Bienendemokratie (eBook)

Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können
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2014 | 1. Auflage
320 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401716-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bienendemokratie -  Thomas D. Seeley
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»Ein wunderbares Buch über den besten Freund des Menschen unter den Insekten...« Edward O. Wilson Die Bienenkönigin ist keine absolute Herrscherin. Im Gegenteil: Bienen entscheiden alle gemeinsam als Schwarm, sie erforschen kollektiv einen Sachverhalt und debattieren lebhaft, um letztlich einen Konsens zu finden. Der bekannte Verhaltensforscher Thomas D. Seeley untersucht seit Jahrzehnten in akribischer Kleinarbeit das Leben der Bienen. In seinem spannend geschriebenen Buch zeigt er anschaulich, was wir von diesen wunderbaren Insekten lernen können und dass die Entscheidung mehrerer klüger als die Einzelner sein kann. Ein reich bebildertes, ebenso faszinierendes wie anregendes Buch. »Seeleys Enthusiasmus und Bewunderung für Bienen sind ansteckend, seine Forschungen meisterhaft.« New York Times »Brillant.« Nature »Fesselnd und bezaubernd.« Science »Das hinreißendste Wissenschaftsbuch des Jahres.« Financial Times

Thomas D. Seeley ist Professor am Fachbereich für Neurobiologie und Verhalten an der Cornell University. Er studierte in den 1970er Jahren bei den großen Verhaltensbiologen und Ameisenexperten Bert Hölldobler und Edward O. Wilson an der Harvard University und erforscht seitdem intensiv das Leben von Bienen. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. von der Alexander von Humboldt-Stiftung.

Thomas D. Seeley ist Professor am Fachbereich für Neurobiologie und Verhalten an der Cornell University. Er studierte in den 1970er Jahren bei den großen Verhaltensbiologen und Ameisenexperten Bert Hölldobler und Edward O. Wilson an der Harvard University und erforscht seitdem intensiv das Leben von Bienen. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. von der Alexander von Humboldt-Stiftung. Sebastian Vogel, geboren 1955 in Berlin, ist promovierter Biologe und langjähriger Übersetzer. Neben den Werken Neil Shubins hat er Bücher von Richard Dawkins, Jared Diamond, Stephen Jay Gould und Steven Pinker ins Deutsche übertragen.

eine leicht verständliche Einführung […] Mit jeder gelesenen Seite erschließt sich mehr, warum ein Forscher sein ganzes Leben einer einzigen Insektenart gewidmet hat.

Wie weit wir inzwischen in der Lage sind, die Sprache der Bienen zu verstehen, darüber klärt umfassend Thomas D. Seeley […] auf.

Ein Buch nicht nur für Bienenliebhaber, sondern für alle an Naturwissenschaften Interessierten.

Ein Buch mit neuem Wissen über Bienen, das diese Tiere noch sympathischer macht, als sie ohnehin schon waren.

Auf packende und humorvolle Weise erklärt der amerikanische Bienenforscher Thomas D. Seeley, wie sich riesige Insektenschwärme organisieren.

kein bisschen langweilig.

Es ist ein eminent lesbares Buch geworden

Stachs Kafka-Biografie ist das Meisterwerk eines Berufenen, der ohne Eitelkeit in minutiösen Beobachtungen und in leichtem und schwingenden Ton erzählt.

Ein empfehlenswertes Buch, nicht nur für Bienenbegeisterte.

Ein Wesen aus vielen Teilen


Wenn wir durch die Glasscheiben eines Schau-Bienenstockes blicken oder vorsichtig den Deckel eines gewöhnlichen Bienenstockes abheben und ins Innere spähen, sehen wir das genaue Gegenteil von Einsiedlern: Hier leben Tausende und Abertausende von Bienen zusammen.[24] Praktisch alle sind Arbeiterinnen, und alle sind Töchter einer einzigen Königin, die in ihrer Mitte lebt. Die Arbeiterinnen sind zwar Weibchen und tragen die vollständige Ausrüstung zur Versorgung von Jungen, ihre Eierstöcke sind aber schlecht entwickelt, und sie legen nur selten Eier ab.[25] Wenn wir nun die Waben des Bienenstockes sorgfältig durchsuchen, machen wir irgendwann die Königin ausfindig: Sie sieht ähnlich aus wie die Arbeiterinnen, ist aber ein wenig größer und hat sowohl einen längeren Hinterleib als auch längere Beine (siehe Bildteil, Abb. IV). Ihre Größe ist eindrucksvoll, am auffälligsten aber ist, wie langsam und wahrhaft majestätisch sie sich über die Waben bewegt und wie sie von ihren Töchtern, den Arbeiterinnen, behandelt wird. Wenn die Königin vorwärtsschreitet, treten die Arbeiterinnen zurück und machen ihr den Weg frei; hält sie inne, treten rund ein Dutzend Arbeiterinnen eifrig vor, um sie zu füttern und zu pflegen – eine Entourage aus Versorgungsbienen, die sie vollständig umringen. Anders als die Arbeiterinnen legt die Königin eine erstaunliche Zahl von Eiern: Im späten Frühjahr und Frühsommer, wenn die Brutfürsorge in der Kolonie ihren Höhepunkt erreicht, dauert es noch nicht einmal eine Minute, ein Ei in einer Zelle unterzubringen, und insgesamt summiert sich die Zahl der Eier auf mehr als 1500 am Tag (mit einem Gesamtgewicht, das fast dem der Königin entspricht, siehe Bildteil, Abb. V). Im Laufe eines Sommers produziert die Königin einer Kolonie etwa 150000 Eier; in den zwei bis drei Jahren ihres voraussichtlichen Lebens sind es also ungefähr eine halbe Million.

