Land zwischen Venn und Schneifel (eBook)
576 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-4455-8 (ISBN)
Hans-Josef Schad, 1935-2020, war von 1959 bis zu seiner Pensionierung Volks- bzw. Grundschullehrer in Auw bei Prüm mit einem großen Faible für Regionalgeschichte, der regelmäßig Beiträge zur Heimatforschung veröffentlichte. Zu seinen herausragendsten Arbeiten zählt die Aufklärung des historischen Kriminalfalls Michael Campensis, eines Pastors, der 1627 in Auw als Hexer verbrannt wurde. Für seine Verdienste um die grenzüberschreitende Heimatkunde wurde Schad 2011 im belgischen St. Vith mit dem Hecking-Schild ausgezeichnet.
Ein persönliches Vorwort
Von Gisela Rau geb. Schad und Paul Schad
Als unser Vater Hans-Josef Schad im Juli 2020 verstarb, hinterließ er eine klaffende Lücke in unserer Familie, einen Hohlraum, der sich weigerte, mit irgendetwas wieder aufgefüllt zu werden. Dieses Gefühl der plötzlichen Leere kennen wohl alle, die einen zentralen Menschen verloren haben. Zunächst wurde es noch etwas zur Seite gedrängt durch die Sorge um unsere Mutter Gisela, die den Tod ihres „Sepp“, wie er seit Studienzeiten unter Freunden hieß, nicht verwinden konnte und ihm nur kurze Zeit später, am 13. Mai 2022, nachfolgte.
Nun ging es für uns Kinder ans Sichten und Sortieren des umfangreichen Nachlasses – eine Aufgabe, die uns zunächst angesichts ihrer scheinbaren Unüberwindlichkeit geradezu lähmte. Dabei kam uns irgendwann ein Prinzip in den Sinn, das unser Vater oft zitiert hat – der „Horror vacui“, sprich die Angst vor der Leere und das Bestreben, jeglichen entstehenden Leerraum alsbald mit etwas Neuem aufzufüllen. Das gilt für die Natur, aber auch für die Kunst- und Kulturgeschichte der Menschheit. Wie oft hat er vom „horror vacui“ gesprochen, wenn es um eins seiner Lieblingsthemen ging: die Kulturkontinuität über die Zeiten hinweg. Nie war eine Kultur oder Herrschaft an Tag und Jahr xy zu Ende und danach kam eine andere – die Römer füllten die Leerstellen der verschwundenen germanischen Götter ganz elegant mit ihren Göttern, die sie wiederum zum Teil von den alten Griechen beerbt hatten; heidnische Kultplätze wurden zu Tempeln, Tempel wurden zu Kirchen und so weiter. „Et hätt noch ömmer wiggerjange,“ würde man bei uns sagen. Dieses Weiterleben alter Elemente im Neuen, das Aufgehen in etwas anderem und dabei gleichzeitig Erinnern an das Alte, war etwas, das ihn an der Geschichte und insbesondere an der Regionalgeschichte besonders faszinierte.
So schien es uns nur logisch, unseren persönlichen „horror vacui“, der durch den Verlust unserer Eltern entstanden war, ebenfalls mit etwas aufzufüllen, das sich rund und richtig anfühlen und Bestand haben sollte, den wir konnten aus schieren Platzgründen unmöglich alle Möbelstücke, alle Bücher und alle Bilder in unsere eigenen Häuser stellen (auch wenn wir es bestmöglich versuchten, was bei unseren jeweiligen Partnern zu manch hochgezogener Augenbraue führte). Eins sollte aber bleiben: Die Gedankenwelt, das geistige Erbe. Im Fall unserer Eltern war es unübersehbar ihr ungeheures Interesse und produktives Engagement in der Regionalgeschichte, das hervorstach und nach Sortierung und Bewahrung verlangte. So fanden also nach und nach die zahlreichen Artikel, über Jahrzehnte erschienen in den verschiedenen Jahrbüchern und den heimatkundlichen Zeitschriften „Zwischen Venn und Schneifel“ und „Prümer Landbote“, ihren Weg aus den Kartons ins Licht, wurden gesichtet, (wieder)gelesen, geordnet und gescannt, um letztendlich in diesem Buch zu landen.
Heimatkunde, das klingt für manchen vielleicht so ein wenig verstaubt provinziell, so klein-klein, nach Modelleisenbahn und Traditionsverein. Für unsere Eltern und insbesondere unseren Vater war es etwas ganz anderes und viel mehr als das. Wenn wir uns an eine seiner Eigenschaften erinnern sollten, die besonders hervorstach, dann zählen dazu sicherlich seine große Neugierde und sein Forscherdrang, die Dinge um sich herum zu erkunden. Er gab sich fast nie mit einer Erklärung oder Information „Das ist so und so“ zufrieden, sondern fragte sogleich: „Interessant! Warum? Und wo gibt es dazu Parallelen?“ Das war auch im Fall der Orts- und Heimatgeschichte der Fall. Es war typisch für ihn, dass ihm bei der Bekanntschaft mit dem Ortsnamen Auw, wo er 1959 an der damaligen Volksschule die Lehrerstelle zusammen mit seiner Frau Gisela antrat, so gut wie als erstes auffiel, wie merkwürdig es doch sei, dass ein Ort mit diesem Namen auf dem Berg läge – sicherlich etwas, worüber die wenigsten Menschen sich je Gedanken machen würden (den entsprechenden Artikel dazu finden Sie natürlich in diesem Buch). Und dann gab er keine Ruhe, bis er die bestmögliche Erklärung für die ihn jeweils bewegende Frage herausgefunden hatte, egal, in wie viele Archive man dazu reisen und wie viele alten handschriftlichen Akten man dazu studieren musste.
