Auf den Inseln des ewigen Frühlings (eBook)
128 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-9354-3 (ISBN)
Der Arzt und Jäger Dr. Arthur Berger ist ein deutscher Forschungsreisender, der die Inseln des ewigen Frühlings, wie Hawaii auch genannt wird, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts besuchte.
2. Der erste Eindruck
Den „Stillen Ozean" nennen die Geografen jene gewaltige Wasserfläche, die sich zwischen Amerika und Asien ausbreitet. Glückliche Menschen müssen sie als Erste durchquert und getauft haben, sicher hatten sie besseres Wetter als wir auf unserer Reise von Vancouver nach Honolulu.
Manches Meer habe ich befahren, aber nirgends hat der alte Neptun mich so gebeutelt, so herumgeworfen, wie auf dem Pazifik. Zieht man noch in Betracht, dass der Dampfer, der meinen Freund und mich trug, eigentlich seit sechs Jahren ausrangiert sein sollte, weil er vollkommen unzeitgemäß eingerichtet war und z. B. nur eine einzige Schraube hatte, so kann man sich eine schwache Vorstellung davon machen, welche Freude wir auf dieser Seereise erlebten.
Wer seefest ist, den kümmert das Rollen und Stampfen des Schiffes im Allgemeinen wenig, aber verwünscht wird es von dem, den das graue Elend der Seekrankheit heimsucht. Ganz besonders leid taten mir die verschiedenen Pärchen auf der Hochzeitsreise, die wir an Bord hatten, Amerikaner, die drüben auf den glücklichen Hawaii-Inseln, den Gefilden des ewigen Frühlings, ihre Flitterwochen verleben wollten. Gerade sie schienen ganz besonders unter dem ständigen Schlingern und Rütteln zu leiden.
„Wissen Sie", sagte eines Tags mein Reisegefährte, „ich glaube, der Kapitän unserer alten Miowara ist auf eine holprige Fahrstraße geraten. Das ist doch eine elende Stampferei!" Er hatte nicht ganz unrecht; es war, als wenn ein federloser Karren über einen Knüppeldamm stockert.
Langsam, unendlich langsam schaukelten wir westwärts. Eine See nach der andern fegte über das Deck, so dass man sich nur auf der dem Wogenprall abgekehrten Seite aufhalten konnte. Doch auch hier war es keine Freude; alle Augenblicke neigte sich unser Kasten so tief, dass der Rand des Decks ins Wasser tauchte! Taue waren gezogen, an denen man sich entlang arbeiten musste, wenn man zu einem andern Platz gelangen wollte, und wer sie losließ, rollte rettungslos auf das nasse Deck. In den Zwischenräumen oberhalb der Reling waren Netze gespannt, damit beim schweren Überholen des Dampfers die Fahrgäste nicht ins Meer geschleudert wurden. Diese Vorsicht war hier unbedingt am Platze, sonst wären mehr als einer über Bord gegangen; eine Rettung war bei dieser schweren See ausgeschlossen.
Eine öde, leere, in ewiges Grau getauchte Welt umgab uns und lastete auf den wild durcheinander tobenden Wogen. Regenschauer gingen ständig nieder, dazu pfiff und heulte es in dem Gestänge, knarrte das Schiff in allen Fugen.
Kein Dampfer oder Segler begegnete uns; wir waren wie in einer verwunschenen Welt. Unwillkürlich tauchte der Gedanke auf: Wer soll uns helfen, wenn dem alten Klapperkasten etwas zustößt? Denn drahtlose Telegrafie gab es auch nicht, durch die wir etwa das bekannte Notsignal um rasche Hilfe: c.q.d.,, „Come quick, danger (Komm schnell, Gefahr)!"', hätten in die Welt Hinausrufen können.
Trüb wie das Wetter war die Stimmung der wenigen an Deck befindlichen Reisenden; die übrigen lagen in den Kabinen, stöhnten und mochten denken: „Uns ist alles gleich, nur ein Ende mache, Herr, mit unserer Pein!"
So schlichen die Tage hin, lustlos. Hin und wieder erschien, sich im Sturm schaukelnd, ein Albatros oder glitt einer der kleinen schwarzen Sturmvögel wie ein Schlittschuhläufer über die Wogen hin, tauchte in die Wellentäler, erschien wieder und verschwand; ihm war das Unwetter sein Element. Deshalb hassen ihn auch alle Seefahrer, denn wo er sich zeigt, da naht der Sturm.
Statt 230 Seemeilen legten wir täglich nur 130 zurück; das war recht wenig. Zu all dem Ungemach kam, dass die Verpflegung herzlich schlecht war; obendrein ließ die Sauberkeit mehr als zu wünschen übrig, und große Kakerlaken krochen allenthalben herum. Langsam gondelten wir westwärts.
Mit Kummer nahmen wir wahr, dass wir mehrere Tage überfällig waren. Schon längst hätten wir auf den sonnigen Inseln sein müssen, und immer noch wollte kein Land auftauchen.
Endlich, als der Sturm sich etwas ausgetobt zu haben schien, das Meer aber noch immer wie ein Kochtopf brodelte, lies sich der erste Tropikvogel blicken, ein Zeichen, dass Land in der Nähe war.