Die meisten der mattweißen Eier, welche die Königin ablegt, werden befruchtet; bei einigen bleibt die Befruchtung jedoch aus. Während ihrer ersten Lebenswoche ist die Königin vom Stock ihrer Kolonie weggeflogen und hat sich mit 10 bis 20 Männchen aus anderen Bienenvölkern aus der Gegend gepaart; dies reicht für einen lebenslangen Vorrat von rund 5 Millionen Samenzellen. Diese speichert die Königin in scheintoter Form in der Samentasche, auch Receptaculum seminis genannt, einem kugelförmigen Organ, das hinter den großen Eierstöcken im hinteren Teil des Hinterleibes liegt. Jedes Mal, wenn die Königin ein Ei ablegt, entscheidet sie, ob sie zur Befruchtung einige Samenzellen hinzugeben soll oder ob sie die Samenzellen zurückhält; damit bestimmt sie über das Geschlecht der Nachkommen: Befruchtete Eier werden zu Weibchen, unbefruchtete zu Männchen. Ob eine befruchtete Eizelle sich zu einer unfruchtbaren Arbeiterin oder zu einer eierlegenden Königin entwickelt, hängt davon ab, wie sie behandelt wird. Wenn sie in einer normal großen Zelle der Wabe heranwächst und dort nach dem Schlüpfen, also als Larve, von Arbeiterinnen mit Larvennahrung der üblichen Qualität gefüttert wird, entwickelt sie sich zu einer Arbeiterin. Wird die befruchtete Eizelle dagegen in einer großen, speziell für sie gebauten Königinnen- oder Weiselzelle abgelegt, die vom unteren Ende einer Wabe herabhängt, erhält die darin schlüpfende Larve eine üppige Ernährung aus nährstoffreichen Sekreten (dem sogenannten Gelée Royale), und ihre Entwicklung schlägt einen Weg ein, der zur Entstehung einer Königin führt. Für die befruchteten Eizellen der Bienen bestimmt die Nahrung also das Schicksal.

Eine Königin hält bei weniger als fünf Prozent ihrer Eizellen die Samenzellen zurück, aber diese wenigen unbefruchteten Eizellen sind wichtig: Aus ihnen gehen die Söhne hervor, die Drohnen der Kolonie (Abb. 5). Sie sind die stämmigsten Bienen des Volkes: Mit ihren riesigen Augen können sie Ausschau nach jungen Königinnen halten, die auf dem Hochzeitsflug sind, und eine mächtige Flugmuskulatur versetzt sie in die Lage, die Königinnen mit Geschwindigkeiten von bis zu 35 Stundenkilometern zu verfolgen.

Drei Typen ausgewachsener Honigbienen.

Gleichzeitig sind sie auch die faulsten Bienen einer Kolonie. Im Gegensatz zu den Arbeiterinnen, die im Haushalt des Bienenstocks alle anfallenden Arbeiten erledigen – Reinigung von Zellen, Fütterung der Larven, Bau von Waben, Reifung des Honigs, Durchlüftung des Bienenstockes, Bewachung der Eingänge und so weiter –, treiben sich die Drohnen zu Hause einfach in entspannter Muße herum; von Zeit zu Zeit nehmen sie aus den Honigvorräten der Kolonie eine Mahlzeit ein, oder sie betteln bei ihren Schwestern, den Arbeiterinnen, um Fütterung. Dennoch leisten sie zum Erfolg der Kolonie einen Beitrag von grundlegender Bedeutung: Durch die Paarung mit jungen Königinnen aus Nachbarvölkern geben sie Gene an zukünftige Generationen weiter und helfen damit ihrer Kolonie, in dem unaufhörlichen Evolutionswettbewerb Sieger zu bleiben. Und wenn es um Sex geht, sind Honigbienen-Drohnen keine Kinder von Traurigkeit. Wenn eine Drohne im Alter von ungefähr zwölf Tagen geschlechtsreif geworden ist, fliegt sie an jedem sonnigen Nachmittag aus dem Stock hinaus und sucht nach Betätigung. Auf nach wie vor rätselhafte Weise findet das Männchen im Umkreis von wenigen Kilometern um sein Zuhause den Weg zu den traditionellen Paarungsgebieten der Honigbienen (den »Drohnen-Versammlungsgebieten«), und auf diesen luftigen Kontakthöfen wartet es, bis eine junge Königin auftaucht. Sobald das geschieht, heftet das Männchen sich an ihre Fersen. Wenn es ihm gelingt, schneller als die Konkurrenten zu sein und die Königin zu berühren, übergibt er ihr im Flug, 10 bis 20 Meter hoch in der Luft, seine Samenzellen. Kommt der Kontakt nicht zustande, fliegt das Männchen nach Hause, ruht sich aus, nimmt Nahrung auf und versucht sein Glück später noch einmal.

