Unwiderstehlich (eBook)

Der Aufstieg suchterzeugender Technologien und das Geschäft mit unserer Abhängigkeit

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1., Auflage
366 Seiten
eBook Berlin Verlag
978-3-8270-7968-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Unwiderstehlich - Adam Alter
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Etwa die Hälfte der westlichen Bevölkerung ist nach mindestens einer Verhaltensweise süchtig. Wie unter Zwang hängen wir an unseren E-Mails, Instagram-Likes und Facebook-Posts; wir schießen uns mit Fernsehserien ins Koma, können das Online-Shoppen nicht lassen, arbeiten jedes Jahr noch ein paar Stunden länger; wir starren im Schnitt drei Stunden am Tag auf unsere Smartphones. Ein Grund dafür liegt im suchterzeugenden Design dieser Technologien. Das Zeitalter der Verhaltenssüchte ist noch jung, doch immer deutlicher wird, wie sehr es sich um ein gesellschaftlich relevantes Problem handelt - mit zerstörerischer Wirkung auf unser Wohlergehen und besonders die Gesundheit und das Glück unserer Kinder. Der Psychologe Adam Alter zeigt, warum sich Verhaltenssüchte so wild wuchernd ausbreiten, wie sie aus der menschlichen Psyche Kapital schlagen und was wir tun müssen, damit wir und unsere Kinder es einfacher haben, ihnen zu widerstehen. Denn die gute Nachricht lautet, dass wir den Verhaltenssüchten nicht unumstößlich ausgeliefert sind. »Adam Alter hat den Heiligen Gral erlangt: ein wichtiges Buch voller Einsicht, das zu lesen ein Vergnügen ist und auf aktuellster Forschung beruht.« Charles Duhigg  

Adam Alter ist Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University, deren Fakultät für Psychologie er als assoziiertes Mitglied angehört. In Südafrika geboren, verbrachte er seine Kindheit in Johannesburg, bevor er mit seinen Eltern nach Australien zog. Er studierte Psychologie zunächst in Sydney und dann in Princeton, wo er auch promovierte. Mit Unwiderstehlich (2018) legt der Sozialpsychologe - nach Drunk Tank Pink (2013) - bereits zum zweiten Mal einen New York Times-Bestseller vor. Über seine Forschung schrieb er u. a. für die New York Times, die Washington Post, den New Yorker, das Wall Street Journal, Wired und Slate. Adam Alter lebt mit seiner Familie in New York.

Adam Alter ist Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University, deren Fakultät für Psychologie er als assoziiertes Mitglied angehört. In Südafrika geboren, verbrachte er seine Kindheit in Johannesburg, bevor er mit seinen Eltern nach Australien zog. Er studierte Psychologie zunächst in Sydney und dann in Princeton, wo er auch promovierte. Mit Unwiderstehlich (2018) legt der Sozialpsychologe – nach Drunk Tank Pink (2013) – bereits zum zweiten Mal einen New York Times-Bestseller vor. Über seine Forschung schrieb er u. a. für die New York Times, die Washington Post, den New Yorker, das Wall Street Journal, Wired und Slate. Adam Alter lebt mit seiner Familie in New York.

Prolog


Never get high on your own supply –
Nimm nie selbst die Drogen, die du verkaufst


Auf einem Apple-Event im Januar 2010 stellte Steve Jobs der gespannten Öffentlichkeit das iPad vor:

Was dieses Gerät kann, ist wirklich einzigartig … Besser kann man im Netz nicht surfen; besser noch als mit einem Laptop und viel besser als auf einem Smartphone … ein unglaubliches Erlebnis … Es eignet sich hervorragend für E-Mails; darauf zu tippen ist ein Traum.

Neunzig Minuten lang erklärte Jobs, warum es nichts Besseres als das iPad gebe, um Fotos anzusehen, Musik zu hören, Universitätskurse auf iTunes U zu belegen, auf Facebook zu gehen, Spiele zu spielen und Tausende von Apps anzusteuern. Er glaubte, jeder solle ein iPad besitzen.

Seinen Kindern aber verweigerte er hartnäckig die Benutzung des Geräts.

