Lesereise Färöer (eBook)
132 Seiten
Picus (Verlag)
978-3-7117-5514-8 (ISBN)
Peter Lachnit ist Journalist und Autor in Wien und hat für das österreichische Kulturradio Ö1 Berichte aus 40 Ländern gestaltet. Auf den Färöern hat er eine mehrmonatige Auszeit verbracht. Heike Possert ist Physiotherapeutin und lebt in Graz und Wien. Sie hat für die Grünen eine Vielzahl politischer Bildungsreisen im europäischen Raum organisiert. Beide lieben das Reisen und den Norden, denn dort gibt es Weite, Freiheit und Spannung. Der Himmel ist höher und die Wolkenformationen sind abwechslungsreicher. Und auf die Hitze verzichten sie gerne.
Peter Lachnit ist Journalist und Autor in Wien und hat für das österreichische Kulturradio Ö1 Berichte aus 40 Ländern gestaltet. Auf den Färöern hat er eine mehrmonatige Auszeit verbracht. Heike Possert ist Physiotherapeutin und lebt in Graz und Wien. Sie hat für die Grünen eine Vielzahl politischer Bildungsreisen im europäischen Raum organisiert. Beide lieben das Reisen und den Norden, denn dort gibt es Weite, Freiheit und Spannung. Der Himmel ist höher und die Wolkenformationen sind abwechslungsreicher. Und auf die Hitze verzichten sie gerne.
Auf der Europakarte links oben
Wie ein Schaf die Färöer bekannt gemacht hat
Durita Dahl Andreassen hatte ein Problem: Wenn sie auf Urlaub nach Spanien oder Griechenland flog, konnte sie ihre Destinationen schon vorher im Internet ansehen. Wenn sie aber ihren Urlaubsfreunden zeigen wollte, wo sie selbst wohnte, konnte sie das nicht. Denn für Google Street View existierten die Färöer nicht. Durita Dahl Andreassen ward darüber ganz traurig, konnte man doch auf diese Weise zwar auf die Spitze des Mont Blanc oder in grönländischen Häfen mit Namen wie Qaqortog oder Paamiut unterwegs sein – nur nicht auf ihren heimatlichen Inseln! Sie setzte sich hin und schrieb ein Mail an Google mit der Bitte, doch auch die Färöer mit den Rundum-Kameras zu durchfahren. Aber der Internetkonzern antwortete nicht. Da wurde Durita Dahl Andreassen gleich noch trauriger. Doch dann kam ihr die Idee, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Gemeinsam mit zwei Freunden überlegte sie: Was wäre besser geeignet, die Natur der Inseln aus der Nähe zu betrachten, als eines der vielen Schafe, die auf den Färöern grasen und dabei weite Wege zurücklegen? So befestigten sie eine Dreihundertsechzig-Grad-Kamera samt Solarpanel auf dem Rücken eines der Tiere und ließen es seinen üblichen Weg nehmen. Nach einigen Tagen wurde das Schaf mithilfe eines Border Collies wieder eingefangen, die Aufnahmen wurden hochgeladen, und im Netz konnte man bald darauf, leicht schwankend, die Wiesen und Felsen aus der Augenhöhe von Schafen betrachten – und dazwischen auch pausieren, wenn das Tier gerade mit Nahrungsaufnahme oder -ausscheidung beschäftigt war. »Faroe Islands Sheep View« war geboren und verbreitete sich unter dem Hashtag »wewantgooglestreetview« – nicht ohne den extra Hinweis, dass bei den Aufnahmen selbstverständlich kein Tier zu Schaden gekommen war, sondern nur die eine oder andere Kamera. Und nachdem auf den Färöern neben den Wiesen und den Felsen auch das Meer eine besondere Rolle spielt, wurde auch auf dem Bug eines Bootes eine der Kameras angebracht. Die Aktion »Sheep View« erweiterte sich zu »Ship View«.
