Inside KSK (eBook)
224 Seiten
Yes-Verlag
978-3-96905-276-1 (ISBN)
Philipp Schaaf, 1975 in Leipzig geboren, zog als Kind mit seinen Eltern aufs Land, wo der Vater als Schäfer arbeitete. Nach der Schulzeit wurde er Isolierer, bis ihn die Bundeswehr 1996 zum Wehrdienst einzog. Am Ende seiner Dienstzeit beim Gebirgsjägerbataillon 571 in Schneeberg/Sachsen beschloss er, vier Jahre dranzuhängen, um Unteroffizier zu werden. Aufgrund seiner körperlichen Leistungsfähigkeit empfahlen ihm Ausbilder und Vorgesetzte, sich beim Kommando Spezialkräfte, der geheimnisumwobenen Eliteeinheit im baden-württembergischen Calw, zu bewerben. 2001 bestand er das höchst anspruchsvolle Eignungsfeststellungsverfahren, wurde Kommandosoldat, qualifizierte sich zum Heeresbergführer, zum Breacher und zum Kommando-Medic, nahm an geheimen Operationen unter anderem in Afghanistan und in Afrika teil. Später stieg er ins Planungs- und Ausbildungsteam seiner Kompanie auf, agierte als Verbindungsoffizier beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr und wurde mehrfach ausgezeichnet. Doch im Frühjahr 2020 fand die Karriere des Oberstabsfeldwebels infolge des Skandals um die sogenannte Schweinekopfparty ein jähes Ende. Wehrdisziplinaranwalt, Militärischer Abschirmdienst (MAD) und Staatsanwaltschaft ermittelten auch gegen ihn er wurde verhaftet, saß monatelang in einer Hochsicherheitszelle in Einzelhaft und wurde schließlich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Heute arbeitet er im Sicherheitsdienst. Fred Sellin, Jahrgang 1964, studierte Journalistik, arbeitete als Redakteur für verschiedene Tages- und Wochenzeitungen und lebt heute als freier Autor in Hamburg. Er schrieb Biografien, True-Crime-Titel und investigative Sachbücher zu verschiedenen Themen, zuletzt die beiden »SPIEGEL«-Bestseller »Die große Sauerei« mit Hannes Jaenicke und »Schützenhilfe« mit Jonas Kratzenberg, einem deutschen Soldaten, der freiwillig in der Ukraine kämpfte.
Philipp Schaaf, 1975 in Leipzig geboren, zog als Kind mit seinen Eltern aufs Land, wo der Vater als Schäfer arbeitete. Nach der Schulzeit wurde er Isolierer, bis ihn die Bundeswehr 1996 zum Wehrdienst einzog. Am Ende seiner Dienstzeit beim Gebirgsjägerbataillon 571 in Schneeberg/Sachsen beschloss er, vier Jahre dranzuhängen, um Unteroffizier zu werden. Aufgrund seiner körperlichen Leistungsfähigkeit empfahlen ihm Ausbilder und Vorgesetzte, sich beim Kommando Spezialkräfte, der geheimnisumwobenen Eliteeinheit im baden-württembergischen Calw, zu bewerben. 2001 bestand er das höchst anspruchsvolle Eignungsfeststellungsverfahren, wurde Kommandosoldat, qualifizierte sich zum Heeresbergführer, zum Breacher und zum Kommando-Medic, nahm an geheimen Operationen unter anderem in Afghanistan und in Afrika teil. Später stieg er ins Planungs- und Ausbildungsteam seiner Kompanie auf, agierte als Verbindungsoffizier beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr und wurde mehrfach ausgezeichnet. Doch im Frühjahr 2020 fand die Karriere des Oberstabsfeldwebels infolge des Skandals um die sogenannte Schweinekopfparty ein jähes Ende. Wehrdisziplinaranwalt, Militärischer Abschirmdienst (MAD) und Staatsanwaltschaft ermittelten auch gegen ihn er wurde verhaftet, saß monatelang in einer Hochsicherheitszelle in Einzelhaft und wurde schließlich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Heute arbeitet er im Sicherheitsdienst. Fred Sellin, Jahrgang 1964, studierte Journalistik, arbeitete als Redakteur für verschiedene Tages- und Wochenzeitungen und lebt heute als freier Autor in Hamburg. Er schrieb Biografien, True-Crime-Titel und investigative Sachbücher zu verschiedenen Themen, zuletzt die beiden »SPIEGEL«-Bestseller »Die große Sauerei« mit Hannes Jaenicke und »Schützenhilfe« mit Jonas Kratzenberg, einem deutschen Soldaten, der freiwillig in der Ukraine kämpfte.
