Das große Buch vom Auge (eBook)
272 Seiten
Südwest Verlag
978-3-641-31108-7 (ISBN)
Die Augen sind unser wichtigstes Sinnesorgan und Augenkrankheiten (beziehungsweise schwindende Sehkraft im Alter) spielen für fast jeden Menschen irgendwann eine Rolle. Trotzdem fehlt es den meisten an grundlegendem Wissen: Wann muss man den grauen Star operieren? Was nutzen teure »Premiumlinsen«? Macht Makuladegeneration blind? Welche Leistungen sind sinnvoll?
Prof. Dr. med. Helmut Wilhelm erklärt anhand vieler Fotos, Beispiele und Experimente verständlich und anschaulich, wie das menschliche Auge funktioniert, wie Bilder in unserem Gehirn verarbeitet werden und welche Gefahren es für unser Sehorgan gibt. Der Leser wird so auf den neusten Stand der Wissenschaft gebracht. Gleichzeitig widmet sich das Buch praktisch allen Augenerkrankungen, gibt dem Leser Rat und Mut bei Sehbehinderung und drohender Blindheit und macht ihn zum »mündigen« Patienten, der kompetent und selbstbestimmt bei Therapieentscheidungen und eventuellen Operationen mitreden und -entscheiden kann.
Prof. Dr. med. Helmut Wilhelm wurde 1954 in Pirmasens geboren. Nach seinem Medizinstudium in Freiburg, Uppsala und Mainz und seiner Promotion arbeitete er in der Augenheilkunde und Inneren Medizin (Kardiologie) zunächst in Trier und Kues und wechselte 1984 nach Tübingen. 1988 machte er seinen Facharzt für Augenheilkunde und war danach als Oberarzt an der Universitäts-Augenklinik Tübingen tätig. 1996 folgte die Habilitation und die Lehrbefugnis für Augenheilkunde, ab 2002 bis 20202 die außerplanmäßige Professur. Prof. Wilhelm ist Autor mehrerer Fachbücher und veröffentlichte zahlreiche Publikationen zum Thema Augenheilkunde.
Wir haben zwei Augen, sie unterscheiden sich normalerweise nicht. Sie müssen zusammenarbeiten, was aber nicht immer perfekt gelingt. Beruhigend ist es jedenfalls, nicht erblinden zu müssen, wenn einem Auge etwas zustoßen sollte.
Der Augapfel sieht zum größten Teil weiß aus. Das liegt an der Lederhaut (Sklera), die seine äußere Hülle darstellt. Lederhaut ist ein treffender Name, denn sie ist derb und kräftig. Deshalb ist das Auge nicht leicht zu verletzen. Ein Arzt, der eine Wunde an der Lederhaut näht, merkt, dass er dabei eine gewisse Kraft einsetzen muss. Ich bin mir bewusst, die Vorstellung von Eingriffen und Manipulationen am Auge ist für die meisten Leser gruselig, aber jetzt haben Sie sich einmal darauf eingelassen, nun müssen Sie ab und zu da durch. Augenoperationen werden meistens mikrochirurgisch unter dem Operationsmikroskop durchgeführt, sehr filigran und schonend, es fließt kaum Blut. Von einer weit verbreiteten Horrorvision sollten Sie unbedingt Abschied nehmen: Niemals wird ein Auge herausgenommen, operiert und dann wieder eingesetzt. Man kann ein einmal entferntes Auge weder transplantieren noch wieder einsetzen.
Der Augapfel hat einen Durchmesser von knapp 2,5 cm. Es ist also nur ein Äpfelchen, eher eine Aprikose. Vorne weicht das Auge von seiner Kugelform ab, es wölbt sich eine kleine Kuppel aus der Lederhaut. Dort ist die Lederhaut nicht mehr weiß, sondern durchsichtig. Sie heißt da auch nicht Lederhaut, sondern Hornhaut (Kornea), und man kann darunter die Iris, die Regenbogenhaut, sehen. Das Material der Hornhaut ist dem der Sklera sehr ähnlich, es besteht hauptsächlich aus Kollagenfasern, das sind die kräftigsten Bestandteile unseres Bindegewebes. In der Sklera liegen sie kreuz und quer, während sie in der Hornhaut fein säuberlich geordnet sind. Das bewirkt ihre Durchsichtigkeit. Durchsichtig muss die Hornhaut sein, sie ist schließlich die Frontlinse unserer Augenkamera. (Der Autor fotografiert gern, deshalb werden wir immer wieder einmal Anleihen in der faszinierenden Welt der Fotografie machen.) Die Hornhaut ist mindestens so derb wie die Sklera, aber keineswegs spröde wie das Horn der Fingernägel, und es schilfert sich auch nichts davon ab.
Wir halten fest: Das Auge ist knapp 2,5 cm groß, von einer derben Hülle umgeben, die vorne durchsichtig ist.