Ende 2010 erzählte Jobs dem New York Times-Journalisten Nick Bilton, dass seine Kinder das iPad noch nie benutzt hätten. »Zuhause beschränken wir den Technikkonsum unserer Kinder auf ein Minimum.« Bilton fand heraus, dass auch andere Helden der Hightech-Branche ihre Kinder vor den eigenen Erfindungen schützten. Chris Anderson, vormals Herausgeber des Technologie-Magazins Wired, führte für alle technischen Geräte im Haushalt strenge Restriktionen ein, »schließlich haben wir mit eigenen Augen gesehen, welche Gefahr von den neuen Technologien ausgeht«. Seine fünf Kinder durften in ihren Zimmern keine Geräte mit Bildschirm benutzen. Evan Williams, einer der Gründer von Blogger, Twitter sowie der Online-Publishing-Plattform Medium, kaufte seinen beiden Söhnen Hunderte von Büchern, er weigerte sich jedoch, ihnen ein iPad zu schenken. Und Lesley Gold, Gründerin einer Web-Controlling-Firma, führte für ihre Kinder ein strenges Bildschirmverbot an Werktagen ein. Erst als die Kinder in der Schule Computer brauchten, lockerte sie die Regel. Walter Isaacson, der während der Recherchen zu seiner Steve-Jobs-Biografie oft mit Jobs’ Familie zu Abend aß, verriet Bilton: »Ich habe die Kinder nie mit einem iPad oder einem Computer gesehen. Sie wirkten von technischen Geräten jeder Art ganz und gar unbeeindruckt.« Es schien so, als würden die Menschen, die Hightech-Produkte herstellen, die Grundregel aller Drogendealer beherzigen: Never get high on your own supply (so Michelle Pfeiffer in Scarface – Nimm nie selbst die Drogen, die du verkaufst).

Das ist beunruhigend. Warum verhalten sich ausgerechnet die bekanntesten Persönlichkeiten der digitalen Führungsriegen in ihrem Privatleben derart technikfeindlich? Man stelle sich nur den Aufschrei vor, wenn religiöse Führer ihren Kindern die Ausübung der eigenen Religion versagten. Viele Experten, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Hightech-Welt, haben ähnliche Entscheidungen getroffen. Mehrere Spieledesigner erzählten mir, sie würden das extrem schnell süchtig machende Online-Spiel World of Warcraft tunlichst meiden. Eine Psychologin mit Spezialisierung auf Fitnesssucht erklärte Fitnessuhren für gefährlich – »die dümmsten Dinger der Welt« – und schwor, sich niemals eine zu kaufen; und die Gründerin einer Klinik für Internetsucht sagte mir, sie vermeide alle Gadgets, die nicht mindestens drei Jahre auf dem Buckel hätten. Ihr Mobiltelefon hat sie stumm gestellt, sie »verlegt« es sogar absichtlich, um nicht ständig ihre E-Mails abrufen zu müssen. (Ich habe zwei Monate versucht, sie über E-Mail zu erreichen, doch erst über ihr Festnetztelefon kam der Kontakt zustande.) Ihr Lieblingscomputerspiel ist Myst. Es stammt aus dem Jahr 1993, einer Zeit, da Computer noch zu schwerfällig waren, um mit Videografiken zurechtzukommen. Auf Myst, so erzählte sie mir, habe sie sich nur eingelassen, weil ihr Computer dabei jede halbe Stunde einfriere und es ewig dauere, bis sie ihn neu starten könne.

Greg Hochmuth, einer der Instagram-Gründer, begriff schnell, dass er eine Suchtmaschine baute. »Immer findet man einen weiteren Hashtag, auf den man klicken könnte«, sagte Hochmuth. »Und dann entwickelt sich wie bei einem Organismus ein hashtaggetriebenes Eigenleben, das Menschen obsessiv macht.« Instagram ist, wie so viele Social-Media-Plattformen, bodenlos. Die Timeline von Facebook ist endlos; Netflix startet die nächste Folge einer Serie automatisch; Tinder ermutigt seine Nutzer, auf der Suche nach immer besseren Partner-Optionen weiterzuklicken. Nutzer profitieren zwar von diesen Apps und Websites, tun sich aber sehr schwer damit, sie nur in Maßen zu benutzen. Der »Design-Ethiker« Tristan Harris glaubt, dies liege nicht an mangelnder Willenskraft, doch kämpfe man gegen »ein ganzes Heer auf der anderen Seite des Bildschirms, dessen Job einzig darin besteht, jegliche Selbstdisziplin zu unterminieren«.

Diese Technikexperten haben gute Gründe, besorgt zu sein. Denn bei ihrer Arbeit am äußersten Rand des Möglichen entdeckten sie zwei Dinge. Erstens, dass unsere Vorstellungen von Sucht zu beschränkt sind. Wir neigen dazu, Sucht bestimmten Menschen mit bestimmten Anlagen zuzuschreiben – jenen, die wir als Süchtige abstempeln. Heroinsüchtige in leerstehenden Häusern. Ketterauchende Nikotinsüchtige. Pillenschmeißende Rezeptsüchtige. Die Bezeichnung »Süchtiger« unterstellt, dass Betroffene anders seien als der Rest der Menschheit. Es mag sein, dass sie sich eines Tages über ihre Sucht erheben, doch bis dahin gehören sie einer besonderen Kategorie an. Doch in Wahrheit entsteht Sucht vor allem aus einer Mischung aus Umwelteinflüssen und Umständen. Steve Jobs wusste das. Er hielt das iPad von seinen Kindern fern, weil er wusste, dass sie trotz aller gesellschaftlichen Privilegien, die eine Sucht wenig wahrscheinlich erscheinen ließen, für die Reize des iPads anfällig waren. Diese Unternehmer erkennen, dass die auf Unwiderstehlichkeit hin konstruierten Tools, für die sie werben, Nutzer aller Couleur verführen können. Es gibt keine klare Linie zwischen Süchtigen und uns anderen, weil wir alle nur eine App, ein Produkt oder eine Erfahrung von unserer eigenen Sucht entfernt sind.

