Wilde Berge, weites Land (eBook)

Von Ost nach West durch den Kaukasus

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
288 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60286-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wilde Berge, weites Land -  Ana Zirner
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Wo Gott den Menschen ein Stück vom Paradies abgab Ana Zirner folgt ihrem Traum und durchquert den Großen Kaukasus. Auf georgischer Seite wandert sie vor riesigen Gebirgszügen an uralten Kirchen vorbei. Reitet auf Pferden durch reißende Flüsse. Lauscht in Bergdörfern den Liedern der Einheimischen. Und erlebt eine Landschaft, die so ungestüm ist, dass sie immer wieder Grenzen meistern muss: sowohl geografische in diesem bewegten Land als auch ihre eigenen als werdende Mutter. Doch die Georgier helfen ihr dabei mit ihrer unvergleichlichen Gastfreundschaft. Und man begreift schnell, weshalb Gott ihnen der Legende nach das schönste Stück Erde überlassen haben soll. Ein inspirierendes und kluges Buch über ein faszinierendes Gebirge, ein Mosaik aus Kulturen und darüber, wie wir heute reisen wollen.  - Berauschende Naturschilderungen und bewgende Begegnungen - Mit praktischen Tipps für Outdoor- und Trekking-Fans - Eine starke weibliche Stimme, die für nachhaltiges Reisen steht

Ana Zirner, Jahrgang 1983, ist freiberufliche Autorin, Bergsportlerin und Bergwanderführerin, die insbesondere durch ihre langen Solotouren in den Bergen auf sich aufmerksam machte. Aufgewachsen im Bayerischen Voralpenland, zieht es sie immer wieder in die Berge, wo sie leidenschaftlich gern Mehrtages- und Gipfeltouren unternimmt. Ana Zirner hält zahlreiche Vorträge zu ihren Reisen und dem nachhaltigen Leben unterwegs und engagiert sich, auch als Mitglied in der POW (Protect our Winters) Riders Alliance, für Klimaschutz. Zuletzt veröffentlichte sie bei Malik ihren Band »Rivertime«, in dem sie von ihrer 90-tägigen Reise entlang des Colorado Rivers erzählt, und bei Piper zusammen mit ihrem Vater August Zirner die Geschichte ihrer Großmütter »Ella und Laura«. Derzeit lebt Ana Zirner mit Partner und gemeinsamer Tochter in Oberaudorf im oberbayerischen Inntal.

Ana Zirner, Jahrgang 1983, ist freiberufliche Autorin, Bergsportlerin und Bergwanderführerin, die insbesondere durch ihre langen Solotouren in den Bergen auf sich aufmerksam machte. Aufgewachsen im Bayerischen Voralpenland, zieht es sie immer wieder in die Berge, wo sie leidenschaftlich gern Mehrtages- und Gipfeltouren unternimmt. Ana Zirner hält zahlreiche Vorträge zu ihren Reisen und dem nachhaltigen Leben unterwegs und engagiert sich, auch als Mitglied in der POW (Protect our Winters) Riders Alliance, für Klimaschutz. Zuletzt veröffentlichte sie bei Malik ihren Band »Rivertime«, in dem sie von ihrer 90-tägigen Reise entlang des Colorado Rivers erzählt, und bei Piper zusammen mit ihrem Vater August Zirner die Geschichte ihrer Großmütter »Ella und Laura«. Derzeit lebt Ana Zirner mit Partner und gemeinsamer Tochter in Oberaudorf im oberbayerischen Inntal.

Durch die Regionen Tuschetien und Chewsuretien


Giorgi oder Die gefährlichste Straße der Welt


Zugegeben, die Kurve ist steil, die Straße schmal und der Abgrund daneben tief. Aber ganz so dramatisch, wie es in den sozialen Medien suggeriert wird, ist es nicht. Wir sind auf der legendären »gefährlichsten Bergpassstraße Georgiens« unterwegs in das abgelegene Bergdorf Omalo. Die BBC hat eine recht reißerische Doku über diese Straße gemacht, in der sie viel heftiger aussieht, als sie eigentlich ist.

Omalo ist der Ausgangspunkt für meine Etappe durch die wenig erschlossenen Berge von Tuschetien. Ich drehe mich zu meiner Mutter Katalin um, die auf der Rückbank sitzt, um zu sehen, wie es ihr geht. Sie ist etwas blass, aber das führe ich eher auf die nächtliche Anreise und den mangelnden Schlaf zurück. Hinter der Blässe liegt ihre sprühende und funkelnde Energie, und ich freue mich darauf, zu sehen, wie diese sich entfalten wird, wenn wir gehen. Mich durchströmt tiefe Liebe für diese kleine, starke Frau, wie sie dahinten sitzt und sich am Vordersitz festhält. Es war eine recht spontane Idee, dass sie mich auf dieser Etappe begleiten wird, und jetzt ist sie tatsächlich da. Wie damals bei meiner Alpenüberquerung von Ost nach West werden wir wieder ein paar Tage zusammen verbringen.