Die Iris, die Regenbogenhaut, haben wir schon gesehen. Sie hängt zusammen mit dem Strahlenkörper (Ziliarkörper) und der Aderhaut (Choroidea). Diese drei bilden gemeinsam die zweite Schicht des Auges nach innen. Ihr Sammelname ist Uvea. Dafür gibt es keinen gängigen deutschen Begriff, Uvea bedeutet Traube. Mit einem Weinstock hat die Uvea aber wenig zu tun. Ihre wichtigste Funktion, der vor allem die Aderhaut nachkommt, ist die Blutversorgung des Auges. Das Auge ist ein Energie-Großverbraucher, es verbraucht auf sein Volumen gerechnet mehr als Herz oder Gehirn, deshalb hat es dieses luxuriöse Versorgungssystem. Die Aderhaut ist das blutgefäßreichste Gewebe des Körpers. Ihre Aufgabe ist es auch, die mit hohem Energieverbrauch arbeitenden Sinneszellen zu kühlen. Iris und Ziliarkörper enthalten zudem kleine Muskeln, welche die Pupille und die Linse des Auges bewegen.
Wenn wir durch die Lederhaut ins Auge eindringen, treffen wir zuerst auf die Aderhaut, dann folgt die Netzhaut, die Retina, die direkt auf der Aderhaut liegt, was optimal für ihre Blutversorgung ist. Hinten am Augapfel hängt ein Zipfelchen, von unserer Zeichnerin abgeschnitten, der Sehnerv (Nervus opticus). Er tritt an einer 1,5 mm großen Stelle, der Sehnervpapille, aus dem Auge aus und bildet unsere Datenleitung zum Gehirn. Die Stelle in der Mitte der Netzhaut, am hinteren Augenpol, etwa 5 mm von der Papille entfernt, nennt man Makula. Mit vollem Namen heißt sie Makula lutea, auf Deutsch »gelber Fleck«, weil dieser Bereich tatsächlich ein wenig gelblich aussieht, im Vergleich zum eher rötlichen Rest des Augenhintergrunds. Für dieses Rot ist hauptsächlich das Blut in der Aderhaut verantwortlich, die Netzhaut selbst ist durchsichtig. Die Mitte der Makula heißt Fovea (»Grube«, wird später noch erklärt). Sie ist die einzige Stelle, mit der wir wirklich scharf sehen, und deshalb der wichtigste Ort im Auge.
Schließlich müssen wir noch die Linse erwähnen, die am Ziliarkörper aufgehängt ist. Sie ist das zweite optische Glied des Auges und kann ihre Dicke verändern. Auch davon später mehr.
Zwischen Hornhaut und Linse ist einfach nur Wasser. Allerdings: Einfach nur Wasser gibt es in unserem Körper nicht. Es enthält immer auch Mineralstoffe, u. a. Kochsalz und eine ganze Reihe von Proteinen, Vitaminen und weiteren Bestandteilen. Den Raum zwischen Linse und Netzhaut füllt der Glaskörper aus. Den muss man sich als eine Art durchsichtiges Gelee vorstellen mit einem Außenhäutchen. Er ist an einigen Stellen mit der Netzhaut verwachsen.
Abb. 1: Bauplan des Auges
1 Lederhaut (Sklera)
2 Hornhaut (Kornea)
3 Regenbogenhaut (Iris)
4 Strahlenkörper (Ziliarkörper)
5 Aderhaut (Choroidea)
6 Netzhaut (Retina)
7 Makula und Fovea
8 Sehnerv (Nervus opticus)
9 Augenlinse
10 Glaskörper
11 Bindehaut (Konjunktiva)
Die Augenhöhle, die Wohnung des Auges
Das Auge bewohnt eine Höhle. Diese befindet sich weit oben, damit es den Überblick behält. Außerdem braucht es eine kurze, wenig störanfällige Leitung zum Gehirn, also ist der Kopf der logische Platz für das Auge. Der Kopf darf bei uns aufrecht gehenden Menschen aber nicht zu groß und schwer werden, sonst hätten wir Probleme mit dem Gleichgewicht. Deshalb darf das Auge nicht allzu viel Platz für sich beanspruchen. Der Fachbegriff für Augenhöhle lautet Orbita, das bedeutet auf Deutsch so viel wie »Kreis« und beschreibt die Form des Höhleneingangs. Ein perfekter Kreis ist es allerdings nicht, der größte Durchmesser beträgt gut 4 cm. Die Höhle selbst ist 4–5 cm tief und wird nach hinten immer enger. Ihr Volumen beträgt etwas über 25 cm3; ein Schnapsglas würde sie knapp füllen. Aus dem vorherigen Kapitel kennen wir den Durchmesser des Augapfels, er beträgt 2,5 cm. Rechnen Sie mal sein Volumen aus (wahrscheinlich müssten Sie jetzt nachschlagen, hier ist die Formel: 4/3 × r3 × pi). Wir kommen auf 8 cm3. Üppig Platz hat unser Augapfel in seiner Höhle nicht, da er sich bewegen muss und noch einiges an »Zubehör« unterzubringen ist.
