June und Helmut Newton (eBook)

Biographie eines Künstlerpaars

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
384 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3263-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

June und Helmut Newton - José Alvarez
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Das Porträt eines außergewöhnlichen Künstlerpaars und seiner Zeit

Ein Berliner Jude, der die Fotografie liebt, strandet in den vierziger Jahren in Australien und verliebt sich dort in eine junge Schauspielerin. Ein Jahr später heiraten June Browne und Helmut Newton. Zunächst ist sie sein Model und seine Assistentin, später fotografiert sie leidenschaftlich und erfolgreich selbst. In Paris revolutionieren die beiden gemeinsam die Kunstszene. Helmut wird zum Weltstar durch seine ungewöhnlich inszenierten Mode- und Aktfotos. June alias Alice Springs spezialisiert sich auf Porträts. Sein Werk ist nicht ohne ihren Einfluß zu denken, ihres nicht ohne seine Inspiration. Der gemeinsame Freund José Alvarez hat June und Helmut Newton Jahre lang begleitet und erzählt hier zum ersten Mal ihre Geschichte - mit außergewöhnlichen Details und bislang unbekannten Fotos.



José Alvarez hat den Verlag Éditions du Regard gegründet und leitet ihn seit 1978. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Kataloge über Architektur, Kunst, Design, Fotografie usw. Er hat außerdem zwei Romane veröffentlicht. José Alvarez hat June und Helmt Newton jahrelang als Freund begleitet.

I


Mit zehn Jahren beobachtete Helmut Neustädter vom Balkon im dritten Stock des Familienhauses in der Innsbrucker Straße, in einem Berliner Wohnviertel, wie die Zeppeline aus Amerika am Himmel vorbeizogen, während sich unten auf der Straße die bewaffnete Polizei auf den baumbestandenen Seitenstreifen und in den angrenzenden Straßen auf Gruppen von Kommunisten und Rechtsextremen, späteren Nazis, stürzte, die sich gegenseitig angriffen. Es war das Jahr 1930, bevor Hitler an die Macht kam. Die Wirtschaftskrise war auf dem Höhepunkt, die Arbeitslosigkeit beträchtlich, und die Berliner waren überdreht, schwankten zwischen Übermut und Verzweiflung, warteten auf den Funken, der die seit dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Auflösung des Deutschen Reiches unhaltbare Situation endlich entflammte. Ein toxisches Klima, das die deutsche Elite täuschen, gar verblenden sollte. Lediglich die hellsten Köpfe der jüdischen Bevölkerung oder vielleicht diejenigen, die Mein Kampf gelesen hatten, als sie Deutschland verließen, sahen das Schicksal voraus, das ihnen zum Verhängnis wurde.

Dieses tragische Schicksal war auch dem verwöhnten Helmut bestimmt, dessen jugendliches Leben von einer der schlimmsten Umwälzungen der Geschichte erfasst wurde: das Verschwinden einer ganzen Welt, seiner Welt. Aber auch das eines ganzen Volkes, das sich mit dem Hass eines einzigen Mannes konfrontiert sah, Adolf Hitler.

Als Erwachsener würde Helmut in seinen Erinnerungen an eine zerstörte Jugend, in den erlittenen Verletzungen und seinen Obsessionen einen Nährboden für sein vom Licht beseeltes fotografisches Werk finden. Bilder mit kontrastreicher Beleuchtung, die die Menschen, Frauen vor allem, überhöht. Präzise wie ein Insektenforscher erfasste Helmut Newton Frauen, die eine geistige Aura umgab, und rief damit den Eindruck von Grenzenlosigkeit hervor. Ein obsessives Werk, durchdrungen von Leichtigkeit, Verzweiflung, Erotik, Luxus – und von Aufrichtigkeit, ein grausames, aber befreiendes Werk. Indem er sich ständig sein familiäres Umfeld und den vornehmen Lebensstil in Erinnerung rief, suchte er unablässig nach diesem Teil von sich selbst, der ihm immer entwischte und der zugleich seine Basis und sein Gefängnis war. Etwas Subtiles, Nostalgisches, auch Gewaltsames in ihm.

