Meine Kräuter des Waldes (eBook)
240 Seiten
Gräfe und Unzer (Verlag)
978-3-8338-8481-8 (ISBN)
Dr. phil. Wolf-Dieter Storl studierte Kulturanthropologie und Ethnobotanik und lehrte zunächst an verschiedenen Universitäten, unternahm zahlreiche Studienreisen und veröffentlichte Artikel und Bücher zu seinen ethnobotanischen Feldforschungen. 1988 zog er sich mit seiner Familie auf einen Einödhof im Allgäu zurück, wo er gärtnert und den Geheimnissen der Heilkräuter und Wildpflanzen nachgeht. Er hält regelmäßig Vorträge und Seminare und veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter mehrere Bestseller.
Dr. phil. Wolf-Dieter Storl studierte Kulturanthropologie und Ethnobotanik und lehrte zunächst an verschiedenen Universitäten, unternahm zahlreiche Studienreisen und veröffentlichte Artikel und Bücher zu seinen ethnobotanischen Feldforschungen. 1988 zog er sich mit seiner Familie auf einen Einödhof im Allgäu zurück, wo er gärtnert und den Geheimnissen der Heilkräuter und Wildpflanzen nachgeht. Er hält regelmäßig Vorträge und Seminare und veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter mehrere Bestseller.
Hinweis zur Optimierung
Impressum
Wichtige Hinweise
Die stillen Meister des Lebens
Waldpflanzen im Frühling
Waldpflanzen im Sommer
Waldpflanzen im Herbst
Schlusswort
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Der Autor
Die stillen Meister des Lebens
Krût, steine unde wort
hânt an kreften grôzen hort.
FREIDANK,
FAHRENDER MÖNCH AUS SCHWABEN ODER DEM ELSASS, 12./13. JH.
Kräuterbücher und Heilpflanzenführer gibt es inzwischen zuhauf. Jedes Jahr sind es Tausende Neuauflagen und Neuerscheinungen, wobei vieles, was da gedruckt wird, nicht unbedingt etwas Neues zu bieten hat. Die meisten dieser Werke haben die Flora, die auf sonnigen Wiesen, am Gartenzaun oder in Kräuterbeeten wächst, zum Gegenstand.
In diesem Buch geht es jedoch vor allem um jene wilden Gewächse, die in unseren einheimischen Wäldern zu Hause sind. Sie sind weithin unbekannt. Selbstverständlich wollen wir das Heilpotenzial erkunden, das in ihnen steckt und heutzutage fast in Vergessenheit geraten ist. Auch, ob sie sich als Wildgemüse, Salat- oder Teezutaten eignen. Wir wollen aber auch etwas von dem Brauchtum, den volkstümlichen Überlieferungen und dem Aberglauben erzählen, von Märchen und Sagen, die zu diesen Pflanzen gehören. Mit anderen Worten: Wir wollen versuchen, die grünen Bewohner unserer Mitwelt aus einer ganzheitlichen Perspektive zu verstehen.
PFLANZEN ALS TEIL DER ÖKOLOGIE
Pflanzen lassen sich nicht auf das reduzieren, was in den wissenschaftlichen Botanikbüchern zu lesen steht. Was ihre Heilwirkung betrifft, darf man nicht nur die in ihnen enthaltenen molekularen Wirkstoffe betrachten. Ökologisch gesehen, spiegelt die Vegetation ihre Umwelt, sie ist vollkommen in diese eingebettet: in den Boden mit seinen Mineralstoffen und in die dunkle, modrige Welt der Pilze, die ihr, im Austausch gegen Zucker, dem Produkt der Fotosynthese, Wasser, Nährstoffe, Mineralstoffe und Wuchsstoffe (Auxine) zukommen lassen. Über das unterirdische Netz der Myzelien – dem sogenannten w.w.w. (wood wide web) – können Pflanzen Botschaften an andere Pflanzen vermitteln oder auch empfangen. Oberirdisch sind sie innig mit der Atmosphäre verbunden, geben Sauerstoff als Abfall ab und nehmen Kohlenstoffdioxid als Lebenselixier auf. Nicht nur unterirdisch über Pilzmyzelien, sondern auch über die Luft, mittels Duftstoffen, kommunizieren sie mit ihren pflanzlichen Nachbarn, mit Insekten und anderen Tieren, und – obwohl wir uns dessen oft nicht bewusst sind – auch mit uns Menschen. Auch durch die jahreszeitlichen Rhythmen, die Mondphasen, die Intensität und den Winkel der Sonneneinstrahlung, die planetaren Konstellationen und die Witterungsverhältnisse an ihrem Standort sind die Pflanzen Teil des unendlich komplexen Netzwerks des Lebens. Ich glaube nicht, dass wir es, trotz hochentwickelter Computertechnologie, je vollkommen verstehen werden.
