Die vergessene Generation (eBook)

Spiegel-Bestseller
Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen

(Autor)

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2013 | 33. Auflage
368 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-10504-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die vergessene Generation -  Sabine Bode
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Noch nie hat es in Deutschland eine Generation gegeben, der es so gut ging wie den heute 60- bis 75jährigen. Doch man weiß wenig über sie, man redet nicht über sie - eine unauffällige Generation. Jetzt beginnen sie zu reden, nach langen Jahren des Schweigens. Die Kriegskindergeneration ist im Ruhestand, die eigenen Kinder sind längst aus dem Haus. Bei vielen kommen jetzt die Erinnerungen allmählich hervor und mit ihnen auch Ängste, manchmal sogar die unverarbeiteten Kriegserlebnisse. Sie wollen nun über sich selbst nachdenken und sprechen. Der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter spricht von einer »verschwiegenen, unentdeckten Welt«. Mit den Holocaust-Opfern habe man sich eingehend beschäftigt, mit der Kriegskindergeneration nie. Ihnen wurde gesagt: »Sei froh, daß du überhaupt überlebt hast. Vergiß alles und schau lieber nach vorne!« Sie haben den Bombenkrieg miterlebt oder die Vertreibung, ihre Väter waren im Feld, in Gefangenschaft oder sind gefallen. Diese Erinnerungen haben sie bislang in sich verschlossen gehalten, sie trösteten sich mit der Einstellung: »Andere haben es noch viel schlimmer gehabt als wir.« So wurde eine ganze Generation geprägt: Man funktionierte, baute auf, fragte wenig, jammerte nie, wollte vom Krieg nichts hören - und man konnte kein Brot wegwerfen.

Sabine Bode, Jahrgang 1947, begann als Redakteurin beim »Kölner Stadt-Anzeiger«. Seit 1978 arbeitet sie freiberuflich als Journalistin und Buchautorin und lebt in Köln. Sie ist eine renommierte Expertin auf dem Gebiet seelischer Kriegsfolgen. Ihre Sachbücher »Die vergessene Generation«, »Kriegsenkel«, »Nachkriegskinder« und »Kriegsspuren« sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Spiegel-Bestseller

Sabine Bode, Jahrgang 1947, begann als Redakteurin beim »Kölner Stadt-Anzeiger«. Seit 1978 arbeitet sie freiberuflich als Journalistin und Buchautorin und lebt in Köln. Sie ist eine renommierte Expertin auf dem Gebiet seelischer Kriegsfolgen. Ihre Sachbücher »Die vergessene Generation«, »Kriegsenkel«, »Nachkriegskinder« und »Kriegsspuren« sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Prof. Dr. med. Luise Reddemann ist Nervenärztin, Psychoanalytikerin und Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin. Seit gut 50 Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit Trauma und Traumafolgestörungen. Von 1985 bis 2003 war sie Leiterin der Klinik für Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Ev. Johannes-Krankenhauses in Bielefeld und entwickelte  dort ein Konzept zur Behandlung von Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen, die »Psychodynamisch imaginative Traumatherapie« (PITT). Luise Reddemann führt zahlreiche Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen durch. Im Rahmen ihrer Honorarprofessur an der Universität Klagenfurt für medizinische Psychologie und Psychotraumatologie widmet sie sich den Arbeitsschwerpunkten Resilienz sowie Folgen von kollektiven Traumatisierungen.   Luise Reddemann war Mitglied im Weiterbildungsausschuss der Deutschen Akademie für Psychotraumatologie, im Wissenschaftlichen Beirat der Lindauer Psychotherapiewochen und in der wissenschaftlichen Leitung der Psychotherapietage NRW.   Luise Reddemanns Bücher und CDs im Verlag Klett-Cotta haben auch bei Betroffenen weite Verbreitung gefunden und vielen Menschen geholfen, mit einer traumatischen Erfahrung besser fertig zu werden.   Weitere Informationen zu Luise Reddemann finden Sie unter: www.luise-reddemann.de