Altrömische Rituale
Rückblende ins Frühjahr 2017, als die ganze Geschichte losging: Die Dienstzeit des damaligen Kompaniechefs näherte sich dem Ende, seine »Stehzeit« in der 2. Kompanie lief ab, wie es in der Militärsprache heißt. Er war fünf oder sechs Jahre bei uns, am Anfang als Zugführer, die letzten drei Jahre als Kompaniechef. Für die anderen Kameraden kann ich nicht sprechen, aber ich denke, dass er bei den meisten hohes Ansehen genoss. Was auch, aber längst nicht allein auf einen Einsatz in Afghanistan zurückzuführen war, bei dem er unter feindlichem Beschuss sein Leben für die Bergung eines gefallenen Kameraden riskierte (dazu mehr in Teil 3). Er war jemand, der sich auch bei der Ausbildung oder bei Übungen nicht am Rand postierte und fleißig Befehle erteilte, wie manch anderer Kompaniechef, sondern immer mitmachte, sobald es seine Zeit zuließ, darauf legte er Wert. Und nicht nur mitmachte, er ging voran. Was er von seinen Soldaten forderte, verlangte er sich auch selbst ab. So kann man es zusammenfassen. Allerdings wurde später in der Öffentlichkeit, in den Medien, ein völlig anderes Bild von ihm gezeichnet. In die Richtung tätowierte Kampfmaschine mit zweifelhafter Gesinnung. Die Frage ist nur: Wer kannte ihn besser, die Journalisten oder wir, die ihn jeden Tag erlebten – in Calw, auf Truppenübungsplätzen oder Schießanlagen, in Afghanistan oder bei anderen Einsätzen?
Jedenfalls war es Tradition, dass, wenn jemand die Kompanie verließ, eine Abschiedsfeier organisiert wurde. Auch dann, wenn es sich nicht um höhere Ränge wie Kompaniechef, Stellvertreter oder Spieß handelte. Vorausgesetzt, derjenige wollte das, gezwungen wurde niemand. Der Rahmen solcher Abschiedsfeiern fiel unterschiedlich aus. Wer keinen Wert auf eine Party legte, sich nur im Kleinen von seinen engsten Gefährten verabschieden wollte, für den trat die Kompanie einmal geschlossen an, dann sagte einer der Chefs ein paar Worte, überreichte eine Urkunde und das war’s.
Planten wir für jemanden eine größere Zeremonie, wurde ein Festkomitee gegründet, das die Organisation übernahm. Drei, vier Leute waren das, meistens aus jedem Trupp einer. Sie überlegten sich ein Motto und was man bei der Veranstaltung Besonderes anstellen könnte. Es sollte schließlich etwas sein, woran man sich später erinnerte, vor allem die, die verabschiedet wurden. Es lief in der Regel so, dass die vom Komitee Vorschläge sammelten und sich dann für das entschieden, was am besten zu demjenigen passte und den größten Spaß versprach. Stand die Entscheidung, wurden Aufgaben an die anderen verteilt. Genauso war es bei der Feier für den Kompaniechef. Zum Schluss wurden alle informiert, nur er nicht, für ihn sollte es eine Überraschung werden.
