Der 1. Weltkrieg -

Der 1. Weltkrieg

Die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts
Buch | Hardcover
352 Seiten
2004 | 2. Auflage
DVA (Verlag)
978-3-421-05778-5 (ISBN)
22,90 inkl. MwSt
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Der Krieg von 1914 bis 1918 hat die Welt grundlegend verändert: Das Osmanische Reich, das Zarenimperium und der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn zerbrachen, der Aufstieg Hitlers, Lenins und Stalins hat hier seine Wurzeln, die Kolonialmächte England und Frankreich begangen zu wanken. Als erster weltumspannder Waffengang kostete dieser Krieg fast 15 Millionen Menschen das Leben.


Autoren des Spiegel und bekannte Historiker wie Hew Strachan und Hans-Ulrich Wehler beleuchten die vielfältigen Aspekte dieser "Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts. Sie analysieren die Vorgeschichte mit dem Höhepunkt des Attentats von Sarajevo und der Juli-Krise. Sie beschreiben die verbissenen Kämpfe in Frankreich, Belgien, Italien und im Osten Europas sowie die globale Dimension der Auseinandersetzung. Sie schildern Hungersnot und Mangelwirtschaft und werfen einen neuen Blick auf die so weitreichenden Folgen dieses Krieges. Ergänzt wird der Band durch kürzlich gefundene Farbaufnahmen.


Stephan Burgdorff, geboren 1944, ist seit 1974 Redakteur des Spiegel und leitet seit einigen Jahren das Ressort Sonderthemen. Er ist Mitherausgeber mehrerer SPIEGEL/DVA-Bücher, darunter "Die Flucht. Über die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten" und "D

Der Marsch in die Barbarei Der Weltkrieg von 1914 bis 1918 war der erste totale Krieg in der Geschichte der Menschheit. Er verhalf Wladimir Iljitsch Lenin an die Macht und legte den Keim für den Aufstieg des Postkartenmalers Adolf Hitler zum verbrecherischen Diktator. VON KLAUS WIEGREFE Am Abend vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich stand der britische Außenminister Edward Grey am Fenster seines Amtszimmers und blickte auf den Londoner St. James's Park, in dem gerade die Lampen angezündet wurden. Grey befiel an diesem 3. August 1914 eine dunkle Vorahnung. „In ganz Europa gehen die Lichter aus", sagte er zu einem Freund und fügte hinzu: „Wir werden es nicht mehr erleben, dass sie wieder angezündet werden." Der Erste Weltkrieg dauerte bis 1918, und doch erwiesen sich Greys Worte als schreckliche Prophezeiung: Einen stabilen Frieden sollte es in Europa 31 Jahre lang - bis 1945 - nicht mehr geben. Der Friedensvertrag von Versailles, der Deutschland um mehr als ein Zehntel seiner Fläche verkleinerte und zu gigantischen Reparationszahlungen verpflichtete, beendete zwar offiziell das Gemetzel auf dem Schlachtfeld. Aber der „Krieg in den Köpfen", so der Historiker Gerd Krumeich, tobte noch Jahrzehnte weiter. Nichts machte Adolf Hitler, 1914 Kriegsfreiwilliger im bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment 16, so populär wie seine Drohung, die „Schmach von Versailles" auszulöschen. Für Krumeichs Kollegen Hans-Ulrich Wehler ist der Erste Weltkrieg daher der Beginn eines „zweiten Dreißigjährigen Krieges" (siehe Seite 23). Die gute alte Friedenszeit - für die Eltern, Großeltern und Urgroßeltern der heute lebenden Europäer waren dies die Jahre vor 1914. Mit boomendem Optimismus hatten viele Menschen auf dem alten Kontinent das neue Jahrhundert begrüßt. Sie glaubten an eine goldene Zukunft mit mehr Freiheit, Fortschritt und Wohlstand. Der Erste Weltkrieg zerstörte unwiederbringlich dieses Vertrauen. Millionen Männer erlebten und erlitten Gewalt von solch massiver Brutalität, wie sie bis dahin in der Geschichte der Menschheit unvorstellbar war - ein idealer Nährboden für Faschisten und Kommunisten mit ihren Wahnvorstellungen