Umschlag 1
Impressum 1
Inhalt 2
Einführung zur erweiterten und aktualisierten Ausgabe 6
Dank 11
1 Millionen Kriegskinder unter uns 12
Was der Kalte Krieg verhinderte 13
Ein erhellendes Seminar 13
Nazivergangenheit und Kriegsvergangenheit 13
Eine tüchtige Generation 13
Phantasiediagnose »vegetative Dystonie« 13
Wo sind die Erinnerungen? 13
»Wir haben jahrelang im Keller gesessen« 13
Als der Krieg aus war, kam die Lebensangst 13
2 Was Kinder gebraucht hätten ... 21
Ein behutsamer alter Mann 22
Kinder ohne Väter 22
Die Not und die Wut der Heimkehrer 22
Diagnose »Dystrophie« 22
Früher Ratgeber »Flüchtlingskinder« 22
3 »Eine verschwiegene, unentdeckte Welt« 28
Als Deutschland hungerte 29
Forschen, Messen, Wiegen 29
»Heute dümmer als früher?« 29
Was Schelsky herausfand 29
Verspätete Kriegsfolgen in der Pubertät 29
Eine Generation, die nicht interessierte 29
4 Zwei Frauen ziehen Bilanz 36
Die Sehnsucht, es möge nie wieder Krieg geben 37
Großmutter und Enkeltochter 37
Vom Hunger geprägt 37
Ständig im Hilfseinsatz, wenig Schlaf 37
Und immer wieder Überleben 37
Panik bei Mückenstichen 37
Eine minimale Rente 37
Ein Traum, der heilte 37
5 Das fröhliche Kind 45
Eine kleine Preußin erträgt alles 46
Der Hunger und das Vergessen 46
Die Rolle der Psychoanalyse 46
Wenn das Herz verrückt spielt 46
Sonnenschein und Spaßvogel 46
Bombenstimmung! 46
6 Ein ganzes Volk in Bewegung 54
Die verlorene Heimat als Fixpunkt 55
Auf der Flucht geboren 55
Der Mutter immer dankbar sein ... 55
Halb Deutschland unterwegs 55
Ahnungslose Dorfbevölkerung 55
Harte Verteilungskämpfe 55
Eine couragierte Zwölfjährige 55
»Schreckliches Œ aber auch viel Schönes« 55
Ins Bett, weil das Zimmer so eisig war 55
Zu Fuß von Thüringen ins Ruhrgebiet 55
Ein letzter Brief 55
7 Kriegswaise: Die Suche nach der Erinnerung 63
Kinder, die verloren gingen 64
Ein Lager in Dänemark 64
Neuer Start in der Bundeswehr 64
Eine deutsch-deutsche Geschichte 64
Mutter und Großmutter verhungerten 64
Eine fürsorgliche Tochter 64
Mit kleinem Gepäck allein in den Westen 64
8 Nazi-Erziehung: Hitlers willige Mütter 74
Die Schule der Johanna Haarer 75
»Wehret den Anfängen!« 75
»Das Kind nicht riechen können« 75
Streit mit der Nazimutter 75
Wie Wölfchen seine Lebensfreude verlor 75
Auch Mädchen weinen nicht! 75
9 »Aber recht, recht lieb wollen wir sein ...« 83
Wenn Kinder zu Freiwild werden 84
Ein Volk von Zerlumpten und Bettlern 84
Ein Gott, der alles rechtfertigt 84
Bußrituale für Heimkehrer 84
Sterben wollen und in den Himmel kommen 84
»Ich habe keine Eltern mehr« 84
Ausbruch und Neubeginn 84
Stress macht sie vergesslich 84
»Sucht euch Ersatzeltern!« 84
10 Das Trauma, der Krieg und die Hirnforschung 93
Eine persönliche Katastrophe 94
Es begann mit der Eisenbahn 94
Gerichtsmediziner schlugen Alarm 94
Massentod in den Schützengräben 94
Traumaforschung weltweit 94
Was Kinder instinktiv wissen 94
Wissen Therapeuten genug? 94
Das Fehlen der Worte 94
11 Die große Betäubung 104
Nach einem Bombenangriff 105
Ein heikler Schritt 105
Werbung für die »Tablettchen« 105
Beim Angriff die Finger in den Ohren 105
Tabletten gegen die Todesangst 105
Mit einer Behinderung leben 105
12 »Als alter Mann werde ich glücklich sein« 111
Zwei Kindheiten: Hanno und Kaspar 112
Ein Sohn, der die Bühne liebt 112
Die Kriegsschrecken der Eltern geerbt 112
Vater und Sohn Œ wie zwei Veteranen 112
Eine schizoide Episode 112
Das Ende der Zärtlichkeit 112
Heilung ist möglich 112
13 Trostlose Familien 118
Ein Abschiedslied ohne Trauer 119
Eltern und Kinder sind sich fremd geblieben 119
Das große Desinteresse 119
»Kollektive Geheimnisse« 119
Eltern, die vor allem Neuen zurückschrecken 119
Zwei Flüchtlingskinder 119
Ein Steinmetz wirft die Brocken hin 119
»Wir sind eine heile Familie!« 119
Verluste werden nicht betrauert 119
14 Ein Plädoyer für Vernunft und Trauer 129
Wie der Kriegsschrecken gedenken? 130
Nicht jammern Œ trauern! 130
Die Auswirkungen einer großen Rede 130
Die Befreiung durch eine Trauerfeier 130
Ein Ritual entfaltet seine Wirkung 130
Die Störung eines Gottesdienstes 130
»Eine traumatische Kultur« 130
Wenn Überleben eine gemeinsame Identität stiftet 130
»Was haben wir mit unserer Wut gemacht?« 130
Mit dem Schicksal Frieden schließen 130
15 Vom Schweigen, Sprechen und Verstehen 140
Im Gespräch mit Kriegskindern 141
Jüngere und ältere Geschwister 141
Vaterlos, kinderlos 141
Reise zum Mittelpunkt der Angst 141
»Ich konnte meine Kinder nicht lieben« 141
Kriegsenkel 141
Die Kriegskinder und die mediale Öffentlichkeit 141
Der Deutschland-Reflex 141
»Kriegskinder für den Frieden« 141
Nachwort (2004) 148
Informationen zur Autorin 151

