Sprachliche Kommunikation: Verstehen und Verständlichkeit (eBook)

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2019 | 1. Auflage
393 Seiten
UTB GmbH (Verlag)
978-3-8463-5115-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sprachliche Kommunikation: Verstehen und Verständlichkeit -  Steffen-Peter Ballstaedt
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Eine theoretisch fundierte praktische Anleitung für alle Berufsfelder in Wissenschaft und Gesellschaft Verständlich Schreiben ist eine komplexe und anspruchsvolle kommunikative Aufgabe. Schwer verständliche Texte behindern in vielen gesellschaftlichen Bereichen die Kommunikation, z. B. in der Verwaltung, in Politik, Justiz, Wirtschaft, Technik und Medizin. Für zahlreiche Berufsfelder stellt das Verfassen verständlicher Texte daher eine Schlüsselqualifikation dar. Der Band bietet dazu kommunikationstheoretisch fundierte praktische Anregungen. Auf der Grundlage einer Theorie des Verstehens wird aufgezeigt, welche grammatischen (Wörter, Sätze, Texte) und pragmatischen (Sprechakte) Formulierungen das Verstehen und die sprachliche Kommunikation erleichtern oder erschweren. Das Buch gibt einen interdisziplinären Überblick zu Theorien von Verständlichkeit und sprachlicher Kommunikation. Praktische Hilfsmittel vom Fragebogen bis zum Computertool erleichtern es, die Verständlichkeit von Texten zu evaluieren und zu optimieren.

Prof. Dipl.-Psych. Steffen-Peter Ballstaedt war bis 2012 Professor für angewandte Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Hochschule und ist Lehrbeauftragter an zahlreichen in- und ausländischen Hochschulen, zudem gibt er Seminare und Workshops zu Themen der sprachlichen und visuellen Kommunikation in Firmen und Weiterbildungsinstitutionen.

1 Zur Konzeption des Buches 9
1.1 Grundannahmen 9
1.2 Praxisfelder 13
1.3 Aufbau des Buches 19
2 Sprachliche Kommunikation: Meinen und Verstehen 23
2.1 Ein Modell der Kommunikation 23
2.2 Verständigung als Kooperation 36
Zusammenfassung 42
3 Mündliche Verständigung 45
3.1 Merkmale mündlicher Kommunikation 45
3.2 Der Dreischritt der Verständigung 48
3.3 Rationale Verständigung 52
3.4 Gespräche verständlich machen 60
Zusammenfassung 62
4 Schriftliche Verständigung 65
4.1 Merkmale schriftlicher Kommunikation 65
4.2 Absender: Adressatenorientierung 68
4.3 Adressat: Ressourceneinsatz 78
4.4 Probleme der Verständlichkeit 81
4.5 Texte verständlich machen 85
Zusammenfassung 88
5 Erforschung des Verstehens: Methoden 91
5.1 Indikatoren des Verstehens 91
5.2 Indikatoren des Verständnisses 98
Zusammenfassung 103
6 Prozesse des Textverstehens 105
6.1 Subsemantische Verarbeitung 106
6.2 Das Verstehen von Wörtern 113
6.3 Wörter im Kontext von Sätzen 123
6.4 Inkrementelles Textverstehen 129
6.5 Über den Text hinaus: Inferenzen 136
6.6 Verständnis: multiple Repräsentation 149
6.7 Verarbeitungsaufwand und Ressourcen 153
Zusammenfassung 162
7 Grammatische Verständlichkeit 165
7.1 Funktionale Grammatik 165
7.2 Verständliche Wörter 170
7.3 Einfache Sätze 182
7.4 Kohärente Texte 202
Zusammenfassung 219
8 Pragmatische Verständlichkeit 223
8.1 Handeln mit Sprache 223
8.2 Benennen 230
8.3 Definieren 237
8.4 Beschreiben 244
8.5 Erzählen 251
8.6 Anleiten 255
8.7 Argumentieren 262
Zusammenfassung 279
9 Didaktische Zusätze 281
9.1 Ergänzungstaktik 281
9.2 Zusatztexte 282
9.3 Didaktische Visualisierung 289
Zusammenfassung 292
10 Motivationale Aspekte der Verständlichkeit 293
10.1 Lesemotivationen 293
10.2 Die Lust am Text 295
Zusammenfassung 307
11 Texte evaluieren und optimieren 309
11.1 Gesucht: Experten für Verständlichkeit 309
11.2 Methoden der Adressatenanalyse 311
11.3 Guidelines und reduzierte Sprachen 313
11.4 Verständlichkeitsformeln und -indizes 317
11.5 Verständlichkeitsratings 324
11.6 Checklisten 328
11.7 Textanalyse-Software 333
11.8 Usability-Labor 337
Zusammenfassung 338
12 Ein kurzer Ausblick 341
Literaturverzeichnis 345
Abbildungen 387
Zusatzmaterialien 388
Sachregister 389

