Sport trifft Gehirn - Neuronales Training für kleine Köpfe (eBook)
200 Seiten
Meyer & Meyer (Verlag)
978-3-8403-3868-7 (ISBN)
Astrid Buscher studierte Sportökonomie in Bayreuth und ist spezialisiert auf die sensomotorische Entwicklung von Kindern. Sie ist zertifizierte Dozentin der Gleichgewichtsprogramme nach Dorothea Beigel, Z-Health Trainerin und leitet das ARTZT Institut der Ludwig Artzt GmbH. Sie ist Autorin verschiedener Fachartikel im Bereich Sensomotorik und der Bücher Spielerisch Fit (hofmann Verlag) und Power Moves für fitte Kids (Meyer & Meyer Verlag). Darüber hinaus coacht sie Kinder mit Lernschwierigkeiten im Schlaukopf-Institut für systemisches Lernen. Kevin Grafen ist studierter Sportwissenschaftler, Autor und auf angewandte Neurologie spezialisiert. Als sportwissenschaftlicher Leiter eines Gesundheitszentrums und als einer der weltweit wenigen Master Trainer von Z-Health® Performance arbeitet er mit Patienten im therapeutischen und rehabilitativen Bereich und trainiert mit Leistungssportlern aus verschiedenen Sportarten. Deutschlandweit bildet er Physiotherapeuten, Trainer und Coaches im Bereich des neurozentrierten Trainings aus.
Astrid Buscher studierte Sportökonomie in Bayreuth und ist spezialisiert auf die sensomotorische Entwicklung von Kindern. Sie ist zertifizierte Dozentin der Gleichgewichtsprogramme nach Dorothea Beigel, Z-Health Trainerin und leitet das ARTZT Institut der Ludwig Artzt GmbH. Sie ist Autorin verschiedener Fachartikel im Bereich Sensomotorik und der Bücher Spielerisch Fit (hofmann Verlag) und Power Moves für fitte Kids (Meyer & Meyer Verlag). Darüber hinaus coacht sie Kinder mit Lernschwierigkeiten im Schlaukopf-Institut für systemisches Lernen. Kevin Grafen ist studierter Sportwissenschaftler, Autor und auf angewandte Neurologie spezialisiert. Als sportwissenschaftlicher Leiter eines Gesundheitszentrums und als einer der weltweit wenigen Master Trainer von Z-Health® Performance arbeitet er mit Patienten im therapeutischen und rehabilitativen Bereich und trainiert mit Leistungssportlern aus verschiedenen Sportarten. Deutschlandweit bildet er Physiotherapeuten, Trainer und Coaches im Bereich des neurozentrierten Trainings aus.
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FRÜHKINDLICHE ENTWICKLUNG
Im Gegensatz zu vielen Tierarten verfügt der Mensch bei seiner Geburt zwar über alle notwendigen Anlagen im Gehirn, aber seine Funktionalität ist – was Denken, Sehen, Hören und Bewegen angeht – noch ziemlich primitiv. Die Entwicklung der Hirnstrukturen und auch deren Funktion erfolgt zwar nach einem genetisch festgelegten Bauplan, aber am Ende entscheidet die Umwelt, also epigenetische Faktoren, über Qualität und flexible Nutzbarkeit der Funktion.
Dabei bedient sich die Natur des Grundsatzes „vom Einfachen zum Komplexen“. Ein Baby verfügt bei der Geburt über ein enormes Potenzial an Synapsen und Nervenzellen. Diese entfalten aber erst ihre Funktionsfähigkeit mit der Vernetzung mit anderen Nervenzellen. Dies geschieht durch Aktivierung oder, anders ausgedrückt, durch Sinneswahrnehmung und körperliche Aktivität in Form von permanenter Nutzung.
Ein gesunder Säugling bzw. ein gesundes Kleinkind macht dies ganz eigenständig, wenn wir es zulassen und die passenden Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört eine abwechslungsreiche Umgebung, Raum für Bewegung und, ganz besonders wichtig, die Interaktion mit Bezugspersonen, wie Eltern, Großeltern und Geschwistern (Eliot, 2012).
