Meine wilden Inseln (eBook)

Wie ich auf den Färöern zwischen Wellen, Wind und Schafen mein Glück fand | Unterhaltsame Insel-Abenteuer im nordatlantischen Naturparadies

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
224 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60075-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Meine wilden Inseln -  Anja Mazuhn
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Eine Liebeserklärung an die nordische Seele 18 Inseln im Nordatlantik, schroffe Klippen, raues Wetter, mehr Schafe als Menschen: Als Anja Mazuhn und ihr Mann zufällig eine Dokumentation über die Färöer sehen, trifft es sie beide mitten ins Herz. Nach einem spontanen Urlaub auf Eysturoy, der zweitgrößten Insel, erkennen sie ihre große Chance auf Veränderung in einem kleinen Haus mit Meerblick und ergreifen sie kurzerhand. Ein mutiger Neuanfang zwischen hohen Bergen und tiefen Fjorden Voller Begeisterung entdeckt Anja Mazuhn eine neue Heimat mit atemberaubender Natur, faszinierenden Menschen und einer komplizierten Sprache. Sie lernt färöische Gelassenheit und findet wie nebenbei, was sie immer gesucht hat: Glück, Gemeinschaft und Abenteuer. Mit 24 Seiten Farbbildteil, Illustrationen und zwei Karten

Anja Mazuhn arbeitete über 20 Jahre als Journalistin und schrieb unter anderem für Die Welt und die Berliner Morgenpost Gesellschaftsreportagen und Reiseberichte. Auf ihrem Blog My Faroe Islands erzählt sie erfolgreich von ihrer zweiten Heimat, die eigentlich schon fast ihr Hauptwohnsitz ist. Sie lebt in Deutschland und - natürlich - auf den Färöern.

Anja Mazuhn arbeitete über 20 Jahre als Journalistin und schrieb unter anderem für Die Welt und die Berliner Morgenpost Gesellschaftsreportagen und Reiseberichte. Auf ihrem Blog My Faroe Islands erzählt sie erfolgreich von ihrer zweiten Heimat, die eigentlich schon fast ihr Hauptwohnsitz ist. Sie lebt in Deutschland und – natürlich – auf den Färöern.

Prolog


Jetzt stehe ich schon seit vier Stunden hier, und wer weiß, wie lange es noch dauern wird. Die Schere in meiner Hand ist überdimensional groß, aus einem u-förmigen Stück Stahl geschmiedet und schmierig. Jedes Mal, wenn ich eine Faust mache und die federnden Bügel der Schere mit Kraft zusammendrücke, schneiden ihre Klingen. Wenn ich meine Hand wieder entspanne, öffnet sich die Schere. Ich fange immer mit einer geraden Linie an. So, als ob ich erwartungsvoll ein mit Herzchen verziertes Paket am Klebeband entlang aufschneiden würde. Nur dass die Pakete hier keine Geschenke in Pappkartons sind, sondern laut blökende, kreuz und quer durch einen Pferch springende Schafe.

Ich ziehe die lockere Wolldecke am Hinterteil des Tieres so weit wie möglich hoch, steche die Schere vorsichtig in den mit Schafdampf gefüllten Zwischenraum hinein, fahre gerade den Rücken entlang bis zum Hals und schneide anschließend die Seiten und um den Kopf herum. Die meisten Schafe, die auf meinem Tisch landen, haben anfänglich nicht die geringste Lust stillzuhalten. Auf dem kniehohen, kotverschmierten Holzpodest vor mir bocken sie wie Bullen beim Rodeo, knurren, werfen sich auf den Bauch oder versuchen, den Riegel der zweigeteilten, oval ausgeschnittenen Holzplatte aufzuschieben, in der ihr Kopf steckt. Um sie zu beruhigen, tätschle und kraule ich sie und murmle – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg – freundliche Worte, so was wie »Ist schon gut«, »Keiner tut dir was«, »Du bist aber eine Hübsche« und »Zeit für einen neuen Haarschnitt«.

Am besten kann ich Kurzhaarfrisuren mit Stufen. Und als Massage streiche ich den Schafen sanft über das Fell. Unter ihrem struppigen Haarkleid spüre ich einen pochenden Herzschlag, der mich an mein altes Leben erinnert, an dieses glitzernde, dröhnende Großstadt-Bum-Bum, das lange mein Antrieb war. Über zwanzig Jahre habe ich in Berlin als Journalistin gearbeitet, zehn davon als Society-Reporterin, die Hollywoodstars jagte und von Filmpremieren, Bällen und Wirtschaftsempfängen berichtete. Früher war ich die Klatschreporterin in High Heels, die auf dem Gesellschaftsparkett der Berliner Republik jeder kannte. Jetzt bin ich die, die in Gummistiefeln auf einem winzigen Archipel steht und mit den Schafen spricht.