2.1 Ein Modell der Kommunikation


Ein Modell der Kommunikation, das wie jedes sozialwissenschaftliche Modell nur eine grobe Orientierung bietet und das Forschungsfeld mit seinen wichtigsten Einflussgrößen vorstellt.

Kommunikation ist eine Interaktion mittels Zeichen, die dazu dient, wechselseitig das Verhalten oder das Erleben des jeweiligen Adressaten zu beeinflussen. Jede Kommunikation zwischen Absender und Adressaten – mit welchem Zeichensystem auch immer – spielt sich in einem Feld mit zahlreichen Einflussgrößen ab, die im Bild 1 in einem Modell visualisiert sind.

Kommunikative Situation

Jede Kommunikation ist situiert, sie ist in eine Situation eingebettet. In der mündlichen Kommunikation besteht die Situation aus einem Wahrnehmungsumfeld und aus einer sozialen Situation. Entscheidend ist dabei, dass allein die mentale Repräsentation der Situation im Kopf eines Absenders und Adressaten, ihre „Definition der Situation“ für die Sprachproduktion sowie das Sprachverstehen relevant sind. Es handelt sich nicht um objektive Gegebenheiten, sondern um subjektive mentale Konstrukte. Hier darf das berühmte Zitat nicht fehlen: „If men define situations as real, they are real in their consequences“ (Thomas & Thomas, 1928).

Wahrnehmungsumfeld. In der mündlichen Kommunikation gehört zur Situation die gemeinsam wahrgenommene räumliche und zeitliche Umwelt, das Setting, in dem sich die Kommunikationspartner befinden und auf das sie sich mit Zeigegesten und deiktischen Ausdrücken beziehen können. Ein Kommunikant kann den anderen gestisch oder sprachlich auf einen Aspekt des Settings aufmerksam machen. Wichtig ist auch hier, dass Absender und Adressat die Umwelt nicht unbedingt gleich wahrnehmen, ihre visuelle Aufmerksamkeit kann sich auf unterschiedliche Aspekte des Settings beziehen, sie nehmen verschiedene Perspektiven ein. Jede Gesellschaft schafft institutionalisierte Settings wie z.B. einen Hörsaal, ein Museum, einen Supermarkt mit bestimmten Gegenständen, die bestimmte Handlungen ermöglichen.

Soziale Situation. Jede Kommunikation findet in einer bestimmten sozialen Situation statt, die soziale Rollen und die dafür geltenden Konventionen umfasst. Diese haben wir in der Sozialisation gelernt und halten sie meist unbewusst ein. In einem Gespräch fühlen wir uns nur sicher, wenn wir wissen, „was vor sich geht“ (Goffman, 1977), d.h. in welchem sozialen Kontext wir uns befinden. Zur sozialen Situation gehören oft noch andere Personen wie Mithörer (z.B. in einer Gruppe), aber auch unbeteiligte Zuhörer. Innerhalb von Institutionen gibt es klar definierte soziale Situationen, z.B. eine Prüfung, ein Verhör, ein Restaurantbesuch. Sie beeinflussen, welche Inhalte in welcher sprachlichen Form (Wortwahl, Satzbau, Rhetorik) geäußert werden.