Der Plan war, eine Art altrömisches Fest zu inszenieren. Und zwar in der Kulisse der Standortschießanlage »Im Bernet«, die jeder von uns von Schießtrainings kannte, wir waren relativ häufig dort. Die Anlage, die noch von der Wehrmacht stammt, liegt bei Sindelfingen, umgeben von Wald, einen Steinwurf von der A8 entfernt, kurz vorm Autobahnkreuz Stuttgart. Von Calw war man in vierzig, fünfzig Minuten da. Sie wird von der Bundeswehr betrieben, aber auch vom Zoll, der Bundespolizei und verschiedenen Reservistenvereinen genutzt.
Um ein solches Militärgelände für die Abschiedsfeier buchen zu können, brauchte es einen entsprechenden Befehl. Auch aus Versicherungsgründen. Ohne Befehl geht nichts bei der Bundeswehr. »Dienstliche Veranstaltung geselliger Art« nannte sich das, so stand es dann auch in dem Befehl. Wer den letztlich erteilte, weiß ich nicht. Normalerweise wäre der Kompaniechef der zuständige Disziplinarvorgesetzte gewesen. Wahrscheinlich setzte jemand aus der KSK-Führung seinen Wilhelm drunter. Auf jeden Fall musste es sich um einen Offizier gehandelt haben.
Die Idee, die Abschiedszeremonie als altrömische Feier anzulegen, ging auf einen Einsatz im Jahr 2013 in Afghanistan zurück. Damals instruierten rund ein Dutzend Kameraden unserer Kompanie mehr als 1800 afghanische Sicherheitskräfte (Polizei und Armee) bei einer groß angelegten Operation gegen ortsansässige Taliban. Angeführt wurden die Sicherheitskräfte von einem afghanischen Generalmajor, der wiederum von unserem Kompaniechef beraten wurde. Bei der Operation kam es zu intensiven Gefechtshandlungen, die sich über mehrere Tage hinzogen. Irgendwann geriet der Angriffsschwung der Sicherheitskräfte ins Stocken. Die Taliban saßen in ausgebauten Stellungen und Nahverstecken, schienen dort kaum bezwingbar. In dieser Situation beschloss die Führung unter dem Generalmajor, den Feindbereich durch Mörserfeuer und dem Feuer aller schweren Waffen (Artillerie, Maschinengewehre, Flugabwehrgeschütze) sturmreif zu schießen – also die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass die Taliban-Stellungen erstürmt werden konnten. Um gemeinsam mit dem afghanischen Feuerleitoffizier das Feuer bestmöglich lenken zu können, positionierten sich der Generalmajor und unser Kompaniechef auf einem nahegelegenen Hügel. Einige unserer Sniper, die den Bereich absicherten, hatten die Führungsriege in ihrer exponierten Position im Blick, und so kam es im Funkverkehr zum Vergleich mit römischen Feldherren, die ihre Truppen einst ebenfalls von Hügeln aus koordinierten. Und genau daran hatten sich einige von uns im Vorfeld der Feier erinnert.
Die heiße Phase der Vorbereitung begann ungefähr eine Woche vor dem ausgemachten Termin. Bis dahin hatte einer aus der Kompanie Kartoffelsäcke für alle besorgt. Jeder musste sich mit einem ausrüsten und diesen als Tunika herrichten, etwa so, wie sie früher die Menschen im alten Rom trugen. Dafür schnitt man unten einfach ein Loch in den Sack, sodass man, wenn man ihn umdrehte, den Kopf durchstecken konnte – und an den Seiten zwei Löcher für die Arme. Als Gürtel verwendeten wir irgendwelche Stricke oder Kordeln, was sich eben auftreiben ließ. Der Spieß organisierte Getränke und Verpflegung, andere Kameraden transportierten Bierbänke und -tische zur Schießanlage. Und da wir aus Erfahrung wussten, wie solche Festivitäten für gewöhnlich endeten, richteten wir in einem alten Hangar, der auf dem Gelände stand, ein provisorisches Nachtquartier für alle ein, indem wir 70 Feldbetten aufstellten.