Wir haben vor, in etwa fünf Tagen von Omalo nach Schatili zu gehen, eine Route, die bei guten Bedingungen zwar Orientierungssinn, etwas Ausdauer und physisches Geschick erfordert, aber keinerlei technische Schwierigkeiten birgt. Ich hatte hier ursprünglich eine höher gelegene Variante vorgehabt, habe mich aber nun für einen nicht weniger schönen Weg entschieden, der etwas stärker frequentiert ist und auf dem man unterwegs auch ab und zu durch Dörfer kommt. So können wir bei den Einwohnern in kleinen Gästehäusern essen und übernachten und müssen nicht für die gesamte Zeit Verpflegung schleppen und uns Gedanken über ausreichend Wasserquellen machen.

Tuschetien ist eine historische Region, die heute verwaltungstechnisch zur georgischen Region Kachetien gehört. Im Norden grenzt Tuschetien an Russland, dabei liegt im Osten die Region Dagestan, weiter westlich dann Tschetschenien. Wir bewegen uns weiterhin in der Nähe der Grenze, allerdings liegt diese hier sehr hoch und verläuft über die Gipfel einiger Viertausender.

Heute Morgen sind wir also im Alvani-Tal in einen alten schwarzen Mitsubishi Delica geklettert. Wie sich bald herausstellt, ist dies das ungeschlagene Lieblingsgefährt der Georgier auf unwegsamen Passstraßen, von denen es im Kaukasus eine ganze Menge gibt. Mit gutem Grund, denn die schlanken, hohen und allradgetriebenen Autos, meist in der Version »Chamonix«, können neben dem Fahrer acht Passagiere aufnehmen. Viele sind aus Japan importiert, wie auch zahlreiche andere Fahrzeuge in Georgien, und haben deshalb das Steuer auf der rechten Seite. Insgesamt herrscht damit im georgischen Verkehr eine bunte Mischung an rechts- und linksgesteuerten Fahrzeugen, was sich, nebenbei bemerkt, kaum positiv auf die Verkehrssicherheit auswirkt.

Am rechtsseitigen Steuer unseres Delicas sitzt jedenfalls Giorgi (wie könnte er auch anders heißen), der uns als der beste lokale Fahrer vorgestellt wurde. Seine Schwester spricht gut Deutsch, sie hat zwischen ihm und uns übersetzt und versichert: »Er wird sehr vorsichtig fahren.« Ganz bestimmt liegt es auch an ihm, dass wir diese Fahrt gar nicht so gefährlich finden. Denn Giorgi, etwa Anfang dreißig, still und freundlich, kennt wirklich jedes Schlagloch, jede abgebrochene Straßenkante sowie den jeweils nötigen Radius, um das kleine, hohe Fahrzeug sicher und flüssig um die engen Kurven der teils sehr steil aufsteigenden Straßen zu manövrieren.

Auch wenn ich selbst gerne herausfordernde Bergstraßen fahre, das hier erfordert deutlich mehr Erfahrung, und ich empfehle jedem, der auf dieser Strecke unterwegs ist, sich einen professionellen Fahrer dafür zu leisten. So einen wie Giorgi eben, der ruhig am Steuer sitzt und langsam, konzentriert und routiniert fährt. Zudem sind wir mit trockenem Wetter gesegnet, und glücklicherweise kommen uns kaum schwer beladene Lkw entgegen. Ich kann mir schon vorstellen, dass diese nicht ideal befestigte Straße bei Dauerregen, Schnee (Lawinen) und Eis oder mit einer unerfahrenen und unsicheren Person am Steuer eine ganz andere Sache ist …

Aber was laut den Statistiken auf dieser Straße die meisten Todesopfer fordert und wogegen die lokale Polizei leider bis heute nichts unternimmt, ist Trunkenheit am Steuer – ein unter Georgiern allgemein und in Tuschetien besonders zur Zeit der Volksfeste in den Bergdörfern recht verbreitetes Phänomen. Immer wieder stürzen voll beladene Autos in die Schluchten. Am Straßenrand passieren wir ständig kleine Gedenktafeln mit den Porträts von meist jungen Männern, die hier ums Leben gekommen sind. Und nun wird es auf typisch georgische Weise absurd: Denn neben den Gedenktafeln steht jeweils ein großer Plastikkanister mit Tschatscha, dem lokalen Schnaps. Es ist eine Tradition unter den Fahrern, dass sie bei den zahlreichen Gedenktafeln anhalten und jeweils auf die Verstorbenen anstoßen. Und dabei natürlich noch betrunkener werden und noch mehr tödliche Unfälle bauen und für noch mehr Gedenktafeln sorgen, an denen noch mehr Schnaps steht, den dann noch mehr Fahrer trinken und so weiter …

Jedenfalls bin ich froh, dass unser Giorgi diese Tradition auslässt.

