Besser sehen in 21 Tagen (eBook)

Einführung

Sehen – mehr als ein klarer Blick

Faszination Augen

Die Augen sind mit Abstand unser leistungsfähigstes Sinnesorgan. Sie nehmen pro Sekunde 10 Millionen Informationen auf und leiten sie an das Gehirn weiter. Bis zu 80 Prozent an Informationen aus der Umgebung werden über die Augen aufgenommen. Durch sie nimmst du Formen, Gesichter, Farben und Raumtiefe wahr. Die Augen dienen aber nicht nur zum Sehen, sie sind auch elementar für Bewegung. Durch eine enge Verbindung mit dem Nervensystem werden Bewegungen präzise gesteuert und angepasst. Während du dich in deiner Umgebung umschaust und dich auf unterschiedliche Reize konzentrierst, liefern deine Augen die nötigen Informationen für deinen Körper, um sich zu bewegen und zu stabilisieren. Selbst beim Lesen dieser Zeilen laufen hochkomplexe Prozesse ab: Das Gehirn erkennt die Buchstaben, fügt sie zu Wörtern zusammen und verleiht ihnen eine Bedeutung. Deine Augen springen in einer geschmeidigen Augenfolgebewegung von Zeile zu Zeile. Egal, ob du ein Buch liest, am Bildschirm arbeitest, Objekte in der Ferne betrachtest oder Gesichter anschaust – deine Augen nehmen unentwegt Informationen auf, dein Gehirn verarbeitet diese und interpretiert sie. Nur so ergibt die Welt um dich herum Sinn.

Die Augen sind mit Abstand unser leistungsfähigstes Sinnesorgan. Sie nehmen pro Sekunde 10 Millionen Informationen auf.

Neurozentriertes Training, das von dem Humanbiologen und Chiropraktiker Dr. Eric Cobb entwickelt wurde, bedeutet Training für das Gehirn, denn Bewegung entsteht genau dort. Es verarbeitet die eingehenden Informationen aus den drei bewegungssteuernden Systemen, also den Augen, dem Gleichgewicht und der Körperwahrnehmung, und steuert als Schaltzentrale des Körpers alle Prozesse. Das Ergebnis ist idealerweise eine schmerzfreie Bewegung und eine dynamische Körperhaltung. Im Rahmen des neurozentrierten Trainings setze ich den Fokus auf minimalistische und pragmatische Übungen mit großem Effekt: Du siehst besser, du bewegst dich besser und du fühlst dich besser. Egal, ob im Alltag, bei der Arbeit oder in der Freizeit – besser zu sehen, kann einen großen Unterschied in der Lebensqualität machen. Da die Augen mit dem Gehirn eng vernetzt sind, kann besseres Sehen auch bedeuten, sich in verschiedenen Umgebungen sicherer zu bewegen und eine insgesamt gesteigerte Bewegungsqualität zu erleben.

Die Bedeutung von Sehtraining

Laut Duden bedeutet sehen »mit dem Gesichtssinn, mit den Augen optische Eindrücke wahr(zu)nehmen«.1 Und die Definition von Training ist laut Duden die »planmäßige Durchführung eines Programms von vielfältigen Übungen zur Ausbildung von Können, Stärkung der Kondition und Steigerung der Leistungsfähigkeit«.2 Sehtraining umfasst entsprechend Übungen, die das Sehvermögen erhalten und sogar verbessern können. Das kann durch das Training der Augenmuskeln oder durch Verbesserung der Koordination und des Zusammenspiels der Augen geschehen. Wichtig ist dabei die Okulomotorik, also die Fähigkeit der Augen, sich zu bewegen. Durch gezieltes Training der Okulomotorik können verschiedene Aspekte der visuellen Wahrnehmung und Augenbewegungen verbessert werden. Augenmassagen und Entspannungstechniken gehören ebenfalls zum Sehtraining.

Dr. William Padula, Professor für Pharmazie und Gesundheitsökonomie, beschreibt Sehen noch deutlich umfassender: »Das Sehen ist ein dynamischer, interaktiver Prozess motorischer und sensorischer Funktionen, der durch die Augen vermittelt wird und der gleichzeitigen Organisation von Haltung, Bewegung und räumlicher Orientierung, der Manipulation der Umwelt und in höchstem Maße auch der Wahrnehmung und des Denkens dient.«3 Ich betrachte Sehen ganzheitlich, denn es ist mehr als der klare Blick. Es umfasst folgende Anforderungen:

• Sehschärfe: Schärfe des Sehens, für statische und bewegte Objekte.
• Gesichtsfeld (visuelles Feld): Bereich, den die Augen wahrnehmen können, einschließlich monokularer (einäugiger) und binokularer (beidäugiger) Sicht.
• Akkommodation: Anpassung der Augenlinse, um Objekte in unterschiedlichen Entfernungen scharf zu sehen.
• Blickstabilisierung und Aufmerksamkeitskontrolle: Fixierung eines Punktes im Raum, was auch die Aufmerksamkeitskontrolle beeinflusst.
• Augenfolgebewegungen: Verfolgung sich bewegender Objekte mit den Augen.
• Sakkaden (Blicksprünge): Schnelle Augenbewegungen, um zwischen verschiedenen Punkten zu wechseln.
• Binokulares Sehen: Konzentration beider Augen auf ein einzelnes Objekt.
• Stereopsis: Wahrnehmung tiefer und räumlicher Aspekte von Objekten.
• Vergenzen: Fixierung von Objekten in unterschiedlichen Entfernungen, umfasst Konvergenz und Divergenz.
• Visuelle Wahrnehmung: Kombination von visueller Aufmerksamkeit, Mustererkennung, visuellem Gedächtnis und visueller Kognition.