Die Schießanlage verfügte über Alpha- und Delta-Stände, also 300- und 25-Meter-Bahnen. Direkt daneben erstreckte sich zur Autobahn hin eine Wiese, in der Mitte mit einigen Bäumen. Auf der Fläche davor, wenn man vom Eingang kam, befand sich eine Feuerstelle mit einem Radius von etwa vier bis fünf Metern. Genug Platz, um ein ordentliches Feuerchen zu entfachen, was wir auch vorhatten. Ein paar Schritte abseits, am Rand der Wiese, dahinter fing Wald an, stand ein alter Schuppen, in dem bis oben hin Brennholz aufgeschichtet war. Die gesamte Fläche sollte der Festplatz sein.
Ich war nicht im Organisationskomitee, dafür hätte mir die Zeit gefehlt. Ich hatte mit Planung und Ausbildung, meinen dienstlichen Aufträgen, genug um die Ohren. Aber sie engagierten mich für den Abend als Grillmeister. Dazu gibt es eine Vorgeschichte, die auf meine Anfangsjahre beim KSK zurückgeht, 2005 oder 2006 müsste das gewesen sein. Damals machte ich mich mit einigen Kameraden daran, ein kleines Wasserloch vor unserem Kompaniegebäude zu einem Teich zu vergrößern und hübsch herzurichten, mit Schilf, Seerosen und anderen Pflanzen. Außerdem installierten wir eine Filteranlage und setzten Goldfische aus. Natürlich in der Freizeit, nach dem Dienst. Zu der Zeit war ich noch kein Heimschläfer, fuhr nur an den Wochenenden nach Hause zu Frau und Kind, vorausgesetzt, wir waren nicht im Einsatz oder auf Übung. Als das Werk vollbracht war, setzten wir uns daneben und tranken ein Bierchen auf die getane Arbeit. Das Wetter war gut, und so gesellten sich andere Kameraden aus der Kompanie hinzu. Kleinere Feste hatte es an dem Tümpel vorher schon gegeben, nun entwickelte sich daraus das offizielle Teichfest, das von da an jedes Jahr stattfand, irgendwann im Sommer, wie der Dienstplan es zuließ. Anfangs blieb unsere Kompanie unter sich. Dann fingen wir an, die anderen Kompanien einzuladen, die wir sonst nur selten sahen. Durch die Auslandseinsätze bekam man manche Kameraden nur ein- oder zweimal im Jahr zu Gesicht. Und irgendwann erweiterten wir die Gästeliste auf Polizeieinheiten, mit denen wir während der Ausbildung oder bei Einsätzen zu tun hatten – von der Landespolizei, der Bundespolizei, auch vom Zoll und von ausländischen Behörden, beispielsweise aus Österreich. Selbst das Bundeskriminalamt erschien regelmäßig mit einer Delegation, insbesondere Beamte der Sicherungsgruppe, Fachbereich Auslands- und Spezialeinsätze. Diese Einheit wurde für den Personenschutz im Ausland eingesetzt oder wenn ausländische Gäste in Deutschland geschützt werden mussten – Politiker, Regierungsmitarbeiter, andere Funktionäre...
Erscheint lt. Verlag | 19.11.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Reisen ► Reiseführer ► Europa | |
Schlagworte | Afghanistan • Armee • Ausbildung • Biografie • Bundeswehr • Deutsch • Deutschland • Eliteeinheit • Elitesoldat • Kampf • Kommando Spezialkräfte • Krieg • KSK • Militär • Navy Seal • Rechtsextremismus • Reichsbürger • Sachbuch • Soldat • Sondereinheit • Spezialoperation |
ISBN-10 | 3-96905-276-9 / 3969052769 |
ISBN-13 | 978-3-96905-276-1 / 9783969052761 |
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