vom Rassen- oder Klassenkampf. Es war der Krieg, der dem Rechtsanwalt Wladimir Iljitsch Lenin 1917 die Gelegenheit gab, in Russland jene Diktatur zu errichten, unter deren Nachwirkungen Osteuropa noch lange leiden wird. Ohne die Erschütterungen des Weltkriegs wäre auch dem einstigen Postkartenmaler Hitler der Griff nach der Macht nie gelungen. In der blutigen Auseinandersetzung zwischen den Mittelmächten Deutschland und Österreich-Ungarn sowie der Entente aus Großbritannien, Frankreich und Russland zeigte die Moderne ihr anderes Gesicht - es war eine hässliche Fratze. Die industrielle Dynamik, welche die Europäer zu den Herrschern der Welt hatte werden lassen, wandte sich erstmals gegen die Bewohner des alten Kontinents. Der Erste Weltkrieg war der erste totale Krieg. Die Eisenbahn - Sinnbild des Fortschritts - brachte Millionen Soldaten an die Front, dort gerieten sie in eine gigantische, hoch technisierte Tötungsmaschinerie von bislang unbekannten Ausmaßen. Terrorwaffen wie das deutsche „Parisgeschütz" schleuderten ihre tödliche Last über eine Distanz von 130 Kilometern; Maschinengewehre der amerikanischen Marke Maxim feuerten bis zu 600 Kugeln pro Minute ab. Allein am 12. September 1918 verschossen die Amerikaner bei einem Angriff in vier Stunden 1,1 Millionen Granaten. Mehr als 60 Millionen Soldaten aus fünf Kontinenten kämpften zwischen China und den Falkland-Inseln, auf knapp 4000 Meter Höhe in den Alpen und in den Tiefen des Atlantischen Ozeans um den Sieg und ihr Leben. Beinahe jeder Sechste fiel - im Durchschnitt 6000 Mann täglich -, schätzen die Autoren des neuen Standardwerks „Enzyklopädie Erster Weltkrieg"*. Millionen kehrten als Kriegsversehrte heim. Das Grauen von Bombenterror, Flucht und Vertreibung, welches die Deutschen erst gegen Ende des „Dritten Reichs" erlebten, wirkt heute wie ein vielfach verstärktes Echo jenes Schreckens, den deutsche und österreichische Truppen 30 Jahre zuvor nach Frankreich, Belgien oder Serbien getragen hatten. Über 800 000 Belgier flohen 1914 vor den Deutschen ins Ausland; mindestens 60 000 Belgier ließ Wilhelm II. aus den besetzten Gebieten verschleppen. Diese sowie 15 000 osteuropäische Juden mussten im Reich Zwangsarbeit verrichten. Städte wie das belgische Ypern bestanden 1918 nur noch aus Ruinen. Im belgischen Tamines oder in Dinant wurden Hunderte von Zivilisten als Vergeltung für vermeintliche Partisanenangriffe erschossen. Deutsche Soldaten benutzten beim Kampf um Lüttich oder Namur Geiseln als menschliche Schutzschilde. Fotos aus Serbien zeigen österreichische Soldaten vor gehenkten Zivilisten - ähnlich den umstrittenen Aufnahmen in der Hamburger Wehrmachtsausstellung über die Verbrechen deutscher Militärs im Zweiten Weltkrieg. Noch gab es Barrieren, die erst bei Hitler fielen. Am 4. September 1914 schlug Kaiser Wilhelm II. vor, 90000 russische Kriegsgefangene auf der Kurischen Nehrung verhungern zu lassen, wogegen der preußische Kriegsminister Erich von Falkenhayn sich sofort verwahrte. Fünf Tage später freilich plädierte der 55-jährige Monarch dafür, die von Belgien und Frankreich nach einem Sieg zu annektierenden Gebiete ethnisch zu säubern und das dann frei gewordene Land an verdiente Unteroffiziere und Mannschaften zu vergeben. Niemand widersprach. Die Niederlage ließ aus Wilhelm sogar einen radikalen Antisemiten werden, der von der Vergasung der Juden fabulierte. Der erste Dreißigjährige Krieg - zwischen 1618 und 1648 - hinterließ ein verwüstetes Mitteleuropa und traumatisierte die Menschen für Jahrhunderte. Es ist wahrscheinlich, dass der zweite eine ähnliche Langzeitwirkung entfaltet. Allerdings ist die Erinnerung an das damit verbundene Grauen unterschiedlich ausgeprägt. Der Osten