Färöer. Achtzehn von Wind und Wetter umtoste Inseln mitten im Nordatlantik, irgendwo zwischen Island, Schottland und Norwegen. Bewohnt von ungefähr 53 000 Menschen und 70 000 Schafen. Die Inseln, die ich zu meinem zweiten Zuhause gemacht habe.

Ich mag alle Schafe um mich herum, die wilden, die ruhigen und die, die den Kopf schief legen, wenn ich sie mit meinen Fingerspitzen kraule; ich mag ihren Freiheitsdrang, ihr Temperament und wie sie aussehen, ihre Ohren, die sich wie Radarschirme drehen, sobald sie das leiseste Geräusch hören, ihre großen, seitlich am Kopf sitzenden Augen, ihre frechen und sanften Gesichter, ihr milchweißes, kakaobraunes, kastanienrotes und schwarzgraues Fell, uni und gescheckt, und ihre Wolle, die sich, Wasserfällen gleich, mit einer verschwenderischen Fülle aus Korkenzieherlocken und zotteligen Fransen über ihre Flanken ergießt. Dünne Beinchen tragen diese Tiere an die unglaublichsten Orte. Manchmal sehe ich sie am Rand einer senkrecht abfallenden Klippe grasen, oben die Schafe und 300 Meter weiter unten die aufgewühlte See. Ebenso mühelos trippeln und springen sie hinauf in die Berge, an steilen, grasbewachsenen Hängen entlang, über Geröll und treppenförmige Felsformationen bis hoch zu den nebelverhangenen Gipfeln der Färöer.

Von meinem Platz im Schafgatter aus sehe ich gezackte Bergrücken, ein tief eingeschnittenes Tal und mit Veilchen und Dotterblumen betupfte Juliwiesen. Und wenn ich mich, so wie jetzt, einmal im Kreis drehe, außerdem einen Feldweg, Pick-ups, schwanzwedelnde Border Collies, einen Stapel Pfannkuchen, auf Zaunlatten aufgetürmte Vliese, Nachbarn, meinen Mann und die versammelte schafscherende Dorfgemeinschaft. Mit meiner Freundin Malan, die auf der Tasche ihrer ausgebeulten Jogginghose ein Clipboard abstützt, tausche ich ein Lächeln aus. Ansonsten halte ich es wie die Färinger und Färingerinnen: bei der Schafschur viel schneiden und wenig reden. Meine Jeans, die am Knie gerissen ist, der heute früh noch dunkelblaue und nun mit wollweißen Fusseln übersäte Fleecepullover, die Uhr, die ich trage, meine mit einem ausgeleierten Frotteehaargummi zusammengebundenen Haare: Alles riecht nach Schaf. Die Hand, mit der ich die überdimensionale Schere halte, schmerzt, aber das cremige Lanolin, das in der Schafwolle steckt, hat sie weich gemacht.

Wind kommt auf, der salzige Luft vom nahen Ozean herüberträgt und im Tal Myriaden flaumweicher Wollgräser durchweht, ein Meer sanft schaukelnder Wattebäusche; direkt vor mir das wogende Heer der Schafe. Dreck spritzt, und weil ich mich gerade bücke, landet er nicht nur auf meiner Hose, sondern auch in meinem Gesicht. Wegwischen? Selbst wenn ich wollte, es wäre sinnlos. An mir klebt überall Schaf. Schmutziger könnte ich kaum sein. Aber auch nicht glücklicher.

Das metallische Schneidegeräusch meiner Schere, das Knarzen sich öffnender und schließender Gattertore, der sporadische Singsang melodisch-klarer und zischend-fließender, leichtzüngiger Worte: Mit einem Mal wird alles um mich herum leise und alles in mir drinnen laut. Eine Emotionswelle trifft mich, und Glückstränen schießen in meine Augen. Jetzt bloß nicht weinen. Auf gar keinen Fall will ich, dass mich irgendjemand so sieht. Nicht einmal die Schafe. Um wieder herunterzukommen, stelle ich mir vor, dass ich in der Yoga-Position Baum auf einer Schäfchenwolke stehe, die in Zeitlupe nach unten sinkt. Die Wolke ist mein Herzschlag, und der wird langsam wieder normal.

Eine Stunde später greife ich nach dem letzten Schaf. Zum letzten Mal an diesem Tag wate ich durch Schlamm, Schafkot und durchweichte Büschel gekräuselter Schafwolle. Mit dem Wasserschlauch am Pferch spüle ich meine Gummistiefel ab und werfe sie auf die Ladefläche unseres Wagens. Die 500 Meter bis nach Hause fahren wir mit dem Auto. Mit steifen Bewegungen ziehe ich mir die verdreckte Kleidung aus und gehe unter die Dusche. In den heißen Wasserstrahl, der auf mich herunterprasselt, mischen sich Lachen, Tränen und so ein Gefühl, die Welt umarmen zu wollen. So wie damals als Kind, als mir mein Kaninchen entwischte und mein Vater auf dem Friedhof, der an das Grundstück unserer Nachbarn grenzte, auf ein Grab hechtete und es wieder einfing.

