Geschichte der USA (eBook)

Von der ersten Kolonie bis zur Gegenwart

(Autor)

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2022 | 3. Auflage
784 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-78296-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geschichte der USA - Bernd Stöver
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Diese erste "Histoire totale" der USA seit Jahrzehnten verbindet virtuos die politische und militärische Geschichte der Supermacht mit der Geschichte ihrer Wirtschaft und Kultur. Das spannend erzählte Buch lässt den Amerikanischen Traum, aber auch die aktuelle tiefe Spaltung des Landes besser verstehen. Vom Tellerwäscher zum Millionär: Der Mythos vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist bis heute lebendig. Bernd Stöver geht den historischen Wurzeln des American Dream nach, aber auch den vielen Widersprüchen in der amerikanischen Geschichte: Sklaverei und Völkermord an den Indianern auf der einen Seite, Philanthropie auf der anderen, globale Massenkultur und subversive Gegenkulturen, Weltoffenheit und Patriotismus. Donald Trumps Wahl hat die Welt überrascht: Bernd Stövers große Darstellung zeigt, dass überraschende Neuanfänge konstitutiv für die amerikanische Geschichte sind.



<p><strong>Bernd Stöver </strong>lehrt nach Stationen in Bielefeld und Washington D.C. als Professor Neuere Geschichte mit Schwerpunkt Globalgeschichte an der Universität Potsdam.</p>

II. The City upon a Hill:
Die Suche nach einer Neuen Welt 1585–1763


Die europäische Kolonisierung Nordamerikas


Das Gebiet der heutigen USA, in das Europäer seit dem 16. Jahrhundert vordrangen und das sie schließlich auch systematisch erkundeten und ­besiedelten, war nicht unbewohnt. Wann und woher die ersten Siedler gekommen waren, ist bis heute umstritten.[1] Die völlig unterschiedlichen Sprachen der indigenen Bevölkerung legen nahe, dass die ersten Siedler nicht nur in mehreren Wellen aus Nordasien und vielleicht sogar aus anderen Teilen der Welt gekommen waren, sondern ihre Zuwanderung weit früher stattgefunden haben muss als in den von der Forschung lange Zeit angenommenen 12 000 Jahren. Schätzungen gehen heute davon aus, dass die ersten Siedler vor bis zu 40 000 Jahren den Doppelkontinent erreichten.[2] Auf diese indigene Bevölkerung, die «Native Americans», «First Nations» oder «Indians» (Indios), wie man sie damals aufgrund des alten Missverständnisses nannte, das bereits auf Columbus und seinen Plan, den Seeweg nach Indien zu erkunden, zurückging, waren verschiedene europäische Entdecker gestoßen.[3]

Frühe Expeditionen und Besiedlungen Über fünfhundert Jahre vor den vor allem aus Süd- und Mittelamerika vordringenden spanischen Expeditionen hatten Wikinger unter anderem auf Neufundland ihr Lager aufgeschlagen. Zu einer dauerhaften Besiedlung war es jedoch ebenso wenig gekommen wie beim kurzfristigen Aufenthalt des Entdeckers Giovanni Caboto, der unter seinem englischen Namen John Cabot Ende des 15. Jahrhunderts den Norden der Neuen Welt erkundete und nun offiziell die Insel für die englische Krone in Besitz nahm. Die wenig später folgenden spanischen Erkundungsfahrten von Juan Ponce de León 1513 und Pedro Menéndez de Avilés 1565, die den Machtanspruch Madrids auf Nord- und Südamerika unterstreichen sollten, trafen im heutigen Florida neben indianischen Stämmen auch bereits auf Siedlungen französischer Hugenotten.[4] Geduldet wurde das nicht. 1565 vertrieben die Spanier die Protestanten und machten die Orte dem Erdboden gleich. Aus dieser Zeit datieren auch die ersten Darstellungen der europäisch-indianischen ­Begegnungen in Nordamerika, die der französische Künstler Jacques Le Moyne de Morgue anfertigte. Auch Frankreich war schon früh in der Region aktiv und konnte bis ins 19. Jahrhundert sein Kolonialgebiet vom Golf von Mexiko bis ins heutige Kanada ausdehnen. Der französische König Franz I. war 1522 auch der Auftraggeber der besonders aufsehenerregenden Expedition von Giovanni da Verrazano. Sie traf 1524 im Gebiet des heutigen South Carolina auf weitere Ureinwohner, beschränkte sich dann aber auf den Seeweg entlang der Ostküste Richtung Neufundland. Zu groß war die Furcht vor einem Zusammenstoß mit den Spaniern. Verrazano hatte auch deshalb besonderen Einfluss auf die kommende ­europäische Besiedlung, weil er eine überaus positive Beschreibung der Neuen Welt hinterließ. Sie war dazu angetan, seine Nachfolger anzuspornen, weil er von freundlichen Ureinwohnern ebenso schwärmte wie von reizvollen Landschaften im Gebiet zwischen dem heutigen Virginia Beach und dem Hudson River.