Europas sieht im Holocaust und im Vernichtungskrieg zwischen 1939 und 1945 die zentralen Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Im Westen des alten Kontinents hingegen ist der „Große Krieg" (La Grande Guerre) jener zwischen 1914 und 1918 geblieben. In der Knochenmühle von Verdun oder auf den Killing Fields von Flandern starben viermal so viele Franzosen, dreimal so viele Belgier, doppelt so viele Briten wie im Zweiten Weltkrieg. Allein am 1. Juli 1916 verloren die Briten rund 60000 Soldaten. Die Erinnerung an die Opfer wird bis heute hochgehalten. Am 11. November - zum Jahrestag des Waffenstillstands 1918 - gedenken die gut 35 000 französischen Gemeinden in Feierstunden der Toten; der Präsident legt einen Kranz am Pariser Arc de Triomphe nieder. Reisen zu den belgischen Schlachtfeldern gehören in vielen englischen Schulen zum Pflichtpensum. Briten stellen über die Hälfte der 500 000 Besucher, die jährlich in Flandern die Minenkrater bei Menin oder den Soldatenfriedhof Tyne Cot besuchen. Diesseits des Rheins hat die Beschäftigung mit Auschwitz die Erinnerung an Verdun schon vor Jahren verdrängt. Die Bilder, die Helmut Kohl und Frangois Mitterrand 1984 Hand in Hand an den Gräbern von Verdun zeigen, entfalteten in der Bundesrepublik nicht annähernd jene symbolische Kraft wie in Frankreich. Konrad Adenauer saß noch im Palais Schaumburg in Bonn, als der Erste Weltkrieg das letzte Mal die breite Öffentlichkeit der alten Bundesrepublik beschäftigte. Das war Anfang der sechziger Jahre. Der Historiker Fritz Fischer hatte behauptet, das Kaiserreich trage die Hauptschuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Fischer zerstörte damit die Lebenslüge der Generation, die in Hitlers Weltkrieg bloß einen Betriebsunfall der deutschen Geschichte sehen wollte und nicht etwa die Endstation eines lange zuvor eingeschlagenen Sonderwegs. Nach der so genannten Fischer-Kontroverse erlahmte die öffentliche Anteilnahme allerdings rasch. Erst 2004, zum 90. Jahrestag des Kriegsausbruchs 1914, wendet sich die Aufmerksamkeit des nun geeinten Deutschland dem Krieg des Kaisers erneut zu. Geschichtsstudenten drängen sich in Seminare und Vorlesungen zum Ersten Weltkrieg. „Das Interesse ist enorm", beobachtet Dorothee Wierling, Historikerin an der Universität Hamburg. Der Publizist Michael Jürgs verkaufte von seinem Buch über den „Weihnachtsfrieden" 1914 innerhalb weniger Wochen über 30 000 Exemplare. Verlage und TV-Anstalten haben sich auf den neuen Trend eingestellt. Ein gutes Dutzend Neuerscheinungen zum Ersten Weltkrieg ist im Frühjahr 2004 auf den Markt gekommen. Die öffentlich-rechtlichen Sender zeigen Serien, die sich mit dem Kaiser beschäftigen oder einen kompletten Überblick des Kriegs versuchen. Gerhard Hirschfeld, Geschichtsprofessor und Direktor der Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart, erklärt das neue Interesse mit einer besonderen „Dialektik der Erinnerung". Der Erste und der Zweite Weltkrieg würden bei der Aufarbeitung des 20. Jahrhunderts zunehmend „zusammen gedacht". Die Aufmerksamkeit, die Wilhelms Schlachten nun zuteil wird, wäre demnach logische Folge der Debatten über die Kollektivschuld-These Daniel Goldhagens, die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung oder die Entschädigung der Zwangsarbeiter. Die Katastrophe des Ersten Weltkriegs nahm ihren Anfang am 28. Juni 1914 im bosnischen Sarajevo, wo der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand zu Besuch weilte. Bei der Fahrt durch die Stadt bog dessen Fahrer falsch ab. Als er wenden wollte, sprang der 19-jährige serbische Gymnasiast Gavrilo Princip vor und feuerte zweimal in den offenen Wagen. Die Erzherzogin war sofort tot, der Thronfolger starb