Zielsicher. Mein langer Lauf an die Biathlon-Spitze (eBook)
304 Seiten
Edel Sports - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-98588-019-5 (ISBN)
Denise Herrmann, geboren 1988, gehört seit vielen Jahren zu den weltweit herausragenden Athletinnen im Langlauf und Biathlonsport. Der bisherige Höhepunkt ihrer Karriere ist der Gewinn der Goldmedaille im Biathlon-Einzel bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking. Schon lange vor ihrem Umstieg zu den Skijägern hat die gebürtige Sächsin eine erfolgreiche Karriere im Langlauf hingelegt und diese 2014 mit Staffel-Bronze in Sotschi gekrönt. Denise lebt in der Biathlon-Hochburg Ruhpolding.
Denise Herrmann, geboren 1988, gehört seit vielen Jahren zu den weltweit herausragenden Athletinnen im Langlauf und Biathlonsport. Der bisherige Höhepunkt ihrer Karriere ist der Gewinn der Goldmedaille im Biathlon-Einzel bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking. Schon lange vor ihrem Umstieg zu den Skijägern hat die gebürtige Sächsin eine erfolgreiche Karriere im Langlauf hingelegt und diese 2014 mit Staffel-Bronze in Sotschi gekrönt. Denise lebt in der Biathlon-Hochburg Ruhpolding. Taufig Khalil, geboren 1966, ist Sportredakteur beim Bayerischen Rundfunk in München. Er begleitet den FC Bayern München seit Jahren um die Welt und berichtet ansonsten vor allem über Golf und Ski alpin. 2022 war er für die ARD unter anderem bei den Paralympics in Peking.
Tage, die man nicht vergisst
Wenn man sich über Jahre durch stetige Leistung und viel Einsatz nach oben gekämpft hat, rechnet man nicht damit, dass man innerhalb weniger Augenblicke wieder ganz nach unten rauschen kann. Nach der starken Saison 2006/07 und dem dritten Platz bei der Junioren-WM war ich ganz nah dran am Weltcupteam. Selbstverständlich war der Weg immer noch weit. Wir hatten zu dieser Zeit eine extrem starke Mannschaft. Ganz vorne standen mit Evi Sachenbacher-Stehle und Stefanie Böhler zwei Mädels, die auf höchstem Niveau ordentlich abgeräumt hatten. Evi war mit einer Gold- und einer Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City sowie der Silbermedaille in der 4×5-Kilometer-Staffel 2006 in Turin das Zugpferd. In so ein Team, in dem jede jederzeit unter die Top 15 laufen kann, kommst du nicht so einfach. Da musst du den Trainern erst einmal entsprechende Leistungen zeigen, damit die überhaupt darüber nachdenken, dich einzusetzen. Außerdem muss eine von den anderen rausgehen, denn es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Startplätzen im Weltcup. Ganz wichtig sind dabei Quervergleiche. Und dafür braucht man wiederum die Chance, bei ihnen zu trainieren. Nur so können die Trainer die Leistungen der verschiedenen Athleten miteinander vergleichen.
Während der Saisonvorbereitung 2007/08 wurde ich tatsächlich eingeladen, ab Anfang Mai »bei den Großen« mitzumachen. Das war eine riesige Ehre. Bislang kannte ich die meisten von ihnen nur aus dem Fernsehen und nun sollte ich mich mit ihnen messen. Es ging sofort richtig ab. Auch im Juniorenbereich war das Training anspruchsvoll, aber eben altersentsprechend. Was mich hier erwartete, war eine ganz andere Nummer. Als ich sah, wie die die Berge hoch sind, dachte ich anfangs: Großer Gott, wie kann man so da raufrennen? Mir war klar, dass das noch mal ein Schritt war, und ich war gespannt, wie groß der sein würde. Besonders beeindruckt war ich auch von dieser Konstanz im Training. Es ging darum, jeden Tag die gleiche Qualität abzurufen und das noch hochzuschrauben. Wenn man in so einer Gruppe trainiert, spürt man auch, dass es nicht mehr weit bis ganz an die Spitze ist. Ich fühlte mich also schon ein bisschen wie im Weltcup. Na klar, da waren noch einige Leute zu schlagen, um wirklich dabei zu sein, aber ich war zuversichtlich. Der Startplatz im Weltcup war in diesem Sommer zum Greifen nah.
