Unterwegs in Lübeck
In der Altstadt
Tour 1
Holstentor, das Wahrzeichen Lübecks, im Inneren unspektakulär Flaniermeile mit Wahrzeichen
Vom Holstentor zum Dom
Lübeck ohne das Holstentor? Undenkbar. Doch Lübeck ist mehr als ein Wahrzeichen. Ein Bummel an der Obertrave ist zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis. Einige Straßen später erzählt das TheaterFigurenMuseum auf vier Stockwerken von den Künsten der Puppenspieler (leider hat das Museum bis 2023 geschlossen!). Und von der Petrikirche hat man einen Blick über die ganze Stadt bis nach Travemünde. Im gewaltigen Backsteindom befinden sich zwei Meisterwerke von Bernt Notke, während im gewitzt aufbereiteten Museum für Natur und Umwelt die Flora und Fauna der Lübecker Region eingefangen sind (ein Tipp für Kinder!). Nebenbei erfährt man, worauf Lübeck seinen Reichtum gründete, wie das „Fegefeuer“ zu seinem Namen gekommen ist, was es mit einer ägyptischen Mumie in der Hansestadt auf sich hat und wie vier Geistliche über alle Glaubensgrenzen hinweg gegen die Nationalsozialisten kämpften. Spaziergang
Altstadtauftakt
Hauptbahnhof und Holstentorbefestigung
Es lohnt sich, einen Stadtspaziergang am Hauptbahnhof zu beginnen. Dann bekommt man gleich einen ungefähren Eindruck davon, wie weitläufig die Holstentorbefestigung einmal war. Die trutzige Wehranlage mit ihren Toren und den drei Wassergräben führte fast bis zum heutigen Hauptbahnhof und war eine der ausgedehntesten Stadtbefestigungen in Nordeuropa. 1853 begann mit dem Bau einer ersten Eisenbahnlinie auf der Wallhalbinsel (eine längliche Insel vor der Altstadt) die endgültige Verkleinerung des so stolzen Bollwerks. Man trug die Wälle im Westen ab, das Äußere Holstentor fiel der Bahn zum Opfer. Der gestiegene Verkehr und Gleisabsenkungen führten dann zwischen 1903 und 1908 zur Realisierung des jetzigen Hauptbahnhofs. Heute ist er der meistgenutzte Bahnhof von Schleswig-Holstein. Trotz der mehr als 30.000 Reisenden pro Tag wirkt der hohe Innenraum des Backsteingebäudes mit der hübschen Jugendstilfassade nie überlaufen. Pompöse Grabmale und ein Pestkreuz
Abstecher zum Pestfriedhof von St. Lorenz
Vom Bahnhof aus kann man einen Abstecher zum Pestfriedhof und zur Lorenzkirche unternehmen: Einfach die Bahnhofshalle durchqueren und geradeaus weiter. Rechts neben dem Haupteingang der Kirche St. Lorenz verweist ein mächtiges Steinkreuz auf die Epidemie von 1597. Zwischen 7000 und 8000 Lübecker starben damals an der Seuche. Im Laufe des 18. und 19. Jh. erfuhr der einstige Armenfriedhof eine Aufwertung. Lübecker Persönlichkeiten wie die Mitglieder der Familie Niederegger, der geschätzte Prediger Johannes Geibel (Vater des Bestsellerlyrikers Emanuel Geibel) oder der Arzt und Naturforscher Johann Julius Walbaum (auf seiner Sammlung basiert das Museum für Natur und Umwelt) ließen sich auf dem Gottesacker bestatten. Besonders an nebelverhangenen, kalten Tagen wirken die pompösen Grabmale mit ihren griechischen Säulen und Figuren wie Botschafter aus einer anderen Zeit. Die Kirche St. Lorenz ist ein neugotischer Bau der vorletzten Jahrhundertwende, der nicht mit den großen und kleinen Altstadtkirchen konkurrieren kann. Der Vorgängerbau, eine einschiffige Fachwerkkirche von 1661/64, war bis zum Fall der Stadtmauern die einzige Vorstadtkirche.
Stadtsilhouette oder Mogelpackung?