Der sehnsuchtsvolle Ruf nach Google verbreitete sich rasch, Menschen aus aller Welt unterstützten die Aktion, und Medien von Al Jazeera bis zu CNN berichteten von der verzweifelten Bitte der Inselbewohner. Als die Verantwortlichen des Konzerns im fernen Silicon Valley davon erfuhren, waren sie ganz gerührt und beschlossen, nun auch die entlegenen Inseln im Nordatlantik mit ihren Errungenschaften zu beglücken. Per Flugzeug wurden mehrere Kameras herangeschafft, mit denen die Straßen der Inseln abgefahren und gefilmt wurden. Aber auch auf Schiffen, auf dem Rucksack von Wanderern, auf dem Helm einer Reiterin oder auf einem Kajak wurde eine Kamera befestigt, sodass man heute auf Google Maps auch einige Pfade, Wiesen und Wege der Färöer nachgehen sowie die eine oder andere Schiffsroute nachfahren kann.
So weit die schöne Geschichte. Dass Durita Dahl Andreassen, die junge Frau, die ihre Inseln der ganzen Welt zeigen wollte, eine von der färöischen Touristenwerbung engagierte Schauspielerin ist – das tat der Verbreitung der Story auf den Zeitungsseiten der Welt keinen Abbruch. Die Kampagne, die der kalifornische Internetriese nicht schöner hätte inszenieren können, wurde beim Werbefestival in Cannes mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Und Google selbst kommentierte die Aktion mit den Schafen nicht unwitzig mit den Worten: »Wo eine Wolle ist, da ist auch ein Weg.«
* * *
Es sind durchaus originelle Wege, die die färöische Fremdenverkehrswerbung geht, um die Inseln bekannter zu machen, »to put them on the map«, wie es so schön auf Englisch heißt. Denn auf vielen Europakarten kann man die Färöer nur mit der Lupe finden. Ja, die Inselgruppe im Nordatlantik zwischen Island, Norwegen und Schottland ist klein, an Fläche gerade einmal halb so groß wie Luxemburg, und ihre Einwohnerzahl liegt fünfundfünfzigtausend – das ist etwa so viel wie im bayerischen Passau oder im vorarlbergischen Dornbirn. Auch wenn viele Bewohner die Inseln zur Ausbildung verlassen, so steigt dennoch die Bevölkerungszahl – das Überschreiten der Fünfzigtausender-Grenze wurde im Jahr 2018 als historisches Ereignis gefeiert: Nie zuvor lebten so viele Menschen auf den achtzehn Inseln. Das kleine Land hat ein Parlament, eine eigene Regierung und eine eigene Sprache, es gibt Natur im Überfluss und eine bisweilen bizarre Landschaft – sowie ein kulturelles Leben, das man eher in einer zehnmal so großen Stadt erwarten würde.
Färöer heißen übrigens nur die Inseln – ihre Bewohner werden Färinger genannt. Oft hapert es ja schon bei der Aussprache des Namens: Nein, man sagt nicht »Faröer« mit a – es heißt »Färöer«, mit Umlaut. Und wenn wir »Färöer« sagen, dann verwenden wir die dänische Bezeichnung, der färöische Name ist Føroyar. Streng genommen ist auch die Bezeichnung »Färöer-Inseln« falsch, denn »öer« oder »oyar« heißt schon so viel wie Inseln. Im Englischen heißen sie Faroe Islands, aber auch das wird »Färou« ausgesprochen. Das Wort Färöer bedeutet nicht, dass es sich um weit entfernte Inseln handelt, wie man in Analogie zum Englischen »far« vermuten könnte, sondern es heißt so viel wie »Schafsinseln« – und das ist mehr als gerecht, denn die meisten Lebewesen hier waren immer Schafe und nicht Menschen.
Die Färinger, und das ist die nächste Klarstellung, sind dänische Staatsbürger (und zwar »dänische Staatsbürger färöischer Nationalität« – dazu später noch mehr), aber sie sehen sich selbst nicht als Dänen. Und sie sprechen auch nicht Dänisch, sondern Färöisch – das ist am nächsten mit dem Isländischen verwandt und, obwohl eine germanische Sprache, für Deutschsprechende nahezu unverständlich.