Sein ganzes Leben lang, in das sich das 20. Jahrhundert eingebrannt hatte, jagte Helmut seiner Vergangenheit nach – dem, was er selbst erlitten hatte, dem Abstieg in die Hölle, der Demütigung des Vaters. Aus Gewalt, Schmach und Verlogenheit der »Konformisten«, aus der Vernichtung von Menschen durch ihresgleichen ließ er Bilder von entschlossenen, flüchtig-ernsten Frauen entstehen, die, wenn nicht die Männer, so doch zumindest ihr Schicksal am Zaum führen und ironisch und zurückhaltend zärtlich wirken oder überbordende Sinnlichkeit ausstrahlen. Frauen mit begehrenswerten Körpern, manchmal furchterregend, oftmals klassisch wie Statuen. Schlichte Bilder, gespeist aus seinem geheimen Ich, die an eine wie vom Blitz getroffene Vergangenheit erinnern, in der funkelnde Autos herumfahren und Ferienorte und Schwimmbäder oder bezaubernde Hotelzimmer angedeutet werden. Eine überhöhte Vergangenheit, die sich entzieht, die auf ewig verschwunden ist und immer wieder aufs Neue erfunden wird. Denn die Vergangenheit heraufzubeschwören bedeutet ja, sich ihr zu entziehen, weil es sie ohne unseren Blick gar nicht gäbe. Die Bestimmung eines Kindes, dessen Leben von Anfang an von schwierigen Umständen geprägt war und dessen unschuldiger Blick unfehlbar wurde. Ein tragisches Missgeschick der Geschichte, das dazu führte, dass im Werk von Helmut Newton die Katastrophe eines verheerenden Jahrhunderts widerhallt. Ein Werk, das vom Zauber einer einst flüchtig wahrgenommenen Welt erzählt, die er nicht müde wurde, immer neu zu erfinden in Form von allegorischen Bildern, aus denen seine von der Moderne geprägte Melancholie spricht.

Als Hans, Helmuts zehn Jahre älterer Halbbruder, die beeindruckenden Banknoten des Inflationsgeldes sammelte, das sich in Deutschland verbreitete und das die Berliner in Schubkarren transportierten, flehte Helmut seine Eltern voller Sorge an, ins Ausland zu fliehen. Zur jugendlichen Naivität gesellte sich bei ihm die Fähigkeit, sich in die Zukunft hineinzuversetzen, wodurch die Wirklichkeit durcheinandergeriet. Doch sein Vater, Max Neustädter, der sich über jeden Verdacht erhaben sah und noch dazu Besitzer der größten Knopffabrik Deutschlands war, wollte nicht an die vorhergesagte Katastrophe glauben. Wie hätte man ihm, dem derart gut integrierten Großbürger in dem Land, in dem schon seine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern geboren waren, das auch verdenken können? Gehörte er als Privilegierter mit seiner Familie denn etwa nicht zur jüdischen Intelligenz Berlins? Auch seine Hausangestellten und sein Chauffeur, der treue Joachim, der ihn jeden Tag ins Büro fuhr, bevor er den kleinen Helmut an der Schule absetzte, waren schließlich ein Beweis dafür. Max war nicht in der Lage, die Absurdität der Geschichte abzuschätzen, unfähig, die Anfänge einer neuen Ordnung zu begreifen, aus der die Juden als Sündenbock ausgeschlossen sein würden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein guter Mensch, der in denselben Vereinen war wie jeder andere ehrbare Bürger und dieselben Lebensgewohnheiten hatte, schon morgen bei der Polizei angezeigt werden konnte, nur weil er jüdisch war. Er konnte nicht begreifen, dass sich ein System zur Vernichtung seiner Gemeinschaft und mit ihr von Sinti und Roma, Homosexuellen, Behinderten und Kommunisten formierte. Nicht einfach irgendein politischer Abweg, sondern ein tiefgreifendes, unausweichliches Übel, dessen unerbittliche Umsetzung zum Tod führte.