Zweitens entdeckten Biltons Technologie-Experten, dass die Lebensumstände des digitalen Zeitalters viel direkter in die Sucht führen als alles, was wir aus der Geschichte kennen. Noch in den 1960er Jahren bewegten sich Menschen in einer Welt, in der nur wenige Köder ausgelegt waren: Nikotin in Zigaretten, Alkohol und Drogen, die aber teuer und im Allgemeinen unzugänglich waren. In den 2010er Jahren ist dieselbe Welt von Ködern verseucht. Es gibt den Facebook-Köder. Den Instagram-Köder. Den Porno-Köder. Den E-Mail-Köder. Den Online-Shopping-Köder. Und so weiter. Die Liste ist lang – viel länger als sie in der Geschichte der Menschheit je war. Und wir fangen gerade erst an, die Macht dieser Köder zu verstehen.

Biltons Experten waren so vorsichtig, weil sie wussten, dass sie unwiderstehliche Technologien entwickelten. Verglichen mit der klobigen Technik der 1990er und 2000er Jahre sind moderne Geräte effizient und machen süchtig. Hunderte Millionen von Menschen teilen ihr Leben in Echtzeit über Instagram-Posts, und genauso schnell werden diese Leben in Form von Kommentaren und »Gefällt mir«-Angaben bewertet. Songs, für deren Download man einst eine Stunde benötigte, stehen heute innerhalb von Sekunden zur Verfügung; die Zeitverzögerung, die viele Leute erst gar nicht auf die Idee kommen ließ, Musik herunterzuladen, gibt es nicht mehr. Neue Technologien versprechen Bequemlichkeit, Geschwindigkeit und Automatisierung, doch der Preis, den wir dafür zahlen, ist hoch. Menschliches Verhalten wird zum Teil von einer Abfolge reflexiver Kosten-Nutzen-Rechnungen gesteuert, die festlegen, ob eine Handlung einmal, zweimal, Hunderte Male oder überhaupt nicht ausgeführt wird. Wenn der Nutzen die Kosten aber weit übersteigt, wird es schwer, eine Handlung nicht ständig zu wiederholen, vor allem, wenn der richtige Nerv getroffen wird.

Ein »Gefällt mir« auf Facebook und Instagram trifft diesen Nerv genauso wie die Belohnung für eine erfolgreich beendete Mission in World of Warcraft oder ein hundertfach geteilter Tweet. Die Leute, die Hightech-Geräte, Computerspiele und interaktive Erlebnisse entwickeln und verfeinern, sind sehr gut in dem, was sie tun. Sie führen Tausende Tests mit Millionen von Nutzern durch, nur um herauszufinden, welche Feinjustierungen gut funktionieren und welche nicht – welche Hintergrundfarben, Schrifttypen und Töne maximale Hingabe bei minimaler Frustration versprechen. Wird eine solche Erfahrung immer weiterentwickelt, entsteht schließlich eine unwiderstehliche, hochexplosive Version jener Erfahrung, die sie einst war. 2004 war Facebook Spaß, 2016 ist das Netzwerk eine Droge.

Suchtverhalten gibt es seit langem, doch in den letzten Jahrzehnten hat es sich extrem verbreitet, es wird immer schwieriger zu widerstehen und es gehört immer mehr zum Mainstream. Die neuen Süchte kommen ohne die Einnahme von Substanzen aus. Sie führen dem Organsystem keine Chemikalien zu, produzieren aber dieselben Wirkungen, indem sie die Nutzer fesseln, weil sie so gut gemacht sind. Einige, wie Glücksspiel und Sport, gib es schon lange; andere, wie Bing Watching (der exzessive Konsum von Filmen und vor allem Serien) und übertriebener Smartphone-Gebrauch, sind relativ neu. Doch allen ist...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2018
Übersetzer Stephan Pauli
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Irresistible. The Rise of Addictive Technology and the Business of Keeping us Hooked
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Krankheiten / Heilverfahren
Kinder- / Jugendbuch
Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie
Geisteswissenschaften Psychologie Sozialpsychologie
Mathematik / Informatik Informatik
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Allgemeinmedizin
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abhängigkeit • Binge-watching • Buch • Bücher • digitale Gesellschaft • Digitalisierung • Gefahren • Internetsucht • Konsumgesellschaft • modernen Kommunikationstechnologien • Neue Technologien • Smartphone • Spielsucht • Sucht • Suchtbewältigung • süchtig-machende Verhaltensweise • Verhaltensabhängigkeit • Verhaltensökonomie • Verhaltenssucht • Wahrheit über Sucht • Zeitkritik
ISBN-10 3-8270-7968-3 / 3827079683
ISBN-13 978-3-8270-7968-8 / 9783827079688
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