Laut Emmi Pikler (5. Auflage 2018, S. 17) lernt der Säugling nicht nur, „sich auf den Bauch zu drehen, nicht nur das Rollen, Kriechen, Sitzen, Stehen oder Gehen, sondern er lernt auch das Lernen. Er lernt, sich selbstständig mit etwas zu beschäftigen, an etwas Interesse zu finden, zu probieren, zu experimentieren. Er lernt, Schwierigkeiten zu überwinden. Er lernt Freude und Zufriedenheit kennen, die der Erfolg – das Resultat seiner geduldigen, selbstständigen Ausdauer – für ihn bedeutet.“
Dieses Lernen kann aber nur erfolgen, wenn der Säugling – und später das Kind – ausreichend Gelegenheit und Zeit erhält, Dinge auszuprobieren. Den ersten beiden Lebensjahren sollte dabei besonders viel Aufmerksamkeit und Beachtung geschenkt werden.
1.1DAS WICHTIGE ERSTE LEBENSJAHR
Im ersten Lebensjahr besteht Lernen vor allem in der Bewegungsentwicklung und der Entwicklung der Sinne. Dies erfolgt, wie Spitzer und Herschkowitz (2022) schreiben, vorwiegend durch den Hirnstamm. Frühkindliche Reflexmuster ermöglichen in dieser Zeit die Ansteuerung von Muskelgruppen und können als eine Art unwillkürlicher Trainingsreiz für die Reifung von Motoneuronen und somit die spätere Willkürmotorik gesehen werden.
Dabei hat jedes Kind seinen eigenen, individuellen Zeitplan im Entwicklungs-prozess. Abweichungen vom „normalen“, ärztlich und wissenschaftlich vorgegebenen Entwicklungsprozess sind völlig normal. Allerdings gibt es abweichende Muster, von denen bekannt ist, dass sie im weiteren Reifungsprozess zu Problemen führen können.
Ein besonderes Augenmerk sollte daher im ersten Lebensjahr auf den neuromotorischen Aufrichtungsprozess gelegt werden. Hierunter ist die selbstständige Aufrichtung des Säuglings gegen die Schwerkraft, aus der liegenden Position in den Stand, zu verstehen, die mit der Geburt beginnt.
Abb. 1: Neuromotorischer AufrichtungsprozessDurchläuft das klinisch gesunde Kleinkind diesen Prozess ohne Störungen und mit eigenständiger Erarbeitung der einzelnen Phasen, erfolgt meistens auch die weitere Entwicklung ohne Abweichungen. Im Rahmen dieses Aufrichtungsprozesses erlernt und trainiert das Kind auch seine Sinneswahrnehmung – Sehen, Gleichgewicht und Eigenwahrnehmung – und ein ausgeglichener Muskeltonus entwickelt sich.
Das Kind schafft die Grundlagen für eine weitere, gute kindliche Entwicklung. Die anfänglich noch primitiven, subkortikalen (Hirn-)Funktionen reifen und die Vernetzung mit den kortikalen Strukturen nimmt zu. Gleichzeitig nehmen frühkindliche Reaktionen und Reflexmuster, die das anfängliche Überleben sichern, ab.
1.2ABWEICHUNGEN IN DER ENTWICKLUNG
Abweichungen in der neuromotorischen Aufrichtung, die laut Beobachtungen aus der Praxis in der weiteren Entwicklung zu Problemen in der Motorik, Sensorik und Leistungsfähigkeit führen können, sind beispielsweise:
Dritter bis vierter Monat: Unreifer Ellbogen-Becken-Stütz und abweichende Hand-Mund-Koordination
In dieser Phase werden durch permanente Bewegungswiederholungen insbesondere die Muskeln im oberen Rumpf und im Hals-Nacken-Bereich trainiert. Nach regelmäßigem Training in den ersten drei Monaten, kann der Kopf in einer stabilen Mittelstellung gehalten werden. Der Unterarmstütz führt zu einer Öffnung und Ausreifung des Schultergelenks sowie zur Stärkung der Nacken-Schulter-Muskulatur.
Die Hände sind geöffnet. Dies bildet bereits die Grundlage für eine freie Schulterbeweglichkeit und eine gute Kraftübertragung für spätere grafomotorische Fertigkeiten wie Stifthaltung und lockere Linienführung. Durch den Beckenstütz und den damit verbundenen sensorischen Reiz auf den Unterbauch werden Verdauung und Darmreifung reguliert.
Die Extension der Wirbelsäule und die Abduktion der Hüfte werden ebenso trainiert wie die Aufrichtung der Hüfte, welche die Grundlage für späteres aufrechtes Sitzen bildet. Durch die freie Kopfbeweglichkeit werden Augenbewegungen wie isolierte Augenfolgebewegungen, Konvergenz und Divergenz trainiert und das beidäugige Sehen entwickelt sich.
