im Bett machten, umfasste alles von der Empfängnis bis zum Tod, und vieles dazwischen. Angesichts der zahllosen Möglichkeiten, wie man ein solches Buch schreiben könnte, haben wir beschlossen, unsere Betten thematisch aneinanderzureihen. Wir haben die besten Bettgeschichten ausgesucht, um einen neuen horizontalen historischen Überblick über all das bieten zu können, was im Bett geschah.
Sex, Geburt, Tod, Speisen, Herrschen, Pläneschmieden, Fürchten, Träumen: Die Bühne des Schlafzimmers hat Künstler in vielerlei Hinsicht inspiriert. Ein wiederkehrendes Motiv im mittelalterlichen Europa sind die drei Weisen aus dem Morgenland, die offensichtlich unbekleidet zusammen im Bett liegen und mit der göttlichen Offenbarung gesegnet werden. Viele Künstler aus besseren Kreisen des 18. Jahrhunderts richteten ihr Augenmerk lieber auf nackte Frauen, die ermattet auf zerwühlten Laken lagen, vielleicht hilflos in der Gewalt von Entführern oder exotischen Tieren, wie die junge Frau auf Johann Heinrich Füsslis Gemälde Der Nachtmahr (1781). Als der französische Künstler Jacques-Louis David 1787 Sokrates auf dem Totenbett malte, stellte er den 70-jährigen Philosophen quicklebendig und muskulös dar – die Verkörperung des gerechtfertigten Widerstands gegen ungerechte Herrschaft am Vorabend der Französischen Revolution. Dann wiederum gab es Darstellungen von leeren Holzbetten, wie etwa van Goghs entwaffnendes, blutrotes Bett auf dem Gemälde Schlafzimmer in Arles (1888) und Robert Rauschenbergs Bett (1955), dessen Steppdecke er mit Nagellack, Zahnpasta und Farbe gemalt hatte. In jüngerer Zeit hat die Installationskünstlerin Chiharu Shiota komplexe, beinahe transzendentale Bilderwelten rund um das Bett geschaffen, wie etwa Während des Schlafs (2002): In Krankenhausbetten liegen schlafende Frauen in weißen Nachthemden, damit verwoben werden Assoziationen von Frauenleiden, weiblicher Schwäche und Frauen in der Mythologie.
Die vielleicht berühmteste Darstellung eines Betts ist Mein Bett (1998) der britischen Künstlerin Tracey Emin. Beflügelt von einer Eingebung stellte Emin ihr zerwühltes, unordentliches Bett nach einer Trennung zur Schau, umgeben von blutverschmierter Unterwäsche, leeren Flaschen, Zigarettenkippen und benutzten Kondomen. Mein Bett löste eine wahre Flut von Häme aus – nicht nur, weil die Leute in Frage stellten, ob das überhaupt noch ›Kunst‹ sei, sondern gerade weil das Bett heutzutage als privater Ort gilt, der in feiner Gesellschaft weder diskutiert noch gezeigt werden sollte. Doch diese Haltung ist jüngeren Ursprungs. In der Frühmoderne, die die Historikerin Carole Shammas scherzhaft das Zeitalter des Betts taufte, wurde die Schlafstatt häufig für jedermann sichtbar in der guten Stube zur Schau gestellt, war sie doch das teuerste und wertvollste Möbelstück, das sich eine Familie zulegen konnte. Aber unsere Obsession mit Betten reicht noch viel weiter zurück.
Wie die Betten unserer frühesten Vorfahren ausgesehen haben, wissen wir nicht. Sie lebten in von Raubtieren bewohnten Gegenden im Herzen Afrikas und schliefen zunächst auf Bäumen, ehe sie sich im Lauf der Zeit in Felsunterkünfte und Höhlen, aber auch in offene Lager zurückzogen, wo sie an großen Feuern eng zusammenrückten. Aber wie konnten sich unsere Vorfahren nachts vor lauernden Tieren schützen? Seit sich der Mensch das Feuer zunutze gemacht hatte, bot es nicht nur Wärme und Aussicht auf gekochte Nahrung, sondern schützte auch die Orte, an denen sich Menschen nach Einbruch der Dämmerung zusammenfanden und schliefen. In der Dunkelheit urzeitlicher Landschaften, durch die nachts große Raubtiere streiften, spendete das Feuer Licht und Sicherheit. Man kann sich gut vorstellen, wie sich eine Gruppe Jäger um ein prasselndes Feuer schart, und die Flammen in die Dunkelheit züngeln. Ab und zu leuchten im Zwielicht die Augen von Tieren auf, die auf Beute aus sind oder mit den Knochen vorliebnehmen, die die Urzeitmenschen am Feuer weggeworfen haben. Nach Einbruch der Dunkelheit spielte sich das menschliche Leben um die Herdstatt und im Schutz der Felsen ab.