Der Spiegel, die Wände, die Türen der Duschkabine: Alles beschlägt, aber ich sehe glasklar. Glück kann man nicht bestellen, aber man kann es wagen. Und wenn du ganz viel Glück hast, dann stehst du irgendwann in einem Haus mit Grasdach am Panoramafenster im Wohnzimmer und schaust zu, wie in der Bucht und über dem kleinen Dorf, das zu deinem zweiten Zuhause geworden ist, erdbeerrote und lilafarbene Wolken segeln. Es ist inzwischen kurz vor Mitternacht, meine Haare sind nass, mein Bauch ist voller Suppe, und in meinen butterweichen Händen, die immer noch ein bisschen nach Schaf riechen, halte ich ein Glas Rotwein.

 

Der nächste Morgen. Ab zur Tür, den kleinen orangefarbenen Rucksack auf dem Rücken. An den Füßen trage ich Wollsocken und meine Lieblingsgummistiefel, Naturkautschuk mit Profil, leicht, elastisch und dehnbares Innenfutter aus Jersey, dazu eine Jogginghose, ein T-Shirt und einen braun-weiß gemusterten Färöerpullover. Raus, das Knirschen von Schotter unter meinen Stiefeln, zwischen eng beieinanderstehenden Häusern und Schuppen hindurch – so eng, dass ich, wenn ich die Arme ausstrecke, links ein Holzpaneel und rechts ein Fundament aus Stein berühre. Ein bisschen mehr Dorf, halbe Gardinen, Blumentöpfe, Ferngläser und Buddelschiffe hinter Fensterglas. Der blaue Dorfbriefkasten. Die weiße Holzkirche mit dem grünen Wellblechdach, darunter das von der Decke hängende Modell eines Ruderbootes, Altarkerzen und die Gedenktafel für die Männer, die hinaus auf See fuhren und nicht zurückkamen. Jetzt das letzte Stückchen Dorf, karierte Hemden und selbst gestrickte Socken auf Wäscheleinen, ein Rhabarbergärtchen, eine Outdoorbadetonne, und dann patsche ich mit meinen Gummistiefeln auch schon durch Pfützen und Schlaglöcher, in denen Regenwasser steht, weiße Schafgarbenblüten, gelbes Habichtskraut und lilafarbene Braunellen am Wegesrand.

Stórá, der Bach, der aus den Bergen kommt, sich durchs Tal und unser Dorf schlängelt, unter der...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2022
Zusatzinfo Mit 24 Seiten Farbbildteil, Illustrationen und zwei Karten
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Europa
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte Abenteuer • Achtsamkeit in der Natur • alternativer Urlaub • Atlantik • Atlantikküste • Aufbruch • Ausbruch aus dem Alltag • Aus dem Alltag • Aus dem Leben • aus Deutschland weg • Auswanderer • Auswandern • Auswanderung • Bücher für den Urlaub • Buch über berufliche Veränderung • Buch über die Färöer • Buch übers Auswandern • Buch über Schafe • Dänemark • deutschland verlassen • Einklang mit der Natur • Färöer • Färöer-Inseln • Färöisch • Frauengeschichte • Freiheit finden • für die Natur begeistern • für Naturbegeisterte • Glück finden • glücklich werden • in der natur unterwegs • Inselleben • Island • kleines Island • Leben am Meer • Leben auf der Insel • Leben mit der Natur • Lebensmut • Lebensmut finden • Leben spüren • Lebensreise • Lebensverändernd • Lebensveränderung • Leben verändern • Naturbeobachtung • Natur erleben • Neuanfang • Neuanfang wagen • Neue Heimat • neue Heimat finden • neuer Alltag • neuer Lebensabschnitt • Neues Leben • neues Leben wagen • Nordatlantik • Nordische Länder • originelles Urlaubsziel • Persönliche Entwicklung • Persönliche Erfahrungen • Reisebericht • Reisebuch • Schafe • Schafe hüten • Schafe scheren • Schafe züchten • Sehnsuchtsort • Sehnsuchtsort Insel • sich lossagen • sich selbst finden • sich selbst neu entdecken • Skandinavien • Skandinavien Buch • Starke Frau • Tagebuch • Umbruch • Urlaubslektüre • Veränderung • Wagnis • wilde Natur • Wildes Leben • wildes Meer • Wildnis • Zweite Heimat
ISBN-10 3-492-60075-1 / 3492600751
ISBN-13 978-3-492-60075-0 / 9783492600750
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