Hildegard von Bingen fasste in ihren Schriften das antike Wissen über Krankheiten und das der Volksmedizin zusammen.
PFLANZEN ALS TEIL DER KULTUR
Aber diese Sichtweise wäre zu kurz gefasst, zu beschränkt. Zu den Bäumen, Sträuchern und Kräutern gehört noch etwas, an das man wenig denkt: Jedes Kraut, jeder Baum hat eine kulturelle und linguistische Identität. Pflanzen berühren unsere Sinne und rufen Gefühle wie auch Gedanken in uns hervor. Sie erzeugen in uns, im »Spiegel der Seele«, bunte Imaginationen. Und wenn wir uns die Zeit nehmen, unseren Geist meditativ in sie zu versenken, dann können sie uns auch hohe Inspirationen schenken.
Wie Ethnobotaniker immer wieder zeigen konnten, sind diese Imaginationen und Eingebungen nur im jeweiligen kulturellen Kontext der einzelnen Völker zu verstehen. Dabei handelt es sich nicht – wie man heute leichtsinnig sagen würde – um willkürliche kulturelle Konstruktionen, auch nicht um subjektive Projektionen auf eine an sich stumme, seelenlose Natur. Sondern es geht dabei, wie ich bei den Indianern und traditionellen Schamanen im Himalaja und in Sibirien erfahren konnte, um eine wahre Kommunikation mit Lebewesen, die viel älter sind als wir Menschen und die im Einklang mit dem Kosmos und der Erde leben. Oft schenken die Pflanzen uns heilende Botschaften und Bilder, die nicht nur einzelne Individuen, sondern ganze menschliche Kulturen nähren und prägen. Die Botschaften des »grünen Volks« fanden und finden noch immer ihren Ausdruck im Kulturschaffen, in Märchen, Sagen und im Brauchtum der Völker, und wenn die tiefen Einsichten verblassen und nicht mehr verstanden werden, bleiben sie im sogenannten Aberglauben erhalten, der bei vielen »aufgeklärten« Zeitgenossen Kopfschütteln und Naserümpfen hervorruft.
Die Reise zu den Pflanzen, die in unseren Wäldern, Wiesen und Feldern wachsen, ist also auch eine Reise in unsere Kulturgeschichte – zu den heidnischen Vorfahren, ein Eintauchen in ihr Weltbild, ihre Heilkunde und ihre Götterwelt.
Auch die mittelalterliche christliche Glaubenswelt tritt im Zusammenhang mit der Pflanzenheilkunde vor unsere Augen. Man denke an die natur- und heilkundige Hildegard von Bingen (1098–1179), der es gelang, das volkstümliche Wissen der Kräuterfrauen und Hirten mit dem eingeführten Gelehrtenwissen der klassischen Antike, der Säftelehre (Humoralpathologie) von Hippokrates und Galen und der Klosterheilkunde zu verbinden. Unter meinen »neuheidnischen« Freunden und paganen Lesern werden sich sicherlich etliche finden, die Anstoß an den christlichen Legenden und den erwähnten katholischen Heiligen nehmen werden. Aber schließlich bestimmte die christliche Heilslehre rund 1500 Jahre lang unsere Weltsicht und hinterließ auch in der Pflanzenheilkunde und Namensgebung ihre Spuren.
Ebenso prägte die Renaissance, die sich als »Wiedergeburt« der klassischen Antike verstand, mit ihrem Bezug zu astrologischen Parametern und dem System der Planetengötter unsere westliche Pflanzenmedizin. Und heute ist es die wissenschaftliche Chemie, die im Labor die molekularen Wirkstoffe ermittelt und untersucht und die in der modernen, evidenzbasierten Phytotherapie eine zentrale Rolle spielt. Wer sich als Ethnomediziner oder Ethnobotaniker mit indigenen Heilsystemen auskennt, sieht, dass auch dieser wissenschaftliche Ansatz eine eher beschränkte, ethnozentrische Sichtweise auf das Wesen und das Heilvermögen der Pflanzen ist. Alle diese verschiedenen Blickwinkel, auch die historischen und fremdethnischen, sind wichtig, um ein ganzheitliches Bild der Pflanzen zu gewinnen.