Die Augenhöhle schützt den Augapfel. Die berühmte »Faust aufs Auge« trifft meistens die Kante der Augenhöhle, wodurch die Gewalteinwirkung auf den Augapfel zumindest abgeschwächt wird. Gleiches gilt für den Fußball oder Tennisball, beide sind größer als 5 cm und treffen meist nur die Kante der Augenhöhle. Anders ist es mit einem Golfball oder Squashball, diese passen perfekt durch die Öffnung und können deshalb gewaltigen Schaden am und im Auge anrichten. Völlig hilflos ist unser Augapfel auch in einem solchen Fall nicht, denn es sind weitere Schutzmechanismen vorhanden: Die Augenhöhle ist mit polsterndem Fettgewebe ausgefüllt, das den heftig nach hinten schnellenden Augapfel wie ein Airbag abfängt. Wenn auch das noch nicht reicht, können die Knochen der Augenhöhlenwand nachgeben, bis sie brechen. Das hört sich sehr unangenehm an, hat aber den gleichen Effekt wie eine Knautschzone beim Auto: Die Gewalt eines Stoßes wird abgefangen. Tatsächlich sind die Knochen, welche die Augenhöhle begrenzen, recht dünn und brechen leicht. Die Knautschzone ist also eingeplant. Der Arzt spricht von einer Blowout-Fraktur, ein Begriff, der den unschönen Vorgang sehr schön veranschaulicht. Ein Schaden an der Augenhöhlenwand lässt sich meistens wieder richten, ein Schaden im Inneren des Augapfels hingegen ist viel schwerer zu reparieren.
Eine Blowout-Fraktur eröffnet eine Verbindung zu einem weiteren Höhlensystem, das die Augenhöhle umgibt, ich meine die Nasennebenhöhlen. Nach unten geht es zur Kieferhöhle, nach vorne oben in die Stirnhöhle, nach hinten in die Keilbeinhöhle, und zur Mitte hin liegen die Siebbeinzellen. Die heißen nicht »Höhle«, weil sie aus lauter kleinen Kämmerchen bestehen. Nach oben schließt sich dann schon das Gehirn an, insbesondere der Teil, den wir zum Riechen brauchen.
Die erwähnten Nebenhöhlen sind mit dem Nasenraum verbunden. Folglich haben Keime aus der Nase freien Zutritt. Davor muss sich die Augenhöhle natürlich schützen. Schafft es ein Krankheitserreger, über die Nebenhöhlen in die Augenhöhle zu gelangen, ist dort die Hölle los. Eine bakterielle Entzündung der Augenhöhle ist ein lebensgefährlicher Notfall, kommt aber zum Glück sehr selten vor. Selbst bei einer Fraktur der Augenhöhlenwand bleibt eine schützende Haut erhalten und sperrt Gefährder aus den Nebenhöhlen aus.
Könnten wir uns auf 5 mm Größe schrumpfen und eine leere Orbita betreten, böte sich uns ein durchaus imposantes Höhlenerlebnis. Wenn wir uns durch den immer enger werdenden Höhlengang hindurcharbeiten, treffen wir an dessen Ende auf weitere Höhleneingänge. Zwei davon sind für uns wichtig: die Fissura orbitalis superior und der Sehnervkanal. Fissura orbitalis superior bedeutet »oberer Spalt der Augenhöhle«, ist also kein besonders vielsagender Name, nur eine Beschreibung. Es gibt auch einen unteren Spalt, »inferior«, der ist aber für das Auge nicht so interessant. Durch den »superior« verläuft nämlich ein Großteil der Infrastruktur der Augenhöhle: drei Nerven, welche die Augenmuskeln an das Gehirn ankoppeln, zwei Nerven, die für die Tast-, Druck- und Schmerzempfindung des Auges zuständig sind, eine Vene sowie Nervenfasern, sie sind für die Bewegungen der Pupille und der Augenlinse verantwortlich. Die Fissura orbitalis superior ist ziemlich...
Erscheint lt. Verlag | 13.9.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie |
Schlagworte | 2023 • Augenarzt • Augenheilkunde • Augenlasern • Brille • Dioptrin • eBooks • Grauer Star • Grüner Star • Humanmedizin • Kurzsichtigkeit • Makuladegeneration • Medizin • Netzhaut • Neuerscheinung • premiumlinsen • Pupille • Ratgeber • Sehtest • Uni Tübingen |
ISBN-10 | 3-641-31108-X / 364131108X |
ISBN-13 | 978-3-641-31108-7 / 9783641311087 |
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