Wenn wir in der Sprechstunde einen Arzt oder eine Ärztin konsultieren, befinden wir uns in folgender kommunikativen Situation. Das Setting ist bekannt: Ein Schreibtisch mit Computer, Blutdruckmessgerät, daneben ein Stuhl für den Patienten und eine Liege für Untersuchungen usw. Die Situation bestimmt Inhalt und Form der sprachlichen Kommunikation. So stehen die Themen Gesundheit und Krankheit im Fokus. Wir erwarten und akzeptieren Fragen, die in anderen Situationen nicht angebracht sind: Wie klappt es mit dem Wasserlassen? Wie oft findet Geschlechtsverkehr statt? Wie viel Alkohol wird pro Tag getrunken? Gab es bereits Depressionen in der Familie? usw. Dabei herrscht eine strenge Komplementarität, denn Patienten dürfen derartige Fragen an den Arzt nicht stellen. Der Patient wird dem Arzt oder der Ärztin gegenüber seine Beschwerden anders formulieren als in der Familie. Während er in den heimischen vier Wänden oft furzen muss, spricht er in der Praxis von Blähungen, der Arzt von abgehenden Winden, Flatulenz oder Meteorismus. Der Patient ist auch bereit, sich auszuziehen – in diesem Kontext sich „freizumachen“, das direkte Wort „ausziehen“ wird diskret vermieden. Wir lassen uns an Körperstellen anfassen, die sonst der Intimkommunikation vorbehalten sind. Wir erwarten vom Arzt dabei einen nüchternen klinischen Blick. Wenn er zu einer Patientin sagt: „Sie haben einen hübschen Po“, so wäre diese wahrscheinlich irritiert, die Äußerung ist nicht situationsangemessen, der Arzt ist damit „aus dem Rahmen gefallen“.

Die kommunikative Situation ist eine Schnittstelle, an der die Gesellschaft mit ihren Institutionen und die Personen mit ihren Intentionen aufeinandertreffen. Sie ist nicht statisch, sondern verändert sich mit der Entwicklung der Interaktion zwischen den Beteiligten.

In der schriftlichen Kommunikation ist den Beteiligten die Kommunikationssituation meist weniger bewusst. Hier fehlt das gemeinsame Wahrnehmungsumfeld und die Kommunizierenden sind sich oft nicht bewusst, dass sie sich in einer sozialen Situation befinden.

Wenn ein Studierender eine Masterarbeit schreibt und eine Professorin sie später liest, befinden sich beide ebenfalls in einer institutionellen sozialen Situation. Der Studierende weiß, was seine Betreuerin inhaltlich gern lesen möchte und er kennt die Regeln wissenschaftlicher Argumentation. Zudem kennt er den akademischen Schreibstil der jeweiligen Disziplin, er schreibt also adressatenorientiert und passt sich sozialen Normen an.

Van Dijk & Kintsch (1983) haben ein „communicative context model“ eingeführt, van Dijk (2008) hat diesen Ansatz weiter ausgearbeitet. In dieses mentale Modell wird alles Wissen über die kommunikative Situation hineingesteckt: die geltenden Konventionen, die Images der Beteiligten, ihre Intentionen und ihr Vorwissen.

Absender und Adressat

Voraussetzung für Kommunikation sind Akteure: ein Absender, der mit einer Mitteilung etwas meint und ein Adressat, der durch die Mitteilung etwas versteht. Im mündlichen Dialog wechseln Absender und Adressat laufend ihre Rollen, beim Schreiben bleibt die Kommunikation oft einseitig. Das Modell stellt sozusagen nur einen eingefrorenen Moment in der Interaktion dar. Absender und Adressat fassen wir als Kommunikationspartner zusammen. Beide treten in die Kommunikationssituation mit unterschiedlichen Motiven und Intentionen sowie verschiedenen Wissensbeständen ein.

