Santiago de Compostela 2007 (eBook)
184 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-7084-1 (ISBN)
Hat keine !
Hat keine !
Sonntag 12.08.2007 gegen 01:00 Uhr
2. Etappe (dem Auto für alle)
Fahrt nach St. Jean Pied del Port
Die Vignette für die Schweiz habe ich mir natürlich vorsorglich vor Reiseantritt beim ADAC besorgt. Unsere Fahrt durch die nächtliche Schweiz führt uns über die A1 nach Sankt Gallen. Die Fahrt verläuft ruhig, es ist nachts wenig bis kein Verkehr auf der Autobahn in der Schweiz. Vorbei an St. Gallen und Winterthur fahren wir in Richtung Zürich durch die Nacht. Immer der A1 entlang, ist einfach der schnellste Weg. Hinten im Bus ist alles ruhig. Ein gutes Zeichen, wenn alle schlafen. Gott sei Dank haben wir den Tank voll, denn in der Schweiz hat nachts keine Tankstelle offen, auch nicht auf der Autobahn. Es gibt zwar Münztankstellen, aber uns fehlt es an Münzen, denn da bräuchten wir Schweizer Franken die wir nicht haben. Ich habe mir Zuhause ausgerechnet, dass wir mit einem vollen Tank durch die ganze Schweiz kommen müssten und wir liegen sehr gut im Spritverbrauch. Der Zürichsee mit Zürich an seiner Südlichen Spitze kommt in Reichweite. Jetzt haben wir schon ein ganzes Stück geschafft. Noch immer ist wenig Verkehr, obwohl, jetzt in den Morgenstunden, wird es schon ein bisschen mehr. Zürich lassen wir hinter uns und sind nun immer noch auf der
A1 auf dem Weg nach Biel. Bis jetzt sind wir im Dunkeln gefahren, das ist zwar anstrengend aber wir kommen recht schnell voran und unserem heutigem Etappenziel, Saint Jean Pied del Port, Kilometer für Kilometer näher.
Unsere Fahrt bringt uns der Stadt Baden in der Schweiz näher. So gegen 3.15 Uhr befinden wir uns bei Baden. Hier erleben wir unseren ersten Stau. Unerwartet und plötzlich stehen wir am Stauende und können keinen Grund erkennen. Nur eines ist ersichtlich, wir sind umringt von lauter jungen Verkehrsteilnehmern, die offensichtlich guter Dinge sind und wie es uns
erscheint aus einer riesigen Disco kommen dürften. Hinten im Bus regen sich die „Geister“, wach geworden durch den Lärm von -zig jungen Leuten, die offensichtlich aus den umliegenden Discos kommen und eben weil wir auch nicht mehr fahren. Plötzlich sitzen Manni und Heinz hinter uns. Basti ist bis jetzt gefahren und hat gut durchgehalten. Aber nun kommen wir nur noch im Schritttempo weiter. Minuten um Minuten verrinnen und ich werde ein wenig
nervös. Dieser Stau hat zunächst überhaupt keinen ersichtlichen Grund, war nicht eingeplant und kostet Zeit! Nach schier endlosen 20 Minuten können wir die Ursache des Staus erkennen. Wir sind in eine Alkohol- und Drogenkontrolle der Schweizer Polizei geraten. Anders als bei uns Zuhause, haben die Beamten einfach die komplette Autobahn gesperrt, einen provisorischen Parkplatz errichtet und kontrollieren die Fahrzeuge in dem sie sie in eigens dafür errichtete Buchten weisen. Wir stehen in der Reihe und ich sammle vorsorglich schon mal von allen die Ausweise ein. Alle paar Meter steht ein Beamter in kugelsicherer Weste und bewaffnet auf der Straße. Viele haben Hunde an der Leine und ich
kann erkennen, dass die Hunde zum Durchsuchen der Autos eingesetzt werden. Die Schlange vor uns wird kürzer und wir kommen an die Reihe! Der erste Beamte ist erreicht und wir stellen uns darauf ein in eine „Parkbucht“ zu fahren um kontrolliert zu werden. Aber offensichtlich gehören wir nicht zur Zielgruppe
und werden durch die einspurige Schleuse bestimmt durchgewunken. Nun ist es ca. 3:35 Uhr und wir können ungehindert weiterfahren. Aber die Polizisten haben bei uns erreicht, dass nun alle hellwach sind. Wir verstauen unsere Ausweise wieder, atmen erleichtert tief durch und setzen unsere Fahrt fort. Uns ist klar, dass wir die verlorene Zeit nicht mehr aufholen können. Unaufhörlich fahren wir weiter und „fressen“ Kilometer um Kilometer. An der Verzweigung Birrfeld halten wir uns Richtung Aargau und Solothurn, das heißt für uns, wir bleiben weiter auf der A1 und erreichen das Autobahnkreuz Aargau/Zofingen. Hier mündet die A2 und die E 35 in die A1. Am Autobahnkreuz Solothurn/Gäu verlässt die A2 und die E 35 wieder die A1, dafür mündet die E25 hier auf die A1. Wir fahren an Niederbipp, ich lach mich schief, vorbei. Unsere Radler schlafen wieder. Bei Luterbach verlassen wir die A1/E25 und wechseln auf die A5 Richtung Solothurn.