Helmut war ein schmächtiges Kind und hatte nur wenige Freunde. Er war ein Einzelgänger und las begeistert, ermuntert von Onkel Moritz, der Verleger in Leipzig war und ihm Kinderbücher schickte, die er selbst herausgab. Darunter Fabeln von Äsop, Erzählungen von Wilhelm Hauff oder Märchen von Andersen und den Brüdern Grimm … und natürlich Bücher zur griechischen Mythologie, allesamt illustriert. Sie waren wie ein Heilmittel für Helmuts Ungeduld, die ihn bis ins Erwachsenenalter begleitete – bis er Fotograf wurde. Dank der Bücher langweilte er sich nie, außer in der Schule. Mit sechs Jahren las er immer wieder über Kleopatra, vermutlich weil ihre Schönheit ihn so faszinierte. Und es gab Geschichten, die ihn in Angst versetzten, von reichen Kindern, die von einer niederträchtigen Figur entführt und verstümmelt wurden, die sie unter Androhung schrecklicher Misshandlungen zum Betteln zwang. Diese Erzählungen ließen ihn schaudern. Er liebte es, abends lange wach zu bleiben und sich mit einer Taschenlampe unter der Decke zu verkriechen. All diese Geschichten bewegten ihn zutiefst, und er lernte darüber die Welt und sich selbst kennen. Ein Vierteljahrhundert später fanden sich dann in seinen Fotografien die Szenen und Bilder wieder, von denen er als Kind gelesen hatte.

Da Helmut ein Buch nach dem nächsten verschlang, griff er auch bald nach den verbotenen Büchern in der Familienbibliothek, darunter Fräulein Else von Arthur Schnitzler und die Romane von Stefan Zweig, in denen er die Vielschichtigkeit menschlicher Beziehungen entdeckte und deren Sinnlichkeit ihn begeisterte. Texte, die später im Denken und in den Obsessionen des Fotografen Helmut Newton zutage traten. Er entdeckte, dass Geschichten besonders stark wirkten, in denen die Heldin ein Unglück erleidet, das sie zum Ungehorsam treibt und aufbegehren lässt. Abenteuerliche Lebenswege taten sich hier vor ihm auf mit starken, autoritären, oft unvernünftigen Frauen, die sich nicht den Gesetzen der gemeinen Leute unterwarfen. Das Lesen begeisterte ihn jeden Tag aufs Neue und verbarg seine Einsamkeit. So konnte er geduldig auf die Ferien warten, die stets zur selben Jahreszeit am Meer verbracht wurden.

Heringsdorf war das Lieblingsstrandbad jüdischer Familien. Wenige Kilometer entfernt von Ahlbeck, wo Nazis und Veteranen abstiegen. In Heringsdorf wehte die Fahne der Weimarer Republik und in Ahlbeck die des Kaiserreichs, bereits mit dem Hakenkreuz versehen. Beide Lager hegten Ressentiments gegenüber dem jeweils anderen und verachteten sich. Manche waren Alkoholiker geworden oder wurden depressiv, nachdem sie die falschen Frauen geheiratet hatten. Andere hatten ihre Millionen im Casino von Ahlbeck zum Fenster hinausgeworfen; wieder andere...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2023
Übersetzer Kirsten Gleinig
Zusatzinfo Mit 152 Abbildungen
Sprache deutsch
Original-Titel Helmut & June: Portraits croisés
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Fotokunst
Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Sachbuch/Ratgeber Freizeit / Hobby Fotografieren / Filmen
Schlagworte Aktfotos • Alice Springs • Catherine Deneuve • Charlotte Rampling • Fotografie • Helmut Newton • June Newton • Mode • Paris • Porträts • Vogue
ISBN-10 3-8412-3263-9 / 3841232639
ISBN-13 978-3-8412-3263-2 / 9783841232632
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