Europäische Entdeckungsfahrten und Niederlassungen im nordamerikanischen Südosten

Die erste dauerhafte, wenngleich nicht erfolgreichste europäische Ansiedlung auf dem Gebiet der späteren USA entstand 1565 mit dem spanischen Fort St. Augustine an der Nordostküste Floridas, das noch Menéndez nach der Vertreibung der Protestanten in Auftrag gegeben hatte, um den Machtanspruch Madrids zu markieren. Das schloss den weiteren Ausbau der katholischen Missionsgebiete ein, die von Mittelamerika her auch den heutigen Südwesten und Westen der USA erfassten. Die Spanier beließen es dann allerdings bei einigen wenigen Außenposten, zumal diese, wie Santa Fe im heutigen Bundesstaat New Mexico, nur mühsam gegen die dort ansässigen Indianerstämme gehalten werden konnten. Als Missionen nördlich des Rio Grande entstanden bis ins 18. Jahrhundert unter anderem San Antonio im heutigen Bundesstaat ­Texas (1718) sowie die im heutigen Kalifornien liegenden Städte San ­Diego (1769), San Francisco (1776) und Los Angeles (1781). Auch an der Westküste trafen Engländer und Spanier früh aufeinander, wenngleich eine direkte Konfrontation nicht stattfand. Francis Drakes Weltumsegelung, die sogenannte Famous Voyage zwischen 1577 und 1580, führte ihn, nachdem er Kap Hoorn umschifft hatte, auch an die Westküste der späteren USA. Der Ort ist unbekannt, möglicherweise war es eine Bucht nordwestlich des heutigen San Francisco, die man heute noch «Drake’s Bay» nennt. Dort begegnete er Angehörigen vom Stamm der Miwok (Miwuk) und legte wohl eine kleine Befestigung an. Der zweite, dessen Expedition an die Westküste in die Annalen einging, war der Abenteurer Sebastián Vizcaíno, der 1602 die Gegend zwischen dem heutigen San ­Diego und Monterrey erreichte und auf den Karten verzeichnete.

Bilder aus der Neuen Welt Die «Lost Colony» Roanoke in der Darstellung von John White (um 1590)

Europäische Entdeckungsfahrten und Niederlassungen im nordamerikanischen Südwesten