An Solothurn Ost und West vorbei, erreichen wir nach endlosen eineinhalb Stunden die Verzweigung Bötzingenfeld bei Biel. Hier endet die Autobahn in einer riesigen Baustelle und wir müssen nachts einer gewaltigen Umleitung folgen. Basti ist aufgeregt und fragt permanent nach dem Weg, den ich natürlich auch nicht kenne. Wir folgen den Umleitungsschildern und kommen auf immer kleinere Straßen. Hier brennen keine Straßenlaternen und wir fühlen uns „richtig heimelig“. Natürlich sind Heinz und Manni durch die Rumpelei auch wieder aufgewacht und suchen mit uns zusammen den richtigen Weg. Nach ca. einer Stunde, gefühlt zwei Stunden, und 25 km Umleitung erreichen wir endlich Biel. Es ist jetzt 05.00 Uhr und wir sind seit unserer Abreise 540 km gefahren und haben durch Stau und Umleitung insgesamt ca. eine Stunde Zeit verloren. Ich dachte es gibt nur Stau und Baustellen, wo wir fahren, aber das ist ja endlich vorbei. Wir sind jetzt den gesamten Bielersee entlang gefahren und können gegen 05.15 Uhr bei La Neuville in der französischen Schweiz wieder auf die A5 auffahren. Ab jetzt spricht man Französisch! Natürlich versteht sich, dass jeder von uns astrein Französisch spricht, ist doch klar. Da fällt mir ein Spruch von Mechthild wieder ein und ich muss bei dem Gedanken ein bisschen lächeln, Französisch kann ich auch, nur mit der Sprache hapert es ein bisschen. Wo bleibt denn da bloß der Pilgergedanke!?!
Ich habe Recht, in der Schweiz hat nachts keine Tankstelle offen. Offensichtlich hat es hier niemand nötig nachts zu arbeiten. Warum waren meine Eltern eigentlich keine Schweizer? Ich arbeite seit vielen Jahren in einem Dreischichtsystem auch an Sonn- und Feiertagen. Wir fahren am schönen Lac de Neuchâtel entlang, lassen die Stadt Neuchâtel liegen und sind gegen 05.45 Uhr nach einer Fahrt durch „1001“ Tunnel in Yverdon (Französische Schweiz).