Motive und Intentionen

Die beiden oberen Ellipsen im Modell stehen für die basalen Motive (= Beweggründe), die sich in konkreten Intentionen (= Zielen) von Absender und Adressat manifestieren. Welche Basismotive die Menschen antreiben, dazu hat die Motivationspsychologie zahlreiche Ansätze geliefert, allerdings nur mit geringer Übereinstimmung. In das Gestrüpp der Triebe, Anreize, Motive, Bedürfnisse, Interessen usw. werden wir uns hier nicht begeben. Wir bleiben auf einer formalen Ebene.

Nach Michael Tomasello (2009, S. 95ff.) liegen der unendlich großen Zahl an Intentionen drei evolutionär entstandene basale Kommunikationsmotive zugrunde.

Auffordern. Der Absender will, dass der Adressat etwas tut, was der Absender will, was ihm nutzt. In der Sprache entspricht dem der Imperativ, aber es gibt abgeschwächte Formen wie Bitten, Vorschlagen, Hinweisen (ausführlich Herrmann & Grabowski, 1994).

Informieren. Der Absender will, dass der Adressat etwas weiß, das für ihn – oder für beide – relevant ist. Er hilft dem anderen, indem er ihn informiert und damit für geteiltes Wissen sorgt. Hier liegt eine Wurzel für kooperatives und prosoziales Handeln.

Teilen. Der Absender will, dass der Adressat Gefühle, Stimmungen oder Einstellungen mit ihm teilt, dass er sozusagen mitfühlt. Dieses Mitteilungsmotiv liegt vielen alltäglichen Gesprächen (Smalltalk) zugrunde, die weder auffordern noch informieren, aber den sozialen Zusammenhalt fördern.

Motive gehen den Intentionen voraus, sie sind sozusagen der tiefere Grund für die Intention (Achtziger & Gollwitzer, 2006). Während die Intentionen den Kommunikationspartnern bewusst sind, müssen dies die Motive nicht immer sein. Alle Intentionen eines Absenders verfolgen letztlich das Ziel, das Denken oder Handeln des Adressaten zu beeinflussen. Wir gehen damit von einem Primat der Persuasion in der sprachlichen Kommunikation aus, die als Überreden oder als Überzeugen ausprägt sein kann.

Überreden. Diese Kommunikation ist einseitig wirkungsorientiert, es dominieren Intentionen des Absenders, den Adressaten in seinem Sinne zu beeinflussen, zu einer Änderung der Einstellung oder zu einem bestimmten Verhalten. Dem entspricht das basale Motiv des Aufforderns. Zahlreiche Sprachverwendungen haben eine direkte persuasive Funktion, vom Verschleiern, Täuschen, Aufbauschen, Kleinreden bis zum Lügen. Verständlichkeit ist beim Überreden nicht unbedingt erforderlich.

Überzeugen. In der verständigungsorientierten Kommunikation sind die...

Erscheint lt. Verlag 12.8.2019
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Bewerbung / Karriere
Schlagworte Berufspraxis • Fachtexte • Formulierungen • Grammatik • Journalismus • Journalist • Journalistik • Kommunikation • kommunikationstheoretisch • Kommunikationswissenschaft • Lehrbuch • Linguistik • Medienwissenschaft • Mündliche Verständigung • Sprachliche Kommunikation • Sprachwissenschaft • Testverständnis • Testverstehen • Textanalyse • Theorie sprachlicher Kommunikation • UTB • verständliche Texte • Verstehen
ISBN-10 3-8463-5115-6 / 3846351156
ISBN-13 978-3-8463-5115-4 / 9783846351154
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