Hugo Gardners neues Leben (eBook)

Eine bittersüße späte Romanze - lakonisch und unsentimental

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
235 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-76766-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hugo Gardners neues Leben -  Louis Begley
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Als Hugo Gardner, einst ein erfolgreicher Auslandskorrespondent für ein renommiertes Magazin, erfährt, dass seine - wesentlich jüngere - Frau Valerie sich nach vierzig Jahren Ehe von ihm scheiden lassen will, fällt er aus allen Wolken, hatte er sich doch auf einen ruhigen gemeinsamen Lebensabend eingestellt. Während er Valeries Beweggründe zu begreifen versucht, trifft er auf einer Reise nach Paris seine frühere Geliebte Jeanne wieder, die er immer noch hinreißend findet. Die beiden nähern sich einander wieder an und genießen die gemeinsamen Stunden - doch kann ein Neuanfang nach all den Jahren und angesichts alter Verletzungen wirklich gelingen?

Louis Begleys neuer Roman entführt die Leserinnen und Leser in die Stadt der Liebe und erzählt von einer bittersüßen späten Romanze - lakonisch und unsentimental.



<p>Louis Begley, 1933 in Polen geboren, arbeitete bis 2004 als Anwalt in New York. Als Schriftsteller wurde er mit seinem Roman<em> L&uuml;gen in Zeiten des Krieges</em> weltweit bekannt. Seine B&uuml;cher wurden in 18 Sprachen &uuml;bersetzt und vielfach ausgezeichnet.</p>

I


Ich wollte gerade zum Lunch gehen, da klingelte das Telefon. Auf dem Display wurde eine New Yorker Nummer angezeigt, die ich nicht kannte. Ich zuckte die Achseln: Was soll's. Ich gehe ran.

Ist Hugo Gardner zu sprechen?

Eine schwer einzuordnende Stimme. Schroff, jemand, der es nicht darauf anlegte, angenehm zu klingen. Vielleicht ein Spendeneinwerber für pensionierte Polizeichefs.

Wer ist am Apparat?

Rechtsanwalt William Sweeney. Ist Hugo Gardner zu sprechen?

Ich gab mich zu erkennen und fragte, was ich für ihn tun könne.

Ich vertrete Ihre Ehefrau, Mrs. Valerie Gardner. Werden Sie von einem Anwalt vertreten?

Ich weiß nicht, ob ich verstehe. Warum fragen Sie, ob ich einen Anwalt habe? In welcher Angelegenheit vertreten Sie meine Frau?

Ich kann einen Fall nicht mit einer Partei besprechen, die schon von einem Anwalt vertreten wird, das werden Sie verstehen. Jedenfalls wäre es besser, wenn ich mit Ihrem Anwalt spräche.

Besser wäre es, wenn Sie mir erklärten, worum es hier eigentlich geht. Je abhängig von Ihrer Auskunft würde ich womöglich meinen, ich brauchte einen Anwalt oder auch nicht. Also bitte, fangen Sie an.

In Ordnung, Hugo. Soweit ich weiß, ist Ihre Frau ein paar Tage verreist, geschäftlich unterwegs. Richtig?

Ich wollte diesen Herren eigentlich bitten, mich mit Mr. Gardner anzureden. Stattdessen sagte ich: Ja, das ist richtig.

Mrs. Gardner möchte sich scheiden lassen. Sie hat mich gebeten, Sie davon in Kenntnis zu setzen und darauf zu dringen, dass Sie sich einen Rechtsbeistand sichern, damit die Sache schnell und glatt über die Bühne gehen kann. Das ist der Grund für meinen Anruf. Ihre E-Mail-Adresse lautet hugo.gardner1932@gmail.com, sagte mir Mrs. Gardner. Wenn das korrekt ist, schicke ich Ihnen gleich im Anschluss an unser Telefonat eine Mail mit meinen Kontaktdaten, damit Ihr Anwalt sich mit mir in Verbindung setzen kann.

Einen Moment, bitte, sagte ich. Was soll das heißen: Meine Frau will sich von mir scheiden lassen? Das ist mir ganz neu.