Einführung Er habe zu lange geschwiegen, befand der Schriftsteller Günter Grass und lenkte in seiner Novelle "Im Krebsgang" die Aufmerksamkeit auf die deutschen Opfer von Krieg und Vertreibung. Ein Zitat macht die Hintergründe seiner Sinneswandlung deutlich: Niemals, sagt er, hätte man über so viel Leid, nur weil die eigene Schuld übermächtig und bekennende Reue in all den Jahren vordringlich gewesen sei, schweigen, das gemiedene Thema denen rechts überlassen dürfen. Dieses Versäumnis sei bodenlos... Anfang 2002 widmete "Der Spiegel" dem Grass-Buch und vor allem der Vertreibung eine Titelgeschichte. Darin stand - was dem Tenor in fast allen großen Zeitungen entsprach -, daß über die Folgen der Nazizeit noch einmal gründlich nachgedacht werden müsse. Für mich war dies der Wendepunkt. Ich wußte: Jetzt ändert sich etwas. Jetzt kommt auch das Thema "deutsche Kriegskinder" endlich an die Öffentlichkeit. Es gibt also ein Vorher und ein Nachher bei meiner journalistischen Arbeit über die Kindergeneration. Seit dem Bosnien-Krieg in den neunziger Jahren, als im Fernsehen dem Leid der Kinder viel Zeit gewidmet wurde und gerade die Deutschen zu den großzügigsten Spendern zählten, beschäftigt mich die Frage: "Wie geht es eigentlich den deutschen Kriegskindern heute?" Seitdem habe ich keine Gelegenheit ausgelassen, Angehörige dieser Generation danach zu fragen. In den ersten Jahre verlief meine Spurensuche zäh. Die meisten Angesprochenen wehrten das Thema ab mit Sätzen wie "Andere haben es viel schlimmer gehabt" oder "Es hat uns nicht geschadet". So gut wie nie hörte ich jemanden über sein Schicksal klagen, und bis heute habe ich den Eindruck, daß entgegen der oft bei uns Deutschen festgestellten Neigung, sich als Opfer zu sehen, ausgerechnet die ehemaligen Kriegskinder in keiner Weise larmoyant sind. Ich fand sie in der Anfangszeit meiner Recherche vor allem einsilbig. Nur gelegentlich kam es zu längeren Gesprächen, und rückblickend kann ich meine Erfahrungen der ersten Jahre mit dem Satz zusammenfassen: Je mehr Menschen ich fragte, desto unklarer wurde das Bild. Nach meinen Interviews war ich oft ratlos, ich zweifelte an meiner Wahrnehmung und war körperlich sehr erschöpft. Wenn ich mit Freunden darüber sprach, hörte ich: "Was beschäftigst du dich auch mit so einem dunklen Thema..." Aber daran allein konnte es nicht liegen. Ich habe Erfahrung mit schweren Themen - Nazizeit, Holocaust, psychische Erkrankungen, Kindstod - aber eine vergleichbar niederdrückende Stimmung und Konfusion hatte ich noch nicht erlebt. Die Verwirrung ging schon damit los, daß es eine ganze Weile dauerte, bis ich begriff, daß es sich bei den Jahrgängen von 1930 bis 1945 in Wahrheit um mehrere Generationen handelt. Denn es macht einen großen Unterschied, in welchem