Unsere innere Geografie kann auf den Färöern eine ziemliche Verschiebung erfahren. Die Wetterkarte des lokalen Fernsehsenders erscheint uns Mitteleuropäern ziemlich ungewohnt, denn hier ist in der Mitte, was sonst ganz links oben liegt. Etwa auf gleicher Höhe befinden sich Island und Norwegen, Grönland mit seinem weiß dargestellten Eispanzer ist ein bisschen weiter entfernt, ganz im Norden gibt es nur noch die Inselgruppe Spitzbergen und den Nordpol. Die Hebriden liegen weiter im Süden als die Nordspitze Schottlands, sie werden auf Färöisch folgerichtig als Suðuroyggjar, also als »südliche Inseln« bezeichnet. London liegt im »tiefen Süden«, und wenn die Färinger ins dänische Mutterland reisen, dann fahren sie »hinunter«; wenn sie dorthin ausgewandert sind, dann leben sie »unten«.
Eine zentrale Rolle spielt hier das Meer. Schauen wir auf eine Karte, so bleibt der Blick im Regelfall am Land hängen – die Ozeane nehmen wir meist nur als blauen Zwischenraum wahr. Diese Sehgewohnheit muss man auf den Färöern ablegen, hier ist das Meer keine Leerstelle zwischen den Inseln, sondern über das Meer hat sich alles erschlossen, ist man gefahren, gesegelt, gerudert. Das Meer hat die Fische und das Walfleisch gebracht sowie die Schiffe, die aus der Ferne all das geliefert haben, was es auf den kargen Inseln nicht gibt und nicht geben kann. Das Meer hat das für das Leben Notwendige, es hat aber auch den Tod gebracht. Bis ins 18. Jahrhundert wurden die Färöer immer wieder von Seeräubern überfallen, die die Dörfer plünderten und Frauen und Kinder mit sich nahmen, um sie auf nordafrikanischen Sklavenmärkten zu verkaufen. Und so wie sich bei uns in jedem Dorf ein Denkmal für die gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege befindet, so gibt es auch hier Gedenksteine mit vielen eingemeißelten Männernamen: Es handelt sich um diejenigen, die im Sturm ertrunken, mit dem Schiff unter- oder über Bord gegangen sind, und um jene, die von den Wellen angespült wurden.
Doch die Ertrunkenen im Meer und die bei der Vogeljagd von den Klippen Abgestürzten sind heute Geschichte. Die Moderne ist auf die Färöer später als anderswo in Westeuropa gekommen – erst seit den sechziger Jahren kann man hier von einer modernen Gesellschaft reden. Und manches, wie etwa die Rolle der Religion, die Vorstellung von Erd- und Luftgeistern oder die traditionellen Sitten wirken heute einigermaßen altertümlich. Es ist eine Gesellschaft, in der es langsamer und gemächlicher zugeht und in der es weder Luftverschmutzung noch Verkehrsstaus gibt. Im einzigen lokalen Fernsehsender gibt es auch nicht jeden Tag eine Nachrichtensendung, sondern nur an vier Tagen pro Woche. Ob das daran liegt, dass hier einfach nicht...
Erscheint lt. Verlag | 21.2.2024 |
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Reihe/Serie | Picus Lesereisen | Picus Lesereisen |
Verlagsort | Wien |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Reisen ► Reiseberichte |
Reisen ► Reiseführer ► Europa | |
Schlagworte | Fisch • Grindwal • Inseln • norrøna • Picus Lesereisen • Regen • Schafe • Skandinavien • Torshavn • Tunnel • Vagar |
ISBN-10 | 3-7117-5514-3 / 3711755143 |
ISBN-13 | 978-3-7117-5514-8 / 9783711755148 |
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Größe: 3,2 MB
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