Diese Beharrlichkeit in Kombination mit einer guten Portion detektivischen Spürsinns war es auch, die ihn nicht ruhen ließ, bis er das Schicksal des bis dato nur in vagen mündlichen, hinter vorgehaltener Hand geflüsterten Überlieferungen vom im Jahr 1627 auf dem Scheiterhaufen verbrannten Auwer „Hexenpastor“ Michael Campensis klären konnte. Campensis bekam sein Holzkreuz an der Stelle seiner Hinrichtung auf dem Auwer Radsberg, wurde von der Sagengestalt zur real existierenden historischen Person und erfuhr damit eine gewisse nachträgliche Rehabilitation.
Ein anderes großes Thema in seinen heimatund regionalgeschichtlichen Forschungen waren immer wieder Grenzen, alte und neue, natürliche und künstliche – inspiriert natürlich von der so nahen belgischen Grenze, die er schon früh als etwas Vorübergehendes begriff, wie so viele andere Grenzen in unserer Region im Lauf der Geschichte gekommen und gegangen waren, verschoben oder aufgehoben wurden. In den 1960er Jahren musste man noch, um von Auw zu dem in Sichtweite befindlichen Manderfeld zu gelangen, offiziell einen Umweg von über zwanzig Kilometern über St. Vith fahren, ein Umstand, der ihm vollkommen inakzeptabel erschien und weshalb er nicht ruhte, bis man ihm eine Sondergenehmigung zur Überquerung der „grünen“ Grenze ausstellte – zu Zwecken der heimatkundlichen Forschungen.
So befasst sich ein Großteil seiner Arbeiten mit den Ortschaften auf der belgischen Seite der Grenze und macht damit schnell jedem Leser klar, wie zusammengehörig die Region seit jeher war – lange vor jedem nationalstaatlichen Denken, lange bevor es so etwas wie den deutschen oder belgischen Staat überhaupt gab. Grenzen waren für ihn keine Barrieren, sondern allenfalls verwaltungstechnisch notwendige Konstrukte, die ihn umso neugieriger darauf machten, wie es denn auf der anderen Seite aussähe, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es gäbe. Damit war er schon früh ein wahrhafter Europäer.
Diese Grenzthematik war es auch, die uns dazu bewog, für dieses Buch den Namen des St. Vither Geschichtsvereins „Zwischen Venn und Schneifel“ etwas abgeändert zu entleihen (danke an dieser Stelle für die Leihgabe!) – einfach, weil es keinen passenderen Namen für sein Gesamtwerk geben kann. Die schönste Begründung dafür liefert er selbst in seiner Replik auf die Laudation zur Verleihung des Hecking-Schildes 2011 für besondere Verdienste um landesgeschichtliche Forschungen, wo er treffend darüber philosophiert, warum „dazwischen“ gleichzeitig auch „mittendrin“ bedeutet. Aber lesen Sie selbst ab S. 568.
Besonders erwähnenswert ist im Falle von Hans-Josef Schad außerdem die Tatsache, dass er gar nicht aus der Eifel stammte. Geboren im eher lieblichen Nahetal, in einer vom milden Klima geprägten Weinbauregion, hatten die Läufe des Lebens ihn hierher in die raue Schneifel verschlagen – dunkle Wälder statt Weinbergen, kalte Winde statt sanfter Brisen und damals in den 1950er Jahren noch durchaus der Ruf einer gewissen Rückständigkeit der Region – die Auwer, das waren von Prüm aus gesehen tatsächlich die „Honnerböscher“, die „hinter dem Wald“. Wo so manch einer vielleicht verächtlich auf diese vermeintliche „Kulturlosigkeit“ der Region geschaut und sie schnellstmöglich wieder verlassen hätte, sagte unser neugieriger Vater „Moment! So einfach ist das nicht“, schaute genauer hin – und fand. Fand eine Region, die schon immer mitten in Europa lag, mit einer langen und wechselvollen Geschichte, die bis heute mitbestimmt, wer und was wir hier sind und uns prägt. Und je mehr er sich mit der Geschichte des Landes zwischen Venn und Schneifel beschäftigte, desto mehr machte er es sich zu eigen, desto mehr wurde es zu seiner Heimat. „Ubi bene, ibi patria“ – dieses Motto verkörperte er wirklich überzeugend.
Wir denken, es ist auch nicht übertrieben, wenn man sagt, dass er, nicht zuletzt auch durch seine langjährige Lehrertätigkeit in Auw, immer zusammen mit unserer Mutter, zahlreichen Jahrgängen von Schülern eine gewisse Wertschätzung für ihre Heimat, ihr Brauchtum und ihre Identität vermittelte. Geschichte war für ihn nie etwas Abstraktes und er machte seinen Unterricht immer lieber an Modellen aus der unmittelbaren Umgebung und an Alltagsgeschichte als an den Krönungsdaten irgendwelcher Könige und Kaiser fest. Geschichte wurde bei ihm lebendig und er konnte sie wie kein anderer spannend erzählen. Wenn man ihn dazu fragte, freute er sich jedes Mal regelrecht, hob die Augenbrauen und den Zeigefinger, holte tief Luft und hob an: „Jaaaa, das ist interessant! Das war nämlich so, stell dir mal vor…“
Und so...
Erscheint lt. Verlag | 5.3.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber |
ISBN-10 | 3-7583-4455-7 / 3758344557 |
ISBN-13 | 978-3-7583-4455-8 / 9783758344558 |
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Größe: 39,7 MB
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