Als wir schließlich, ein paar Stunden und ein paar Fotostopps an imposanten Wasserfällen und Schluchten später, die Baumgrenze hinter uns lassen, wird der Blick auf die von mir schon jetzt so tief geliebte grüne Weite frei. Die Wiesen sind auch hier dicht mit großen bunten Blumen bewachsen, und der Blick nach oben, wo man sieht, wie sich die Straße – oder besser gesagt, der Schotterweg – in steilen Serpentinen zum Pass hinaufschraubt, macht Spaß und ist aufregend. Die Baumgrenze ist fließend. Einige wenige besonders waghalsige und knorrige kleine Bäume wachsen auch auf den äußerst steilen Hängen noch, was ein imposantes Bild abgibt.

Bisher war das Anstrengendste an der Fahrt das ewige Wackeln, Ruckeln und Zuckeln. Jetzt, weiter oben, sind keine Wurzeln mehr im Weg, und die Straße wird gleichmäßiger. Am Pass auf 2800 Metern angekommen, halten wir wegen der dünneren Luft nur kurz an. In den ersten Kehren bergab haben wir noch freien Blick in Richtung Russland, hinauf in die markant felsigen und teils vergletscherten Gipfel. Wir fahren an einem fröhlich sprudelnden Fluss entlang, der genau wie ich mit der sinkenden Höhe immer mehr an Kraft gewinnt. Immer wieder stehen Kühe auf der Straße, die dem Auto nur ungern Platz machen. Giorgi fährt langsam, aber entschieden auf sie zu, sodass sie ausweichen müssen, was sie manchmal mit einem empörten Muhen quittieren. In den kleinen Dörfern, durch die wir nun kommen, wird Giorgi immer wieder sehr herzlich gegrüßt. Meist sagt er dann zur Erklärung so etwas wie »my cousin« oder »my uncle«. Anscheinend sind hier alle miteinander verwandt.

Leider wird mir auf der anschließend wieder sehr kurvenreichen und unebenen Straße doch noch übel, weshalb wir zweimal anhalten müssen, weil ich mich übergeben muss. Giorgi macht noch einen weiteren Stopp, springt aus dem Auto und sagt nur: »Wait, wait!« Er läuft ein Stück von der Straße weg und scheint etwas zu pflücken. Zurück am Auto, überreicht er mir lächelnd einen Strauß frische Pfefferminze und bedeutet mir, daran zu riechen, da das gut gegen Übelkeit sei. Dankbar stecke ich meine Nase tief in den Strauß, und im Verlauf der weiteren Fahrt geht es mir schon viel besser.

Pferde sind besser als Autos


Aus einem dichten Wald kommen wir schließlich auf eine riesige offene Hochebene, auf der ein paar Kühe und Pferde grasen. Auch hier gibt es keine Zäune für die Tiere. Vor uns liegt ein weitläufiger Hang, der mit den Häuschen Omalos gesprenkelt ist. Überragt werden sie von der mittelalterlichen Burg von Keselo, die auf einer Anhöhe im Hintergrund thront.

Überhaupt prägen die hohen Wehrtürme der alten Festungen...

Erscheint lt. Verlag 29.9.2022
Zusatzinfo Mit 16 Seiten Farbbildteil und farbigen Karten
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Europa
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte Abenteuer-Bericht • Balkon Europas • Batumi • Begegnungen • Berge • Bewohner • Bilder • Buch • Camper • Elbrus • Europa • Gebirge • Georgien • Geschichte • Gipfel • Historie • Kasbek • Konflikt • Länder • Land-karte • Menschen • Miet-Wagen • nachhaltig • Nachhaltigkeit • Nationalpark • Natur-schutz • Pauschalreise • Pferde-Wandern • Reise-Bericht • Reise-Führer • Reisen • Rund-Reise • Russland • Trekking • Urlaub • Van • Völker • Wandern • Wohnmobil • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-492-60286-X / 349260286X
ISBN-13 978-3-492-60286-0 / 9783492602860
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