Es gibt Tage im Leben, die vergisst man nicht. Mein Olympiasieg 2022 ist ganz sicher so einer. Aber der kam ja erst viel später. Auf dem Weg dahin machte ich auch reichlich negative Erfahrungen. Erfahrungen, die richtig wehtaten und mich lange beschäftigten. Erfahrungen, die sich einbrannten. Im Idealfall können einen solche Erlebnisse übrigens auch positiv prägen – wenn man aus ihnen lernt.
Eigentlich war ich in diesem Herbst wie auf Wolken unterwegs. Ich war zwar noch weit von einem festen Startplatz im Weltcup entfernt, hatte mich aber innerhalb des starken Teams etabliert. Ich erinnere mich, wie ich an einem dieser ungemütlichen Herbsttage vom Skirollertraining nach Hause kam. Auf dem Esstisch lagen ein Brief für mich und ein Zettel von meiner Mutter, auf dem stand, ich solle mich dringend beim Skiverband melden. Obwohl ich im Internat wohnte, war der Brief an die Adresse meiner Eltern gegangen, weil ich dort gemeldet war. Nachdem ich den Umschlag aufgerissen und das Schreiben auseinandergefaltet hatte, musste ich mich kurz sammeln. Ich dachte: Hä?! Das muss ein Irrtum sein! Der Brief war von der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) und darin stand, bei mir sei eine Dopingprobe positiv ausgefallen. Da stand auch der Name der Substanz, die gefunden worden war. Es war eine chemische Bezeichnung, die ich noch nie gehört hatte. Kann doch gar nicht sein, schoss es mir durch den Kopf. Ich habe doch nichts genommen.
Ich war ein wenig erkältet gewesen und hatte die üblichen Erkältungsmittel geschluckt, aber nichts Spezielles. Wenn man merkt, dass man krank ist und nicht richtig trainieren kann, haut man sich schon mal eine Sinupret, homöopathische Mittel oder Vitamin C rein. Zeug, das man für ungefährlich hält und das einen schnell wieder auf die Beine bringen soll. Mein Herz begann zu rasen. Ich dachte, es zerspringt gleich. Ich rief meine Mutter an. Wir waren uns beide sicher, dass das ein Fehler sein musste.
An die Dopingkontrolle erinnerte ich mich. Das kam in dem Alter, in dem ich war, nicht so oft vor wie bei denen, die älter und fest im Weltcup dabei waren. Man ist zwar schon in diesem Meldesystem, aber dass tatsächlich jemand vorbeischaute, war eher selten der Fall. Du musstest dich auch nicht ständig zur Verfügung halten wie die Profis. Die Kontrolle war etwa 14 Tage her. Ich war angeschlagen gewesen, konnte ohnehin nicht trainieren und wollte nach Hause fahren. Ich saß mit meinem Rucksack in der Cafeteria und wollte gerade ins Auto steigen, als die Kontrolleure kamen. Ich dachte sogar: Ein Glück, dass ich noch nicht weg war. Zu dem Dopingtest trug ich alle Medikamente, die ich im Gepäck hatte, in den dafür vorgesehenen Meldebogen ein. Weiter machte ich mir keine Gedanken darüber. Und dann kommt dieser Brief und du denkst: Das kann doch jetzt nicht wahr sein.
Natürlich ging es bei uns immer mal um Doping. Im Fernsehen wurde ja ständig darüber berichtet, wenn wieder jemand erwischt worden war. Aber für mich persönlich war es überhaupt kein Thema. Ich verachtete das. Und natürlich hatte ich auch schon mal davon gehört, dass in »normalen Medikamenten« dopingrelevante Substanzen enthalten sein konnten. Aber man hat nicht die ganze Zeit darüber nachgedacht. Ich sah einfach keine Gefahr, weil ich ja nur ausgesprochen softe Erkältungsmedikamente zu mir nahm, um die Nase und die Bronchien freizubekommen.
Ich zwang mich zur Ruhe. Panik half jetzt überhaupt nicht. Ich versuchte, noch einmal alles aufzuschreiben, was ich genommen hatte, und überlegte, wen ich anrufen konnte. Ich versuchte, zu funktionieren. Gleichzeitig stand ich total neben mir. Es war gruselig. Ich kam mir vor, als wäre ich aus meinem Leben herausgerissen und irgendwo anders hingestellt worden.