Sie hat sich schon gedacht, dass Sie sich überrascht geben würden. Sie wünscht die Scheidung wegen unmenschlicher Behandlung, und sie macht das Zerrüttungsprinzip geltend. Dass sie recht hat, werden Sie wohl zugeben.

Den Teufel werde ich tun.

Wir wollen nicht streiten, Hugo. Sie erhalten eine E-Mail von mir. Danach erwarte ich eine Nachricht von Ihrem Anwalt.

Er legte auf.

Ich hatte vorgehabt, allein in meinem Club zu Mittag zu essen und dann in eine Fotografie-Ausstellung im MoMA zu gehen. Beides konnte warten. Zwölf Uhr fünfzehn. Also neun Uhr fünfzehn in San Francisco. Ich rief Valerie auf ihrem Handy an. Sie war keine Frühaufsteherin. Ich nahm an, sie würde im Fairmont in ihrem Bett frühstücken. Ich ließ es mehrmals klingeln. War sie im Bad, oder hatte sie beschlossen, den Anruf nicht anzunehmen, als sie sah, dass ich der Anrufer war? Aber nein, sie antwortete. Ein müdes: Ja.

Hallo, Valerie, sagte ich, ich habe gerade eine sehr merkwürdige Unterhaltung mit einem Mann namens Sweeney hinter mir. Er behauptet, dass er Anwalt ist und dass du dich scheiden lassen willst. Was ist los?

Was los ist, hat dir Bill Sweeney gerade gesagt. Ich kann nicht mehr mit dir leben. Lieber würde ich sterben. Ich will die Scheidung le plus vite possible.

Warum sie es nützlich fand, französische Brocken in die Unterhaltung einzustreuen, war mir schleierhaft. Das Ganze war mir schleierhaft.

Ich glaube, ich träume, antwortete ich. Vor zwei Tagen bist du abgereist. Mit dem Morgenflieger. Nach einem sehr herzlichen Abschied. In der Nacht davor hatten wir uns geliebt. Jedenfalls schien es dir zu gefallen. Ich habe dir erzählt, dass ich Karten für Eugen Onegin besorgen wollte, und du hast gesagt: tolle Idee. Karten für dich und mich. Was ist denn zwischen vorgestern und heute passiert? Soll dies ein schlechter Scherz sein?

Passiert ist, dass ich mich letzten Dienstag von dir habe ficken lassen, wie gewöhnlich, wenn ich Ruhe brauche vor einer Reise, bei der beruflich etwas für mich auf dem Spiel steht. Verstehst du, was das heißt? Achtest du überhaupt auf irgendetwas? Merkst du jemals, was um dich herum vorgeht? Weißt du nicht, dass man mit dir lebt wie mit einer Leiche? Nicht mal wie mit einem Zombie. Mit einer Leiche, die noch nicht unter der Erde ist! Ich kann dich nicht ausstehen, seit Jahren schon kann ich dich nicht mehr ausstehen. Weißt du das denn nicht, du Blödmann?

Nein, nichts davon weiß ich. Warum hast du nichts gesagt, bevor du mir Mr. Sweeney geschickt hast?

Machst du Witze? Damit du mir wieder drei Stunden lang auseinandersetzt, wie sehr ich mich irre? Es ging nicht anders.

Tatsächlich, sagte ich. Kennen die Kinder deine Gefühle? Wissen sie, dass du an Scheidung denkst?

Barbara kennt meine Gefühle bestimmt. Hältst du sie für schwachsinnig? Dass ich dich definitiv verlasse, habe ich ihr noch nicht erzählt, aber Roddy wird sie eingeweiht haben. Er hat Bill Sweeney empfohlen.

Aha, sagte ich, zog einen Stuhl unter der Küchenarbeitsplatte hervor und setzte mich.

Aha, wiederholte ich. Und wie sehen deine nächsten Schritte aus?

Das war eine dumme Frage, merkte ich, aber ich hatte geredet, ohne nachzudenken, wie auf Autopilot geschaltet.

