Gebrauchsanweisung für Bayern (eBook)
224 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99850-5 (ISBN)
Bruno Jonas, geboren 1952 in Passau, ist Kabarettist, Schauspieler und Autor. 1979 entstand sein erstes Soloprogramm; von 1981 bis 1984 gehörte er als Autor und Akteur dem Ensemble der Münchner Lach- und Schießgesellschaft an. Im Fernsehen war er u.a. mit den Programmen »Extratour«, »Jonas«, »Scheibenwischer« und »Die Klugscheißer« zu sehen; als Bruder Barnabas auf dem Nockherberg las er den Politikern die Leviten. Bruno Jonas lebt mit seiner Familie in München und ist Autor erfolgreicher Bücher, u. a. der »Gebrauchsanweisung für Bayern« und der »Gebrauchsanweisung für das Münchner Oktoberfest«. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie den Kulturpreis Bayern und den Münchhausen-Preis. Zuletzt veröffentlichte er die Spiegel-Bestseller »Vollhorst« und »Totalschaden«.
Bruno Jonas, geboren 1952 in Passau, ist Kabarettist, Schauspieler und Autor. 1979 entstand sein erstes Soloprogramm; von 1981 bis 1984 gehörte er als Autor und Akteur dem Ensemble der Münchner Lach- und Schießgesellschaft an. Im Fernsehen war er u.a. mit den Programmen "Extratour", "Jonas", "Scheibenwischer" und "Die Klugscheißer" zu sehen; als Bruder Barnabas auf dem Nockherberg las er den Politikern die Leviten. Bruno Jonas lebt mit seiner Familie in München und ist Autor erfolgreicher Bücher, u. a. der "Gebrauchsanweisung für Bayern" und der "Gebrauchsanweisung für das Münchner Oktoberfest". Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie den Kulturpreis Bayern und den Münchhausen-Preis. Zuletzt veröffentlichte er die Spiegel-Bestseller "Vollhorst" und "Totalschaden" sowie die "Gebrauchsanweisung für das Jenseits".
Wo verläuft der Weißwurschtäquator?
Die Grenzen des Freistaates sind, rein geografisch, bekannt. Man kennt seine Grenzen. Oder besser gesagt, der Bayer kennt seine Grenzen. Nur, so ganz stimmt das nicht immer.
Wie übrigens vieles in Bayern nie so ganz stimmt. Alles hat zwei Seiten und manchmal auch mehr. Das mag mit einer typisch bayerischen Weltsicht zu tun haben, die in dem Satz zum Tragen kommt: Kannt sei, dass amoi wos sei kannt, kannt aa sei, dass nix is, aa wenn’s wos waar. In Bayern wissen alle, Einheimische und Zugezogene, dass immer alles auch ganz anders sein kann. Egal, worum es sich handelt, die Welt wird weiß-blau eingefärbt. Europa zum Beispiel wird mit allem, was dazugehört, unter die weiß-blaue Lupe gelegt und erscheint damit als große, irgendwie auch bayerische Idee, die von einem stolzen bayerischen Löwen kritisch beäugt wird. Es gibt einen alten Spruch, von dem Bayern-Experten behaupten, er stünde irgendwo in einem mittelalterlichen Kloster über einem Torbogen: Extra Bavariam nulla vita, et si est vita, non est ita. Solche Weisheiten werden immer noch gern auf Lateinisch ins Bewusstsein gerufen, um damit zu unterstreichen, dass Bayerns Anfänge in den Klöstern und Domschulen des frühen Mittelalters zu finden sind. Schon zu Beginn der 1500-jährigen Geschichte Bayerns habe sich ein starkes bayerisches Selbstbewusstsein herausgebildet. Ins Deutsche übersetzt heißt der Satz: Außerhalb Bayerns gibt es kein Leben, und falls doch, so ist es kein bayerisches. Das ist auf jeden Fall richtig. Es ist ja nicht abzustreiten, dass das Leben in Bayern eine andere Qualität aufweist als beispielsweise das in Nordrhein-Westfalen oder Mecklenburg-Vorpommern. Da brauchen wir gar nicht reden, das ist offensichtlich!
Eine sehr wichtige, wenn nicht die bedeutendste Differenz zu allen anderen Bundesländern stellt die CSU dar, die nur in Bayern wählbar ist und seit Jahrzehnten das bayerische Leben maßgeblich bestimmt. Das ist die Wahrheit. Wie überhaupt die Wahrheit über ihren religiösen Gehalt hinaus in der bayerischen Politik eine entscheidende Rolle spielt.
Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags, die eingesetzt werden, um »zweifelhafte Vorgänge« aufzuklären, fördern regelmäßig mehrere Wahrheiten zutage, die alle ihre Berechtigung haben. Wahr ist, dass in Bayern auch die Unwahrheit wahr sein kann.
Dabei spielt die Sprache die entscheidende Rolle. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein, der Österreicher war, also sprachlich im Grunde genommen ein Bayer, hat gesagt, dass »die Grenzen meiner Sprache die Grenzen meiner Welt bedeuten«. Auch wenn Sie der bayerischen Sprache nicht mächtig sind, sollten Sie, falls Sie einmal etwas nicht verstehen, was öfter der Fall sein wird, als Sie glauben, davon ausgehen, dass das Gesagte immer freundlich gemeint ist, auch wenn es aufs erste Hören nach dem Gegenteil klingt. Die Äußerung Leck mi am Arsch! muss nicht immer eine Aufforderung sein. Meistens bringt damit der gebildete Bayer seine Bewunderung für etwas Großes und Erhabenes zum Ausdruck. Die weisen Entscheidungen der bayerischen Staatsregierung werden oft mit einem »Da legst di nieder« oder eben mit einem »Leck mi am Arsch« kommentiert. Mit diesem Ausruf ist in jedem Fall ein Staunen verbunden.
Die Welt tritt uns (nicht nur) in Bayern manchmal in unheimlich blöder Gestalt gegenüber, und wir wissen uns dann nicht mehr anders zu helfen, als blöd daherzureden, weil wir glauben, damit angemessen auf die uns blöd kommende und damit widersinnig erscheinende Welt zu reagieren. Beim »Blöddaherreden« handelt es sich um eine sprachliche Finesse, um die blöde Welt und die Menschen miteinander ins Gleichgewicht zu bringen. Blöd ist nicht immer nur blöd. Blöd ist selten dumm! Das müssen wir scharf auseinanderhalten. Blödes und dummes Verhalten können auch identisch sein. Das ist richtig. Doch ist das Blöde meist nicht nur blöd und das Dumme nicht nur dumm. Es kommt auf den Subtext an. Dieser Subtext spielt in bayerischen Äußerungen eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Es gibt da zum Beispiel Fußball spielende Bayern, die grenzenlos blöd daherreden können. Nun könnte man sagen, dass das Blöddaherreden an sich für diese Sportart immanent und essenziell ist. Andererseits ist das Blöddaherreden hoch angesehen und zählt zu den schönen Künsten, die sich in Bayern großer Beliebtheit erfreuen. Dabei ist zu beachten, dass nicht alles, was sich blöd anhört, auch so gemeint sein muss. Gerade das Blöde kann gleichzeitig irrsinnig intelligent sein. Meistens sogar! Es kommt halt darauf an.
So hat der inzwischen zum Ehrenpräsidenten avancierte ehemalige Präsident des FC Bayern München, Franz Beckenbauer, der die wichtigsten bayerischen Wesenheiten, den Striezi, den Larifari und den Bazi, in sich in idealer Weise vereint, einmal öffentlich den Wunsch geäußert, das Olympiastadion in München möge von Terroristen in die Luft gesprengt werden, weil es als Fußballarena ganz und gar untauglich sei. Freilich war das nur ein Spaß, den aber manche gar nicht komisch finden konnten. Ja mei, so ist das halt, wenn eine Lichtgestalt einen Witz macht. Das Olympiastadion wurde übrigens nicht in die Luft gesprengt. Weder von Terroristen noch von irgendwelchen anderen Fanatikern, die der Architektur des »Zeltdaches« nichts abgewinnen können. Die Wettkampfarena der Olympischen Sommerspiele von 1972 befindet sich an der bekannten Stelle, wo sie betreten, bestaunt und sogar bestiegen werden kann. Es gibt tatsächlich geführte Wanderungen auf das Dach. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an die Olympiapark GmbH.