Eine beispielsweise durch den Geburtsvorgang hervorgerufene geringe Kopfbeweglichkeit und Verspannungen im Nackenbereich können hier bereits zu einer eingeschränkten Blickmotorik mit ziellosen Augensprüngen und eingeschränktem beidäugigen Sehen führen.
Das Zusammenführen der Hände vor dem Gesicht und das Zusammenspiel der Füße in Bauch- und Rückenlage trainiert die Außenrotation der Beine, das Zusammenspiel der Sensomotorik sowie einen ausgewogenen Muskeltonus und damit eine physiologische Festlegung der Mittellinie des Körpers.
Fünfter bis siebter Monat: Unreifes Auge-Hand-Mund-Fuß-Zusammenspiel und abweichender Hand-Becken-Stütz
In dieser Phase werden insbesondere die tief liegende Wirbelsäulenmuskulatur, die Aufrichtung des Becken- und Schultergürtels sowie die Stützkraft der Hand trainiert. Unreifen in diesem Bereich können mit geringer Körperspannung, Beckenfehlstellungen sowie Bein- und Fußfehlstellungen einhergehen.
Eine gute Vorbereitung für das Krabbeln und das spätere Sitzen und Gehen ist so nicht gegeben. Zudem können sich weitere unphysiologische Tonusmuster mit Verspannungen im Nacken, eingeschränkter Atmung und geringer Fingerdifferenzierung entwickeln.
Achter bis zehnter Monat: Drehen, Langsitz und Krabbeln
Diese Phase ist gekennzeichnet durch ein Training der diagonalen Muskelzüge sowie des koordinierten Zusammenspiels der rechten und linken Körperseite. Das freie Sitzen erfordert ein Zusammenspiel von Motorik, Propriozeption und Gleichgewicht und stärkt die Rückenmuskulatur bei freier Arm- und Kopfbeweglichkeit. Dies sind alles wichtige Voraussetzungen für die weitere physiologische Entwicklung und das spätere Lernen.
An dieser Stelle ist deutlich zu sehen, dass Abweichungen in der motorischen Entwicklung immer auch Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem haben, das heißt, die Reifung weiterer Körper- und Hirnfunktionen verläuft ebenfalls abweichend (Bein-Wierzbinski, Gehring, Knopp & Sepke, 2011).
Die Autoren möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die oben genannten Auffälligkeiten nicht überbewertet werden sollten. Wie so oft ist hier ein aufmerksames Beobachten und Begleiten der kindlichen Entwicklung eine gute Wahl. Alle Eltern, Großeltern und Erzieher begleiten und fördern die Kinder in bester Absicht. Wichtig ist es uns aber, auf mögliche Anzeichen von Unreifen hinzuweisen, denn nur, was man weiß, kann man auch beobachten und bei Bedarf mit Ärzten oder Therapeuten besprechen.
Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Ein Kind, welches beim Erlernen von Lesen und Schreiben Probleme hat, weil die Augen – trotz überprüfter Sehschärfe – kein klares Bild von den Buchstaben erzeugen, wird auf die Frage:
„Bewegen sich die Buchstaben oder werden diese immer wieder unklar?“, mit Ja antworten. Voraussetzung ist, dass wir diese Frage stellen.
Wenn den Bezugspersonen diese Möglichkeit nicht bekannt ist, werden sie diese Frage nicht stellen und sich weiterhin wundern, warum das Kind Probleme beim Lesen und Schreiben hat. Ein intensives Üben und Wiederholen der Buchstaben wird hier in der Regel keine grundlegende Verbesserung bringen.
1.3URSACHEN UND SYMPTOME
Ursachen für Entwicklungsverzögerungen können vielfältiger Natur sein. Neben organischen Störungen, die immer in die Hand von Ärzten gehören, sind in den letzten Jahren immer mehr Störungen zu beobachten, die bei organisch völlig gesunden Kindern mit normaler bis überdurchschnittlicher Intelligenz auftreten.
Diese Kinder zeigen Funktionsdefizite mit zum Teil aktiven Reflexmustern und haben Probleme mit der Informationsaufnahme und -verarbeitung (Forschungsinitiative ESF, 2017).
Die zutage tretenden Symptome reichen von...
Erscheint lt. Verlag | 11.3.2024 |
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Verlagsort | Aachen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Entspannung / Meditation / Yoga |
Schlagworte | Alltag • Gehirn • gesunde Kindheit • Glücklich • Kindheit • Mobbing • Nervensystem • neuroübungen • Probleme • Schule • Sport • Training |
ISBN-10 | 3-8403-3868-9 / 3840338689 |
ISBN-13 | 978-3-8403-3868-7 / 9783840338687 |
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