Die ältesten bekannten Betten stammen aus einer Höhle in Südafrika. Vor etwa 70 000 Jahren hatte der Homo sapiens sie in den felsigen Boden gehauen. Interessanterweise bezeichnet die urgermanische Wurzel des Wortes ›Bett‹ ›eine in den Boden gegrabene Lagerstätte‹ bzw. den ›Boden, auf dem man ausruht‹. Ziemlich passend, nicht nur, weil bei den Betten der Frühzeit der Aspekt des Grabens deutlich wird, sondern auch, weil das Bett immer schon ein Ort des Ruhens war, auch wenn es noch vielen anderen Zwecken diente.
In unseren gut geheizten Häusern der Neuzeit vergessen wir oft, wie verletzlich und ihrer Umgebung ausgeliefert unsere Vorfahren in der freien Natur waren, aber wie und wo man schlief, war schon immer entscheidend im Hinblick auf Wärme und Schutz. In den frostigen Klimazonen der letzten Kaltzeit oder der kanadischen Arktis zogen sich die Menschen noch vor 200 Jahren ins Bett zurück, sobald die Temperaturen merklich abfielen und die Tage kürzer wurden; sie überwinterten buchstäblich unter stapelweise Fellen und Pelzen. Vor 4000 Jahren verbrachten Schlafende in ihren Winterunterkünften am Independence-Fjord auf der Baffin-Insel die dunklen Monate in einem Zustand des Halbschlafs, sie lagen eng beieinander unter dicken, warmen Häuten von Moschusochsen, mit Nahrung und Brennmaterial in Reichweite.
Heutzutage schlafen Millionen von Menschen immer noch auf dem Boden oder auf Beton- bzw. Holzfußböden, eingehüllt in Decken oder Felle oder mit mehreren Schichten Kleidung am Leib. Aber im Zuge der aufstrebenden Zivilisationen vor über 5000 Jahren gelangten auch die Betten auf eine höhere Ebene – insbesondere bei den Eliten. Im trockenen Klima Ägyptens sind solche erhöhten Ruhestätten aus der Zeit der Pharaonen erhalten geblieben. Zur Zeit von Tutanchamun, etwa Mitte des 14. Jahrhunderts v. Chr., hatte sich bereits die grundlegende Gestalt des Betts entwickelt, wie wir sie heute kennen, wobei die Liegen am Kopfende etwas höher waren und unten ein Fußbrett angebracht war, damit der Schlafende nicht abrutschte. Zunächst scheint es nicht viele Möglichkeiten zu geben, wie eine solche Plattform zum Schlafen aussehen könnte, aber je tiefer wir graben, desto mehr tut sich auf. Es gab Schrankbetten und Hängematten, niedrige Wasserbetten und Hochbetten, knapp fünf Meter über dem Fußboden. Dennoch hat sich die grundsätzlich rechteckige Form der Schlafstatt im Verlauf der letzten 5000 Jahre erstaunlich wenig verändert. Selbst Matratzen haben sich über die Jahrtausende nicht sehr verändert. Gras, Heu und Stroh, das in Säcke oder Leinentaschen gestopft wurde, diente jahrhundertelang als Basismatratze. Wer es sich leisten konnte, schlief auf mehreren Schichten, um dem Ungeziefer des Füllmaterials und dem stachligen Stroh zu entgehen. Ausgeklügelte technische Hilfsmittel, die das Einschlafen fördern oder überhaupt Schlaf ermöglichen sollen, sind erst im 21. Jahrhundert entstanden, samt allerhand Tricks und Scharlatanerie, um Schlaflosigkeit zu bekämpfen.
Zum Schlaf und zur Entwicklungsgeschichte des Schlafs wurde viel Forschung betrieben, speziell erforscht hat man Schlafmuster wie den polyphasischen bzw. mehrphasigen Schlaf, der offenbar weitverbreitet war, bevor das...