zehn Minuten später. Princip gehörte zu einem siebenköpfigen Terrorkommando junger Serben, die von einem großserbischen Reich träumten. Die Teenager hatten Bomben und Pistolen vom serbischen Geheimdienst erhalten. Seit langem drängten die Falken in der Wiener Regierung auf einen Krieg gegen Serbien, um den serbischen Nationalismus, der das marode Vielvölker-Imperium schwächte, als „Machtfaktor am Balkan auszuschalten". Nach dem Attentat gewann die Kriegsfraktion die Oberhand. Und da der greise Kaiser Franz Joseph fürchtete, Russland könne den slawischen Brüdern beispringen, bat er den deutschen Verbündeten um Rückendeckung. Als am 5. Juli 1914 der Wiener Botschafter im Neuen Palais in Potsdam Wilhelm II. über eine geplante „Isolierung und Verkleinerung Serbiens" unterrichtete, gab „Höchst-derselbe" seine „volle Unterstützung". Damit setzte die „Juli-Krise" ein - der Anfang vom Ende einer langen Epoche des Friedens. Seit Napoleon, also etwa hundert Jahre, hatte es in Europa keinen großen Krieg mehr gegeben. Die regierenden Fürstenhäuser waren eng verwandt: Zar Nikolai II., Kaiser Wilhelm II. und König George V. waren Cousins. Man konnte ohne Pass von London bis an die russische Grenze reisen. Außenhandelsboom und Goldstandard hatten eine Verflechtung der Volkswirtschaften zur Folge, die erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts wieder erreicht wurde. Die Juli-Krise 1914 28. Juni Der bosnische Serbe Gavrilo Princip erschießt den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo. Wien erwägt eine Strafaktion gegen das international weitgehend isolierte Serbien. 5. Juli Österreichs Kaiser Franz Joseph bittet Wilhelm II. um Unterstützung. Das Deutsche Reich soll Russland - den mächtigen Verbündeten Serbiens - von einem Eingreifen abschrecken. Wilhelm II. sagt zu, „in gewohnter Bündnistreue" an der Seite Wiens zu stehen. 23. Juli Österreich verlangt von Serbien in einem Ultimatum die Unterdrückung jeglicher Aktionen gegen die österreichisch-ungarische Monarchie und eine gerichtliche Untersuchung des Attentats unter Mitwirkung Wiener Beamter. 3. Juli Österreich erklärt Serbien den Krieg, nachdem Belgrad sich weigerte, die Wiener Forderungen vollständig zu erfüllen. 4. Juli Londons Außenminister Grey warnt, Großbritannien werde im Fall eines großen Krieges Frankreich beistehen. Vergebens versucht Reichskanzler Bethmann Hollweg, die Briten zur Neutralität zu bewegen. 5. Juli Zar Nikolai II. ordnet die russische Generalmobilmachung an. Bethmann Hollweg drängt Wien erfolglos, die Briten als Vermittler zu akzeptieren. 6. Juli Deutschland droht dem Zaren mit einem Krieg, falls Russland nicht innerhalb von 12 Stunden demobilisiere. Das Reich verlangt zugleich von Frankreich in einem Ultimatum, sich innerhalb von 18 Stunden für neutral zu erklären. Der französische Ministerrat beschließt die Mobilmachung. 1. August Deutschland erklärt Russland den Krieg und macht mobil. 7. August Deutschland erklärt Frankreich den Krieg. Der Schlieffen-Plan sieht vor, die als unüberwindbar geltenden Befestigungen in Ost-Frankreich durch einen Einmarsch in das neutrale Belgien zu umgehen und Frankreich innerhalb weniger Wochen zu besiegen. Anschließend soll die deutsche Armee gegen Russland vorgehen, bevor dort die Mobilmachung abgeschlossen ist. 8. August Großbritannien begründet seinen Kriegseintritt mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch deutscher Truppen in Belgien. Doch zugleich standen sich zwei Machtblöcke zunehmend feindlich gegenüber. Auf der einen Seite die Mittelmächte Österreich-Ungarn sowie das Deutsche Reich, das nach Vorherrschaft auf dem europäischen Kontinent strebte; auf der anderen Seite die Entente aus französischer