1974 wurden in diesem Stadion die deutschen Kicker der Fußballnationalmannschaft unter dem Kapitän Franz Beckenbauer Fußballweltmeister. Fußballspiele finden unter dem Zeltdach schon länger nicht mehr statt, weil es, wie gesagt, völlig ungeeignet für den Fußball ist. Der FC Bayern baute sich deshalb in Eigenregie und auf eigene Kosten eine imposante Spielstätte in der Fröttmaninger Heide, die den hohen Ansprüchen der fußballbegeisterten Massen entspricht. Wenn Sie mit dem Auto auf der A 9 von Nürnberg kommend nach München fahren, passieren Sie rechter Hand die Allianz-Arena, die nach Heimspielen des ruhmreichen FC Bayern den nördlichen Nachthimmel über München rot erleuchtet. Gelegentlich nimmt »der Franz« auf der Ehrentribüne Platz, um den Spielbetrieb seines Clubs zu beobachten und danach den Verlauf des Spiels zu kommentieren, wobei er mit seinen genialen Analysen die Fans begeistert.
Lichtgestalten, die aus der Masse herausragen, gab es in Bayern schon immer mehr als genug. Im Bereich des Sports wachsen sie jahraus, jahrein in schöner Regelmäßigkeit heran, um das Herz nicht nur der Bayern zu erwärmen. Nach ihrer aktiven Zeit bleiben sie als lebende Denkmäler in den Medien sichtbar. D’ Mittermaier Rosi, »unsere Gold-Rosi«, ihr Mustergatte, der Neureuther Christian, und deren Sohn Felix gehören ebenso in diese Reihe wie der »Goldrodler« Hackl Schorsch und die Biathletin Diesl Uschi und viele andere ehemalige Spitzenathleten und -athletinnen. Alle sind sie unvergessen und bringen sich als Experten ihrer Sportart im Bayerischen Fernsehen in Erinnerung.
Bayern ist voller Ausnahmegestalten, was eigentlich nicht verwundern kann, weil das Land selbst unter den sechzehn deutschen Bundesländern in vielerlei Hinsicht einen Ausnahmestatus genießt. Bayern ist nicht nur der größte Nettozahler im System des Länderfinanzausgleichs, Bayern ist auch ein kultureller Höchstleister, ein selbstloser Kulturspender und wird in der Welt als kultureller Repräsentant ganz Deutschlands wahrgenommen. Es ist deshalb nur logisch, dass es in der politischen Szene Bayerns von Persönlichkeiten mit außergewöhnlichen Eigenschaften nur so wimmelt. Man findet sie nicht nur in der CSU, wo sie in Rudeln auftauchen, sie treiben sich in allen bayerischen Parteien herum.
Greifen wir also willkürlich einen heraus: Einer, der sofort ins Auge fällt, ist der Scheuer, ein Niederbayer, der in Berlin und Brüssel als Verkehrsminister zeigt, was er draufhat. Er ist ein Mann, der den Ansprüchen an einen bayerischen Spitzenpolitiker in allen Belangen entspricht. Halbwahrheiten, Unwahrheiten, die offensive Lüge, souveränes Schweigen, er beherrscht alle Tricks, die einer braucht, um hohes Ansehen bei den Wählern zu genießen. Es gibt daneben aufrichtige, ja sogar ehrliche Politiker, aber die bleiben chancenlos, weil sie zu wenig Zustimmung finden. Sie dürfen untergeordnete Aufgaben übernehmen und weisungsgebunden handeln. Ganz anders der Andi, wie ihn Freunde und Weggefährten nennen. Der weiß genau, wo und wie es nach oben geht. Auch er ein Bazi, Larifari und Striezi, wie sie gar nicht so selten heranwachsen.
Der »Vater des modernen Bayern«, Franz Josef Strauß, auf den wir im Rahmen dieser Gebrauchsanweisung noch öfter zu sprechen kommen werden müssen, darf in dieser Aufzählung der ganz besonderen Bayern ebenso wenig fehlen wie Edmund Stoiber, Erwin Huber, Günther Beckstein, Horst Seehofer und Markus Söder, der vorläufig letzte starke Mann im Freistaat Bayern. Er wächst immer mehr in die Rolle eines großen Herrschers hinein und knüpft damit an die Regentschaften der Könige Max I., Max II., Ludwig I. und Ludwig II. an, der an Strahlkraft bis zum heutigen Tag kaum zu toppen ist. Man gab ihm den Beinamen »Märchenkönig«, weil er die Grenzen der Fantasie ins Reale verschoben hat. Söder ist bisher nicht mit Plänen für Märchenschlösser aufgefallen. Doch etwas uneingeschränkt Fantastisches ist ihm nicht abzusprechen.
Eine Grenzenlosigkeit tritt offen zutage, wenn er einen bayerischen Weltraumbahnhof...
Erscheint lt. Verlag | 1.4.2021 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
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