Handelsniederlassungen Dort, wo Verrazano 1524 an der Ostküste entlang gesegelt war, gingen seit dem Ende des 16., dann aber vor allem seit Beginn des 17. Jahrhunderts andere europäische Nationen mehr oder minder zielgerichtet an die Gründung von dauerhafteren Handelsniederlassungen und Kolonien. Zu ihnen gehörten vor allem Engländer, Franzosen, Holländer und Schweden. Die Anschubfinanzierung übernahmen häufig sogenannte Colonizers, private Kolonisationsunternehmer, die für die vielen europäischen Handelsgesellschaften im Auftrag oder mit Genehmigung (Charters) europäischer Monarchen gezielt Stützpunkte auch in Nordamerika aufbauten. Sie brachten ihre Kolonisten (Colonists) in der Regel selbst mit oder siedelten sie später gezielt an, um den Ort am ­Leben zu halten, denn nur so konnte auch der Machtanspruch gegenüber den europäischen Konkurrenten begründet werden. Dass diese Kolonien keine wirklichen Sehnsuchtsorte waren, ist schon daran abzulesen, dass man dazu übergehen musste, auch Häftlinge zwangsweise zu verschiffen. Der Mangel an Frauen blieb von Anfang an ein besonderes Problem. In den französischen Gebieten kamen Heiratsmärkte in Mode, auf denen die sogenannten Filles du Roi, «die Töchter des Königs», faktisch an den Meistbietenden verschachert wurden. Sie waren jenseits moralischer ­Erwägungen ein wichtiges Instrument, um mit mehr Geburten die Kolonien von der Zuwanderung unabhängiger zu machen. Nach und nach sammelten sich in den Kolonien eine Fülle von Siedlern weiterer Nationen, schließlich auch Finnen, Dänen, Deutsche und Polen. Neben diesen um Kolonien und Handelsplätze konkurrierenden Europäern waren vor der Küste Neufundlands im 16. Jahrhundert auch Portugiesen und Basken aktiv, die aber lediglich saisonweise die reichen Fischgründe aufsuchten.

Anwerbung und Einwanderung Über die Art, wie Anwerbungen von Kolonisten in Europa seit Ende des 16. Jahrhunderts verliefen, ist man durch viele Berichte informiert. Legal arbeitende, aber auch viele un­redliche Agenten organisierten regelrechte Werbetouren quer durch ­Europa. Sie verstanden sich als Makler, die für jeden neuen Siedler eine Prämie erhielten und daher faktisch alles versprachen. Broschüren ­priesen die Neue Welt in den hellsten Farben an. Den häufig auf kleinen, unrentablen Gehöften als Knechte oder Lohnarbeiter tätigen Auswanderungswilligen versprach man in erster Linie ein leichteres und freieres Leben. Schriften wie Der Nunmehro in der Neuen Welt vergnügt und ohne Heim-Wehe lebende Schweitzer aus dem Jahr 1734 oder die im folgenden Jahr gedruckte Neue Nachricht alter und neuer Merkwürdigkeiten, enthaltend ein vertrautes Gespräch und sichere Briefe von der Landschaft Carolina zeichneten ein paradiesisches Land in Übersee: «Die Kühe wandern auf vollkommenen Weiden über das ganze Jahr und Honig findet sich über das ganze Jahr in hohlen Bäumen. Wilde Truthähne finden sich in Schwärmen von fünfhundert, Gänse – die einige Farmer in Herden von bis zu zweihundert halten – nutzt man, sofern man mag [,] für Feder­betten. Wie zum Spiel stecken Bisons ihre Köpfe durch die Fenster der Blockhäuser und warten nur darauf, geschossen zu werden, Wölfe sind niemals so groß wie in Europa und können gezähmt werden», hieß es dann zum Beispiel.[5]

Nachdem bereits im 17. Jahrhundert immer mehr Kolonisten ihre ­Passage mit Krediten und durch die Verpflichtung, diese in der Neuen Welt als Schuldknechte, als «Indentured Servants», abzuarbeiten, erlangt hatten, wurde in den 1720er Jahren das sogenannte Redemptioner-System in den europäischen Ländern zum Standard, weil es selbst den Ärmsten die Überfahrt erlaubte. Der Kredit des Schiffskapitäns wurde nach der Überfahrt mit der Ableistung eines Dienstes als Knecht, Magd, Handwerker oder Arbeiter, der in der Regel vier Jahre dauerte, zurückgezahlt. Bis zu zwei Drittel der deutschen Auswanderer erreichten im 18. Jahrhundert auf diese Weise die Neue Welt, wenn auch unter Qualen.[6] «Es werden die Menschen teils in Rotterdam, teils in Amsterdam in die großen Seeschiffe sehr nahe, bald so zu sagen wie Heringe...

Erscheint lt. Verlag 6.4.2022
Reihe/Serie Beck Paperback
Beck Paperback
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte America • American dream • Amerika • Geschichte • Kultur • Militär • Politik • States • Supermacht • United • USA • Vereinigte Staaten • Wirtschaft
ISBN-10 3-406-78296-5 / 3406782965
ISBN-13 978-3-406-78296-1 / 9783406782961
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