Erscheint lt. Verlag | 19.7.2024 |
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Übersetzer | Holger Hanowell |
Zusatzinfo | 16 s/w-Abbildungen |
Verlagsort | Ditzingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Allgemeines / Lexika |
Schlagworte | Altes Ägypten • Antike • Antikes Rom • Bedeutung Bed-ins • Bed-In • Bett • Betten der Zukunft • Bettgeburt • Bett Konzept verschiedene Länder • Bett Öffentlicher Ort • Bett Ort der Begegnung • Bett Ort der Geschichte • Bett Privater Rückzugsort • Bett von Steinzeit bis heute • China • Das Königliche Bett • Der Schlaf im Spiegel der Zeit • Dschungel • Entwicklung des Betts • Erhöht schlafen • Europäische Vorlieben • Feldbett • Freigestellte Betten • Geschichte • Geschichte Bed-ins • Geschichte Bett Europäische Vorlieben • Geschichte Das öffentliche Schlafgemach • Geschichte der Bettgeburt • Geschichte des Betts • Geschichte des Schlafens • Geschichte des Sterbebetts • Geschichte Freigelegte Betten • Geschichte im Bett • Gesellschaftsgeschichte • Gesundheit • Getrennte Betten • Griechische Gesellschaft • Historie • Historie des Betts • Historie des Schlafens • Industrialisierung • Industrialisierung des Schlafs • Industrielle Revolution • Jungsteinzeit • Kamasutra • Kastenbett • Konzept • Kulturgeschichte • Kulturgeschichte des Betts • Kulturgeschichte des Schlafs • Kulturkreis • Majestätische Betten • Matratzen • Medikamente • Mesopotamien • Mittelalter • Möbelstücke • Murphy-Bett • Niedrig schlafen • Öffentlicher Ort • Ort der Begegnung • Ort der Geschichte • Privat • Privater Rückzugsort • Profan • Psyche • Psychologie • Rechtsprechung • Rechtsprechung vom Bett • Regieren im Bett • Reisebett • Römische Gesellschaft • Schlafen • Schlafen bei den Urahnen • Schlafen im Alten Ägypten • Schlafen im Alten China • Schlafen im alten Mesopotamien • Schlafen im Antiken Rom • Schlafen im Dschungel • Schlafen im Mittelalter • Schlafen in der Antike • Schlafen Jungsteinzeit • Schlafforschung • Schlafforschung Entwicklung • Schlafforschung Geschichte • Schlafforschung Psychologie • Schlafgemach • Schlafgeschichte • Schlafgeschichte Altes Ägypten • Schlafgeschichte Bed-in • Schlafgeschichte Bettgeburt • Schlafgeschichte China • Schlafgeschichte Das Königliche Bett • Schlafgeschichte Dschungel • Schlafgeschichte Erhöht schlafen • Schlafgeschichte Europäische Vorlieben • Schlafgeschichte Feldbett • Schlafgeschichte Gesundheit • Schlafgeschichte Getrennte Betten • Schlafgeschichte Griechische Gesellschaft • Schlafgeschichte Industrielle Revolution • Schlafgeschichte Kamasutra • Schlafgeschichte Kastenbett • Schlafgeschichte Kulturkreis • Schlafgeschichte Majestätische Betten • Schlafgeschichte Matratzen • Schlafgeschichte Medikamente • Schlafgeschichte Mittelalter • Schlafgeschichte Möbelstücke • Schlafgeschichte Murphy-Bett • Schlafgeschichte Niedrig schlafen • Schlafgeschichte Privater Rückzugsort • Schlafgeschichte Privatsphäre • Schlafgeschichte Profan • Schlafgeschichte Psyche • Schlafgeschichte Psychologie • Schlafgeschichte Reisebett • Schlafgeschichte Römische Gesellschaft • Schlafgeschichte Schlafgemach • Schlafgeschichte Schlafindustrie • Schlafgeschichte Schlafmedikamente • Schlafgeschichte Schlafmittel • Schlafgeschichte Schlafnetz • Schlafgeschichte Sexualität • Schlafgeschichte Standesgemäßes Schlafen • Schlafgeschichte Strohlager • Schlafgeschichte Strohsack • Schlafgeschichte Tief schlafen • Schlafgeschichte Ungeziefer • Schlafgeschichte Viktorianisches England • Schlafindustrie • Schlafmedikamente • Schlafmittel • Schlafnetz • Schlafstätte • Sexualität • Sozialgeschichte • standesgemäß • Sterbebett • Strohlager • Strohsack • tief schlafen • Ungeziefer • Urahnen • Viktorianische England • Wasserbett • Weltgeschichte • Wissenschaft des Schlafs |
ISBN-10 | 3-15-962298-3 / 3159622983 |
ISBN-13 | 978-3-15-962298-9 / 9783159622989 |
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