Und nun erschien auch das erste Schiff! Weih schob es sich aus dem dünnen, über dem Meer ruhenden Nebelschleier: Ein amerikanisches Kriegsschiff. Drüben, in Honolulu, war man in Sorge um den so lange überfälligen Postdampfer, dessen Altersschwäche nur zu gut bekannt war, und man hatte den Kreuzer ausgeschickt, uns zu suchen. Glücklicherweise hatte er uns gleich gefunden, denn bei dem diesigen Wetter hätten wir sehr leicht aneinander vorbeifahren können. Der Kreuzer dampfte in unsere Nähe und signalisierte seine menschenfreundliche Absicht. Das war ein Lichtblick, der auch auf die armen Seekranken erfrischend wirkte; nun waren wir in der öden Wasserwüste doch nicht mehr so ganz allein.
Einige Stunden hielt er sich mit uns auf gleicher Höhe, dann ging drüben ein Signal hoch; wir antworteten. Höher aufschäumendes Kielwasser zeigte, dass es dem stolzen Kriegsschiff zu langweilig wurde, in unserm Schneckentempo dahinzuschleichen; es empfahl sich, um Kunde zu bringen, dass die verloren geglaubte „Miowara" noch am Leben war und langsam dem schönen Honolulu zu schaukelte.
Es war, als habe uns der Kreuzer das Glück gegebracht. Die Wogen begannen sich zu ordnen, der Sturm legte sich, nur hin und wieder ging noch ein Tropenregen nieder. Ein Regenbogen spannte sich im Westen, und unter ihm tauchten, im Nebelschleier zart sich abhebend, die ersten Bergzüge aus dem Meere auf. Zackig erhoben sich trotzige Lavamassen; es war Maui, die wegen ihrer Viehzucht bekannte zweitgrößte der Hawaii-Inseln.
Lindere, weichere Lüfte umfächelten uns, der Eishauch, den uns der Pol die ganze Zeit über zugesandt hatte, war verschwunden, Frühling zog übers Meer.
Da wuchsen auch schon die Berge von Molokai aus der See, und jetzt sandte die Insel Oahu ihren Gruß. Wie schnell wurden da die armen Kranken gesund! Einer nach dem andern kam aus den Kabinen. Noch bleich, aber mit hoffnungsvollen Gesichtern blickten sie hinüber nach der Insel, dort wollten sie ja ihre Flitterwochen verleben!
Strahlende Augen rundum, als wir an der Küste entlang fuhren. Und wahrlich, die Leutchen hatten recht, sich zu freuen, denn kaum ein Gestade kenne ich, das so herrlich, so einladend ist. Hoch in die Lüfte ragen die blauschwarzen, teils eingestürzten Krater der Vulkaninsel, scharf kontrastieren sie gegen das üppige Grün, das ihren Fuß säumt, gegen die Küste, an der sich über den blendend weihen Strand die Kokospalmen neigen, wo lichte Häuser aus paradiesisch schönen Gärten lugen. Das ist die Waikikibucht, der Lieblingsaufenthalt Kamehamehas l., des gewaltigsten Königs der Hawaii-Inseln. Hier ruhte er aus von seinen Kriegszügen, seinen Heldentaten.
„Dort, hart am Ufer, zum Teil über das Meer hinaus gebaut, ist das Moanahotel", erklärt ein amerikanischer Arzt, an den sich seine junge Frau schmiegt, „dort wollen wir glückliche Wochen verleben." Fast beneideten wir ihn.
Segeljachten ziehen vorüber, ein Winken und Grüßen; über die Sturzseen, die die Brandung an den Strand rollt, gleiten flache Boote, ein beliebter Sport der Eingeborenen und Weißen. Schlägt eines der leichten Fahrzeuge um, so ist es nicht schlimm; gute Schwimmer sind sie alle, die sich hier tummeln, und zur Not sind immer Helfer in der Nähe.
Unbesorgt kann man sich hier erfreuen und baden; denn ins Meer innerhalb der Sandbänke, über die die Wogen rollen, wagt sich kein Haifisch; nur das tiefere Wasser ist sein Element zum Jagen und Rauben.
Drüben an den Flaggenmasten gehen das Sternenbanner und andere Fahnen hoch, ein Willkommensgruß für unser Schiff und für manchen Passagier.
Nun legt sich das Ruder auf Steuerbord, wir laufen in den Hafen von Honolulu ein.
Lästig ist die lange ärztliche Untersuchung, noch weniger erfreulich die Zollrevision. Ich nehme diese auf mich, während mein Gefährte einmal Ausschau hält nach einem guten Hotel.
Grenzen sind allen Reisenden ein Gräuel, besonders aber die amerikanischen: Erst muss man schriftlich eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass man nichts Zollpflichtiges hat; dann kommt noch die hochnotpeinliche Untersuchung. Als gewissenhafter Deutscher weigerte ich mich anfangs zu unterschreiben, denn wie konnte ich wissen, was in Amerika alles zollpflichtig ist; aber da wurde mir rundweg erklärt, dass ich dann nicht von Bord dürfe! So tat ich denn wie alle andern und schrieb. Wäre es ein Falscheid gewesen, mich hätte keine Schuld treffen können.
Das Moanahotel hatte zu verheißungsvoll zu uns herüber gewinkt, dorthin war mein Gefährte schnell gefahren. Noch war die Revision aller unserer Koffer nicht beendet, da erschien er wieder.
„Nun?"
„Fragen Sie nicht, machen Sie, dass Sie fertig werden; ich bringe Sie in ein Märchenheim! Aber eines sage ich Ihnen gleich, hier gehen wir nicht so bald wieder weg."
Das war...
Erscheint lt. Verlag | 30.9.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber |
ISBN-10 | 3-7543-9354-5 / 3754393545 |
ISBN-13 | 978-3-7543-9354-3 / 9783754393543 |
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