Einerseits kann man sich ein Honigbienenvolk also als Gesellschaft aus vielen tausend Individuen vorstellen: den gerade beschriebenen Königinnen, Arbeiterinnen und Drohnen. Um aber die charakteristischen biologischen Eigenschaften dieser Bienenspezies zu verstehen, ist es oftmals nützlich, die Kolonie etwas anders zu betrachten: nicht als Gebilde aus Tausenden von einzelnen Bienen, sondern als ein einziges lebendes Gebilde, das als einheitliches Ganzes funktioniert (siehe Bildteil, Abb. VI).[26] Mit anderen Worten: Es kann nützlich sein, sich eine Honigbienenkolonie als Superorganismus vorzustellen. Genau wie ein menschlicher Organismus, der aus einer Vielzahl von Zellen besteht und dennoch als zusammengehöriges Ganzes tätig wird, so funktioniert auch der Superorganismus eines Honigbienenvolkes als einheitliches Ganzes, obwohl es aus zahlreichen Bienen zusammengesetzt ist. In der Tatsache, dass beide Sichtweisen – die Kolonie als Superorganismus und als Gesellschaft – ihre Berechtigung haben, spiegelt sich ein Weg wider, auf dem die Evolution viele Male Einheiten auf einer höheren biologischen Organisationsebene aufgebaut hat: Einheitliche Gesellschaften werden aus Einheiten niedrigerer Ordnung zusammengesetzt. Bei der Entstehung der vielzelligen Lebewesen beispielsweise begünstigte die natürliche Selektion manche Zellgesellschaften, deren Mitglieder nicht miteinander konkurrierten, sondern zusammenwirkten. Stück für Stück führte diese Selektion einer engen Zusammenarbeit zu den ungeheuer stark integrierten Zellgesellschaften, die wir heute beispielsweise als Kolibris oder Menschen kennen. Eine ganz ähnliche Selektion zugunsten extremer Zusammenarbeit brachte bei manchen Tierarten auch die zutiefst harmonischen, reibungslos funktionierenden Gesellschaften hervor, die wir als Superorganismen bezeichnen. Dazu gehören nicht nur die Bienenvölker, sondern auch die riesigen Kolonien der Blattschneiderameisen, Treiberameisen oder pilzzüchtenden Termiten.

Ein Honigbienenvolk ist also weit mehr als nur eine Ansammlung von Individuen: Es ist ein zusammengesetztes Lebewesen, das als integriertes Ganzes funktioniert. Man kann sich eine solche Kolonie durchaus als ein einziges lebendes Gebilde vorstellen, das bis zu fünf Kilo wiegt und alle grundlegenden physiologischen Prozesse vollzieht, die zum Leben notwendig sind: Aufnahme und Verdauung von Nahrung, Aufrechterhaltung des Nährstoffgleichgewichts, Kreislauf der Nährstoffe, Gasaustausch, Steuerung von Wassergehalt und Körpertemperatur, Wahrnehmung der Umwelt, Verhaltensentscheidungen und Fortbewegung.[27] Betrachten wir beispielsweise die Steuerung der Körpertemperatur, also der Temperatur der Kolonie (Abb. 6): Vom Spätwinter bis zum Vorfrühling, wenn die Arbeiterinnen ihre Jungen großziehen, wird die Innentemperatur einer Kolonie zwischen 34 und 36 Grad Celsius gehalten und liegt damit etwas niedriger als die Körpertemperatur eines Menschen; das gilt für eine Umgebungstemperatur von –30 bis +50 Grad Celsius. Dies erreicht die Kolonie, indem sie die Menge der abgegebenen Wärme aus dem Ruhestoffwechsel steuert; bei extremer Kälte wird dieser Stoffwechsel außerdem verstärkt, so dass auch die Wärmeproduktion steigt. Angetrieben wird der Stoffwechsel eines Bienenvolkes durch den Honig, der im Stock gespeichert ist. Auch andere Anzeichen...

Erscheint lt. Verlag 20.2.2014
Übersetzer Sebastian Vogel
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Bestäubung • Bienen • Bienenstock • Duftorgan • Edward O. Wilson • Entscheidungsfindung • Honigbiene • Insekten • Intelligenz • Karl von Frisch • Konsens • Kundschafterinnen • Maja Lunde • Martin Lindauer • Nistplatz • Pfeifsignal • Sachbuch • Schwänzeltanz • Schwarm
ISBN-10 3-10-401716-6 / 3104017166
ISBN-13 978-3-10-401716-7 / 9783104017167
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