Die Renaissance nahm die antike Vorstellung wieder auf, dass die Planetengottheiten – hier Luna – das Leben auf der Erde beeinflussen.
NOMEN EST OMEN – DIE NAMEN DER PFLANZEN
Neben den wichtigsten botanischen und heilkundlichen Merkmalen unserer Waldpflanzen werden uns in diesem Buch auch die vielen verschiedenen Namen beschäftigen, die die Menschen diesen Pflanzen gegeben haben. Das ist wichtig, wird aber vielfach übergangen. Nomen est omen sagten die Römer. Frei übersetzt bedeutet das »der Name ist Programm«; man kann auch sagen, der Name deutet auf das Wesen hin. »Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!«, frohlockt der boshafte Gnom im gleichnamigen Märchen. Es ist nämlich so: Kennt man den Namen eines Wesens, dann hat man es im Griff, dann hat man eine »Hand-habe«.
Schon die Bibel spricht davon, wie wichtig das Benennen der Lebewesen ist – wie in der Schöpfungsgeschichte am fünften Tag.
Auch in anderen Religionen, etwa im Hinduismus, bringt erst der Name ein Lebewesen ins Da-Sein – hier der vierköpfige Brahma mit Saraswati.
In jeder menschlichen Kultur spielt das Benennen eine zentrale Rolle. In der Bibel kommt das im ersten Buch Mose (Genesis 2:19) zum Ausdruck: Gott, der Herr, formte aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte es heißen.
Auch in Indien – um ein weiteres Beispiel anzuführen – gehört der Name (naman) mit zur Erscheinung (rupa). Der richtige Name inkarniert sich in der physischen Welt zugleich mit dem so benannten Wesen; die Mutter gebiert das Kind, der Vater vernimmt dessen wahren Namen, heißt es. Brahma ist der Schöpfer, der mittels seiner Meditationskraft die Geschöpfe aus den Urtiefen ins Licht des Daseins hervorhebt, und wenn sie erscheinen, dann ist es seine weibliche Shakti, seine Gefährtin, die weise Göttin Saraswati, die ihnen den dazugehörigen Namen verleiht. Indem sie die Geschöpfe benennt, verschwinden sie nicht wieder, sie bleiben im Da-Sein.
Was die Pflanzennamen und ihre Bedeutung betrifft, bin ich dem großen fränkischen Ethnobotaniker Heinrich Marzell (1885–1970) unendlich dankbar, der mithilfe vieler Gewährsleute fast 40 Jahre lang die Pflanzennamen im gesamten deutschen Sprachraum samt ihren Verwandten in anderen Sprachen zusammengetragen und in dem fünfbändigen Werk Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen veröffentlicht hat. Rund 80 000 Pflanzennamen sind es insgesamt. Allein für den Löwenzahn kommt er auf fast 500 mundartliche Benennungen.
Wichtig ist auch die wissenschaftlich-botanische Namensgebung, wobei der Name der Gattung und dann der Name der individuellen Art angegeben wird – beim Löwenzahn wäre es Taraxacum officinalis. Der Leser sollte sich nicht daran stören, denn die schriftdeutschen wie auch die mundartlichen Benennungen sind oft von Ort zu Ort unterschiedlich und keinesfalls eindeutig. So heißt der Löwenzahn im bayerischen Schwaben Bärenzahn, in...
Erscheint lt. Verlag | 2.2.2022 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik |
Schlagworte | Alternative Medizin • Gesund mit Kräutern • GU • Heilkraft • Heilkräuter • Heilpflanze • Heilpflanzen • Heilpflanzenkunde • heimmische Pflanzen • Holunder • Kräuter • Kräutergarten • Kräuterkunde • Kräutertee • Natur • Nutzpflanzen • Pflanzenkunde • Pflanzen und Pflanzenwelt • Ratgeber • Selbstversorgung • Wald • Waldkräuter • waldkräuter bestimmen • Waldkräuter erkennen • Wildblumen • Wildgemüse • Wildkräuter • Wildkräuter bestimmen • Wildkräuter erkennen • Wildpflanzen |
ISBN-10 | 3-8338-8481-9 / 3833884819 |
ISBN-13 | 978-3-8338-8481-8 / 9783833884818 |
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Größe: 24,8 MB
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