Sieben Türme
Gegenüber dem Hauptbahnhof steht das repräsentative Geschäftsgebäude der Lübeck-Büchener Eisenbahn-Gesellschaft. Das Unternehmen finanzierte 1847 den Bau einer ersten Stichbahn nach Büchen - und legte einigen Wert auf standesgemäßes Äußeres. Rechts vom Bahnhof „residiert“ der neu renovierte Handelshof; das klinkerverputzte Paradebeispiel eines Kontorhauses aus den 1920er-Jahren beherbergt heute ein Hotel für Business- und andere Reisende. Auf dem Weg zur Puppenbrücke entlang der Konrad-Adenauer-Straße entdeckt man die Andeutung einer Silhouette, für die Lübeck dank alter Kupferstiche und des Logos einer berühmten Marmeladenfabrik bekannt ist. Allerdings erweist sich der Anblick als kleine Mogelpackung: Alle sieben Türme sind leider nicht mehr auf einen Blick zu sehen - und schon gar nicht in ihrer vollen Pracht. Wer zwischen den Ästen der Bäume hindurchlugt und über die Dächer einiger Bauten spitzt, wird St. Jakobi (links mit den vier Kugeln), St. Marien (links vom Holstentor), St. Petri (rechts vom Holstentor), St. Aegidien (rechts) und den Dom (nur die Spitzen der Spitzen) sehen. Kleiner Tipp: Auf dem offenen Deck des Parkhauses Hüxstraße (Hüxterdamm 3) hat man den Superbreitbildkinoleinwandblick. Es liegt nur einen Katzensprung von der berühmten Hüxstraße entfernt. Älteste Steinbrücke der Stadt
Puppenbrücke
„Zu Lübeck auf der Brücken / da steht der Gott Merkur. / Er zeigt in allen Stücken / olympische Figur. / Er wußte nicht von Hemden / in seiner Götterruh; / drum kehrt er allen Fremden / den bloßen Podex zu“, spottete der (stadt)bekannte Dichter Emanuel Geibel (1815-1884) über die berühmteste Figur der Puppenbrücke - Merkur, den Gott der Händler und Diebe. Diese dritte Statue auf der linken Seite hält in der rechten Hand einen Geldbeutel und lehnt sich auf einen Warenballen. Ob die Begrüßung mit dem Hinterteil Zufall ist oder vielleicht doch den Holsteinern oder Dänen gelten sollte, bleibt ein Geheimnis des Bildhauers Dietrich Jürgen Boy (1724-1803).
Wem gilt die Begrüßung mit dem Hinterteil?
Die Puppenbrücke ist die älteste Steinbrücke der Stadt. 1773 erbaut, wurde sie 1907 verbreitert. Die acht Statuen demonstrieren (hanse)städtisches Selbstverständnis: Die Damen der dem Hauptbahnhof zugewandten Seite stellen Freiheit (vorne links) und Vorsicht (vorne rechts) dar, auf der Stadtseite sind Frieden (hinten links) und Eintracht (hinten rechts) zu sehen. Außerdem wurden Neptun, ein römischer Krieger, der schon erwähnte Merkur und ein Flussgott (Trave) sowie vier sandsteinerne Vasen aufgestellt, die Wissenschaft und Künste, Ackerbau und Viehzucht, Vaterlandsliebe und - sehr wichtig für eine protestantische Handelsstadt - Fleiß und Sparsamkeit verkörpern. Bei den Allegorien handelt es sich jedoch um Kopien, die Originale befinden sich im Museumsquartier St. Annen. Expressionismus und Willy Brandt
Holstentorhalle
Hinter der Puppenbrücke steht rechter Hand nach der Tourist-Information eine lange Halle. Obwohl sie aussieht wie eine moderne Feuerwache, handelt es sich um einen unter Denkmalschutz stehenden Zweckbau des Backsteinexpressionismus. Er wurde 1926 im Zuge der 700-Jahr-Feier des gefälschten Barbarossa-Privilegs (→ Stadtgeschichte) errichtet. Erste Planungen gehen auf den Lübecker Senator und Kaufmann Emil Possehl zurück. Später diente die Holstentorhalle kulturellen, sportlichen, aber auch politischen Veranstaltungen. So trat dort z. B. Herbert Frahm alias Willy Brandt vor seiner Emigration nach Norwegen während einer antifaschistischen Aktion ans Rednerpult. Seit 2007 gehört die Holstentorhalle zur Musikhochschule. Windschiefes Wahrzeichen
Holstentor
Aus der Ferne sieht es ein wenig wie eine zweidimensionale Attrappe aus - was vielleicht damit zusammenhängt, dass das Wahrzeichen auf der rechten Seite in sich zusammengesunken ist. Diese Neigung nach Westen fiel schon während der Bauarbeiten in den Jahren 1464-78 auf; schuld daran ist der morastige Boden. Damals war das spätgotische Stadttor eines von vier Toren, die Lübeck im Westen gegen Angreifer schützen sollten. Drei Schaukästen auf dem rechten Bürgersteig zeigen, wo sich die anderen Holstentore befunden und wie sie wahrscheinlich ausgesehen haben. 1794, 1808 und 1853/54 riss man sie im Zuge der Entfestigung ab.
Der heute noch existente schwarz-rote Ziegelbau mit den zwei Kegeldächern war das dritte und spektakulärste Tor. 48 Schießscharten konnten mit schwerem Geschütz beladen werden, aus den Fenstern des Mittelbaus hätte man Pech und kochendes...