Ich fahre nächsten Mittwoch wieder in die City zurück. Am Donnerstag gegen elf Uhr möchte ich in die Wohnung kommen, um Kleider und ein paar andere Dinge zu holen. Du bist dann besser nicht da. Mrs. Perez kann aufpassen, dass ich mich nicht am Familiensilber der Gardners vergreife. Du solltest deinen Anwalt mit Bill Sweeney bekannt machen. Du wirst wohl diesen Idioten Weinstein engagieren, nehme ich an.

Als die Kanzlei, die für meinen Vater und später auch für mich gearbeitet hatte, ihre Abteilung für Trusts und Vermögensverwaltung schloss, hatte Larry Weinstein es übernommen, sich um mein Testament und die Trusts zu kümmern, die ich für die Kinder eingerichtet hatte. Mein Steuerberater hatte ihn empfohlen, und Larry bewährte sich, er war sogar deutlich intelligenter als sein Vorgänger, ein alberner Squash spielender Yalie. Mrs. Perez war unsere Haushälterin. Zufällig hatte sie mir ein paar Stunden zuvor mitgeteilt, sie habe ihre Periode und werde nicht zur Arbeit kommen. Heute war Donnerstag. Mrs. Perez' Perioden konnten sich hinziehen, aber trotzdem, bis nächsten Donnerstag … Wenn sie dann immer noch unter irgendeinem neuen Vorwand ausfiel, würde ich in der Wohnung auf Valerie warten. Vielleicht würde ich in jedem Fall da sein. Es hing davon ab, was Larry sagte.

Ich schaffte es, einen Abschiedsgruß zu krächzen, und legte auf. Was hätte ich auch noch sagen sollen.

Kein Witz, sagte Larry, als er sich meine Geschichte angehört hatte.

Ich war am selben Nachmittag noch zu ihm gegangen, gleich von meiner Lieblings-Hamburger-Kneipe aus, wo ich mir einen Cobb-Salat von tausend plus Kalorien, ein Fassbier und einen doppelten Espresso zuführte. Zur Hölle mit dem Kalorienzählen. Selbst wenn ich ein, zwei oder drei Pfund zunahm, war ich immer noch dünn genug. Und ohnehin scherte sich keiner um meine Gürtellinie, oder? Ich hatte geplant, im Club zu Mittag zu essen, aber der Gedanke, am Mitgliedertisch zu sitzen und mit meinen Nachbarn Konversation zu machen, stieß mich ab. Ich trank meinen Kaffee, zahlte die Rechnung und machte mich auf den Weg zu Larrys Büro.

Ich gab keine Antwort, also sagte er es noch einmal: Kein Witz. Und Sie hatten keinen Schimmer?

Ich schüttelte den Kopf.

Hat sie einen anderen?

Keine Ahnung, erwiderte ich. Mich trifft es wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wenn da ein anderer ist, hat sie sich's nicht anmerken lassen. Ich bin nicht misstrauisch, das sollte ich dazusagen. Wahrscheinlich würde ich es als Letzter merken. Ich möchte Sie etwas fragen. Sie kennen meinen Sohn Rod. Ich weiß noch, dass Sie mein Testament und den Trust mit ihm durchgegangen sind.

Larry nickte.

Finden Sie plausibel, was er getan hat? Dass er seiner Mutter einen Scheidungsanwalt besorgt, ohne mir etwas davon zu sagen? Ohne...

Erscheint lt. Verlag 18.7.2021
Übersetzer Christa Krüger
Sprache deutsch
Original-Titel The New life of Hugo Gardner
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Partnerschaft / Sexualität
Schlagworte Alter • American Academy of Letters Award in Literature 1995 • C.H. Beck Übersetzerpreis 2009 • Ehe • Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg 2008 • Frankreich • Île-de-France • Jeanette-Schocken-Preis Bremerhavener Bürgerpreis für Literatur 1995 • Jugendliebe • Liebe • Liebe im Alter • Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung 2000 • neues Buch • New York • Nordamerika (USA und Kanada) • Paris • Paris (City) • Paris (Region) • Scheidung • ST 5262 • ST5262 • suhrkamp taschenbuch 5262 • The New life of Hugo Gardner deutsch • Vereinigte Staaten von Amerika USA • Westeuropa
ISBN-10 3-518-76766-6 / 3518767666
ISBN-13 978-3-518-76766-5 / 9783518767665
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