Alter ein Kind diesem Krieg ausgeliefert war: ob als Säugling, als Kleinkind, oder ob vor oder nach der Pubertät. Natürlich hätte ich auch eine andere Zeitspanne wählen können, zum Beispiel von 1928 bis 1950, aber ich entschied mich, vor allem um die Arbeit halbwegs überschaubar zu halten, für jene fünfzehn Jahrgänge, beginnend mit der Flakhelfergeneration, und am Ende jene Kinder, die auf der Flucht geboren wurden. Gerade diese Eckpunkte machen noch einmal deutlich, daß es nicht um eine, sondern um mehrere Generationen geht. Und dennoch gibt es viele Ähnlichkeiten in den Aussagen über die Kriegszeit und die schweren Jahre danach. Zum Beispiel der Satz: Es war nie langweilig. Und: Was wir damals erlebt haben, war für uns normal. Soll heißen: Wir haben das, was der Krieg mit sich brachte, als normal empfunden, zumal es ja allen Familien ringsum genauso ging, und wir haben uns in unserem Alltag so wenig wie möglich vom Krieg stören lassen. Nun ist ja bekannt, daß kleine Kinder auch extreme Lebensumstände hinnehmen, wie sie sind. Romanautoren haben sich davon immer wieder inspirieren lassen, daß solche Prägungen ihre eigene Dynamik entwickeln. Ein Kind, das in einem Bordell aufwächst, wird das als völlig normal empfinden, bis es mit den Normen der Außenwelt in Kontakt kommt. Wenn dann aus dem Kind ein reflektierender Erwachsener geworden ist, wird der ein Bewußtsein davon entwickeln, welche Spuren eine als normal empfundene Kindheit bei ihm hinterlassen hat. Bei meinen Gesprächspartnern war das in der Regel anders. Die meisten lehnten es ab, sich mit der Frage zu befassen, wie sich der Krieg auf ihr weiteres Leben ausgewirkt haben könnte. Sie wollten von ihren Kindheitserinnerungen erzählen, die sie gern mit dem Satz einleiteten: "Wir haben in dieser Zeit auch viel Schönes erlebt." Selbst im nachhinein fehlte der Mehrzahl der Betroffenen das angemessene Gefühl für das, was sie an Schrecken erfahren hatte. Daß das Haus der Lieblingstante, in dem man so viel Schönes erlebt hatte, von Bomben komplett zerstört worden war, das erwähnte ein Mann nur beiläufig; bei mir kam es so an wie: nichts Besonderes, sowas hat man eben weggesteckt. Sprach ich meine Interviewpartner darauf an, dann stellte sich heraus, daß sie auch das Festhalten an eigentlich unpassenden Gefühlen heute noch "ganz normal" fanden.

Erscheint lt. Verlag 4.2.2013
Vorwort Luise Reddemann
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Geisteswissenschaften Geschichte
Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Billig • eBook • E-Book • günstig • Kindheit • Krieg • Kriegstraumata • Psychotrauma • Taschenbuch • Trauma • Weltkrieg
ISBN-10 3-608-10504-2 / 3608105042
ISBN-13 978-3-608-10504-9 / 9783608105049
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