Der Morgen dämmert und man kann erkennen wie die Sonne aufgeht. Wir haben jetzt den 12.08.2007 und haben noch nicht die Hälfte unserer geplanten Tagesetappe geschafft. Aber wir sind guter Dinge und der Tag verspricht superschön zu werden. Bei Vaud/Yverdon treffen wir wieder auf die A1 Richtung Lausanne und verlassen die A5. In der Französischen Schweiz fahren so früh am Morgen wenig Autos und wir haben freie Fahrt. Die Uhr läuft unaufhörlich und als wir kurz vor Lausanne sind, ist es schon 6:10 Uhr. Mir „dämmert“ nun, dass wir vielleicht besser noch etwas eher losgefahren wären! Nun ist der Mond der Sonne endgültig gewichen und ein strahlender Morgen begrüßt uns. Good Morning Sun Shine! So langsam werden auch unsere Radfahrer munter! Basti schlägt sich gut. Wir merken jetzt, dass der Verkehr zunimmt und wir allmählich in den Berufsverkehr kommen. Aber wir haben Gott (oder soll man sagen Jakob) sei Dank immer noch freie Fahrt. Auf einem Rastplatz legen wir jetzt gemeinsam unsere erste kurze Pause ein um uns die Füße zu vertreten, etwas zu essen und auch andere notwendige „Dinge“ zu erledigen. Nach eben genannter kurzer Rast blasen wir vier wieder zum Aufbruch nach Genf unserem nächsten Etappenziel. Lausanne liegt bereits am Genfer See und unsere Fahrt führt uns nun in den frühen Morgenstunden bei strahlendem Sonnenschein am gesamten Genfer See entlang. Orte wie Saint Prex, Allman, Rolle, Eysins lassen wir einfach achtlos liegen und nähern uns Kilometer um Kilometer Genf. Um ca. 7:00 Uhr ist Genf/Genève erreicht. Jetzt ist Basti müde und wir machen unseren ersten Fahrerwechsel.
Der Wechsel ist kurz und um 7:05 trete ich zum ersten Mal auf dieser Reise, ob ich nun will oder nicht, aufs Gaspedal. Siehe da, mein Auto folgt mir und fährt ohne Murren und mucken an. Ich kontrolliere die Anzeigen und stelle fest, dass der Kilometerstand 384.776 km anzeigt. Somit ist Basti in der Nacht die erste Strecke von 696 km von zu Hause zum Bodensee und durch die gesamte Schweiz gefahren. Er ist nahezu ohne Pause 9 Stunden durch alle Baustellen, Umleitungen und Kontrollen gekurvt. Mein Bus tuckert mit ca. 100 Stundenkilometern ganz brav vor sich hin, ohne Panne oder sonstige Schäden. Zum ersten Mal auf dieser Fahrt denke ich doch mit etwas Bewunderung an Max. Er hat das Auto so gut in Schuss gebracht und wäre am liebsten selbst mitgefahren. An dieser Stelle die besten Wünsche an ihn! Man muss wissen, dass mein Bus nun doch schon zwölf Jahre alt ist und in dieser Zeit mit mir ca. acht bis neun Mal um die Erde gefahren ist. Ja es ist richtig, das Auto hatte es nicht immer leicht mit mir!
7:12 Uhr, wir befinden uns jetzt endlich in Frankreich und kaum da, schon treffen wir zum ersten Mal auf eine Autobahnmautstelle. Ich wähle eine Box aus, über der ein grünes Licht leuchtet und ein Schild zeigt, auf dem ein PKW
abgebildet ist. Hier darf kein Wohnwagengespann und kein LKW durch, wir
jedoch müssen passieren. Nach ein paar Autos vor mir in der Schlange bin ich an der Reihe.
Ich drücke auf den einzigen vorhandenen Knopf und ziehe das „Los“ das sich aus einem kleinen Schlitz herausschiebt, so als ob mir jemand die Zunge herausstreckt und sagt: „Jetzt hab ich Dich“. Leider ist das Ticket kein Hauptgewinn und so lege ich es beiseite und fahre langsam durch die nun wie von Geisterhand geöffnete Schranke. Gleich nach der Schranke beginnt, wie es scheint, der Start eines Formel-1 Rennens...
Erscheint lt. Verlag | 7.9.2024 |
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Illustrationen | Roland Weinmann, Sebastian Kolze, Mannfred Hanselmann |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Reisen ► Reiseführer ► Europa |
Schlagworte | Camino • Fahrrad • Pilgern |
ISBN-10 | 3-7598-7084-8 / 3759870848 |
ISBN-13 | 978-3-7598-7084-1 / 9783759870841 |
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