Diese Hierarchie zeigt, wie verschiedene Aspekte unseres Sehvermögens miteinander verknüpft sind, um ein umfassendes visuelles Erlebnis zu schaffen. Der Trainingsansatz beruht daher auf zwei Annahmen:

1. Die Augenmuskeln können, wie alle anderen Muskeln des Körpers, trainiert werden, um stark und gesund zu bleiben.
2. Sehen findet mit den Augen und dem Gehirn statt. Dabei laufen komplexe Prozesse ab, die durch gezielte Übungen positiv beeinflusst werden können.

Der aktuelle Stand der Wissenschaft

Es gibt viele Studien, die die unterschiedlichen Aspekte des Sehens als trainierbar belegen. Besonders die Blickmotorik, also die Fähigkeit deiner Augen, sich schnell und präzise zu bewegen, um von einem Punkt zum anderen zu schauen, und die dynamische Sehschärfe sind sehr gut wissenschaftlich belegt. Das Training wirkt sich weniger auf die Muskeln deiner Augen aus als vielmehr auf die Art und Weise, wie dein Gehirn und deine Augen zusammenarbeiten. Es hilft deinem Gehirn, die Bewegungen deiner Augen besser zu koordinieren.4,5,6,7,8,9,10 Dabei zeigt sich, dass die positiven Auswirkungen nicht auf das Training der Muskeln, sondern auf die Verbesserung der zentralen koordinativen Effekte zurückzuführen sind. Das bedeutet, dass die vom Gehirn ausgehende Augen-Muskel-Koordination besser funktioniert. Auch für das verbesserte periphere Sehen gibt es wissenschaftliche Nachweise.11,12,13,14 Du kannst also Dinge besser aus dem Augenwinkel sehen. Denk mal daran, was du normalerweise in deinem Blickfeld wahrnimmst. Das Training ermöglicht es dir, dieses Blickfeld zu erweitern, sodass du mehr von dem erfassen kannst, was seitlich oder oberhalb und unterhalb deines Hauptblicks liegt. Studien haben gezeigt, dass dieses Training hilfreich sein kann, um deine Konzentrationsfähigkeit zu steigern.15,16 Durch gezieltes Sehtraining mit speziellen Blicktechniken kann auch deine Fähigkeit, Dinge wahrzunehmen und zu beurteilen, verbessert werden. Das betrifft verschiedene visuelle Fähigkeiten wie das Erkennen von Fehlern beispielsweise bei Sportarten oder die Wahrnehmung von Informationen am Rand deines Sichtfelds. Studien zeigen, dass diese Fähigkeiten tatsächlich trainierbar sind.17,18,19,20

Um im Alter der nachlassenden Sehfähigkeit entgegenzuwirken, gibt es besonders in den USA seit Jahrzehnten Trainingsprogramme zur Verbesserung der Augenbeweglichkeit. Diese Programme zielen darauf ab, die altersbedingte Abnahme der dynamischen Sehschärfe zu verlangsamen. Diese Abnahme ist teilweise auf strukturelle Veränderungen der Augenmuskulatur und die verminderte Geschwindigkeit der äußeren Augenmuskeln sowie die eingeschränkte Beweglichkeit der Augen zurückzuführen. Betrachte diese Übungen als ein Fitnesstraining für deine Augen, um sie agil und scharf zu halten.

Grundlage des Sehtrainings ist die Fähigkeit des Gehirns, sich an neue Umgebungen, Erfahrungen und Herausforderungen anzupassen und sich zu verändern. Das nennt man Neuroplastizität. Früher ging man davon aus, dass das menschliche Gehirn im Erwachsenenalter statisch ist, sich also nicht mehr verändern kann, und dass nur in der Kindheit und Jugend eine schnelle Entwicklung und Anpassungsfähigkeit möglich ist. Neuere wissenschaftliche Forschungen zeigen jedoch, dass das Gehirn auch im Erwachsenenalter äußerst anpassungsfähig ist und sich ständig verändert. Bis zum Tod kann sich das Gehirn in seiner Funktion und Struktur umbauen und verändern. Diese Anpassung kann auf molekularer, zellulärer und funktioneller Ebene erfolgen. Sie spielt eine entscheidende Rolle beim Lernen und Erinnern, bei der motorischen Kontrolle, der Sinneswahrnehmung, der Regulation von Emotionen und der Erholung nach Verletzungen oder Schädigungen des Gehirns. Ich konzentriere mich hier besonders auf die motorische Kontrolle, also die Fähigkeit des Nervensystems, Bewegungen zu planen, zu koordinieren und auszuführen.

Sehtraining hilft deinem Gehirn, die Bewegungen deiner Augen besser zu koordinieren.

Die Neuroplastizität ist im Zusammenhang mit dem Sehtraining wichtig, weil sie zeigt,...