Republik, konstitutioneller britischer Monarchie und Russlands rückständiger Autokratie - ein verqueres Bündnis, das nur der gemeinsame Gegner Deutschland zusammenhielt. Der Machthunger des deutschen Kaisers ließ Franzosen, Russen und Briten zusammenrücken, obwohl diese wegen ihrer kolonialen Interessen jahrzehntelang miteinander verfeindet waren. Die Schüsse von Sarajevo und das österreichische Ultimatum setzten eine Kettenreaktion in Gang. Russland sprang dem von Österreich bedrohten Serbien in der Hoffnung bei, Österreich-Ungarn zu schwächen; Deutschland stellte sich daraufhin offen gegen das Zarenreich, was zur Folge hatte, dass Frankreich seinem Verbündeten Russland zu Hilfe eilte und Großbritannien schnell folgte. Einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland glaubte der Große Generalstab nur gewinnen zu können, wenn Deutschland mit einem Angriff auf Frankreich nicht lange zögerte. Ein fataler Automatismus begann. Über die Frage, welche Seite die Hauptverantwortung für den Kriegsausbruch trägt, streiten bis heute die Historiker. Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg gestand einem Journalisten, dass Deutschland einen Teil der Schuld am Ausbruch des Kriegs trage, und fügte hinzu: „Wenn ich sagen wollte, dieser Gedanke bedrückt mich, so wäre das zu wenig - der Gedanke verlässt mich nicht, ich lebe darin." Wilhelm-II.-Biograf John Röhl wirft dem Kaiser sogar „Verschwörung zu einem Angriffskrieg" vor. Die jungen Soldaten, die im August 1914 an die Front fuhren, ahnten nichts von dem Inferno, das sie erwartete. Französische Wehrpflichtige zogen mit leuchtend blauen Röcken und roten Hosen in die Schlacht. Säbel baumelten an den Gürteln der Offiziere aller Armeen. Ungarische Husaren übten mit quastenbesetzten Waffenröcken Attacken. „Ich finde den Krieg herrlich. Er ist wie ein großes Picknick, aber ohne das überflüssige Beiwerk, das normalerweise dazugehörte", notierte der britische Offizier Julian Grenfell. Die grauenvollen Zutaten dieses Picknicks: Handgranaten, Flammenwerfer, Giftgas. Am 22. April 1915 setzten die Deutschen erstmals in der Geschichte der Menschheit Massenvernichtungswaffen ein. Der Einsatz von Gas, den Briten, Franzosen und Russen erwiderten, kostete Zehntausende das Leben - eine kriegsentscheidende Wende brachte er nicht. Dabei schien der Sieg der Deutschen im August 1914, wenige Wochen nach Kriegsbeginn, bereits in Reichweite. Fast alles war nach jenem Plan verlaufen, den in seinen Grundzügen 1905 Alfred Graf von Schlieffen, der scheidende Generalstabschef, entworfen hatte. Schlieffen wollte im Falle eines Zweifrontenkriegs die Zeit, die der Zar brauchte, um seine Truppen im riesigen Russland zu mobilisieren, für einen schnellen Sieg gegen Frankreich nutzen. Doch der deutsche Angriff kam im September an der Marne unerwartet zum Stehen. Im November zog sich eine 700 Kilometer lange Grabenfront wie eine hässliche Narbe von der Nordsee bis an die Schweizer Grenze. Der Stellungskrieg begann, und er dauerte fast vier Jahre. Von Scharfschützen bedroht, von Ratten und Läusen gequält, mussten die Soldaten in den Gräben ausharren, die oft voll Wasser liefen. Vor ihnen tat sich baumloses, von Kratern durchsetztes Niemandsland auf, Pferdekadaver und Leichenteile verbreiteten einen elenden Gestank.

Sprache deutsch
Maße 145 x 215 mm
Gewicht 640 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Neuzeit bis 1918
Schlagworte 1. Weltkrieg • 1. Weltkrieg / Erster Weltkrieg • Hardcover, Softcover / Sachbücher/Geschichte/Neuzeit bis 1918 • HC/Sachbücher/Geschichte/Neuzeit bis 1918
ISBN-10 3-421-05778-8 / 3421057788
ISBN-13 978-3-421-05778-5 / 9783421057785
Zustand Neuware
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