Den Begriff »Clenbuterol«, der dort stand, konnte ich nicht zuordnen. Ich hatte ihn noch nie gehört und deshalb auch keine Ahnung, wo das drin gewesen sein konnte. Meine Erkältung, die schon mit einem hartnäckigen Husten, Schnupfen und Halsschmerzen einhergegangen war – was halt zu einer Erkältung so dazugehört –, war zu diesem Zeitpunkt längst abgeklungen. Ich meine, überleg mal, du hast vor gut zwei Wochen eine Erkältung gehabt und sollst dich jetzt genau daran erinnern, an welchem Tag du was, wann, wie eingenommen hast. Irgendwann hatte ich den Mannschaftsarzt und den Trainer am Telefon. Die liefen Amok. Clenbuterol ist ein Wirkstoff, der in der Asthmatherapie eingesetzt wird und auch in manchen Erkältungsmedikamenten vorkommt, die dann allerdings verschreibungspflichtig sind. Er kann auch zum Muskelaufbau benutzt werden, weshalb die Einnahme einen Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) darstellt. 1992 war die Leichtathletin Katrin Krabbe wegen Dopings mit diesem Wirkstoff gesperrt worden. Da war ich allerdings gerade mal drei Jahre alt.
Ich vermutete jetzt, dass ich irgendwann einmal aus unserer Hausapotheke ein Medikament mit diesem Wirkstoff mitgenommen haben musste. Denn tatsächlich, als ich im Internat den Husten bekam, hatte ich nachgesehen, was da war, und dann ein paarmal einen Hustensaft eingenommen, den ich aber noch nicht mal in mein Gepäck für die Heimfahrt packte. Wie kann denn in einem Hustensaft so etwas drin sein?, dachte ich. So etwas könnte mir heute nicht mehr passieren.
Auf einmal stand also dieser brutale Vorwurf im Raum: Du hast die anderen beschissen. Es war mir schier unerträglich, dass so etwas mit meinem Namen in Verbindung gebracht wurde. In dem Brief wurde ich aufgefordert, Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Das zog einen ganzen Rattenschwanz nach sich. Ich musste mehrfach nach Planegg bei München in die Verwaltungszentrale des Deutschen Skiverbands kommen. Da liefen lauter Anwälte durch die Gegend und ich war mittendrin. Plötzlich durfte ich, die kleine Nachwuchsläuferin, die gerade dabei war, den Anschluss an die Großen zu schaffen, die gesamte Verbandsführung kennenlernen. Es wäre sicher schöner gewesen, denen mal nach einem großen Erfolg die Hand zu schütteln. Aber so war es furchtbar. Auch für meine Eltern. Die haben extrem mitgelitten.
Ich lief wie Falschgeld durch die Gegend und versuchte, mir selbst zu erklären, was passiert war. In einem Moment träumst du vom Weltcup, der drei Monate später beginnen soll, im nächsten fühlst du dich wie ein Schwerverbrecher. Ich war bemüht, von Anfang an möglichst offen mit dem Problem umzugehen, aber ich musste erst mal sondieren, was da auf mich zukam. Ich hatte nichts zu verbergen. Für mich war klar, dass ich niemanden betrügen wollte. Aber ich hatte einen saublöden Fehler begangen. Und den musste ich ausbaden, so hatte ich es daheim gelernt.
Es war dennoch schwierig, mit dieser Situation umzugehen. Bis dahin war alles so gut gelaufen. Ich fragte mich, ob es jemals wieder so werden würde und ob ich das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückgewinnen konnte. Ich wollte deshalb unbedingt beweisen, dass ich meinen Fehler unwissentlich begangen hatte. Das machte ihn zwar nicht ungeschehen, konnte aber vielleicht den Vorwurf des vorsätzlichen Betrugs entkräften. Für die Stellungnahme hatte ich ungefähr zwei Wochen Zeit. Es stellte sich heraus, dass ich Spasmo-Mucosolvan genommen hatte. Mucosolvan wäre kein Problem gewesen. Das kann man frei in der Apotheke kaufen. Aber Spasmo-Mucosolvan ist ein Medikament,...
Erscheint lt. Verlag | 11.10.2022 |
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Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Sport ► Ski- / Wintersport |
Schlagworte | Auto-Biographie • Biathlon • Buch • exklusive Einblicke • Geschenk-Buch • Hermann • Langlauf • Leistungs-sport • Leistungssport • nordisch • Olympia • Olympiade • Olympiasiegerin • Olympia-Siegerin • Olympische Spiele • Olympische Winter-spiele • Olympische Winterspiele • Profisport • Profisportler • Profi-sport-lerin • Ski • Skilanglauf • Ski-Langlauf • Ski nordisch • Sport • Sport-Buch • Sportlerin • Sportler-in-biografie • Winter • Winter Olympiade • Wintersport • Winter-Sport |
ISBN-10 | 3-98588-019-0 / 3985880190 |
ISBN-13 | 978-3-98588-019-5 / 9783985880195 |
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